Fulbertus von Chartres und Kairos: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
 
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Bild:Notre-Dame_de_Chartres.jpg|thumb|Notre-Dame de Chartres (Westfassade) in ihrer heutigen Gestalt]]
[[Datei:Kairos-Relief von Lysippos, Kopie in Trogir.jpg|mini|250px|Kairos-Relief von [[Wikipedia:Lysippos|Lysippos]], Kopie in [[Wikipedia:Trogir|Trogir]]]]
'''Fulbertus von Chartres''' (* um 950 in Italien oder Frankreich, vermutlich in Aquitanien oder in der Diözese Laudun (= Laon), † 10.4. 1028 in Chartres) war in Reims Schüler des [[Wikipedia:Gerbert von Aurillac|Gerbert von Aurillac]] und begründete um 990 die [[Schule von Chartres]]. Er war nicht nur Lehrer, sondern auch Baumeister und legte den Grundstein für die erste Kathedrale aus Stein in Chartres. 1003 wurde Fulbertus Kanzler der Kirche von Chartres, Schatzbewahrer der St. Hilariuskirche in Poitiers und 1006 wahrscheinlich auf Betreiben König Roberts, seines früheren Mitschülers, Bischof von Chartres. Fulbertus starb 1028, noch ehe die erste Kathedrale aus Stein vollendet war. Fulbertus war einer der einflußreichsten Theologen des 11. Jahrhunderts. Seine Schüler waren u. a. [[Wikipedia:Berengar von Tours|Berengar von Tours]] und [[Wikipedia:Adelmann von Lüttich|Adelmann von Lüttich]].  
[[Datei:Lysippos_Kairos.jpg|thumb|250px|Kairos-Relief, römische  Kopie des Originals von [[Wikipedia:Lysippos|Lysippos]] (Museum von Turin)]]
'''Kairos''' ({{ELSalt|Καιρός}}), die Gunst der Stunde, der rechte [[Augenblick]] der [[Entscheidung]], das richtige Handeln zum rechten Zeitpunkt, wurde in der späteren [[Wikipedia:Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]] als Gottheit angesehen, spielte aber, anders als [[Chronos]], keine bedeutende Rolle. Nachbildungen der Kairos-Statute von [[Wikipedia:Lysippos|Lysippos]] (siehe unten) belegen allerdings einen vom [[Wikipedia:Hellenismus]] bis in [[Wikipedia:Ostrom|oströmische Zeit]] weit verbreiteten Kairos-Kult.


Fulbertus wirkte ganz im [[platon]]ischen Sinn und galt seinen Schülern geradezu als der "verehrenswürdige Sokrates". Mit Fulbertus "Akademie" begann das goldene Zeitalter der [[Schule von Chartres|Schulen von Chartres]]. In seiner Amtszeit wurde die [[Wikipedia:Kathedralschule|Kathedralschule]] zu einem führenden geistigen Zentrum nördlich der Alpen, dessen Blütezeit 200 Jahre währte, um schließlich um [[1250]] von der [[Aristoteles|aristotelisch]] geprägten [[Scholastik]] abgelöst zu werden.
Alle Kairos-Darstellungen leiten sich von der verschollenen, von [[Wikipedia:Pausanias|Pausanias]] beschriebenen Bronzestatue des [[Wikipedia:Lysippos|Lysippos]] ab, der auch der Hofbildhauer [[Alexander der Große|Alexanders des Großen]] gewesen war. Nach Pausanias soll Kairos als eilender nackter Jüngling mit Flügeln an den Knöcheln und langen Locken an Stirn und Schläfen (daher auch das Sprichwort: „Die Gelegenheit beim Schopf packen“) dargestellt worden sein. Sein Hinterkopf war kahl (von hinten ist Kairos nicht mehr zu fassen) und in der Hand hielt er ein spitzes Messer. Auf manchen Darstellungen trägt Kairos auch Flügel auf dem Rücken und eine [[Wikipedia:Balkenwaage|Balkenwaage]] in der Linken, so etwa auf einem Turiner [[Relief]].


Als Fulbert in Chartres einlangte, stand nur eine verwitterte, der [[Jungfrau Maria]] geweihte Holzkirche auf dem Hügel. Fulbertus verstand es, die Menschen zur Bauarbeit hierher zu ziehen und die entsprechenden finanziellen Mittel aufzutreiben – etwa von König Knut von Dänemark. Bald wurde eine erste hölzerne Kathedrale errichtet, die aber schon nach drei oder vier Jahren vom Blitz getroffen wurde und in Flammen aufging. Und so begann Fulbertus von neuem Mittel zu sammeln – diesmal für eine Kathedrale aus Kalksteinblöcken. Der Bau der romanischen [[Wikipedia:Kathedrale|Kathedrale]], die heute noch als Unterkirche erhalten ist, begann im Jahre [[Wikipedia:1020|1020]]). Im Laufe von 350 Jahren sollte dreizehnmal das Feuer in Chartres wüten, doch immer wieder erstand die Kathedrale wie der Phönix aus der Asche.  
Von [[Wikipedia:Pittakos|Pittakos]] von [[Wikipedia:Mytilene|Mytilene]] ([[Wikipedia:Lesbos|Lesbos]]) stammt der Ausspruch: {{polytonisch|Γίγνωσκε καιρόν.}} ({{ELSalt|Gignōske kairon.}}, „Erkenne den rechten Zeitpunkt!“).


