Inkarnation Ahrimans und Die Erziehung des Menschengeschlechts: Unterschied zwischen den Seiten

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Eine '''Inkarnation Ahrimans''' wird laut [[Rudolf Steiner]] im 3. Jahrtausend im Westen stattfinden.
'''Die Erziehung des Menschengeschlechts''' ist das religionsphilosophische Hauptwerk [[Gotthold Ephraim Lessing]]s.


{{GZ|Geradeso wie es eine [[Inkarnation]] [[Luzifer]]s im Beginn des 3. vorchristlichen Jahrtausends (in China) gegeben hat, wie es die [[Christus]]-[[Inkarnation]] gegeben hat zur Zeit des Mysteriums von Golgatha, so wird es einige Zeit nach unserem jetzigen Erdendasein, etwa auch im 3. nachchristlichen Jahrtausend, eine westliche [[Inkarnation]] des Wesens [[Ahriman]] geben.|193|165}}
Die besondere Bedeutung des Textes erschließt sich nicht auf den ersten Blick, besonders wenn man die Fiktion ernst nimmt, die Schrift sei von einem „guten Freund“, der sich gern „allerlei Hypothesen und Systeme“ mache, „um das Vergnügen zu haben, sie wieder einzureißen“ (Brief an [[Wikipedia:Hermann Samuel Reimarus|H.S. Reimarus]], [[Wikipedia:16. April|16. April]] [[Wikipedia:1778|1778]]).


== Weitere Ausführungen Steiners ==
Sie ergibt sich aber bei genauerer Untersuchung aus drei Zusammenhängen:
# der Stellung im Gesamtwerk;
# dem Text selber;
# den Argumentationszusammenhängen zu den anderen religionsphilosophischen Schriften.


Nach einer Bemerkung [[Rudolf Steiner]]s wäre der "rechtmässige" Zeitpunkt einer solchen '''Inkarnation Ahrimans''' das Jahr [[2664]]<ref>Vgl. Bernard Lievegoed: ''Das Gute tun''. Ankommen im 21. Jahrhundert, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2012, S. 29, s. a. Anmerkung</ref>. [[Ahriman]] wird aber alles daran setzten um sich ggf. auch schon früher inkarnieren zu können. Als eine kritische Phase galt das Jahr [[1998]].
== Entstehungsgeschichte ==
Nach einer persönlichen Mitteilung von [[Hermann Keimeyer]], hat es [[Ahriman]] aber nicht geschafft bereits [[1998]] zu inkarnieren. Auch [[2012]] scheidet nach [[Hermann Keimeyer]], im Gegensatz zu der Angabe von [[Robert Powell]] in seinem Buch "Christus und der Mayakalender" (Lit.: S. 172) als Jahr der kommenden '''Inkarnation Ahrimans''' aus<ref>Vgl. Hermann Keimeyer: ''Wann kommt die Inkarnation von Ahriman ? Mit 2012 irrt Robert Powell'', siehe Weblinks</ref>.


Die Impulse, welche die Inkarnation Ahrimans vorbereiten und mit Beginn des [[21. Jahrhundert]]s noch stärker geworden sind, dürfen nicht übersehen werden. Rudolf Steiner nennt u. a. das vorherrschende mechanistisch-mathematische Denken in den [[Wissenschaft]]en, das einseitige Streben nach materiellem Wohlstand, den zunehmenden [[Nationalismus]], das Kleben an verschiedensten Parteimeinungen und eine einseitige Auffassung der [[Evangelium|Evangelien]], die das Verständnis für das wahre [[Christentum]] verhindern. Dennoch geht es nicht darum, die Inkarnation Ahrimans etwa verhindern zu wollen, denn sie ist für die [[Menschheitsentwicklung]] ebenso notwendig wie die [[Inkarnation Luzifers]] in der vorchristlichen Zeit. Ahriman hat auf Erden wichtige Aufgaben zu vollbringen. Fruchtbar wird sein Wirken aber nur sein können, wenn es mit vollem Bewusstsein erkannt und richtig eingeschätzt wir.
Die „Erziehung des Menschengeschlechts“ gehört zu Lessings Spätwerk, kann also nicht als jugendliches Herumexperimentieren mit zweifelhaften Hypothesen angesehen werden, sondern muss als Ergebnis jahrelanger Beschäftigung mit dem Thema gelten.


{{GZ|Dann aber
Die §§ 1-53 sind zuerst [[Wikipedia:1777|1777]] erschienen als Teil des [[Wikipedia:Fragmentenstreit|Fragmentenstreit]]s mit Hauptpastor [[Wikipedia:Johann Melchior Goeze|Johann Melchior Goeze]] („Anti-Goeze“, 1778) und anderen. Innerhalb dieses bedeutenden Zusammenhangs nimmt die Schrift eine Sonderstellung ein, weil es der größte von Lessing selbst verfasste zusammenhängende Teil ist und sich somit aus dem Status reiner „Gegensätze“ hervorhebt. Die komplette Schrift (§§ 1-100) erschien 1780, in dem Jahr, in dem auch die so genannten „Jacobi-Gespräche“ geführt wurden, eine der wenigen Äußerungen Lessings, in denen er ohne taktische und „erzieherische“ Filterungen seine eigenen Ansichten über die Religion darlegt.
wird eine Zeit kommen, wo ebenso wie im Orient in einer irdischen
Persönlichkeit sich Luzifer einstmals verkörpert hat, um gerade das
Christentum vorzubereiten bei den Heiden, wo ebenso im Westen
die irdische Verkörperung des wirklichen Ahriman auftreten wird.
Dieser Zeit gehen wir entgegen. Objektiv wird Ahriman auf der Erde
wandeln. So wahr als Luzifer gewandelt hat und Christus gewandelt
hat objektiv in einem Menschen, wird Ahriman mit ungeheurer
Macht zu irdischer Verstandeskraft auf der Erde wandeln. Wir Menschen
haben nicht die Aufgabe, die Inkarnation des Ahriman etwa
zu verhindern, aber wir haben die Aufgabe, die Menschheit so vorzubereiten,
daß Ahriman in der richtigen Weise eingeschätzt wird.
Denn Ahriman wird Aufgaben haben, er wird das eine und das andere
tun müssen, aber die Menschen werden in der richtigen Weise
dasjenige einschätzen und verwenden müssen, was durch Ahriman
in die Welt kommt. Das werden sie nur können, wenn sie in der
richtigen Weise sich einstellen können heute schon zu demjenigen,
was jetzt schon Ahriman so von jenseitigen Welten aus auf die Erde
sendet, daß er einmal wirtschaften kann auf der Erde, ohne daß er
bemerkt wird. Das darf nicht sein. Ahriman darf nicht auf der Erde
so wirtschaften, daß er nicht bemerkt wird; man muß ihn in seiner
Eigentümlichkeit voll erkennen, man muß ihm mit vollem Bewußtsein
sich entgegenstellen können.|195|39}}


