Ödipus und Antichrist: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Bild:Gustave Moreau Oedipus.jpg|thumb|180px|[[Wikipedia:Gustave Moreau|Gustave Moreau]], Ödipus und die Sphinx]]
Der '''Antichrist''' ([[Wikipedia:Griechische Sprache|griech.]] αντί Χριστοὺ, ὁ Ἀντίχριστος, [[Wikipedia:Deutsche Sprache|dt.]] auch ''Widerchrist'' oder ''Endchrist'') ist nach der christlichen Überlieferung [[das Böse]] schlechthin und der große Gegner des [[Christus]] in der [[Endzeit]] der [[Erdentwicklung]]. Er erscheint als der bedeutenste Geist und Führer der [[luziferisch]]en Scharen. In der [[Islam|islamischen]] Überlieferung der [[Wikipedia:Hadith|Hadith]]en entspricht ihm annähernd der [[Daddschal]], der aber auch mit [[Ahriman]] identifiziert werden kann. Im [[Judentum]] war eine vergleichbare Figur zunächst unbekannt und erscheint erst in der späteren [[jüdisch]]en [[Wikipedia:Eschatologie|Eschatologie]] in der Gestalt des [[Armilus]], der aber auch eher [[Ahriman]] vergleichbar sein dürfte.
'''Ödipus''' (altgriechisch '''{{polytonisch|Οἰδίπους}}''', ''Oidípous'', heute ''Οιδίποδας'', ''Idípodas'') ist eine Gestalt der [[Wikipedia:Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]]. Er ist ein Sohn des [[Wikipedia:Laios|Laios]], des Königs von [[Wikipedia:Theben (Griechenland)|Theben]], welchen er in einem Handgemenge tötet. Später erhält er als Belohnung dafür, dass er Theben von der [[Sphinx]] befreit, [[Wikipedia:Iokaste|Iokaste]], die Witwe des Königs und damit seine eigene Mutter, zur Ehefrau. Erst später erfährt er, dass Iokaste und Laios seine leiblichen Eltern sind. Wie es von einem [[Orakel]] vorausgesagt wurde, beging Ödipus also sowohl [[Wikipedia:Vatermord|Vatermord]] als auch [[Wikipedia:Inzest|Inzest]]. In [[Wikipedia:Sophokles|Sophokles]]’ Drama ''[[Wikipedia:König Ödipus|König Ödipus]]'' sticht sich Ödipus am Ende die Augen aus und flieht mit seiner Schande ins Exil.


== Sagenkreis ==
[[Rudolf Steiner]] charakterisiert die Zeit, in der der Antichrist kommen wird, so:


=== Der Fluch ===
<div style="margin-left:20px">
"Es wird eine Zeit kommen, in der es auch so ausschauen wird, wie wenn
dasjenige, was auf [[Golgatha]] geschähe, auch auf der ganzen Erde geschähe. Es wird
so aussehen, als wenn der [[Egoismus]] dem [[Christus]], der [[Buddhi]], den Tod bringen
sollte. Das wird die Zeit des Antichrist sein. Das ist das Gesetz, daß alles, was um das
Kreuz herum geschah, auch auf dem [[Physische Welt|physischen Plane]] wird geschehen müssen.
Was auf Golgatha geschehen ist, hat zugleich eine tiefe symbolische Bedeutung. Der
Verrat des Judas bedeutet das Überhandnehmen der niederen Triebe." {{Lit|{{G|96|293}}}}
</div>


König Laios von Theben hatte einst die Gastfreundschaft des Königs [[Wikipedia:Pelops|Pelops]] missbraucht, indem er dessen Sohn [[Wikipedia:Chrysippos (Mythologie)|Chrysippos]] entführen und verführen wollte, weil er sich in den Knaben verliebt hatte. Aufgrund dessen wurde er von Pelops verflucht.
Der [[Christus]] verschenkt sich als das große [[Makrokosmos|makrokosmische]] [[Ich]] an die [[Mensch]]en, ganz im Sinne des [[Paulus|paulinischen]] Wortes: ''Nicht ich, sondern der Christus in mir!'' Ihm treten die [[luziferisch]]en Scharen unter der Führung des Antichrist entgegen, die dem Menschen die Entwicklung der höherer [[Wesensglieder]] [[Manas]], [[Buddhi]] und [[Atman]] verheißen, die aber doch während der [[Erdentwicklung]] nur [[Mikrokosmos|mikrokosmischer]] Natur sein können und daher weniger wert als das makrokosmische Ich des Christus sind:


Laios und seine Frau [[Wikipedia:Iokaste|Iokaste]] blieben lange Zeit kinderlos und eines Tages machte sich [[Wikipedia:Laios|Laios]] auf den Weg zum [[Orakel von Delphi]] und erhielt Kunde von dem Fluch. Das Orakel sagte: „Solltest du dich je unterstehen, einen Sohn zu zeugen, so wird dieser seinen Vater erschlagen und seine Mutter heiraten.
<div style="margin-left:20px">
"Der Christus-Geist und der bedeutendste Geist der luziferischen Geister werden einander
gegenüberstehen: der Christus-Geist, von dem die Menschen werden hoffen
können, den mächtigen makrokosmischen Impuls ihres vierten Prinzipes zu erhalten,
und der luziferische Geist, der in einer gewissen Beziehung sie darüber hinausführen
wird wollen. Wenn die Menschen dabei bleiben und sich sagen können: Wir
müssen von den luziferischen Geistern nur dasjenige erlangen, zu dem wir so hinaufblicken,
wie wir zu unserer niederen Natur hinunterblicken, – so würden die
Menschen recht tun. Indem die Menschen dazu kommen werden zu sagen: Seht, der
Christus gibt nur das vierte Prinzip, da sind aber die Geister,
die das sechste und siebente geben – da werden die Menschen, die dem Christus gegenüber
so denken, anbeten und auf den Schild heben den Antichrist. So wird sich
die Stellung des Antichrist zum Christus in der Zukunft geltend machen. Und mit
dem äußeren Verstand, mit der äußeren Genialität wird man nichts gegen solche
Dinge einwenden können, denn man wird vieles aufweisen können, was im Sinne
von Vernunft und Genialität gescheiter sein wird beim Antichrist als das, was als tiefstes
menschliches Prinzip von dem Christus immer mehr und mehr in die Seele einfließen
wird. Weil der Christus den Menschen das vierte makrokosmische Prinzip
bringt, das, da es makrokosmisch ist, doch unendlich wichtiger ist als alle mikrokosmischen
Prinzipien – es ist stärker als sie, wenn es auch verwandt ist dem menschlichen
Ich , stärker als alle anderen, die während der Erdentwickelung
erlangt werden können –, so wird man, weil es eben nur das vierte
Prinzip ist, sagen es sei niedriger als das fünfte [Manas], sechste [Buddhi], siebente
[Atma], welche von den luziferischen Geistern kommen, es sei insbesondere niedriger
als das, was vom Antichrist kommt." {{Lit|{{G|130|218f}}}}
</div>


