Kapital und Kapitalneutralisierung: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
 
imported>Joachim Stiller
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:GA296 064.jpg|thumb|400px|[[Kapital]] - [[Arbeit]] - [[Ware]]: Der Strom der Wirtschaftswerte in neuer Form bei [[Rudolf Steiner]]. {{GZ||296|64}}]]
Die '''Kapitalneutralisierung''' ist ein durch die [[Konvergenz|Konvergenzdiskussion]] ([[wikipedia:Dritter Weg|Dritter Weg]]), als auch die [[wikipedia:Alternativbewegung|Alternativbewegung]] gebräuchlich gewordener ökonomisch-rechtlicher Fachbegriff.


Das '''Kapital''' (von [[Latein|lat.]] ''caput'', "Kopf") ist der [[Geist]] des [[Wirtschaftsleben]]s. Durch das Kapital ragt das [[Geistesleben]] in das Wirtschaftsleben organisierend herein.
==  Neutralisierung des Kapitals nach Rudolf Steiner ==
Als erster hat [[Rudolf Steiner]], Begründer der [[Anthroposophie]], Überlegungen zur "Neutralisierung des Kapitals" angestellt.<ref>Rudolf Steiner: ''Zur Frage des Eigentums'', in: Soziale Zukunft, 3. Jg., (1958), Nr. 8 / 9, S. 104–105</ref>
Das durch den Einsatz individueller [[Fähigkeiten]] im Laufe der Zeit gebildete [[Eigentum]] an [[Produktionsmittel]]n, also das [[Kapital]] (im rechtlichen Sinne) soll den privaten Genußerwartungen seiner [[Eigentümer]] dadurch entzogen werden, indem es es nach einer gewissen Zeit der Nutzung durch den Eigentümer, oder einen sonstigen traditionellen [[dispositiver Faktor|dispositiven Faktor]], statt [[Vererbung|vererbt]] zu werden, in die Verwaltung eines Gliedes des [[Geistiger Organismus|geistigen Organismus]]<ref>Zu verstehen als organisatorischer und ideeller Zusammenschluß der Gebiete: Bildung, Kultur und Wissenschaft.</ref> übergeht, welches dieses wiederum an einen erneuten "Fähigen" zum weiteren wirtschaftlichen Gebrauche als [[Arbeitsleiter]] überträgt (=befristetes Eigentum).
Auch die Unternehmensleitung durch mehrere solcher "Fähiger" soll möglich sein.<ref>Vgl. Benediktus Hardorp: Führung ohne Hierarchie? In: Der Wirtschaftsprüfer als Unternehmensberater. Festschrift für Max Horn, Ulm 1974, S. 108 - 127</ref> Voraussetzung dazu sei aber ein neues [[Rechtssubjekt]], welches dazu führe, dass das Kapital gewissermaßen "sich selbst gehört". Dieses neue Rechtssubjekt steht in der Tradition der germanischen [[Allmende]] - und im Gegensatz zum [[Eigentum|Eigentumsbegriff]] des [[Römisches Recht#Römisches Recht unter besonderer Beachtung der Institute „Eigentum“ und „Besitz“|römischen Rechts]]. Dieses der rein privaten [[Theorie der Verfügungsrechte|Verfügungsmacht]] entzogene Kapital stellt somit ein eigentumsrechtlich "neutralisiertes Kapital" dar. Daher spricht man hier von "Kapitalneutralisierung".


{{GZ|Man kann im sozialen Lebendigen niemals verhindern, daß als selbstverständ­liche Begleiterscheinung des [[Arbeit]]ens der individuellen menschlichen Fähigkeiten '''Kapital''' entstehe, daß privates [[Eigentum an Produktions­mitteln]] sich herausbilde. Wenn jemand sich als Leitender einem Pro­duktionszweige widmet, und er auch ganz gerecht die erzeugten Pro­dukte teilt mit den handwerklich Mitarbeitenden, der soziale Organis­mus würde gar nicht bestehen können, wenn nicht als Begleiterscheinung [[Kapital]] auftreten würde, das der Einzelne besitzt, ebenso wie er das besitzt, was er für seinen eigenen Gebrauch benötigt, was er so pro­duziert, daß er es (z.B. gegen [[Geld]]) eintauschen will für seinen eigenen Gebrauch.
== Kapitalneutralisierung in der heutigen Gesellschaft ==
In einem Rechtssystem, das in der Tradition des [[römisches Recht|römischen Eigentumsbegriffes]] steht, sind die von Rudolf Steiner gewollten Reformen bzw. der Entzug von persönlichem [[Eigentum (Deutschland)|Eigentum]] nur bedingt möglich, etwa durch die Übertragung des Kapitals an eine [[gemeinnützige Stiftung]] oder an eine [[Genossenschaft]]. Die "Neutralisierung des Kapitals" ist unter heutigen Bedingungen aber prinzipiell möglich.<ref>Vgl. Ramon Brüll: Auf dem Wege zum neutralisierten Kapitaleigentum. In: Zeitschrift INFO3, Nr. 8, 1984, S. 19–21</ref>