{{GZ|Am günstigsten würde es ja zweifellos für Ahriman sein, wenn er
Allein schon durch diese zeitliche und werksgeschichtliche Stellung wird die Bedeutung der Schrift klar. Außerdem erschien zur selben Zeit (1779) „[[Wikipedia:Nathan der Weise|Nathan der Weise]]“, Lessings dramatisches Hauptwerk, das eine ganz ähnliche Thematik behandelt. Dass Lessing dieses Werk durchaus als Fortsetzung der religionsphilosophischen Diskussion versteht, zeigt folgende Äußerung:
es dahin brächte, daß die weitaus größte Anzahl der Menschen keine
Ahnung hätte von dem, was eigentlich zur Begünstigung seines Daseins
hinführen könnte; wenn die weitaus größte Anzahl von Menschen
so dahinleben würde, daß diese Vorbereitungen für die Ahrimaninkarnation
abliefen, aber die Menschen sie für etwas Fortschrittliches,
Gutes, der Menschheitsentwickelung Angemessenes hielten.
Wenn sich gewissermaßen Ahriman in eine schlafende Menschheit
hereinschleichen könnte, dann würde ihm das am allerangenehmsten
sein. Deshalb müssen diejenigen Ereignisse aufgezeigt werden, in
denen Ahriman arbeitet für seine künftige Inkarnation.


Sehen Sie, eine derjenigen Entwickelungstatsachen, in denen, ich
:„''Ich muß<!--sic!--> versuchen, ob man mich auf meiner alten Kanzel, auf dem Theater wenigstens, noch ungestört will predigen lassen.''“
möchte sagen, deutlich zu vernehmen ist der Impuls des Ahriman,
:(Brief an E. Reimarus, [[Wikipedia:6. September|6. September]] [[Wikipedia:1778|1778]])
das ist die Verbreitung des Glaubens unter der Menschheit, daß man
durch jene mechanisch-mathematische Erfassung des Weltenalls, welche
durch den Galileismus, Kopernikanismus und so weiter gekommen
ist, wirklich verstehen könne dasjenige, was da draußen im Kosmos
sich abspielt. Deshalb muß ja so streng von anthroposophisch
orientierter Geisteswissenschaft betont werden, daß man Geist und
Seele suchen muß im Kosmos, nicht bloß dasjenige, was der Galileismus,
der Kopernikanismus suchen als Mathematik, Mechanik, wie
wenn die Welt eine große Maschine wäre. Es würde eine Verführung
durch Ahriman sein, wenn die Menschen stehenbleiben dabei, nur die
Umlaufzeiten der Gestirne zu berechnen, nur Astrophysik zu studieren,
um hinter die stofflichen Zusammensetzungen der Himmelskörper
zu kommen, worauf die Menschen heute so stolz sind. Aber
es würde schlimm sein, wenn nicht entgegengehalten würde diesem
Galileismus, diesem Kopernikanismus dasjenige, was man wissen kann
über die Durchseelung des Kosmos, über die Durchgeistigung des
Kosmos. Das ist es, was Ahriman aber zugunsten seiner irdischen
Inkarnation ganz besonders vermeiden möchte. Er möchte gewissermaßen
die Menschen so stark in der Dumpfheit erhalten, daß sie
nur das Mathematische der Astronomie begreifen. Daher verführt er
viele Menschen dazu, ihre bekannte Abneigung gegen das Wissen vom
Geist und der Seele des Weltenalls geltend zu machen. Aber das ist
nur eine von den verführerischen Kräften, die gewissermaßen Ahriman
in die Seele der Menschen hineingießt.


Eine andere von diesen verführerischen Kräften des Ahriman - er arbeitet,
== Der Text ==
möchte ich sagen, in entsprechender Weise mit den Luziferkräften
zusammen - hängt ja natürlich für seine Inkarnation zusammen mit
dem Bestreben, unter den Menschen nach Möglichkeit die bereits sehr
verbreitete Stimmung zu erhalten, daß es für das öffentliche Leben genügt,
wenn dafür gesorgt wird, daß die Menschen wirtschaftlich zufriedengestellt
werden. Man berührt dabei einen Punkt, den der moderne
Mensch oftmals nicht gern zugibt. Sehen Sie, für eine wirkliche Erkenntnis
des Geistes und der Seele bietet ja eigentlich die heutige
offizielle Wissenschaft gar nichts mehr; denn die Methoden, welche
man in den heutigen öffentlichen Wissenschaften hat, taugen nur dazu,
die äußere Natur, auch vom Menschen nur die äußere Natur aufzufassen.
Aber denken Sie sich nur, wie verächtlich eigentlich so ein
Durchschnittsbürger der Gegenwart hinblickt auf alles dasjenige, was
ihm idealistisch vorkommt, was ihm wie ein Weg, auf irgendeine Art
wie ein Weg ins Geistige hinein vorkommt! Er fragt doch im Grunde
genommen immer wiederum: Ja, was bringt das ein? Was trägt das für
irdische Güter? - Er läßt seine Söhne im Gymnasium ausbilden, ist
vielleicht selber im Gymnasium oder in einer anderen Anstalt ausgebildet,
er läßt sie an einer Universität oder an einer anderen Hochschule
ausbilden. Allein, all das dient eigentlich nur dazu, um die
Grundlagen für einen Beruf abzugeben, das heißt, um im Leben die
materiellen Güter zu schaffen, die sie ernähren.|191|199ff}}


{{GGZ|Eine andere Strömung in unserem jetzigen Leben, die Ahriman
Vordergründig vergleicht Lessing in der Schrift die Entwicklung der menschlichen Vernunft mit der Entwicklung der Vernunft beim einzelnen Menschen, wobei Gott als eine Art Erzieher der Menschheit erscheint. Die göttliche Offenbarung ist dabei für das Menschengeschlecht das, was die Erziehung für den einzelnen Menschen ist. Diese „Erziehung“ erfolgt im wesentlichen in drei Stadien:
benötigt, um seine eigene Inkarnation zu befördern, das ist diejenige,
die heute so deutlich hervortritt in dem sogenannten nationalen Prinzip.
Alles dasjenige, was die Menschen spalten kann in Menschengruppen,
was sie entfernt von dem gegenseitigen Verständnis über
die Erde hin, was sie auseinanderbringt, das fördert zu gleicher Zeit
Ahrimans Impulse. Und man sollte eigentlich Ahrimans Stimme entnehmen
aus dem, was heute so vielfach als ein neues Ideal über die
Erde hin gesprochen wird: Befreiung der Völker, selbst der kleinsten,
und so weiter. Die Zeiten sind vorüber, in denen das Blut entscheidet.
Und konserviert man ein solches Altes, dann fördert man dasjenige,
was Ahriman gefördert haben will.