=== Ödipus in Korinth ===
<div style="margin-left:20px">
"Die normale Entwickelung stellt daher den luziferischen Geistern gegenüber etwas
«Einfacheres» vor, über das sie sich erhaben dünken. Und es werden Zeiten
kommen, wo durch die Macht der höheren Prinzipien, des fünften oder gar sechsten
Prinzips, die luziferischen Geister großen Einfluß auf die ihnen verfallende Menschheit
haben werden. Können wir das nicht heute schon überall in seinen Anzeichen
richtig empfinden? In Kunst und Wissenschaft und so weiter, überall tritt uns entgegen
eine gewisse frühreife Höherentwickelung, der aber der innere Wahrheitskern,
die Harmonie mit dem Ewigen zu fehlen scheint. Der Führer derjenigen Geister, die
in dieser Weise sechs Prinzipien entwickelt haben, die also auf dem [[Alter Mond|Monde]] bis dicht
an die Vollendung herangekommen sind, ist der Antichrist, der dem Christus schon
zum Verwechseln ähnlich sehen kann. Heute ist bereits der größte Teil der Menschheit
diesem Einfluß der luziferischen Geister verfallen. Daher die Notwendigkeit,
jetzt das zu fördern, was der Mensch auf der Erde nur als Innerliches empfangen
kann durch die Meditation. Daher die Notwendigkeit der Geisteswissenschaft." {{Lit|{{G|130|333f}}}}
</div>


Iokaste bekam tatsächlich einen Sohn. Laios ließ also im Einverständnis mit seiner Frau Iokaste dem Neugeborenen die Füße durchstechen, zusammenbinden und ihn von einem Hirten so im [[Wikipedia:Kithairon|Kithairon]]-Gebirge aussetzen.<ref>Pausanias: ''Reisen in Griechenland.'' 9, 2, 4.</ref> Der Hirte aber hatte Mitleid mit dem Neugeborenen und übergab ihn einem vorbeiziehenden Hirten aus [[Wikipedia:Korinth|Korinth]]. Über diesen gelangte Ödipus zum König [[Wikipedia:Polybos|Polybos]] von Korinth und wurde von ihm adoptiert. Seine Frau [[Wikipedia:Merope|Merope]] oder nach anderer Überlieferung [[Wikipedia:Periboia|Periboia]] heilte seine Wunden. Sie nannte ihn wegen seiner geschwollenen Füße ''Oidipus'' („Schwellfuß“).<ref>[[Wikipedia:Apollodor von Athen (Schriftsteller)|Apollodor]]: ''Bibliotheke.'' 3, 49.</ref>
Im Gegensatz zu den heilsamen [[kosmisch]]en [[Morgen- und Abendkräfte]]n wird man im gruppenegoistischen Sinn in westlichen Bruderschaften die [[Mittagskräfte]] aus der Region der [[Zwillinge (Sternbild)|Zwillinge]] im Dienste des [[Doppelgänger]]s für einen unrechten [[Mechanischer Okkultismus|mechanischen Okkultismus]] missbrauchen. Dabei wird man den Antichrist als Christus ausgeben wollen.


In neuerer Zeit ist diese [[Etymologie]] des Namens angezweifelt worden. Einige Wissenschaftler schlagen vor, „Oidipous“ mit „Der, der alles weiß“ zu übersetzen.<ref>Wolfgang Christlieb: ''Der entzauberte Ödipus, Ursprünge und Wandlungen eines Mythos.''</ref>
<div style="margin-left:20px">
"Aber von derselben Seite her, die
Gold, Gesundheit und Lebensverlängerung an die Stelle von Gott,
Tugend und Unsterblichkeit setzen will, von derselben Seite her wird
angestrebt, nicht mit den Morgen- und Abendprozessen zu wirken,
sondern mit ganz andern. Und ich habe Sie das letzte Mal darauf aufmerksam
gemacht, daß auf der einen Seite der Impuls des Mysteriums
von Golgatha aus der Welt entfernt werden soll, indem man vom
Westen her den anderen Impuls, eine Art Antichrist, einführt; daß
von Osten her der Christus-Impuls so, wie er im 20. Jahrhundert hervortritt,
dadurch paralysiert werden soll, daß man die Aufmerksamkeit,
das Interesse gerade ablenkt von dem [[Die Wiederkehr des Christus im Ätherischen|ätherisch kommenden Christus]].