Aber ebensowenig wie man denken kann, ob man nicht essen soll, weil man doch wieder hungrig wird, ebensowenig kann man darüber nachdenken, wie jegliche [[Kapitalbildung]] für immer verhindert wer­den soll. Man kann nur darüber nachdenken, wie dieses [[Kapital]] sich wiederum verwandeln muß in einem anderen Zeitpunkte, was aus ihm werden muß. Sie können nicht, ohne den sozialen Organismus in seiner Lebensfähigkeit zu untergraben, die [[Kapitalbildung]] verhindern wollen, Sie können nur wollen, daß das, was sich als [[Kapital]] bildet, nicht schädlich werde innerhalb des gesunden sozialen Organismus.
Modellhaft wurde dies bereits durch die [[Stiftung Aktion Dritter Weg]]<ref>''Aktion Dritter Weg. Ein Modellversuch''. Ein Bericht von Rudolf Saacke, in: Max V. Limbacher: Projekt Anthroposophie, Rowohlt Vlg., Reinbek bei Hamburg 1986, S. 97 - 106</ref> , den [[Scott Bader Commonwealth]] <ref> [http://www.scottbader.com/latest-news/353-scott-bader-celebrates-60th-commonwealth-anniversary.html Scott Bader Celebrates 60th Commonwealth Anniversary] </ref> und durch die nicht-gemeinnützige [[WALA-Stiftung]]<ref> [http://www.wala-stiftung.de/ Wala-Stiftung] </ref> sowie neuerdings auch von [[Götz W. Werner]] durch die [[dm-Stiftung]] <ref> [http://www.berliner-kurier.de/archiv/drogeriekoenig-verschenkt-seine-konzernanteile-an-stiftung--dm--gruender-goetz-werner,8259702,8190216.html "Drogeriekönig verschenkt seine Konzernanteile Stiftung"]</ref> versucht.