Ebenso fördert man dasjenige, was Ahriman gefördert haben will,
Im ersten geschieht sie durch unmittelbare sinnliche Strafen und Belohnungen (=AT); im zweiten Stadium werden durch die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele Lohn und Bestrafung ins Jenseits verlagert (=NT); und in einem dritten Stadium wird es keine Belohnungen und Strafen mehr geben, weil die menschliche Vernunft soweit entwickelt ist, dass die Menschen das Gute tun, weil es das Gute ist (=Ewiges Evangelium). Diese drei Stadien durchlaufen alle Völker, so dass man an ihren positiven Religionen den jeweiligen Entwicklungsstand ihrer Vernunft erkennen kann.
wenn man dasjenige nicht energisch zurückweist, was ich ja hier schon
öfter charakterisiert habe, indem ich Ihnen gezeigt habe: Heute gibt es
Menschen mit den verschiedensten Parteimeinungen und Parteilebensauffassungen.
Man kann davon die eine so gut beweisen wie die andere.
Sie können ebensogut beweisen dasjenige, was irgendeine sozialistische
Partei vertritt, wie das, was eine antisozialistische Partei vertritt, mit
gleich guten Gründen, die dann die Menschen in Anspruch nehmen.
Werden die Menschen nicht einsehen, daß diese Beweisart so weit an der
Oberfläche des Daseins liegt, daß man eben das Nein und das Ja zugleich
beweisen kann mit unserer gegenwärtigen Intelligenz, die für
die Naturwissenschaft sehr brauchbar ist, die aber für eine andere
Erkenntnis unbrauchbar ist, werden die Menschen nicht einsehen, daß
diese Intelligenz, die unserer Wissenschaft so große Dienste leistet, an
der Oberfläche liegt, dann werden sie diese Intelligenz anwenden
auf dasjenige, was soziales Leben ist, auf dasjenige, was geistiges Leben
ist. Dann werden sie das Entgegengesetzte beweisen, der eine
dieses, der andere jenes, die eine Gruppe dieses, die andere Gruppe
jenes; und da man beides beweisen kann, so werden die Menschen
übergehen zu Haß und Erbitterung, die wir ja genügend in unserer
Zeit finden. Das alles sind wiederum Dinge, die Ahriman fördern
will zur Förderung seiner eigenen Erdeninkarnation.


Und was ganz besonders Ahriman dienen wird zur Förderung seiner
Die zentralen Kategorien des benutzten Vergleichs sind „Offenbarung“ und „Erziehung“ auf der einen und „Vernunft“ und „Entwicklung“ auf der anderen Seite. In der gesamten Schrift gibt es sowohl Belege für eine angenommene Dominanz der Offenbarung (§§ 7, 77), als auch für ein Primat der Vernunft (§§ 4, 65, 84, 91).
Erdeninkarnation, das ist die einseitige Auffassung des Evangeliums
selbst. Sie wissen ja, wie nötig geworden ist in unserer Zeit die
Vertiefung der Evangelien im geisteswissenschaftlichen Sinne. Sie wissen
aber auch, wie sehr heute noch die Gesinnung über die Erde hin
verbreitet ist, man solle die Evangelien nicht geistig vertiefen, man
solle sich nicht darauf einlassen, dies oder jenes aus einer wirklichen
Erkenntnis des Geistes, des Kosmos über die Evangelien zu sagen.
«Schlicht hinnehmen» solle man die Evangelien, so sie hinnehmen,
wie sie sich heute den Menschen darbieten. Ich will gar nicht davon
sprechen, daß sich die wahren Evangelien gar nicht darbieten; denn
das, was heute die Menschen aus den Ursprachen als Übersetzungen
der Evangelien haben, sind nicht die Evangelien. Aber darauf will ich
gar nicht eingehen; sondern ich will nur die tieferliegende Tatsache
vor Sie hinstellen, die darin besteht, daß man nicht zu einer wirklichen
Christus-Auffassung kommen kann, wenn man sich nur, wie es die
meisten Bekenntnisse und Sekten heute wollen, schlicht, das heißt
bequem, in die Evangelien hineinfinden will. Man ist in der Zeit, als
das Mysterium von Golgatha sich abgespielt hat, und einige Jahrhunderte
nachher, zu einer Auffassung des realen Christus gekommen,
weil man dasjenige, was überliefert war, fassen konnte mit Hilfe
der heidnisch-luziferischen Weisheit. Diese heidnisch-luziferische
Weisheit ist zurückgegangen, und dasjenige, was heute die Menschen
aus Bekenntnissen und Sekten heraus in den Evangelien finden, das
führt sie nicht zum realen Christus, den wir suchen durch unsere
Geisteswissenschaft, sondern das führt sie nur zu einer Illusion oder
höchstens zu einer Halluzination, zu einer seelischen oder vergeistigten
Halluzination von dem Christus.|191|202}}