=== Ödipus tötet seinen Vater ===
Von der Seite, wo man gewissermaßen den Antichrist wird als den
Christus einführen wollen, wird angestrebt, auszunützen dasjenige,
was insbesondere durch die materiellsten Kräfte wirken kann, aber
durch die materiellsten Kräfte eben geistig wirkt. Vor allen Dingen
wird von dieser Seite angestrebt, Elektrizität, und namentlich Erdmagnetismus
auszunützen, um Wirkungen hervorzubringen über die
ganze Erde hin. Ich habe Ihnen ja gezeigt, wie in dem, was ich den
menschlichen Doppelgänger genannt habe, aufsteigen die Erdenkräfte.
Hinter dieses Geheimnis wird man kommen. Es wird ein
amerikanisches Geheimnis sein, den Erdmagnetismus in seiner Doppelheit,
im Nord- und Südmagnetismus zu verwenden, um dirigierende
Kräfte über die Erde hinzusenden, die geistig wirken. Sehen
Sie sich die magnetische Karte der Erde an, und vergleichen Sie einmal
die magnetische Karte mit dem, was ich jetzt sage: den Verlauf
der magnetischen Linie, wo die Magnetnadel nach Osten und Westen
ausschlägt und wo sie gar nicht ausschlägt. Ich kann über diese Dinge
nicht mehr als Andeutungen zunächst geben: Von einer gewissen
Himmelsrichtung her wirken fortwährend geistige Wesenheiten; man
braucht nur diese geistigen Wesenheiten in den Dienst des Erdendaseins
zu stellen, so wird man - weil diese geistigen, vom Kosmos
hereinwirkenden Wesenheiten das Geheimnis des Erdmagnetismus
vermitteln können - hinter dieses Geheimnis des Erdmagnetismus
kommen und mit Bezug auf die drei Dinge Gold, Gesundheit, Lebensverlängerung
sehr bedeutsames Gruppenegoistisches wirken können." {{Lit|{{G|178|227f}}}}
</div>


Ödipus wuchs in Korinth auf, ohne von seiner Herkunft zu wissen. Als er erwachsen war, macht ein Betrunkener auf einem Fest Andeutungen, denen zufolge er nicht der leibliche Sohn seiner Eltern sei. Ödipus war beunruhigt, die Antwort von Polybos und Merope befriedigte ihn nicht und so befragte er schließlich seinerseits das Orakel. Als ihm dieses verkündete, er werde seinen Vater töten und seine Mutter zur Frau nehmen, brach er in die Ferne auf, damit sich die Prophezeiung an seinen vermeintlichen Eltern in Korinth nicht bewahrheite.<ref>Apollodor: ''Bibliotheke.'' 3, 50–51.</ref>
== Literatur ==
 
#Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989)
Auf dem Weg von Delphi nach [[Daulis]] traf er an einer engen Weggabelung im Gebirge [[Parnassos]] – nach anderen Angaben im Kithairon – auf einen Wagen. Polyphontes, der Fahrer des anderen Wagen, forderte Ödipus auf, sofort Platz zu machen. Da ihm das zu langsam ging, tötete er eins der Pferde des Ödipus, woraufhin Ödipus sowohl den Polyphontes als auch dessen Passagier und somit seinen leiblichen Vater Laios, nichts ahnend, tötete und sich der erste Teil der Vorhersage des Orakels erfüllte.<ref>Pausanias: ''Reisen in Griechenland.'' 9, 2, 4 und 10, 5, 3.</ref>
#Rudolf Steiner: ''Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit'', [[GA 130]] (1995)
 
#Rudolf Steiner: ''Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen'', [[GA 178]] (1992), ISBN 3-7274-1780-3 {{Vorträge|178}}
=== Ödipus besiegt die Sphinx ===
 
Nach Laios’ Tod übernahm dessen Schwager [[Kreon (König von Theben)|Kreon]] die Herrschaft über Theben. Zu dieser Zeit lauerte die [[Sphinx]] Reisenden in der Nähe von Theben auf. Sie saß auf einem Felsen und stellte den Vorbeikommenden ein Rätsel und verschlang alle, die es nicht lösen konnten. Kreon versprach jenem den Thron von Theben und zusätzlich seine Schwester Iokaste zur Frau, der [[das Rätsel der Sphinx]] lösen konnte. Ödipus löste das Rätsel, worauf sich die Sphinx ins Meer stürzte, und befreite so Theben von der Sphinx. Zur Belohnung wurde er zum König von Theben ernannt und erhielt Iokaste, seine eigene Mutter, zur Frau, mit der er die Zwillinge [[Eteokles]] und [[Polyneikes]] und die Töchter [[Antigone]] und [[Ismene]] zeugte. So erfüllte sich auch der zweite Teil der Prophezeiungen. Mutter und Sohn wussten jedoch weder von der Tötung des Laios durch Ödipus noch von ihrer biologischen Verwandtschaft.<ref>Apollodor: ''Bibliotheke,'' 3, 52–55.</ref>
 
Andere Überlieferungen nennen eine zweite Gattin des Ödipus ''Euryganeia'', die Tochter des ''Hyperphas'', als Mutter der Kinder Eteokles, Polyneikes, Antigone und Ismene.<ref>Apollodor: ''Bibliotheke.'' 3, 55.</ref> [[Pausanias Periegetes|Pausanias]] führt hierzu ein Werk namens ''Oidipodia'' an und berichtet von einem Gemälde des [[Onasias]], das er in [[Platää]] gesehen hatte. Dieses Gemälde zeigt Euryganeia bestürzt über den Krieg zwischen ihren Söhnen Eteokles und Polyneikes.<ref>Pausanias: ''Reisen in Griechenland.'' 9, 5, 10–12.</ref> Mit Iokaste soll er Vater des Phrastor und des Laonytos gewesen sein. Später soll er noch Astymedusa, die Tochter des Sthenelos, geheiratet haben.<ref>[[Hesiod]]: ''Eoien.'' 191.</ref>
 
==== Der Albtraum und das Fragemotiv der Sphinx ====
 
In verfeinerter Form zeigt sich [[Albtraum]] in der Rätselfrage der [[Sphinx]], wie sie durch die Ödipus-Sage überliefert ist. Sie beruht auf dem [[luzifer]]ischen Einfluss auf die [[Atmung]] und [[Blut]]bewegung, der in der [[Griechisch-Lateinische Kultur|griechisch-lateinischen Zeit]] besonders stark war und zu einer Ausweitung des [[Ätherleib]]s über die Grenzen des [[Physischer Leib|physischen Leibs]] führte. Heute tritt an dessen Stelle vermehrt der [[ahriman]]ische Einfluss, der sich im Erleben der [[Mephistopheles]]-Gestalt äußert, wie sie [[Goethe]] in seiner [[Faust-Tragödie]] schildert.
 