Was in solcher Art gefordert werden muß für die Gesundung des sozialen Organismus, ist nur im dreigliedrigen sozialen Organismus möglich. Denn nur im dreigliedrigen sozialen Organismus kann ebenso wie im menschlichen natürlichen Organismus das eine Glied im entgegengesetzten Sinne arbeiten wie das andere Glied. Es liegt im individuellen Interesse, daß ein Glied da ist im sozialen Orga­nismus, in dem die individuellen menschlichen [[Fähigkeiten]] zum Aus­druck kommen; es liegt aber in jedermanns Interesse, daß diese individuellen menschlichen Fähigkeiten nicht im Laufe der Zeit zum Schaden des Organismus sich umgestalten. Innerhalb des wirtschaft­lichen Kreislaufes wird sich immer [[Kapital]] bilden. Belassen Sie es im wirtschaftlichen Kreislauf, so führt es zu unbegrenzter [[Besitzanhäu­fung]]. Was durch die individuellen menschlichen Fähigkeiten sich als [[Kapital]] ansammelt, kann nicht in der wirtschaftlichen Sphäre belassen werden; es muß in die [[Rechtssphäre]] übergeleitet werden. Denn in dem Augenblick, wo der Mensch für das von ihm allein oder in Gemeinschaft Erzeugte mehr erwirbt als er verbraucht, in dem Augenblicke also, wo er [[Kapital]] ansammelt, ist sein Besitz ebenso­wenig eine [[Ware]], wie die menschliche [[Arbeitskraft]] eine [[Ware]] ist. Besitz ist ein Recht. Denn Besitz ist nichts anderes, als das ausschließ­liche Recht, eine Sache - sagen wir Grund und Boden oder ein Haus oder dergleichen - mit Hinwegweisung aller anderen zu be­nützen, über irgendeine Sache mit Hinwegweisung aller anderen zu verfügen. Alle anderen Definitionen des Besitzes sind unfruchtbar für das Verstehen des sozialen Organismus. In dem Augenblicke, wo der Mensch Besitz erwirbt, muß dieser innerhalb des rein politischen Staates, innerhalb des Rechtsstaates verwaltet werden. Aber der Staat darf nicht selbst erwerben, sonst würde er selbst Wirtschafter. Er hat es nur überzuleiten in den [[Geistiger Organismus|geistigen Organismus]], wo die individuellen Fähigkeiten der Menschen verwaltet werden. Heute wird ein solcher Prozeß nur mit den Gütern vollzogen, die unserer Zeit als die min­dersten gelten. Für diese gilt bereits, was ich jetzt ausgeführt habe. Für die wertvollen Güter gilt es nicht. Wenn heute einer etwas geistig produziert, sagen wir, ein sehr bedeutendes Gedicht, ein bedeutendes Werk als Schriftsteller, als Künstler, so kann er ja das Erträgnis bis 30 Jahre nach seinem Tode seinen Nachkommen vererben; dann geht es als [[freies Gut]] nicht auf seine Nachkommen, sondern auf die allge­meine [[Menschheit]] über. 30 Jahre nach seinem Tode kann man einen Schriftsteller in beliebiger Weise nachdrucken. Das entspringt einem ganz gesunden Gedanken, dem Gedanken, daß der Mensch auch das, was er in seinen individuellen Fähigkeiten hat, der [[Sozietät]] verdankt. Geradeso wie man nicht auf einer einsamen Insel, sondern nur im Zusammenhang mit den Menschen sprechen lernen kann, so hat man seine individuellen [[Fähigkeiten]] auch nur innerhalb der [[Sozietät]], - gewiß auf Grundlage des Karmas, aber das muß entwickelt werden durch die [[Sozietät]]. Die Früchte der individuellen Tätigkeit müssen wiederum an die [[Sozietät]] zurückfallen. Der Einzelne hat sie nur eine Zeitlang zu verwalten, weil es für den sozialen Organismus besser ist, wenn er sie verwaltet. Man kennt das, was man hervor­gebracht hat, selber am besten, daher kann man es zunächst auch am besten selber verwalten. Diese für die heutige [[Menschheit]] mindersten, nämlich die geistigen Güter, werden also in einer gewissen Weise unter Berücksichtigung des Zeitbegriffes sozial taxiert.
Auch die [[Neuguss GmbH]] und das "Modell Hoppmann" sind als kapitalneutralisierte Unternehmen anzusehen.<ref>Vgl. Projekt.Zeitung: 40 Jahre Neuguss - Festschrift und Glückwünsche, Berlin Dezember 2012 und http://www.neuguss.com/de/unternehmensentwicklung/aktuelle-struktur.html </ref><ref>Vgl. Wolfgang Belitz (Hg.): HOPPMANN - Eine unternehmerische Alternative, Pabst Vlg., Lengerich 2011</ref>


Einige kapitalistisch aussehende Zuhörer sollen neulich in Bern wütend geworden sein bei meinem Vortrage - so wurde mir be­richtet -, als ich sagte: Warum sollte denn zum Beispiel ein Gesetz unmöglich sein, das den Kapitalbesitzer verpflichtet, so und so viel Jahre nach seinem Tode sein [[Kapital]] zur freien Verwaltung einer [[Korporation]], der [[Geistige Organisation|geistigen Organisation]], des geistigen Teiles des sozialen Organismus zuzuweisen? Man kann sich gewiß verschiedene Arten, ein konkretes Recht festzusetzen, ausdenken. Aber wenn man heute den Menschen zumuten würde, auf etwas zurückzukommen, was in der alten hebräischen Zeit rechtens war: nach einer bestimmten Zeit die Güterverteilung neu vorzunehmen, - so würden sie das heute als etwas Unerhörtes ansehen. Was ist aber die Folge davon, daß die Menschen das als etwas Unerhörtes ansehen? Die Folge ist, daß diese Menschheit in den letzten viereinhalb Jahren zehn Millionen Menschen getötet, achtzehn Millionen zu Krüppeln gemacht hat, und daß sie sich anschickt, weiteres nach dieser Richtung zu tun. Besonnen­heit in solchen Dingen ist denn doch vor allen Dingen notwendig. Es ist tatsächlich nichts Unbedeutendes, wenn verlangt wird, daß zum Begreifen des sozialen Organismus der [[Zeit]]begriff herangezogen wird.|189|125ff}}
== Literatur ==
 
* [[Rudolf Steiner]]: ''Zur Frage des Eigentums'', in: Soziale Zukunft, 3. Jg., (1958), Nr. 8 / 9, S. 104 – 105
Damit spricht Rudolf Steiner in einer sehr elementaren Weise an, dass das gebildete [[Kapital]] nach einer gewissen Zeit des privaten Gebrauchs an die Allgemeinheit zurückfallen muss - und zwar: in die Verwaltung durch ein [[Glied des geistigen Organismus]], welches wiederum das [[Kapital]] an einen weiteren Fähigen zum erneuten wirtschaftlichen Gebrauche übergibt. Voraussetzung hierzu ist aber die Einführung eines neuen Rechtssubjekts, nämlich desjenigen der [[Kapitalneutralisierung]]. Das [[Kapital]] wird da am besten wirken, wo es den rein privaten, egoistischen Interessen entzogen ist, ja, wo das [[Kapital]] gewissermaßen "sich selbst gehört".
* [[Hans-Georg Schweppenhäuser]]: ''Das Eigentum an den Produktionsmitteln'', Berlin 1963
 
