Simonianer

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Die Simonianer waren eine gnostische Sekte, die sich auf den in der Apostelgeschichte erwähnten Simon Magus als Gründer beriefen. Der Simonianismus, der in Konkurrenz zum beginnenden Christentum stand, blühte im 2. Jahrhunderts vor allem in Syrien, im manchen Gegenden Kleinasiens und in Rom. Reste dieser Anschauungen blieben bis ins 4. Jahrhundert erhalten.

Die große Offenbarung

Hippolyt von Rom gab in seiner Widerlegung aller Häresien einen ausführlichen Bericht[1] über die Lehren des Simon, die in der „Großen Offenbarung“ festgehalten sind und die Hippolyt als frühe Form des Valentinianismus ansieht. Es handel sich um eine Mischung aus hellenistischen, mittel- bzw. neuplatonistischen und jüdischen Elementen, verbunden mit einer allegorisierenden Auslegung der biblischen Schöpfungsgeschichte.

Das Feuer als Schöpfungsursprung

Ausgehend von 5 Mos 4,24 LUT: „Denn der HERR, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer und ein eifernder Gott“ und mit Bezug auf die Lehre Heraklits sieht Simon im Feuer den Ursprung aller Dinge, das für ihn aber kein einfaches Wesen ist, sondern, anklingend an die Akt und Potenz-Lehre des Aristoteles, zwei Naturen in sich trägt, eine offenbare, die äußerlich in Erscheinung tritt, und eine verborgene, rein geistige Natur. Dieses vollkommene und vernüftige (Ref. VI,11) überhimmlische Feuer ist die Quelle allen Seins, was Hippolyt wie folgt kommentiert:

„Simon deutet das Gesetz Mosis sinnlos und böswillig um: Wenn Moses sagt, daß „Gott ein verbrennendes und verzehrendes Feuer ist“[2], so behauptet Simon unter falscher Übernahme des Wortes des Moses, Feuer sei das Prinzip des Alls, und bedenkt dabei nicht, daß von Gott nicht gesagt ist, er sei Feuer, sondern ein verbrennendes und verzehrendes Feuer, und zerreißt so nicht nur das Gesetz des Moses selbst, sondern holt auch noch den dunklen Heraklitus zu sich herüber. Simon sagt weiter, das Prinzip des Alls sei eine unendliche Kraft, mit folgenden Worten: „Dies ist das Buch der Offenbarung der Stimme und des Namens aus der Erkenntnis der großen unendlichen Kraft. Deswegen wird es versiegelt, verborgen, verhüllt werden und in dem Raume liegen, wo die Wurzel des Alls sich gründet.“ Er sagt, der Raum sei dieser Mensch, aus Geblüt erzeugt, und in ihm wohne die unendliche Kraft, die die Wurzel des Alls ist. Diese unendliche Kraft ist das Feuer; nach Simon ist es nicht etwas Einfaches; die meisten anderen, die behaupten, die vier Elemente seien einfach, sind auch der Ansicht, das Feuer sei einfach; er aber meint, das Feuer habe gewissermaßen eine zweifache Natur, und einen Teil dieser Doppelnatur nennt er den verborgenen, den anderen den in Erscheinung tretenden; das Verborgene sei in dem, was am Feuer in Erscheinung tritt, verborgen, und das in Erscheinung Tretende des Feuers stamme aus dem Verborgenen. Es ist das, was Aristoteles Kraft (Potenz) und Wirkung (Aktualität) nennt, oder Plato das Erkennbare und das Fühlbare. Das, was vom Feuer in Erscheinung tritt, schließt alles in sich, was immer einer an sichtbaren Dingen wahrnimmt oder vielleicht übersieht; das Verborgene schließt alles in sich, was einer als geistig erkennbar und sich der sinnlichen Wahrnehmung entziehend wahrnimmt oder was er, ohne es wahrzunehmen, übersieht. Abschließend kann man sagen: Die Schatzkammer für alles Bestehende, sinnlich oder geistig Wahrnehmbare, das Simon verborgen oder in Erscheinung tretend nennt, ist das überhimmlische Feuer; es ist gleich dem großen Baum, den Nabuchodonosor im Traum geschaut[3] , von dem alles Fleisch ernährt wird.“

Hippolyt von Rom: Ref. VI,9

Die «sechs Wurzeln» und der «Siebente»