{{GZ|In das menschliche Leben spielen immer Erlebnisse
herein, die von Luzifer und Ahriman stammen. In das Grunderlebnis
der vierten nachatlantischen Periode spielte insbesondere Luzifer
herein; in unsere Periode spielt Ahriman herein und bedingt das
Grunderlebnis. Nun hängt Luzifer mit alledem zusammen, was noch
nicht bis zur Deutlichkeit der einzelnen Sinne sich ausgewachsen hat,
was undeutlich an den Menschen, undifferenziert an ihn herankommt.
Mit andern Worten, Luzifer hängt mit dem Atemerlebnis zusammen,
mit dem Erlebnis des Ein- und Ausatmens. Das Atmen des Menschen
ist etwas, was in einem ganz bestimmten geregelten Verhältnis stehen
muß zu seiner Gesamtorganisation. In dem Augenblick, wo der Atmungsprozeß
in irgendeiner Weise gestört ist, verwandelt sich sogleich
die Atmung aus dem, wie sie sonst auftritt, nämlich als unbewußter
Vorgang, auf den wir nicht zu achten brauchen, in einen bewußten, in
einen mehr oder weniger traumhaft bewußten Vorgang. Und wenn -
wir können es ganz trivial ausdrücken - der Atmungsprozeß zu energisch
wird, wenn er größere Anforderungen an den Organismus stellt,
als dieser Organismus leisten kann, dann hat Luzifer die Möglichkeit,
mit dem Atmen einzudringen in den menschlichen Organismus. Er muß
es ja nicht selbst sein, aber seine Scharen tun es, diejenigen, die zu ihm
gehören.
 
Ich weise damit auf eine Erscheinung hin, welche jeder kennt als
Traumerlebnis. Dieses Traumerlebnis kann sich in beliebiger Weise
steigern. Der Alptraum, wo also der Mensch durch das gestörte Atmen
zum Traumbewußtsein kommt, so daß sich Erlebnisse der geistigen Welt
hineinmischen können, und auch alle Angst- und Furchterlebnisse, die
mit Alpträumen verbunden sind, haben in dem luziferischen Element
der Welt ihren Ursprung. Alles, was vom gewöhnlichen Atmungsprozeß
übergeht zum Würgen, zu dem Gefühl des Gewürgtwerdens,
das hängt zusammen mit dieser Möglichkeit, daß Luzifer sich einmischt
in den Atmungsprozeß. Das ist der grobe Prozeß, wo durch eine Herabminderung
des Bewußtseins Luzifer sich in das Atemerlebnis hineinmischt,
gestaltenhaf t in das Traumbewußtsein tritt und da zum Würger
wird. Das ist das grobe Erlebnis.
 
Es gibt aber auch ein feineres Erlebnis, das uns dieses Würgeerlebnis
gleichsam verfeinert, nicht so grob wie ein physisches Würgen darstellt.
Man achtet gewöhnlich nicht darauf, daß eine solche Verfeinerung des
Würgens zu den menschlichen Erlebnissen gehört. Aber jedesmal, wenn
an die menschliche Seele dasjenige herantritt, was zu einer Frage wird
oder zu einem Zweifel an diesem oder jenem in der Welt, dann ist in
verfeinerter Weise ein Würgeerlebnis da. Man kann schon sagen: Wenn
wir eine Frage aufstellen müssen, wenn ein kleines oder ein großes Weltenrätsel
sich uns aufdrängt, dann werden wir gewürgt, aber so, daß
wir es nicht merken. - Jeder Zweifel, jede Frage ist ein verfeinertes
Alpdrücken oder ein verfeinerter Alptraum.
 
So verwandeln sich die Erlebnisse, die uns sonst grob entgegentreten,
in feinere Erlebnisse, wenn sie mehr seelisch auftreten. Man kann sich
schon denken, daß die Wissenschaft einmal dazu kommen wird, den
Zusammenhang des Atmungsprozesses mit der Fragestellung oder der
Empfindung eines Zweifels in der Menschenseele zu studieren. Aber
auch alles das, was mit Fragen und Zweifeln zusammenhängt, alles das,
was damit zusammenhängt, daß wir unbefriedigt sind, weil die Welt an
uns herantritt und eine Antwort verlangt, oder weil wir gezwungen
sind, eine Antwort zu geben durch das, was wir sind, hängt mit dem
Luziferischen zusammen.
 