* [[Hans-Georg Schweppenhäuser]]: ''Macht des Eigentums'', Stuttgart 1970
{{GZ|Das kann sich nicht
* [[Sozialwissenschaftliches Forum]], Band 5: ''Eigentum - Die Frage nach der Sozialbindung des Eigentums an Boden und Unternehmen'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2000
ergeben in einem Wirtschaftsleben, dessen Impuls die Rentabilität
* [[Christoph Strawe]]: ''Marxismus und Anthroposophie'' (Dissertation), Klett-Cotta, Stuttgart 1986, S. 225
des Kapitalbesitzes ist, sondern allein in einem
* [[Folkert Wilken]]: ''Die Befreiung der Arbeit'', Vlg. Die Kommenden, Freiburg i.Br. 1965
solchen, das die Werte der Erzeugnisse aus den sich ausgleichenden
* [[Folkert Wilken]]: ''Das Kapital - Sein Wesen seine Geschichte und sein Wirken im 20. Jahrhundert'', Novalis Vlg., Schaffhausen 1976
Konsum- und Produktionsverhältnissen der
* [[Ramon Brüll]]: ''Auf dem Wege zum neutralisierten Kapitaleigentum''. In: Zeitschrift INFO3, Nr. 8, 1984, S. 19 - 21
sozialen Gesamtheit regeln kann. Eine solche soziale Gemeinschaft
* [[Ramon Brüll]]: ''Treuhandwirtschaft und unveräußerliches Kapital - Ein Vorschlag zur Bankenkrise''. In: Zeitschrift INFO3, Nr. 11, November 2008, S. 81 - 86
ist aber nur möglich, wenn die speziellen Berufs-,
* [[Ronald Richter]]: ''Schritte zum Verantwortungseigentum''. In: Zeitschrift INFO3, Dezember 2018, S. 10 - 11
Konsum- und Produktionsinteressen ihren Ausdruck finden
* [[Benediktus Hardorp]]: ''Kapitalverwaltung - eine Aufgabe des Geisteslebens. Zeitbedeutung und Gestaltungsansätze''. In: Dietz/Schmidt-Brabant/Biesantz/Kracht/Basfeld/Hardorp/Smit (Hg.): Geisteswissenschaft und Gesellschaftsgestaltung, Vlg. am Goetheanum, Dornach 1987, S. 73 - 84
in Assoziationen, die aus den einzelnen Zweigen des
* [[Ota Sik]]: ''Humane Wirtschaftsdemokratie'', Knaus Vlg., Hamburg 1979
Wirtschaftslebens selbst hervorgehen und die in der Gesamtgliederung
* [[Ota Sik]]: ''Ein Wirtschaftssystem der Zukunft'', Springer Vlg., Berlin/Heidelberg/New York/Tokio 1985
des Wirtschaftskörpers sich miteinander verständigen.
* [[Matthias Neuling]]: ''Rechtsformen für alternative Betriebe'' (Dissertation an der Universität Bremen), Hamburg 1984
Aus den speziellen Interessen der einzelnen Wirtschaftszweige
* [[Matthias Neuling]]: ''Auf fremden Pfaden. Ein Leitfaden der Rechtsformen für selbstverwaltete Betriebe und Projekte'', Stattbuch-Vlg., Berlin 1985
werden sich die Einzelassoziationen ergeben;
* [[Michael Heinen-Anders]]: ''Aus anthroposophischen Zusammenhängen'', BOD, Norderstedt 2010
in dem Zusammenschluß dieser Assoziationen und in dem
* [[Michael Heinen-Anders]]: ''Kapitalneutralisierung als Dreigliederungsaufgabe''. Eine interdisziplinäre betriebswirtschaftliche Studie, (Neuauflage), BOD, Norderstedt 2013
Zentralverwaltungskörper, der sich aus den Wirtschaftsinteressen
* [[Michael Heinen-Anders]]: ''Neue Eigentumsformen''. In: Jedermensch, Nr. 661 (2011), S. 15
herausgliedern wird, werden die sozialen Impulse
* [[Michael Heinen-Anders]]: ''Die Idee der Kapitalneutralisierung'', BoD, Norderstedt 2019
der Güterwertbildung liegen können. Man kann einen
einzelnen Betrieb nicht sozialisieren, denn die Sozialisierung
kann nur darin liegen, daß die Güterwertbildung, mit der
ein einzelner Betrieb in dem Gesamtwirtschaftsleben drinnensteht,
nicht unsozial wirkt. Durch eine in dieser Richtung
liegende wahre Sozialisierung wird dem Kapitalsystem
völlig diejenige Grundlage entzogen, durch die es als Privatbesitz
schädlich wirkt. (Die besondere Gestaltung des
Kapitalwesens in dem gesunden dreigliederigen Organismus
habe ich in meinem Buche «Die Kernpunkte der sozialen
Frage» geschildert.) Es sollte doch klar sein, daß man
das Kapital nicht «abschaffen» kann, insofern es in nichts
anderem besteht als in den für die soziale Gemeinschaft
arbeitenden Produktionsmitteln. Schädlich wirkt nicht das
Kapital, sondern seine Verwaltung aus den Privatbesitzverhältnissen
heraus, wenn diese Privatbesitzverhältnisse
die soziale Struktur des Wirtschaftskörpers von sich abhängig
machen können. Geht diese Struktur auf die gekennzeichnete
Art aus dem wirtschaftlichen Assoziationswesen
hervor, dann wird dem Kapital jede Möglichkeit entzogen,
antisozial zu wirken. Eine solche soziale Struktur wird
stets verhindern, daß der Kapitalbesitz sich loslöst von dem
Verwalten der Produktionsmittel und zum Strebensimpuls
derer wird, die nicht durch Anteilnahme an dem Wirtschaftsprozeß
ihr Leben gestalten wollen, sondern ohne
Anteilnahme aus diesem heraus. Man kann allerdings einwenden,
daß für diejenigen, die am Wirtschaftsprozeß mitarbeiten,
nichts herauskommen würde, wenn man die Erwerbungen
der Nichtarbeitenden «aufteilen» würde. Das
besticht, weil es richtig ist, und es verhüllt doch die Wahrheit,
weil seine Richtigkeit für die Gestaltung des sozialen
Organismus keine Bedeutung hat. Denn nicht darauf beruht
die Schädlichkeit der nichtarbeitenden Rentenbesitzer, daß
sie ein verhältnismäßig Weniges den Arbeitenden entziehen,
sondern darauf, daß sie durch die Möglichkeit, arbeitsloses
Einkommen zu erzielen, dem ganzen Wirtschaftskörper ein
Gepräge geben, das antisozial wirkt. Derjenige ganze Wirtschaftskörper
ist etwas anderes, in dem arbeitsloses Einkommen
unmöglich ist, als der andere, in dem ein solches
erzeugt werden kann, wie ein menschlicher Organismus
etwas anderes ist, bei dem sich an keiner Stelle ein Geschwür
bilden kann, als ein solcher, in dem sich das Ungesunde
in einer Geschwürbildung an einer Stelle entlädt.|024|214ff}}