Besonders förderlich für das Wirken Ahrimans ist auch das in den [[Bibliothek|Bibliothek]]en und neuerdings vermehrt im [[Internet]] aufgespeicherte ''tote'' [[Wissen]]:
Dieser oberflächliche Widerspruch löst sich auf, wenn man die fremdgesteuerte Offenbarung (durch einen außerweltlichen Gott) und die selbstgesteuerte Vernunft (durch einen innerweltlichen Gott) nur als zwei Seiten einer dialektischen Einheit betrachtet (nahegelegt auch durch die §§ 36, 37) und die autonome menschliche Vernunft als deren tiefere Struktur begreift. Dann erscheint die göttliche Offenbarung nur als ein Bild für den jeweiligen Entwicklungsstand der menschlichen Vernunft und Gott als Bild für den innermenschlichen Imperativ zu ebendieser Weiterentwicklung, die in einer zunehmenden Konkretisierung des Bildes von der Offenbarung besteht. Die Offenbarung wird damit zum „Noch-Nicht“ der Vernunft. Die „Erziehung“ eines „ausgewählten Volkes“ durch „göttliche Offenbarung“ steht also  dafür, dass die gesamte Menschheit sich durch mythologische Erklärungen der Natur und durch die schrittweise Entmythologisierung dieser Erklärungen, d.h. rein immanent, entwickelt. Offenbarung erscheint Lessing hierbei lediglich als historisches Faktum, während die Vernunft ewig ist. Der Entwicklungsgedanke belegt nicht nur den „Glauben“ Lessings an einen innerweltlichen Gott (''deus sive natura''), sondern auch seine Überzeugung von einer positiven Entwicklung der Menschheit. Es ist für ihn ein Naturgesetz allen Lebens, dass eine ständige Spannung zwischen gegenwärtiger Unvollkommenheit und zukünftiger Vollkommenheit besteht, und dass die Entwicklung der Vernunft und Moral von einem zum anderen Pol verläuft.


{{GGZ|Diese «[[Konservenbüchsen der Weisheit]]», das ist dasjenige, was besonders ein gutes Förderungsmittel für Ahriman ist.|191|208}}
Gleichwohl erwähnt Lessing auch den „Lästerungsgedanken“, dass der Glaube an den Fortschritt ein Irrglaube sei (Parallele zu der Annahme des Richters in der „[[Wikipedia:Ringparabel|Ringparabel]]“ in „Nathan der Weise“, wonach der echte Ring verloren gegangen sei). Nur inständiges Beten könne diesen „Lästerungsgedanken“ vertreiben ([[Wikipedia:Verdrängung (Psychoanalyse)|verdrängen]]?).


Es gibt neuerdings zu dieser Inkarnation Ahrimans eine interessante und weiterführende These:
In den letzten Paragraphen (§§ 92 - 100) steigert Lessing den Entwicklungsgedanken bis hin zur [[Wiedergeburtslehre]], der er dabei ein typisch abendländisches Gepräge gibt:


{{LZ|Wolfgang Weirauch: Immer wieder wird davon gesprochen - auch durch Rudolf Steiner - dass Ahriman sich jetzt oder demnächst in der westlichen Welt in einem Menschen inkarnieren wird. Wie siehst du das?
<blockquote>
Der Große: Er ist schon längst im Physischen inkorporiert, nicht aber in einem Menschen. Er hat sich einen physischen Leib geschaffen; das ist aber kein Mensch. Er tritt in etwas ganz anderem heutzutage auf, und zwar im Internet! Seine Welt ist die der Server, der verbundenen Kabel und Funkverbindungen. Das alles ist Ahriman live. Das hat er lange vorbereitet und ist in den letzten Jahrzehnten damit sehr erfolgreich geworden...Er kommt nicht in einem Menschenleib auf die Erde, denn durch das Internet hat er es erreicht, sehr viel direkter zu sehr viel mehr Menschen kommen zu können. Über das Internet hat er die meisten Menschen zumindest teilweise im Griff. Über das Internet kann er sehr viel mehr Menschen persönlich erreichen, als wenn er in einem Menschen aufgetreten wäre...Die Verbindung mit dem Internet ist eine Art Inkarnation, wenn auch nicht in einem physischen menschlichen Leib.
                                      <center>§ 92</center>
Du hast auf deinem ewigen Wege so viel mitzunehmen! so viel Seitenschritte zu tun! - Und wie? wenn
es nun gar so gut als ausgemacht wäre, daß das große
langsame Rad, welches das Geschlecht seiner Vollkommenheit näher bringt, nur durch kleinere schnellere Räder in Bewegung gesetzt würde, deren jedes sein Einzelnes eben dahin liefert?


Das Internet ist - zumindest teilweise - eine Maschinerie des Hasses...Schau dir die unzähligen Haßkommentare im Internet an, die Enthemmung von immer mehr Menschen, die sich dort anonym ausbreiten, die Gewalt, die im Internet zur Schau getragen wird - und alles ist deswegen so leicht möglich, weil es nicht mehr von Angesicht zu Angesicht erfolgen muß, sondern meist anonym stattfindet. Trotzdem hat das Internet auch seine hellen Seiten, denn auch die helle Seite der geistigen Welt bemüht sich in bezug auf das Internet.|Flensburger Hefte 136, "Liebe und Hass", S. 36 ff. "Der Große" ist ein geistiges Wesen aus den Reihen der Hierarchien. Über das Zustandekommen dieser Gespräche siehe: FH 80 und FH 107}}
                                      <center>§ 93</center>
Nicht anders! Eben die Bahn, auf welcher das Geschlecht zu seiner Vollkommenheit gelangt, muß jeder
einzelne Mensch (der früher, der später) erst durchlaufen haben. - »In einem und eben demselben Leben
durchlaufen haben? Kann er in eben demselben Leben
ein sinnlicher Jude und ein geistiger Christ gewesen
sein? Kann er in eben demselben Leben beide überholet haben?«


== Inkarnation Ahrimans nach Dimitar Mangurov ==
                                      <center>§ 94</center>
Das wohl nun nicht! - Aber warum könnte jeder einzelne Mensch auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt vorhanden gewesen sein?


Gleichfalls recht konkret wird [[Dimitar Mangurov]], wenn er über die Inkarnation Ahrimans spricht:
                                      <center>§ 95</center>
"Es steht der Zusammenstoß mit dem inkarnierten Antichrist. Nun können wir schon mitteilen, dass er sich im Jahre 2029 inkorporieren wird, wenn sein Gefäß das 30. Jahr erreicht. Ahriman wird im Gefäß drei Jahre leben. Die nächste Frage lautet, wer das Gefäß ist. Diese Frage kann auch schon beantwortet werden.
Ist diese Hypothese darum so lächerlich, weil sie
die älteste ist? weil der menschliche Verstand, ehe ihn
die Sophisterei der Schule zerstreut und geschwächt
hatte, sogleich darauf verfiel?