Wenn wir nun die Sache geisteswissenschaftlich betrachten, so können
wir sagen: Bei allem, wo der Würgeengel im Alptraum uns bedrückt,
oder wo wir durch die Fragestellung eine innere Bedrückung,
einen Anflug von Beängstigung erfahren, haben wir es mit einem gleichsam
stärkeren, energischeren Atmungsprozeß zu tun, mit etwas, was im
Atem lebt, was aber, damit die menschliche Natur in der richtigen
Weise funktioniert, harmonisiert, abgeschwächt werden muß, damit
das Leben richtig verläuft. Was findet nun statt, wenn ein energischerer
Atmungsprozeß eintritt? Da ist gleichsam der Ätherleib und alles, was
mit der ätherischen Natur des Menschen zusammenhängt, zu weit ausgedehnt,
zu sehr auseinandergedrängt, und da sich das dann auslebt
im physischen Leibe, so kann es sich nicht auf den physischen Leib
beschränken, es will ihn gewissermaßen auseinanderzerren. Ein zu
üppiger, ein zu weit ausgedehnter Ätherleib liegt einem verstärkten
Atmungsprozeß zugrunde, und dann besteht die Möglichkeit für das
luziferische Element, sich besonders geltend zu machen.
Man kann also sagen: Das Luziferische kann sich in die menschliche
Natur hineinschleichen, wenn der Ätherleib geweitet ist. — Man kann
auch sagen: Das Luziferische hat die Tendenz, in einem der menschlichen
Form gegenüber geweiteten Ätherleibe sich auszudrücken, also
in einem Ätherleibe, der mehr Raum braucht, als in der menschlichen
Haut eingeschlossen ist, der die Form üppiger gibt. — Man kann sich
nun denken, daß man künstlerisch diese Frage beantworten will, und
da kann man sagen: So wie der menschliche Ätherleib normal ist, ist er
der Bildner der menschlichen Gestalt, die physisch vor uns steht. Aber
sobald er sich weitet, sobald er sich einen größeren Raum, weitere Grenzen
verschaffen will, als in der menschlichen Haut darinnen sind, will
er auch andere Formen geben. Es kann da nicht die menschliche Form
bleiben. Er will überall über die menschliche Form hinaus. - Dieses
Problem hat man in alter Zeit schon gelöst. Was für eine Form kommt
da heraus, wenn der geweitete Ätherleib, der nicht für das menschliche
Wesen, sondern für das luziferische Wesen paßt, sich Geltung verschafft
und formhaft vor die menschliche Seele tritt? Was kommt da
heraus? Die Sphinx!
 
Hier haben wir eine besondere Art, uns in die Sphinx hinein zu vertiefen.
Die Sphinx ist es, was eigentlich an einem würgt. Wenn der
Ätherleib des Menschen durch die Energie des Atmens sich ausweitet,
taucht ein luziferisches Wesen in der Seele auf. Es lebt in diesem Ätherleibe
nicht die menschliche Gestalt, sondern die luziferische Gestalt, die
Sphinxgestalt. Die Sphinx taucht auf als die Zweifelaufwerferin, als
die Fragepeinigerin. Diese Sphinx hat also eine besondere Beziehung
zum Atmungsprozeß. Wiederum wissen wir aber, daß der Atmungsprozeß
eine besondere Beziehung zur Blutbildung hat. Daher lebt das
Luziferische auch im Blute, durchwogt und durchwallt das Blut.
Überall kann auf dem Umwege durch die Atmung das Luziferische
in das Blut des Menschen hinein, und wenn zuviel Energie in das
Blut hineinkommt, dann ist das Luziferische, die Sphinx, besonders
stark.
 
So steht der Mensch dadurch, daß er in seinem Atmungsprozeß dem
Kosmos geöffnet ist, der Sphinxnatur gegenüber. Dieses Erlebnis, in
seinem Atmen der Sphinxnatur des Kosmos gegenüberzustehen, dieses
Grunderlebnis ging besonders in der vierten nachatlantischen, der griechisch-
lateinischen Kulturperiode auf. Und in der Ödipus-Sage sehen
wir, wie der Mensch der Sphinx gegenübersteht, wie die Sphinx sich an
ihn kettet, zur Fragepeinigerin wird. Der Mensch und die Sphinx, oder
wir können auch sagen, der Mensch und das Luziferische im Weltall
sollten gleichsam als ein Grunderlebnis der vierten nachatlantischen
Kulturperiode so hingestellt werden, daß, wenn der Mensch sein äußeres
normales Leben auf dem physischen Plan nur ein wenig durchbricht,
er mit der Sphinxnatur in Berührung kommt. Da tritt Luzifer in seinem
Leben an ihn heran, und er muß mit Luzifer, mit der Sphinx fertig
werden.|158|99ff}}
 
=== Iokastes Tod ===
 
Als nach glücklichen Jahren in Theben eine Seuche ausbricht, verkündet das Orakel von Delphi, der Mörder des Laios müsse gefunden werden, damit die Seuche verschwinden könne. Der blinde Seher [[Teiresias]] enthüllte widerwillig, von Ödipus dazu gedrängt, diesen als den Mörder von Laios. Ödipus glaubte ihm nicht, kam jedoch nach eigener Untersuchung der alten Vorfälle selbst zu der Erkenntnis, dass er Laios getötet hat, dass Laios sein Vater und Iokaste, seine Frau, auch seine Mutter ist. Daraufhin erhängte sich Iokaste an ihrem Schleier und Ödipus stach sich mit der Nadel aus Iokastes Gewand die Augen aus.<ref name="Apollodor3_56">Apollodor: ''Bibliotheke.'' 3, 56.</ref>
 
=== Tod des Ödipus ===
 
Es gibt zahlreiche Versionen zu den weiteren Begebenheiten:
 
* Ödipus übergab die Regierung an Eteokles und verließ zusammen mit seiner Tochter [[Antigone]] Theben.<ref name="Apollodor3_56" />
 
* [[Kreon (König von Theben)|Kreon]], Bruder der Iokaste, übernahm wieder die Herrschaft und verbannte Ödipus aus der Stadt. Dieser wanderte einige Jahre mit seiner Tochter Antigone umher, bis er in [[Kolonos]] bei [[Athen]] in einem heiligen [[Hain]] für Bittsteller von [[Theseus]] aufgenommen wurde und dort starb.<ref>[[Sophokles]]: ''[[Ödipus auf Kolonos]]''.</ref>
 
* Eteokles und Polyneikes nahmen Ödipus gefangen, um die Schande ihres Vaters vor der Öffentlichkeit verborgen zu halten, worauf Ödipus seine eigenen Söhne verfluchte.
 