== Kapital und Geistesleben ==
== Weblinks ==
*[http://pdfarchiv.zeit.de/1985/49/wer-haftet-fuer-die-spinner.pdf Marlene Kück: ''Wer haftet für die „Spinner“?''In Die Zeit.Nr 49. November 1985.] Weblink
* [https://www.welt.de/politik/ausland/article109328504/Fast-100-Milliardaere-spenden-ihr-halbes-Vermoegen.html?fbclid=IwAR1mFEsXx7QFw0JSWfLx5PVODWtc0TQss-hfxYzjWA0nVhx9MLXqPRAoBWA Bill Gates und 92 weitere Millardäre geben mindestens die Hälfte ihres Vermögens in gemeinnützige Stiftugen] Weblink


{{GZ|Das [[Geistesleben]], wie ich es meine, ist in meinen «Kernpunkten
== Einzelnachweise ==
der Sozialen Frage» so geschildert, daß es werden muß zum
<references/>
Regulator gerade des Kapitals. Dann wird das, was für die neuere
Entwicklung notwendig ist, die Anhäufung von Kapital oder Produktionsmitteln,
durch den Geist - der es durchleuchtet, wenn der
Geist in seiner Freiheit, in seiner Fruchtbarkeit, in seinem Fortschreiten
von Generation zu Generation neu sich bilden wird -,
dann wird das Kapital durch den Geist auch das in sich tragen, was
zum Beispiel [[Wikipedia:John Maynard Keynes|Keynes]] und andere vermissen: Moralität. Und dann
wird im Wirtschaftsleben nicht ein auf Egoismus und nur Selbsterwerb
gestellter Kapitalismus leben, dann wird ein geistdurchtränkter
Kapitalismus leben, eben aus Einsicht in die Welt- und
Menschheits- und Daseinsnotwendigkeiten, und wird im Sinne der
im neuen Geistesleben erzogenen Menschen wirken.|335|498}}
 