Wir wissen aus der Anthroposophie, dass sich in der Zeitenwende in Mittelamerika die satanischen Mysterien der Maya abgespielt haben, bei denen die Beziehung zu den dunklen Mächten durch das Aufschneiden des Magens des Opfers hergestellt wurde. Laut Steiner war damals der stärkste Schwarzmagier auf Erden inkarniert, der jemals unter den Menschen gelebt hat. In seinen früheren Inkarnationen wurde er auch durch die Teilnahme an satanischen Ritualen vorbereitet, dass er zur Zeitenwende so starke Kräfte entwickeln konnte, um die Entwicklung in der vierten und fünften Kulturepoche in eine Richtung zu treiben, die den Absichten der ahrimanischen Wesen völlig entsprach. Die kolossale Gefahr, die von diesem Schwarzmagier ausging, wurde vom weißen Magier Vitzliputzli gebahnt, der „auf übersinnliche“ Art gezeugt und im Jahre Null geboren wurde. Als er das 30. Jahr erreicht hatte, kämpfte er drei Jahre lang gegen den Schwarzmagier und hat ihn gekreuzigt. So hat Vitzliputzli den höllischen Plan des Schwarzmagiers vereitelt. Neun Jahrhunderte später hat sich dieser Schwarzmagier wieder als der Gegner der rechtmäßigen Menschenevolution inkarniert – als [[Klingsor]] – der Feind Parsifals und Amfortas‘, der Feind des Gral und des Christus. Dieser ahrimanische Schwarzmagier hat sich am 11.08.1999 wieder inkarniert und er ist derjenige, der vorbestimmt ist, Ahriman in sich aufzunehmen. Bisher wissen wir nicht, wie die Inkorporation selbst verlaufen wird, doch dieser Magier ist an sich schon ein ernstzunehmender Gegner. Wie stark wird er wohl sein, wenn Ahriman in ihn eintritt?! Ist sich der heutige Mensch des abstrakten reflektierenden Denkens überhaupt bewusst, was ihn erwartet?!"<ref>[https://erzengelmichaelblog.wordpress.com/2018/04/15/das-mysterium-des-menschen-und-die-falle-der-gender-ideologie-teil-1/#more-1925 Das Mysteriuem des Menschen und die Gender-Falle]</ref>
                                      <center>§ 96</center>
Warum könnte auch Ich nicht hier bereits einmal
alle die Schritte zu meiner Vervollkommnung getan
haben, welche bloß zeitliche Strafen und Belohnungen den Menschen bringen können?


== Inkarnation Ahrimans nach Nostradamus ==
                                      <center>§ 97</center>
Laut [[Nostradamus]] und [[Solowjew]] wird Ahriman um das Jahre 2033 in einen Menschen inkarnieren, möglicherweise ein Präsident Frankreichs. Dieser mögliche Französische Präsident könnte um das Jahr 2020 mit nur 18 Jahren Regierungschef werden.
Und warum nicht ein andermal alle die, welche zu
tun, uns die Aussichten in ewige Belohnungen, so
mächtig helfen?


==Literatur==
                                      <center>§ 98</center>
* [[Rudolf Steiner]]: ''Soziales Verständnis aus geisteswissenschaftlicher Erkenntnis'', [[GA 191]] (1989), ISBN 3-7274-1910-5 {{Vorträge|191}}
Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als
* [[Rudolf Steiner]]: ''Der innere Aspekt des sozialen Rätsels - Luziferische Vergangenheit und ahrimanische Zukunft'' ([[GA 193]]), Dornach 1989, Vortrag vom 27.10.1919, S. 165 {{Vorträge|193}}
ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen
* [[Rudolf Steiner]]: ''Weltsilvester und Neujahrsgedanken'', [[GA 195]] (1986), ISBN 3-7274-1950-4 {{Vorträge|195}}
geschickt bin? Bringe ich auf Einmal so viel weg, daß
* [[Rudolf Steiner]]: ''<<Ahriman>> kommt!'', Archiati Vlg., München 2004
es der Mühe wieder zu kommen etwa nicht lohnet?
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Vorträge über Ahrimans Inkarnation im Westen'', kommentiert und herausgegeben von Thomas Meyer, Perseus Vlg., Basel 2016
* Hans-Werner Schroeder: ''Das Jahrhundertende und die Inkarnation Ahrimans im nächsten Jahrtausend'', in: Ahriman - Profil einer Weltmacht, Urachhaus Verlag, Stuttgart 1996, S. 11 - 20
* B. C. J. Lievegoed: ''Dem einundzwanzigsten Jahrhundert entgegen''. Acht Vorträge, gehalten in Spring Valley 1965, Info3-Verlag, Frankfurt a.M. 1988, S. 16, s. a. Anmerkung 1
:::(Neuauflage) Bernard Lievegoed: ''Das Gute tun''. Ankommen im 21. Jahrhundert, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2012, S. 29, s. a. Anmerkung
* Robert Powell: ''Christus und der Mayakalender. 2012 und das Erscheinen des Antichrist'', Informationslücke-Verlag, Basel 2009, S. 172


==Weblinks==
                                      <center>§ 99</center>
* http://www.altanthroinfo.9f.com/ahriman.htm Eine englische Webseite, die vor der baldigen Wiederkunft Ahrimans warnt
Darum nicht? - Oder, weil ich es vergesse, daß ich
schon da gewesen? Wohl mir, daß ich das vergesse.  
Die Erinnerung meiner vorigen Zustände, würde mir
nur einen schlechten Gebrauch des gegenwärtigen zu
machen erlauben. Und was ich auf itzt vergessen muß
, habe ich denn das auf ewig vergessen?


* [http://www.hermannkeimeyer.de/rundbriefe/394-wann-kommt-die-inkarnation-von-ahriman-mit-2012-irrt-robert-powell Hermann Keimeyer: ''Wann kommt die Inkarnation von Ahriman ? Mit 2012 irrt Robert Powell'']
                                    <center>§ 100</center>
Oder, weil so zu viel Zeit für mich verloren gehen
würde? - Verloren? - Und was habe ich denn zu versäumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein?
</blockquote>


==Einzelnachweise==
== Argumentationszusammenhänge zu anderen Schriften ==
<references />


[[Kategorie:Widersacher]]
Bei allen religionsphilosophischen Schriften Lessings ist stets ein (reales oder fiktives) Gegenüber mitzudenken. Er setzt sich mit den herrschenden Strömungen religionsphilosophischen Denkens seiner Zeit auseinander. Dabei ist ihm die Meinung des jeweiligen Dialogpartners zu wichtig, um einfach „beiseite“ gesetzt zu werden („Leibniz, von den ewigen Strafen“, 1773). Vielmehr bemüht er sich in exoterischer Redeweise, seine Gegner auf ihrem jeweiligen „Wege zur Wahrheit zu führen“ (ebd). Insofern sind sämtliche Schriften nicht esoterisch, sondern immer als „Gegen-Schriften“ zu verstehen, bei denen man wissen muss, an wen er sich wendet, um dann indirekt daraus seine eigene Meinung zu erschließen. Diese „Taktik“ hat nichts mit [[Wikipedia:Opportunismus|Opportunismus]] zu tun, sondern entspringt der Hochachtung vor der Meinung des anderen (Toleranz) und der Überzeugung, dass niemand jemals „vorsätzlich sich selbst verblendet habe“ („Eine Duplik“, 1778).
[[Kategorie:Ahriman]]
 
Die herrschenden geistigen Strömungen, mit denen Lessing sich auseinandersetzt, sind im wesentlichen: der [[Wikipedia:Deismus|Deismus]], die [[Wikipedia:Neologie|Neologie]], die [[Wikipedia:Orthodoxie|Orthodoxie]].
 