* Ödipus regierte nach dem Tode Iokastes weiter und starb in einer Schlacht.<ref>[[Homer]]: ''Ilias.'' 679.</ref>
 
* Ödipus stürzte sich aus Verzweiflung in eine Schlucht, die als Tor zum [[Hades]] gilt.
 
* Ödipus verlangt von Kreon, ihn zu verbannen, was auch erfolgt. Seine Bitte, seine Tochter Antigone mitzunehmen, wird von Kreon nicht erfüllt.
 
== Fortwirken des Mythos in der Kunst ==
 
Als Inbegriff einer griechischen [[Tragödie]] wurde das Thema schon in der Antike künstlerisch mehrfach bearbeitet. [[Sophokles]] gestaltete Ödipus’ Schicksal gleich in mehreren Stücken. Die Ödipus-Dramen von [[Aischylos]] und [[Euripides]] sind uns nicht erhalten geblieben. Ebenso verarbeitete der Römer [[Seneca der Jüngere]] diesen Stoff.
 
Auch mehrere [[neuzeit]]liche Künstler haben den Ödipus-Mythos dargestellt:  z.&nbsp;B. [[Pierre Corneille]], [[Voltaire]], J. [[Péladan]], [[Hugo von Hofmannsthal]], [[André Gide]], [[Jean Cocteau]] und [[Max Frisch]] in der Literatur sowie [[Igor Strawinski]], [[George Enescu]] und [[Carl Orff]] in der Musik. Zuletzt [[Andreas Schmitz]] in seinem Stück „Schwellfußeinlagen“, dessen Welturaufführung am 12. Juni 2006 vielbejubelt in Salzburg über die Bühne ging. Handelt es sich bei „Schwellfußeinlagen“ um einen übermütigen Jux mit Motiven aus dem Ödipus-Mythos, so ist „König Ödipus – Eine Komödie aus der Alten Zeit“ von [[Anselm Korff]] die wahrscheinlich erste Ödipus-[[Komödie]], die den Stoff und den darin enthaltenen Konflikt sehr ernst nimmt.
 
== Aufnahme des Mythos in der Wissenschaft ==
 
[[Sigmund Freud]] benannte ein [[Psychoanalyse|psychoanalytisches]] Phänomen nach dem Mythos „[[Ödipus-Komplex]]“ bzw. „Ödipuskonflikt“. Die kindliche Entwicklungsphase, in der die Rivalität zwischen Sohn und Vater ein zentrales Thema bildet, heißt nach Freud dementsprechend „ödipale Phase“.
 
[[Erich Fromm]] verwirft diese Interpretation Freuds und führt unter Berufung auf [[Johann Jakob Bachofen]] aus, der Mythos (also alle drei Teile) beschreibe den Kampf zwischen [[Patriarchat (Soziologie)|patriarchalischem]] und [[Matriarchat|matriarchalischem]] Prinzip. In allen drei Teilen sei somit auf der ''familiären Ebene'' der Vaterkonflikt als Autoritätskonflikt zu deuten. Dies schlage sich auch auf gesellschaftlich-staatlicher Ebene nieder, in Person des Kreon, der für das patriarchalische Gesellschaftssystem eintritt, und seiner Konfrontation mit Antigone und Haimon, die beide die alte matriarchalische Ordnung vertreten. Kreon vertritt die Auffassung, dass die Söhne ihren Vätern zu Diensten sein sollen, das [[staat]]liche Gesetz oberste Priorität habe und der Herrscher den Staat und seine Untertanen besitze. Dies müsse laut Bachofen zur Zeit des Mutterrechts anders gewesen sein. Aufgrund der Unmöglichkeit, die Vaterschaft in einer [[Promiskuität|promiskuitiven]] Gesellschaft zu bestimmen, müssten früher alle Menschen als Brüder und Schwestern gegolten haben und einzig die Frau habe ihre Kinder zuordnen können. Somit kam nach Bachofen der Blutsverwandschaft und dem mütterlich-fürsorglichen Prinzip eine größere Bedeutung zu als staatlichen Bindungen. Das mütterliche Prinzip finde sich jedoch nicht nur in Familie und Gesellschaft wieder, sondern auch in der [[Religion]], weshalb Bachofen darauf hinweist, dass die ältesten Gottheiten Frauen gewesen seien (z.&nbsp;B. [[Demeter]]). Ödipus sei in diesem Zusammenhang als einer der letzten Vertreter der matriarchalischen Ordnung zu verstehen.<ref>Erich Fromm: ''Märchen, Mythen, Träume.''</ref>
 
Der Philosoph [[Michel Foucault]] beschrieb den Ödipus-Mythos in ''Die Wahrheit und die juristischen Formen'' als die Schilderung eines antiken „Kriminalfalles“, der auf zwei verschiedene Arten gelöst zu werden versucht: Einmal durch das archaische Mittel der „Probe“, also den Orakelspruch und das Gottesurteil, und dann später durch die „enquête“, die Untersuchung von Tathergängen und Befragung von Zeugen, die Ödipus selbst führt. Ödipus ist somit Opfer seines Wissens. Zuerst erhält er dadurch Macht (bei der Begegnung mit der [[Sphinx]]) und wird König von Theben, nur um sie dann eben durch sein erworbenes Wissen (nämlich wer er ist und dass er selbst seinen Vater tötete) wieder zu verlieren.
 