Fulbertus zeichnete sich vor allem auch durch seine tief innige Verehrung der Heiligen Jungfrau aus. Er erklärte ihren Namen als »'''maris stella'''«, Stern des Meeres: so wie der Polarstern die Seeleute sicher durch die stürmische See leitet, so führt der Geistesstern der Maria den Menschen auf seiner Entwicklungsbahn. In seinem berühmten Marien-Sermon erzählt er auch die Legende von ''Theophilus'', der sich dem Teufel verschrieben hat und nur dadurch gerettet werden kann, dass er sich in inbrünstiger Reue an die Jungfrau Maria wendet – "das [[Ewig-Weibliche]] zieht uns hinan". Das [[Faust-Dichtung|Faustmotiv]] wird hier ähnlich wie bei [[Goethe]] erlebt. Es geht also um die Verwandlung des [[Astralleib]]s zum wieder jungfräulich reinen [[Geistselbst]]. Nur in der jungfräulich reinen Seele kann das Geisteslicht geboren werden.
Das Wort ''kairos'' ist über ''keiro'' („abschneiden“) verwandt mit ''krinein'' bzw. ''krisis'' (Substantiv), was soviel wie „scheiden, trennen, unterscheiden“, aber auch „entscheiden, ein Urteil fällen“ bedeutet<ref>Christoph Lange: ''Alles hat seine Zeit. Zur Geschichte des Begriffs kairos.'' [http://archiv.fridericianum-kassel.de/ausst/chronos/chronos-text1.html]</ref>


Die Umbildung der Seele kann beginnen, wenn die dafür nötigen Bildekräfte frei geworden sind. Daher fängt das Schulalter mit etwa 7 Jahren an, weil nun die grundlegende Bildung des physischen Körpers abgeschlossen ist und ätherische [[Bildekräfte]] frei werden, um nun formend in der Seele wirken. Alle Bildung, die die menschliche Seele zur Weisheit führt, beruht letztlich darauf, dass die Ätherkräfte formend die Seele ergreifen. Dafür ist eine geordnete Siebenzahl von Ätherkräften nötig, die in der Schule von Chartres durch die Pflege der [[Sieben Freie Künste|Sieben Freien Künste]] entfaltet wurden.  
[[Wikipedia:Poseidippos|Poseidippos]] (3.&nbsp;Jahrhundert v.&nbsp;Chr.) hat ein Epigrammen auf Kairos verfasst:


== Jubiläum 1006 - 2006 ==
{{Zitat|''Wer bist du?''<br />
Die [[Wikipedia:Französische Regierung|Französische Regierung]] ehrte Fulbertus im Jahre [[Wikipedia:2006|2006]] mit der Jubiläumsfeier ''„Célébration nationale du Millénaire de Fulbert, Chartres 1006-2006“'' aus, deren Höhepunkt am [[Wikipedia:8. September|8. September]] [[Wikipedia:2006|2006]] die Einweihung der renovierten Fulbert-Unterkirche und die anschließende Uraufführung des Marienoratoriums [[Stella Maris]] von [[Wikipedia:Helge Burggrabe|Helge Burggrabe]] unter der Schirmherrschaft der [[Wikipedia:Botschafter|Botschafter]] [[Wikipedia:Frankreich|Frankreich]]s und [[Wikipedia:Deutschland|Deutschland]]s war.  
Ich bin Kairos, der alles bezwingt!<br />
''Warum läufst du auf Zehenspitzen?''<br />
Ich, der Kairos, laufe unablässig.<br />
''Warum hast du Flügel am Fuß?<br />
Ich fliege wie der Wind.<br />
''Warum trägst du in deiner Hand ein spitzes Messer?''<br />
Um die Menschen daran zu erinnern, dass ich spitzer bin als ein Messer.<br />
''Warum fällt dir eine Haarlocke in die Stirn?''<br />
Damit mich ergreifen kann, wer mir begegnet.<br />
''Warum bist du am Hinterkopf kahl?''<br />
Wenn ich mit fliegendem Fuß erst einmal vorbeigeglitten bin,<br />
wird mich auch keiner von hinten erwischen<br />
so sehr er sich auch bemüht.<br />
''Und wozu schuf Euch der Künstler?''<br />
Euch Wanderern zur Belehrung.|Gründel 1996. Sp. 1131}}