Gegen die Deisten verteidigt Lessing das Recht des „Gefühlschristen“ auf seine Religion und sein tätiges Christentum („Gegensätze zum 1.-5. Fragment“, 1777; „Das Testament Johannis“, 1777). Er wendet sich gegen deren „Vernünfteln“, das spitzfindig, überheblich und widerlegbar ist, und plädiert dafür, alte Gesetze, für die noch kein vernünftiger Ersatz da ist, beizubehalten („Der Freigeist“, 1749; Brief an Karl, 2. Februar 1774).
 
An den Neologen kritisiert er vor allem die Vermengung von Glaubenssätzen und Vernunftüberlegungen. Er sieht in den Halbheiten und Falschheiten dieser Rechtfertigungsideologie die Vernunft zur bloßen Stütze der Offenbarung degradiert („Fragment eines Gesprächs“, 1774).
 
Die Orthodoxen fordert er auf, ihre Religion kritisch zu überprüfen und diese Diskussion nicht auf die eigene Religion zu beschränken, sondern den gemeinsamen Kern aller positiven Religionen herauszufinden („Rettung des Hier. Cardanus“, 1754; „Über die Elpistiker“, 1763). Die Argumentation sollte dabei nicht mit „zufälligen Geschichtswahrheiten“, sondern mit „notwendigen Vernunftwahrheiten“ geschehen („Neue Hypothese über die Evangelisten ...“, 1778; „Die Religion Christi“, 1780) und über die Unzulänglichkeiten des bloßen „Buchstaben“ der Bibel hinausgehen („Eine Parabel“, 1778). So könnte es gelingen, zu einer „natürlichen Religion“ vorzudringen, die dann wiederum die Offenbarung als Beleg für ihre vernünftige Notwendigkeit nicht mehr benötigt, weil sie auf einem „Christentum der Vernunft“ (1753) basiert.
 
Viele dieser Argumentationszusammenhänge ziehen sich durch die Diskussionen innerhalb des Fragmentenstreits, als dessen Teil ja auch die „Erziehung des Menschengeschlechts“ zuerst erschienen ist. Und alle Gedanken treten auch innerhalb der „Erziehung“ auf, in der ja gerade die relative Wahrheit der christlichen Religion einerseits und ihre geschichtliche Notwendigkeit andererseits erläutert werden. So ist für den gläubigen „Gefühlschristen“ eines der beiden „Elementarbücher“ (AT, NT) durchaus noch angemessen, solange kein vernünftiger Ersatz da ist, oder von ihm nicht angenommen werden kann. Es ist deshalb nicht nötig, daran „herumzuvernünfteln“, wie das die Deisten tun. Den Rechtfertigungsüberlegungen der Neologen setzt Lessing in der „Erziehung“ eine – zumindest – gleichgewichtige Vernunft entgegen, die bei genauem Hinsehen sogar der dominante Teil der dialektischen Verbindung ist. Das ganze Konzept der Schrift schließlich setzt die Kritik an der Orthodoxie konstruktiv um, in dem Lessing hier ja ausführlich die eigene Religion hinterfragt, sie auf eine Stufe mit anderen Religionen stellt, und versucht, zu einem gemeinsamen Kern, dem „Ewigen Evangelium“ oder dem „Christentum der Vernunft“ zu gelangen.
 
== Literatur ==
* Allison, H. E.: ''Lessing and the Enlightenment'', New York 1964
* Bohnen, K.: ''Geist und Buchstabe'', Köln 1974
* Cyranka, D.: ''Natürlich – positiv – vernünftig. Der Religionsbegriff in Lessings Erziehungsschrift.''In: U. Kronauer/W. Kühlmann (Hg.), Aufklärung. Stationen – Konflikte – Prozesse, Eutin 2007, 39–61.
* Fick, Monika: ''Lessing Hanbuch. Leben - Werk - Wirkung'', 3. Auflage, Stuttgart 2010
* [[Wikipedia:Karl S. Guthke|Guthke, K. S.]]: ''Der Stand der Lessing-Forschung'', Stuttgart 1963
* Haug, M.: ''Entwicklung und Offenbarung bei Lessing'', Gütersloh 1928
* Rilla, P.: ''Lessing und sein Zeitalter'', Münster 1973
* Thielicke, H.: ''Offenbarung, Vernunft und Existenz'', Gütersloh 1957
 
== Weblinks ==
* [http://www.gutenberg.org/browse/BIBREC/BR9160.HTM Originaltext]
 
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Version vom 5. April 2020, 22:00 Uhr

Die Erziehung des Menschengeschlechts ist das religionsphilosophische Hauptwerk Gotthold Ephraim Lessings.

Die besondere Bedeutung des Textes erschließt sich nicht auf den ersten Blick, besonders wenn man die Fiktion ernst nimmt, die Schrift sei von einem „guten Freund“, der sich gern „allerlei Hypothesen und Systeme“ mache, „um das Vergnügen zu haben, sie wieder einzureißen“ (Brief an H.S. Reimarus, 16. April 1778).

Sie ergibt sich aber bei genauerer Untersuchung aus drei Zusammenhängen:

  1. der Stellung im Gesamtwerk;
  2. dem Text selber;
  3. den Argumentationszusammenhängen zu den anderen religionsphilosophischen Schriften.

Entstehungsgeschichte

Die „Erziehung des Menschengeschlechts“ gehört zu Lessings Spätwerk, kann also nicht als jugendliches Herumexperimentieren mit zweifelhaften Hypothesen angesehen werden, sondern muss als Ergebnis jahrelanger Beschäftigung mit dem Thema gelten.