{{GZ|Nehmen wir eine bestimmte Tatsache. Nicht wahr, der Protestantismus
ist einmal entstanden. In den Geschichtsbüchern wird es ja sehr
häufig so erzählt, daß der [[Wikipedia:Johann Tetzel|Tetzel]] herumgezogen ist innerhalb Mitteleuropas,
und daß die Leute entrüstet waren über den Ablaßverkauf
und dergleichen. Aber das war es nicht allein, das ist nur die Oberflächenansicht.
Die Hauptsache, die dahinter stak, war die Tatsache,
daß es in Genua ein Bankhaus gab, in dessen Auftrag, nicht im Auftrag
des Papstes, dieser Ablaßkrämer in Deutschland herumzog, denn
dieses Bankhaus hatte dem Papst für seine anderen Bedürfnisse den
Kredit gewährt. Die ganze Geschichte war eine kapitalistische Unternehmung.
An diesem Beispiel einer kapitalistischen Unternehmung des
Ablaßhandels, wo eben auch mit Geistigem sogar gehandelt worden
ist, an diesem Beispiel können Sie studieren, oder besser gesagt, wenn
man da anfängt zu studieren, kommt man allmählich darauf, daß
schließlich alle Kapitalmacht zurückgeht auf die übermacht des Geistigen.
Und so ist es. Studieren Sie, wie das Kapital eigentlich zu seiner
Macht gekommen ist, so finden Sie überall die übermacht des Geistigen.
Nicht wahr, wer schlau ist, wer findig ist, der hat eine größere
Macht als derjenige, der nicht schlau, der nicht findig ist. Und auf diese
Art entsteht gerechtfertigter-, aber auch ungerechtfertigterweise vieles,
was Zusammenscharrung des Kapitals ist. Das muß berücksichtigt werden,
wenn man ins Auge faßt den Kapitalbegriff. Bei solchen realen
Studien kommt man dahinter, daß Kapital auf Entfaltung der geistigen
Macht beruht, und daß zu den Grund- und Bodenrechten, zu
den Erobererrechten, von anderer Seite hinzugekommen ist die Macht
des alten theokratischen Geistes. Von der alten Kirche ist viel von dem
ausgegangen, was dann übergegangen ist eigentlich in den modernen
Kapitalismus. Es gibt einen geheimen Zusammenhang zwischen der
modernen kapitalistischen Macht und der Macht der alten Kirche. Und
das alles hat sich in einem Kuddelmuddel zusammengezogen in den
modernen Machtstaat. Da drinnen finden Sie die Oberreste der alten
Theokratie, die Überreste der alten Eroberungen.|330|412f}}
 
[[Joachim Stiller]] bringt alles oben Gesagte in unmittelbarer Anlehnung an [[Wilhelm Schmundt]] und [[Joseph Beuys]], auf folgende einfache Formel:
 
'''Fähigkeiten = Kapital ([[Stiller]])'''


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kapital}}
*[[Soziale Dreigliederung]]
* [[Kapitalismus]]


== Literatur ==
== Weblinks ==


* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft'', [[GA 23]], Dornach 1976 ISBN 978-3-7274-6061-6 {{Schriften|023}}
* [http://www.odysseetheater.com/ftp/anthroposophie/Michael_Heinen-Anders/Kapitalneutralisierung%20als%20Dreigliederungsaufgabe%201985,2009,%20Stand%201.6.09.pdf Michael Heinen-Anders: Kapitalneutralisierung als Dreigliederungsaufgabe]
* [[Rudolf Steiner]]: ''Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage 1915 – 1921'', [[GA 24]] (1982), ISBN 3-7274-0240-7; '''Tb 667''', ISBN 978-3-7274-6670-0 {{Schriften|024}}
* [http://www.kj.nomos.de/fileadmin/kj/doc/1986/19863Neuling_S_309.pdf Kommentare zu Matthias Neuling: Rechtsformen für alternative Betriebe]
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die soziale Frage als Bewußtseinsfrage'', [[GA 189]], Dornach 1980 ISBN 3-7274-1890-7 {{Vorträge|189}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Neugestaltung des sozialen Organismus'', [[GA 330]] (1983), ISBN 3-7274-3300-0 {{Vorträge|330}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Krisis der Gegenwart und der Weg zu gesundem Denken'', [[GA 335]] (2005), ISBN 3-7274-3350-7 {{Vorträge|335}}
* [[Michael Heinen-Anders]]: ''Aus anthroposophischen Zusammenhängen'', Norderstedt 2010
* Themenheft Die Drei: ''Die Zähmung des Geldes - Aufgaben einer modernen Kapitalwirtschaft'', Themenheft Nr. 2, 2007, [http://diedrei.org/hefte-anzeigen/inhalt/heft-2-2007.html]
* [[Christoph Strawe]]: ''Marx heute - Was bleibt von der Mehrwerttheorie? Zur Problematik des Marx‘schen Kapitalbegriffs'', Sozialimpulse 01/08, 2008, S. 13-20, [http://www.sozialimpulse.de/fileadmin/sozialimpulse/pdf/Was_bleibt_von_der_Mehrwerttheorie.pdf PDF]
* Stephan Eisenhut: ''Kapital und Postmaterialismus. Die materialistische Kapitalauffassung bei Karl Marx und in der neoliberalen Wirtschaftskultur der Gegenwart im Vergleich mit der postmaterialistischen Kapitaltheorie Rudolf Steiners'', 2006, [http://www.dreigliederung.de/essays/2006-03-002.html PDF]