== Siehe auch ==
== Anmerkungen ==
* {{WikipediaDE|Fulbert von Chartres}}


==Literatur==
<references/>
#J. P. Migne: ''Patrologiae cursus completus, series Latina'', Bde. 141, 189-278 (Briefe, Reden, Traktate, liturg. Stücke), Paris 1878-1890
#Karl Heyer: ''Das Wunder von Chartres'', 4. Auflage, Orient-Occident Verlag, Stuttgart 1982, S 55 - 64
#René Querido: ''Vision und Morgenruf in Chartres'', Novalis Verlag, Schaffhausen 1989, S 33 - 42
#Frank Teichmann: ''Der Mensch und sein Tempel, Bd. 4: Chartres - Schule und Kathedrale'', Urachhaus Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 978-3878386889


=== Weblinks ===
== Literatur ==
* [http://www.fulbert-chartres.org 1000 Jahr Bischof Fulbert]
* [[Wikipedia:Johannes Gründel|Johannes Gründel]]: ''Kairos''. In: ''Lexikon für Theologie und Kirche.'' Bd 5. Freiburg 1996, Sp. 1129–1131.
* [http://www.oratorium-stellamaris.com Stella Maris - Marienoratorium]


[[Kategorie:Schule von Chartres]] [[Kategorie:Bischof]] [[Kategorie:Heiliger]] [[Kategorie:Mann]]
[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Mythologie]] [[Kategorie:Griechische Mythologie]]

Version vom 20. Mai 2013, 00:12 Uhr

Kairos-Relief von Lysippos, Kopie in Trogir
Kairos-Relief, römische Kopie des Originals von Lysippos (Museum von Turin)

Kairos (griech. Καιρός), die Gunst der Stunde, der rechte Augenblick der Entscheidung, das richtige Handeln zum rechten Zeitpunkt, wurde in der späteren griechischen Mythologie als Gottheit angesehen, spielte aber, anders als Chronos, keine bedeutende Rolle. Nachbildungen der Kairos-Statute von Lysippos (siehe unten) belegen allerdings einen vom Wikipedia:Hellenismus bis in oströmische Zeit weit verbreiteten Kairos-Kult.

Alle Kairos-Darstellungen leiten sich von der verschollenen, von Pausanias beschriebenen Bronzestatue des Lysippos ab, der auch der Hofbildhauer Alexanders des Großen gewesen war. Nach Pausanias soll Kairos als eilender nackter Jüngling mit Flügeln an den Knöcheln und langen Locken an Stirn und Schläfen (daher auch das Sprichwort: „Die Gelegenheit beim Schopf packen“) dargestellt worden sein. Sein Hinterkopf war kahl (von hinten ist Kairos nicht mehr zu fassen) und in der Hand hielt er ein spitzes Messer. Auf manchen Darstellungen trägt Kairos auch Flügel auf dem Rücken und eine Balkenwaage in der Linken, so etwa auf einem Turiner Relief.

Von Pittakos von Mytilene (Lesbos) stammt der Ausspruch: Γίγνωσκε καιρόν. (griech. Gignōske kairon., „Erkenne den rechten Zeitpunkt!“).

Das Wort kairos ist über keiro („abschneiden“) verwandt mit krinein bzw. krisis (Substantiv), was soviel wie „scheiden, trennen, unterscheiden“, aber auch „entscheiden, ein Urteil fällen“ bedeutet[1]

Poseidippos (3. Jahrhundert v. Chr.) hat ein Epigrammen auf Kairos verfasst:

Wer bist du?
Ich bin Kairos, der alles bezwingt!
Warum läufst du auf Zehenspitzen?
Ich, der Kairos, laufe unablässig.
Warum hast du Flügel am Fuß?
Ich fliege wie der Wind.
Warum trägst du in deiner Hand ein spitzes Messer?
Um die Menschen daran zu erinnern, dass ich spitzer bin als ein Messer.
Warum fällt dir eine Haarlocke in die Stirn?
Damit mich ergreifen kann, wer mir begegnet.
Warum bist du am Hinterkopf kahl?
Wenn ich mit fliegendem Fuß erst einmal vorbeigeglitten bin,
wird mich auch keiner von hinten erwischen
so sehr er sich auch bemüht.
Und wozu schuf Euch der Künstler?
Euch Wanderern zur Belehrung.“

Gründel 1996. Sp. 1131

Anmerkungen

  1. Christoph Lange: Alles hat seine Zeit. Zur Geschichte des Begriffs kairos. [1]

Literatur

  • Johannes Gründel: Kairos. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Bd 5. Freiburg 1996, Sp. 1129–1131.