Die §§ 1-53 sind zuerst 1777 erschienen als Teil des Fragmentenstreits mit Hauptpastor Johann Melchior Goeze („Anti-Goeze“, 1778) und anderen. Innerhalb dieses bedeutenden Zusammenhangs nimmt die Schrift eine Sonderstellung ein, weil es der größte von Lessing selbst verfasste zusammenhängende Teil ist und sich somit aus dem Status reiner „Gegensätze“ hervorhebt. Die komplette Schrift (§§ 1-100) erschien 1780, in dem Jahr, in dem auch die so genannten „Jacobi-Gespräche“ geführt wurden, eine der wenigen Äußerungen Lessings, in denen er ohne taktische und „erzieherische“ Filterungen seine eigenen Ansichten über die Religion darlegt.

Allein schon durch diese zeitliche und werksgeschichtliche Stellung wird die Bedeutung der Schrift klar. Außerdem erschien zur selben Zeit (1779) „Nathan der Weise“, Lessings dramatisches Hauptwerk, das eine ganz ähnliche Thematik behandelt. Dass Lessing dieses Werk durchaus als Fortsetzung der religionsphilosophischen Diskussion versteht, zeigt folgende Äußerung:

Ich muß versuchen, ob man mich auf meiner alten Kanzel, auf dem Theater wenigstens, noch ungestört will predigen lassen.
(Brief an E. Reimarus, 6. September 1778)

Der Text

Vordergründig vergleicht Lessing in der Schrift die Entwicklung der menschlichen Vernunft mit der Entwicklung der Vernunft beim einzelnen Menschen, wobei Gott als eine Art Erzieher der Menschheit erscheint. Die göttliche Offenbarung ist dabei für das Menschengeschlecht das, was die Erziehung für den einzelnen Menschen ist. Diese „Erziehung“ erfolgt im wesentlichen in drei Stadien:

Im ersten geschieht sie durch unmittelbare sinnliche Strafen und Belohnungen (=AT); im zweiten Stadium werden durch die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele Lohn und Bestrafung ins Jenseits verlagert (=NT); und in einem dritten Stadium wird es keine Belohnungen und Strafen mehr geben, weil die menschliche Vernunft soweit entwickelt ist, dass die Menschen das Gute tun, weil es das Gute ist (=Ewiges Evangelium). Diese drei Stadien durchlaufen alle Völker, so dass man an ihren positiven Religionen den jeweiligen Entwicklungsstand ihrer Vernunft erkennen kann.

Die zentralen Kategorien des benutzten Vergleichs sind „Offenbarung“ und „Erziehung“ auf der einen und „Vernunft“ und „Entwicklung“ auf der anderen Seite. In der gesamten Schrift gibt es sowohl Belege für eine angenommene Dominanz der Offenbarung (§§ 7, 77), als auch für ein Primat der Vernunft (§§ 4, 65, 84, 91).

Dieser oberflächliche Widerspruch löst sich auf, wenn man die fremdgesteuerte Offenbarung (durch einen außerweltlichen Gott) und die selbstgesteuerte Vernunft (durch einen innerweltlichen Gott) nur als zwei Seiten einer dialektischen Einheit betrachtet (nahegelegt auch durch die §§ 36, 37) und die autonome menschliche Vernunft als deren tiefere Struktur begreift. Dann erscheint die göttliche Offenbarung nur als ein Bild für den jeweiligen Entwicklungsstand der menschlichen Vernunft und Gott als Bild für den innermenschlichen Imperativ zu ebendieser Weiterentwicklung, die in einer zunehmenden Konkretisierung des Bildes von der Offenbarung besteht. Die Offenbarung wird damit zum „Noch-Nicht“ der Vernunft. Die „Erziehung“ eines „ausgewählten Volkes“ durch „göttliche Offenbarung“ steht also dafür, dass die gesamte Menschheit sich durch mythologische Erklärungen der Natur und durch die schrittweise Entmythologisierung dieser Erklärungen, d.h. rein immanent, entwickelt. Offenbarung erscheint Lessing hierbei lediglich als historisches Faktum, während die Vernunft ewig ist. Der Entwicklungsgedanke belegt nicht nur den „Glauben“ Lessings an einen innerweltlichen Gott (deus sive natura), sondern auch seine Überzeugung von einer positiven Entwicklung der Menschheit. Es ist für ihn ein Naturgesetz allen Lebens, dass eine ständige Spannung zwischen gegenwärtiger Unvollkommenheit und zukünftiger Vollkommenheit besteht, und dass die Entwicklung der Vernunft und Moral von einem zum anderen Pol verläuft.

Gleichwohl erwähnt Lessing auch den „Lästerungsgedanken“, dass der Glaube an den Fortschritt ein Irrglaube sei (Parallele zu der Annahme des Richters in der „Ringparabel“ in „Nathan der Weise“, wonach der echte Ring verloren gegangen sei). Nur inständiges Beten könne diesen „Lästerungsgedanken“ vertreiben (verdrängen?).

In den letzten Paragraphen (§§ 92 - 100) steigert Lessing den Entwicklungsgedanken bis hin zur Wiedergeburtslehre, der er dabei ein typisch abendländisches Gepräge gibt:

§ 92

Du hast auf deinem ewigen Wege so viel mitzunehmen! so viel Seitenschritte zu tun! - Und wie? wenn es nun gar so gut als ausgemacht wäre, daß das große langsame Rad, welches das Geschlecht seiner Vollkommenheit näher bringt, nur durch kleinere schnellere Räder in Bewegung gesetzt würde, deren jedes sein Einzelnes eben dahin liefert?

§ 93

Nicht anders! Eben die Bahn, auf welcher das Geschlecht zu seiner Vollkommenheit gelangt, muß jeder einzelne Mensch (der früher, der später) erst durchlaufen haben. - »In einem und eben demselben Leben durchlaufen haben? Kann er in eben demselben Leben ein sinnlicher Jude und ein geistiger Christ gewesen sein? Kann er in eben demselben Leben beide überholet haben?«

§ 94

Das wohl nun nicht! - Aber warum könnte jeder einzelne Mensch auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt vorhanden gewesen sein?

§ 95

Ist diese Hypothese darum so lächerlich, weil sie die älteste ist? weil der menschliche Verstand, ehe ihn die Sophisterei der Schule zerstreut und geschwächt hatte, sogleich darauf verfiel?