{{GA}}
[[Kategorie:Anthroposophische Wirtschaftswissenschaft]]
[[Kategorie:Gemeinnützige Wirtschaft]]
[[Kategorie:Halböffentliches Recht]]
[[Kategorie:Soziale Dreigliederung|J]]
[[Kategorie:Wirtschaftsmodell]]
[[Kategorie:Wirtschaftsleben]]
[[Kategorie:Wirtschaft]]
[[Kategorie:Geldwesen]]
[[Kategorie:Recht]]


[[Kategorie:Marxistische Wirtschaftstheorie]]
[[Kategorie:Wirtschaftswissenschaften]]
[[Kategorie:Kapital - Arbeit - Ware|101]]
[[Kategorie:Kapital|!101]]
{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 11. Juni 2020, 12:51 Uhr

Die Kapitalneutralisierung ist ein durch die Konvergenzdiskussion (Dritter Weg), als auch die Alternativbewegung gebräuchlich gewordener ökonomisch-rechtlicher Fachbegriff.

Neutralisierung des Kapitals nach Rudolf Steiner

Als erster hat Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie, Überlegungen zur "Neutralisierung des Kapitals" angestellt.[1] Das durch den Einsatz individueller Fähigkeiten im Laufe der Zeit gebildete Eigentum an Produktionsmitteln, also das Kapital (im rechtlichen Sinne) soll den privaten Genußerwartungen seiner Eigentümer dadurch entzogen werden, indem es es nach einer gewissen Zeit der Nutzung durch den Eigentümer, oder einen sonstigen traditionellen dispositiven Faktor, statt vererbt zu werden, in die Verwaltung eines Gliedes des geistigen Organismus[2] übergeht, welches dieses wiederum an einen erneuten "Fähigen" zum weiteren wirtschaftlichen Gebrauche als Arbeitsleiter überträgt (=befristetes Eigentum). Auch die Unternehmensleitung durch mehrere solcher "Fähiger" soll möglich sein.[3] Voraussetzung dazu sei aber ein neues Rechtssubjekt, welches dazu führe, dass das Kapital gewissermaßen "sich selbst gehört". Dieses neue Rechtssubjekt steht in der Tradition der germanischen Allmende - und im Gegensatz zum Eigentumsbegriff des römischen Rechts. Dieses der rein privaten Verfügungsmacht entzogene Kapital stellt somit ein eigentumsrechtlich "neutralisiertes Kapital" dar. Daher spricht man hier von "Kapitalneutralisierung".

Kapitalneutralisierung in der heutigen Gesellschaft

In einem Rechtssystem, das in der Tradition des römischen Eigentumsbegriffes steht, sind die von Rudolf Steiner gewollten Reformen bzw. der Entzug von persönlichem Eigentum nur bedingt möglich, etwa durch die Übertragung des Kapitals an eine gemeinnützige Stiftung oder an eine Genossenschaft. Die "Neutralisierung des Kapitals" ist unter heutigen Bedingungen aber prinzipiell möglich.[4]

Modellhaft wurde dies bereits durch die Stiftung Aktion Dritter Weg[5] , den Scott Bader Commonwealth [6] und durch die nicht-gemeinnützige WALA-Stiftung[7] sowie neuerdings auch von Götz W. Werner durch die dm-Stiftung [8] versucht.