Aus dem ungezeugten Feuer entspringt die gezeugte Welt in sechs Wurzeln, die drei männlich-weibliche Paare bilden: Nus (Verstand) und Epinoia (Vorstellung), Phone (Laut) und Onoma (Name), Logismos (Urteil) und Enthymesis (Erwägung). In ihnen vereinigt sich - zunächst nur als Möglichkeit (Potenz) - der Siebente, die «unendliche Kraft»: „Diese unendliche Kraft nennt er den, der steht, gestanden ist, stehen wird.“ (Ref. VI,12) „Wenn dieser, der in den sechs Wurzeln sich befindet, ausgeprägt sein wird, so wird er im Wesen, in der Kraft, in der Größe und Vollendung ein und dasselbe wie die unerzeugte und unendliche Kraft sein, in nichts hinter der unerzeugten, unvergleichlichen, unendlichen Kraft zurückstehend.“ (Ref VI,12)

Nus und Epinoia sind zugleich Himmel und Erde, Phone und Onoma sind Sonne und Mond und Logismos und Enthymesis Luft und Wasser, wobei allen die «unendliche Kraft» beigemischt ist. (Ref. VI,13) Gemeinsam entsprechen sie den Schöpfungstagen der Bibel.

Das Paradies

Von dem Siebenten heißt es in der Genesis: „Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser“ (1 Mos 1,2 LUT) Er ist das unverderbte Bild des unendlichen, unerzeugten Gottes. Es wirkt auch in jedem Kind, das im Mutterschoß heranreift. Simon vergleicht nun, wobei er sich auf Moses beruft, das Paradies mit dem Mutterschoß und interpretiert damit den zweiten Schöpfungsbericht, die Paradieseserzählung (1 Mos 2,5-25 EU). Die Genesis, das 1. Buch Mose, repräsentiert insgesamt die Empfängnis und Reifung des Menschen im mütterlichen Organismus.

„Nach Simon nämlich steht es so geschrieben. Moses nennt allegorisch den Mutterschoß Paradies, wenn man dem Worte glauben darf. Wenn nun Gott den Menschen im Mutterschoße bildet, d. i. im Paradiese, wie ich sagte, so muß das Paradies der Mutterschoß sein, Edem das Bauchfell, „der Fluß, der aus Edem entspringt, das Paradies zu bewässern“[4], der Nabel. Dieser Nabel wird in vier Hauptströme geteilt; auf beiden Seiten des Nabels liegen zwei Arterien, Geisteskanäle, und zwei Venen, Blutkanäle. Wenn aber vom Bauchfell Edem ausgehend der Nabel dem Fötus um das Epigastrium einwächst, das man allgemein Nabel nennt..... die zwei Venen, durch die das Blut von dem Bauchfell Edem durch die sogenannten Pforten der Leber, die den Embryo nähren, fließt und getrieben wird; die Arterien, von denen wir gesagt haben, daß sie Kanäle des Geistes sind, umfassen auf beiden Seiten die Blase um die große Öffnung und vereinigen sich an der großen Arterie, an der sogenannten Aorta am Rücken, und so bewirkt der Geist, durch die Öffnungen ins Herz gelangend, die Bewegung der Embryonen.“

Hippolyt von Rom: Ref. VI,14

Der Fluß, der aus dem Garten Eden entspringt und sich in vier Hauptströme teilt, entspricht der Nabelschnur. Daraus bilden sich die fünf Sinne: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack und Gefühl (Ref. VI,15). Diese entsprechen zugleich, in der genannten Reihenfolge, den Fünf Büchern Moses.

Mit der Geburt erfolgt der Auszug (Exodus) aus dem mütterlichen Leib. Der Weg führt durch das Rote Meer - nach Simon das Blut - zu den mühseligen und bitteren Lebenserfahrungen, die erst durch Moses verwandelt süß werden (Ref. VI,15). Das Buch Levitikus handelt von Opfern und Opfergaben. „Wo immer aber Opfer ist, da entsteht Geruch von etwas Wohlduftendem durch die Brandopfer; für diesen Duft ist der Geruchsinn das Prüfungsmittel“ (Ref. VI,16) Voraussetzung für das Riechen ist aber die Einatmung. Die Zunge ist das Organ des Geschmackes und der Rede; dafür steht das vierte Buch, Numeri: „Weil es alles bespricht, wird es mit dem Wort Zahl (Numerus) benannt.“ (Ref. VI,16) Das fünfte und letzte Buch, Deuteronomium, ist die große Synthese aller anderen Bücher und steht für den Tastsinn: „Wie nämlich der Tastsinn die Wahrnehmungen der anderen Sinne durch Befühlen wiederholt und bestätigt, etwas als hart oder heiß oder feucht erweisend, so ist das fünfte Buch des Gesetzes die Wiederholung der vor ihm geschriebenen vier Bücher.“

Anmerkungen

  1. Hippolytus von Rom: Widerlegung aller Häresien (Refutatio omnium haeresium), Ref. VI,7-20 in der Bibliothek der Kirchenväter
  2. 5 Mos 4,24 EU
  3. Dan 4,7— 9 EU
  4. 1 Mos 2,10 EU