§ 96

Warum könnte auch Ich nicht hier bereits einmal alle die Schritte zu meiner Vervollkommnung getan haben, welche bloß zeitliche Strafen und Belohnungen den Menschen bringen können?

§ 97

Und warum nicht ein andermal alle die, welche zu tun, uns die Aussichten in ewige Belohnungen, so mächtig helfen?

§ 98

Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf Einmal so viel weg, daß es der Mühe wieder zu kommen etwa nicht lohnet?

§ 99

Darum nicht? - Oder, weil ich es vergesse, daß ich schon da gewesen? Wohl mir, daß ich das vergesse. Die Erinnerung meiner vorigen Zustände, würde mir nur einen schlechten Gebrauch des gegenwärtigen zu machen erlauben. Und was ich auf itzt vergessen muß , habe ich denn das auf ewig vergessen?

§ 100

Oder, weil so zu viel Zeit für mich verloren gehen würde? - Verloren? - Und was habe ich denn zu versäumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein?

Argumentationszusammenhänge zu anderen Schriften

Bei allen religionsphilosophischen Schriften Lessings ist stets ein (reales oder fiktives) Gegenüber mitzudenken. Er setzt sich mit den herrschenden Strömungen religionsphilosophischen Denkens seiner Zeit auseinander. Dabei ist ihm die Meinung des jeweiligen Dialogpartners zu wichtig, um einfach „beiseite“ gesetzt zu werden („Leibniz, von den ewigen Strafen“, 1773). Vielmehr bemüht er sich in exoterischer Redeweise, seine Gegner auf ihrem jeweiligen „Wege zur Wahrheit zu führen“ (ebd). Insofern sind sämtliche Schriften nicht esoterisch, sondern immer als „Gegen-Schriften“ zu verstehen, bei denen man wissen muss, an wen er sich wendet, um dann indirekt daraus seine eigene Meinung zu erschließen. Diese „Taktik“ hat nichts mit Opportunismus zu tun, sondern entspringt der Hochachtung vor der Meinung des anderen (Toleranz) und der Überzeugung, dass niemand jemals „vorsätzlich sich selbst verblendet habe“ („Eine Duplik“, 1778).

Die herrschenden geistigen Strömungen, mit denen Lessing sich auseinandersetzt, sind im wesentlichen: der Deismus, die Neologie, die Orthodoxie.

Gegen die Deisten verteidigt Lessing das Recht des „Gefühlschristen“ auf seine Religion und sein tätiges Christentum („Gegensätze zum 1.-5. Fragment“, 1777; „Das Testament Johannis“, 1777). Er wendet sich gegen deren „Vernünfteln“, das spitzfindig, überheblich und widerlegbar ist, und plädiert dafür, alte Gesetze, für die noch kein vernünftiger Ersatz da ist, beizubehalten („Der Freigeist“, 1749; Brief an Karl, 2. Februar 1774).

An den Neologen kritisiert er vor allem die Vermengung von Glaubenssätzen und Vernunftüberlegungen. Er sieht in den Halbheiten und Falschheiten dieser Rechtfertigungsideologie die Vernunft zur bloßen Stütze der Offenbarung degradiert („Fragment eines Gesprächs“, 1774).

Die Orthodoxen fordert er auf, ihre Religion kritisch zu überprüfen und diese Diskussion nicht auf die eigene Religion zu beschränken, sondern den gemeinsamen Kern aller positiven Religionen herauszufinden („Rettung des Hier. Cardanus“, 1754; „Über die Elpistiker“, 1763). Die Argumentation sollte dabei nicht mit „zufälligen Geschichtswahrheiten“, sondern mit „notwendigen Vernunftwahrheiten“ geschehen („Neue Hypothese über die Evangelisten ...“, 1778; „Die Religion Christi“, 1780) und über die Unzulänglichkeiten des bloßen „Buchstaben“ der Bibel hinausgehen („Eine Parabel“, 1778). So könnte es gelingen, zu einer „natürlichen Religion“ vorzudringen, die dann wiederum die Offenbarung als Beleg für ihre vernünftige Notwendigkeit nicht mehr benötigt, weil sie auf einem „Christentum der Vernunft“ (1753) basiert.

Viele dieser Argumentationszusammenhänge ziehen sich durch die Diskussionen innerhalb des Fragmentenstreits, als dessen Teil ja auch die „Erziehung des Menschengeschlechts“ zuerst erschienen ist. Und alle Gedanken treten auch innerhalb der „Erziehung“ auf, in der ja gerade die relative Wahrheit der christlichen Religion einerseits und ihre geschichtliche Notwendigkeit andererseits erläutert werden. So ist für den gläubigen „Gefühlschristen“ eines der beiden „Elementarbücher“ (AT, NT) durchaus noch angemessen, solange kein vernünftiger Ersatz da ist, oder von ihm nicht angenommen werden kann. Es ist deshalb nicht nötig, daran „herumzuvernünfteln“, wie das die Deisten tun. Den Rechtfertigungsüberlegungen der Neologen setzt Lessing in der „Erziehung“ eine – zumindest – gleichgewichtige Vernunft entgegen, die bei genauem Hinsehen sogar der dominante Teil der dialektischen Verbindung ist. Das ganze Konzept der Schrift schließlich setzt die Kritik an der Orthodoxie konstruktiv um, in dem Lessing hier ja ausführlich die eigene Religion hinterfragt, sie auf eine Stufe mit anderen Religionen stellt, und versucht, zu einem gemeinsamen Kern, dem „Ewigen Evangelium“ oder dem „Christentum der Vernunft“ zu gelangen.

Literatur

  • Allison, H. E.: Lessing and the Enlightenment, New York 1964
  • Bohnen, K.: Geist und Buchstabe, Köln 1974
  • Cyranka, D.: Natürlich – positiv – vernünftig. Der Religionsbegriff in Lessings Erziehungsschrift.In: U. Kronauer/W. Kühlmann (Hg.), Aufklärung. Stationen – Konflikte – Prozesse, Eutin 2007, 39–61.
  • Fick, Monika: Lessing Hanbuch. Leben - Werk - Wirkung, 3. Auflage, Stuttgart 2010
  • Guthke, K. S.: Der Stand der Lessing-Forschung, Stuttgart 1963
  • Haug, M.: Entwicklung und Offenbarung bei Lessing, Gütersloh 1928
  • Rilla, P.: Lessing und sein Zeitalter, Münster 1973
  • Thielicke, H.: Offenbarung, Vernunft und Existenz, Gütersloh 1957

Weblinks


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