Auch die Neuguss GmbH und das "Modell Hoppmann" sind als kapitalneutralisierte Unternehmen anzusehen.[9][10]

Literatur

  • Rudolf Steiner: Zur Frage des Eigentums, in: Soziale Zukunft, 3. Jg., (1958), Nr. 8 / 9, S. 104 – 105
  • Hans-Georg Schweppenhäuser: Das Eigentum an den Produktionsmitteln, Berlin 1963
  • Hans-Georg Schweppenhäuser: Macht des Eigentums, Stuttgart 1970
  • Sozialwissenschaftliches Forum, Band 5: Eigentum - Die Frage nach der Sozialbindung des Eigentums an Boden und Unternehmen, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2000
  • Christoph Strawe: Marxismus und Anthroposophie (Dissertation), Klett-Cotta, Stuttgart 1986, S. 225
  • Folkert Wilken: Die Befreiung der Arbeit, Vlg. Die Kommenden, Freiburg i.Br. 1965
  • Folkert Wilken: Das Kapital - Sein Wesen seine Geschichte und sein Wirken im 20. Jahrhundert, Novalis Vlg., Schaffhausen 1976
  • Ramon Brüll: Auf dem Wege zum neutralisierten Kapitaleigentum. In: Zeitschrift INFO3, Nr. 8, 1984, S. 19 - 21
  • Ramon Brüll: Treuhandwirtschaft und unveräußerliches Kapital - Ein Vorschlag zur Bankenkrise. In: Zeitschrift INFO3, Nr. 11, November 2008, S. 81 - 86
  • Ronald Richter: Schritte zum Verantwortungseigentum. In: Zeitschrift INFO3, Dezember 2018, S. 10 - 11
  • Benediktus Hardorp: Kapitalverwaltung - eine Aufgabe des Geisteslebens. Zeitbedeutung und Gestaltungsansätze. In: Dietz/Schmidt-Brabant/Biesantz/Kracht/Basfeld/Hardorp/Smit (Hg.): Geisteswissenschaft und Gesellschaftsgestaltung, Vlg. am Goetheanum, Dornach 1987, S. 73 - 84
  • Ota Sik: Humane Wirtschaftsdemokratie, Knaus Vlg., Hamburg 1979
  • Ota Sik: Ein Wirtschaftssystem der Zukunft, Springer Vlg., Berlin/Heidelberg/New York/Tokio 1985
  • Matthias Neuling: Rechtsformen für alternative Betriebe (Dissertation an der Universität Bremen), Hamburg 1984
  • Matthias Neuling: Auf fremden Pfaden. Ein Leitfaden der Rechtsformen für selbstverwaltete Betriebe und Projekte, Stattbuch-Vlg., Berlin 1985
  • Michael Heinen-Anders: Aus anthroposophischen Zusammenhängen, BOD, Norderstedt 2010
  • Michael Heinen-Anders: Kapitalneutralisierung als Dreigliederungsaufgabe. Eine interdisziplinäre betriebswirtschaftliche Studie, (Neuauflage), BOD, Norderstedt 2013
  • Michael Heinen-Anders: Neue Eigentumsformen. In: Jedermensch, Nr. 661 (2011), S. 15
  • Michael Heinen-Anders: Die Idee der Kapitalneutralisierung, BoD, Norderstedt 2019

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rudolf Steiner: Zur Frage des Eigentums, in: Soziale Zukunft, 3. Jg., (1958), Nr. 8 / 9, S. 104–105
  2. Zu verstehen als organisatorischer und ideeller Zusammenschluß der Gebiete: Bildung, Kultur und Wissenschaft.
  3. Vgl. Benediktus Hardorp: Führung ohne Hierarchie? In: Der Wirtschaftsprüfer als Unternehmensberater. Festschrift für Max Horn, Ulm 1974, S. 108 - 127
  4. Vgl. Ramon Brüll: Auf dem Wege zum neutralisierten Kapitaleigentum. In: Zeitschrift INFO3, Nr. 8, 1984, S. 19–21
  5. Aktion Dritter Weg. Ein Modellversuch. Ein Bericht von Rudolf Saacke, in: Max V. Limbacher: Projekt Anthroposophie, Rowohlt Vlg., Reinbek bei Hamburg 1986, S. 97 - 106
  6. Scott Bader Celebrates 60th Commonwealth Anniversary
  7. Wala-Stiftung
  8. "Drogeriekönig verschenkt seine Konzernanteile Stiftung"
  9. Vgl. Projekt.Zeitung: 40 Jahre Neuguss - Festschrift und Glückwünsche, Berlin Dezember 2012 und http://www.neuguss.com/de/unternehmensentwicklung/aktuelle-struktur.html
  10. Vgl. Wolfgang Belitz (Hg.): HOPPMANN - Eine unternehmerische Alternative, Pabst Vlg., Lengerich 2011

Siehe auch

Weblinks


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Kapitalneutralisierung aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.