Die beiden [[Poststrukturalismus|poststrukturalistischen]] Denker [[Gilles Deleuze]] und [[Felix Guattari]] gaben ihrer Kritik an der Freudschen [[Psychoanalyse]] 1972 den plakativen Titel ''Anti-Ödipus''. Als Vertreter der [[Antipsychiatrie]] plädieren sie stattdessen für eine „[[Schizoanalyse]]“.
 
[[Immanuel Velikovsky]] stellte in seinem (allerdings als [[Pseudowissenschaft|pseudowissenschaftlich]] gewerteten) Buch ''Ödipus und Echnaton'' die Theorie auf, dass es sich hierbei um eine Wandersage aus dem „hunderttorigen“ [[Theben (Ägypten)|ägyptischen Theben]] handeln müsse.<ref>Immanuel Velikovsky, Ilse Fuhr: ''Oedipus und Echnaton.''</ref>
 
== Anmerkungen ==
<references/>
 
== Literatur==
 
* Jean Bollack: ''Ödipus. Von der Tragödie zum Komplex und vice versa.'' In: ''Maske und Kothurn'', Nr. 1/2006, S. 9–17, ISBN 3-205-77559-7-
* Wolfgang Christlieb: ''Der entzauberte Ödipus, Ursprünge und Wandlungen eines Mythos.'' Nymphenburger, München 1979, ISBN 3485018503.
* [[Wikipedia:Erich Fromm|Erich Fromm]]: ''Märchen, Mythen, Träume.''  Rowohlt, Reinbek, ISBN 3499174480.
* [[Wikipedia:Rudolf Heinz|Rudolf Heinz]]: ''Oedipus complex. Zur Genealogie von Gedächtnis.'' Passagen, Wien 1991,
* [[Wikipedia:Claude Lévi-Strauss|Claude Lévi-Strauss]]: ''Die Struktur der Mythen.'' In: ders.: ''Strukturale Anthropologie,'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1967, S. 227–254.
* Immanuel Velikovsky, Ilse Fuhr: ''Oedipus und Echnaton,'' Europa-Verlag  1966.
* Rudolf Steiner: ''Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt'', [[GA 158]] (1993), ISBN 3-7274-1580-0 {{Vorträge|158}}


{{GA}}
{{GA}}


== Weblinks ==
[[Kategorie:Christologie]] [[Kategorie:Widersacher]]
{{Commons|Oedipus|Ödipus}}
* [http://gutenberg.spiegel.de/schwab/sagen/sch1531.htm Die Ödipussage beim Projekt Gutenberg]
* [http://www.theaterportal.de/detail_search?stueck=%D6dipus ''Ödipus'' im Spielplan deutschsprachiger Bühnen]
* [http://web.tiscali.it/korff/Oedipus-Komoedie.pdf „König Ödipus – Eine Komödie aus der Alten Zeit“]
 
== Siehe auch ==
* [[Wikipedia:Oidipus tyrannos|Oidipus tyrannos]], [[Wikipedia:Ödipuskomplex|Ödipuskomplex]], [[Wikipedia:König Ödipus|König Ödipus]]
 
[[Kategorie:Griechische Mythologie|Odipus]]
 
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Version vom 14. September 2015, 03:03 Uhr

Der Antichrist (griech. αντί Χριστοὺ, ὁ Ἀντίχριστος, dt. auch Widerchrist oder Endchrist) ist nach der christlichen Überlieferung das Böse schlechthin und der große Gegner des Christus in der Endzeit der Erdentwicklung. Er erscheint als der bedeutenste Geist und Führer der luziferischen Scharen. In der islamischen Überlieferung der Hadithen entspricht ihm annähernd der Daddschal, der aber auch mit Ahriman identifiziert werden kann. Im Judentum war eine vergleichbare Figur zunächst unbekannt und erscheint erst in der späteren jüdischen Eschatologie in der Gestalt des Armilus, der aber auch eher Ahriman vergleichbar sein dürfte.

Rudolf Steiner charakterisiert die Zeit, in der der Antichrist kommen wird, so:

"Es wird eine Zeit kommen, in der es auch so ausschauen wird, wie wenn dasjenige, was auf Golgatha geschähe, auch auf der ganzen Erde geschähe. Es wird so aussehen, als wenn der Egoismus dem Christus, der Buddhi, den Tod bringen sollte. Das wird die Zeit des Antichrist sein. Das ist das Gesetz, daß alles, was um das Kreuz herum geschah, auch auf dem physischen Plane wird geschehen müssen. Was auf Golgatha geschehen ist, hat zugleich eine tiefe symbolische Bedeutung. Der Verrat des Judas bedeutet das Überhandnehmen der niederen Triebe." (Lit.: GA 96, S. 293)

Der Christus verschenkt sich als das große makrokosmische Ich an die Menschen, ganz im Sinne des paulinischen Wortes: Nicht ich, sondern der Christus in mir! Ihm treten die luziferischen Scharen unter der Führung des Antichrist entgegen, die dem Menschen die Entwicklung der höherer Wesensglieder Manas, Buddhi und Atman verheißen, die aber doch während der Erdentwicklung nur mikrokosmischer Natur sein können und daher weniger wert als das makrokosmische Ich des Christus sind:

"Der Christus-Geist und der bedeutendste Geist der luziferischen Geister werden einander gegenüberstehen: der Christus-Geist, von dem die Menschen werden hoffen können, den mächtigen makrokosmischen Impuls ihres vierten Prinzipes zu erhalten, und der luziferische Geist, der in einer gewissen Beziehung sie darüber hinausführen wird wollen. Wenn die Menschen dabei bleiben und sich sagen können: Wir müssen von den luziferischen Geistern nur dasjenige erlangen, zu dem wir so hinaufblicken, wie wir zu unserer niederen Natur hinunterblicken, – so würden die Menschen recht tun. Indem die Menschen dazu kommen werden zu sagen: Seht, der Christus gibt nur das vierte Prinzip, da sind aber die Geister, die das sechste und siebente geben – da werden die Menschen, die dem Christus gegenüber so denken, anbeten und auf den Schild heben den Antichrist. So wird sich die Stellung des Antichrist zum Christus in der Zukunft geltend machen. Und mit dem äußeren Verstand, mit der äußeren Genialität wird man nichts gegen solche Dinge einwenden können, denn man wird vieles aufweisen können, was im Sinne von Vernunft und Genialität gescheiter sein wird beim Antichrist als das, was als tiefstes menschliches Prinzip von dem Christus immer mehr und mehr in die Seele einfließen wird. Weil der Christus den Menschen das vierte makrokosmische Prinzip bringt, das, da es makrokosmisch ist, doch unendlich wichtiger ist als alle mikrokosmischen Prinzipien – es ist stärker als sie, wenn es auch verwandt ist dem menschlichen Ich , stärker als alle anderen, die während der Erdentwickelung erlangt werden können –, so wird man, weil es eben nur das vierte Prinzip ist, sagen es sei niedriger als das fünfte [Manas], sechste [Buddhi], siebente [Atma], welche von den luziferischen Geistern kommen, es sei insbesondere niedriger als das, was vom Antichrist kommt." (Lit.: GA 130, S. 218f)

"Die normale Entwickelung stellt daher den luziferischen Geistern gegenüber etwas «Einfacheres» vor, über das sie sich erhaben dünken. Und es werden Zeiten kommen, wo durch die Macht der höheren Prinzipien, des fünften oder gar sechsten Prinzips, die luziferischen Geister großen Einfluß auf die ihnen verfallende Menschheit haben werden. Können wir das nicht heute schon überall in seinen Anzeichen richtig empfinden? In Kunst und Wissenschaft und so weiter, überall tritt uns entgegen eine gewisse frühreife Höherentwickelung, der aber der innere Wahrheitskern, die Harmonie mit dem Ewigen zu fehlen scheint. Der Führer derjenigen Geister, die in dieser Weise sechs Prinzipien entwickelt haben, die also auf dem Monde bis dicht an die Vollendung herangekommen sind, ist der Antichrist, der dem Christus schon zum Verwechseln ähnlich sehen kann. Heute ist bereits der größte Teil der Menschheit diesem Einfluß der luziferischen Geister verfallen. Daher die Notwendigkeit, jetzt das zu fördern, was der Mensch auf der Erde nur als Innerliches empfangen kann durch die Meditation. Daher die Notwendigkeit der Geisteswissenschaft." (Lit.: GA 130, S. 333f)

Im Gegensatz zu den heilsamen kosmischen Morgen- und Abendkräften wird man im gruppenegoistischen Sinn in westlichen Bruderschaften die Mittagskräfte aus der Region der Zwillinge im Dienste des Doppelgängers für einen unrechten mechanischen Okkultismus missbrauchen. Dabei wird man den Antichrist als Christus ausgeben wollen.

"Aber von derselben Seite her, die Gold, Gesundheit und Lebensverlängerung an die Stelle von Gott, Tugend und Unsterblichkeit setzen will, von derselben Seite her wird angestrebt, nicht mit den Morgen- und Abendprozessen zu wirken, sondern mit ganz andern. Und ich habe Sie das letzte Mal darauf aufmerksam gemacht, daß auf der einen Seite der Impuls des Mysteriums von Golgatha aus der Welt entfernt werden soll, indem man vom Westen her den anderen Impuls, eine Art Antichrist, einführt; daß von Osten her der Christus-Impuls so, wie er im 20. Jahrhundert hervortritt, dadurch paralysiert werden soll, daß man die Aufmerksamkeit, das Interesse gerade ablenkt von dem ätherisch kommenden Christus.

Von der Seite, wo man gewissermaßen den Antichrist wird als den Christus einführen wollen, wird angestrebt, auszunützen dasjenige, was insbesondere durch die materiellsten Kräfte wirken kann, aber durch die materiellsten Kräfte eben geistig wirkt. Vor allen Dingen wird von dieser Seite angestrebt, Elektrizität, und namentlich Erdmagnetismus auszunützen, um Wirkungen hervorzubringen über die ganze Erde hin. Ich habe Ihnen ja gezeigt, wie in dem, was ich den menschlichen Doppelgänger genannt habe, aufsteigen die Erdenkräfte. Hinter dieses Geheimnis wird man kommen. Es wird ein amerikanisches Geheimnis sein, den Erdmagnetismus in seiner Doppelheit, im Nord- und Südmagnetismus zu verwenden, um dirigierende Kräfte über die Erde hinzusenden, die geistig wirken. Sehen Sie sich die magnetische Karte der Erde an, und vergleichen Sie einmal die magnetische Karte mit dem, was ich jetzt sage: den Verlauf der magnetischen Linie, wo die Magnetnadel nach Osten und Westen ausschlägt und wo sie gar nicht ausschlägt. Ich kann über diese Dinge nicht mehr als Andeutungen zunächst geben: Von einer gewissen Himmelsrichtung her wirken fortwährend geistige Wesenheiten; man braucht nur diese geistigen Wesenheiten in den Dienst des Erdendaseins zu stellen, so wird man - weil diese geistigen, vom Kosmos hereinwirkenden Wesenheiten das Geheimnis des Erdmagnetismus vermitteln können - hinter dieses Geheimnis des Erdmagnetismus kommen und mit Bezug auf die drei Dinge Gold, Gesundheit, Lebensverlängerung sehr bedeutsames Gruppenegoistisches wirken können." (Lit.: GA 178, S. 227f)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft, GA 96 (1989)
  2. Rudolf Steiner: Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit, GA 130 (1995)
  3. Rudolf Steiner: Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen, GA 178 (1992), ISBN 3-7274-1780-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.