Muse (Mythologie) und Datei:GA89 076.gif: Unterschied zwischen den Seiten

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(Zeichnung aus GA 89, S 76)
 
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[[Bild:Mousai Helikon Staatliche Antikensammlungen Schoen80 n1.jpg|thumb|Muse mit [[Kithara]] auf dem Berg Helikon]]
Zeichnung aus [[GA 89]], S 76
Die '''Musen''' ({{ELSalt|Μοῦσαι}}, Einzahl {{polytonisch|Μοῦσα}}, ''Mousa'') sind in der [[Wikipedia:Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]] Schutzgöttinnen der [[Künste]]. Die Überlieferung der uns heute bekannten neun Musen stammt von [[Wikipedia:Hesiod|Hesiod]].
 
== Die Musen ==
[[Wikipedia:Homer|Homer]] bzw. die unter seinem Namen überlieferten [[Wikipedia:Epos|Epen]] ''[[Wikipedia:Ilias|Ilias]]'' und ''[[Wikipedia:Odyssee|Odyssee]]'' rufen in ihren [[Wikipedia:Proömium|Proömien]] jeweils  eine (namenlose) „Göttin“ bzw. „Muse“ an.
 
{{Anker|Mnemoniden}}
=== Die neun olympischen Musen ===
Hesiod  (6.&nbsp;Jh. v.&nbsp;Chr.) legt in seiner ''[[Theogonie]]''<ref>[[Wikipedia:Hesiod|Hesiod]]: ''[[Theogonie]]'' 76-80; 917.</ref> die Zahl der Musen auf neun fest; nach ihm sind sie die Töchter der [[Mnemosyne (Mythologie)|Mnemosyne]], der Göttin der Erinnerung, und des [[Zeus]], und auch die von ihm genannten Namen sind [[Wikipedia:kanon|kanon]]isch. Sie werden die ''Mnemoniden'' oder ''olympische Musen'' genannt.<ref name="Mousai Apollonides">[http://www.theoi.com/Ouranios/MousaiApollonides.html Mousai Apollonides], theoi.com</ref>
 
Allerdings wies Hesiod ihnen noch keine speziellen Zuständigkeitsbereiche und Attribute zu, diese werden erst später unterschieden, doch auch dann wechselten die Zuschreibungen von Funktionen und Attributen noch einigermaßen willkürlich. Erst in spätester Zeit gab es eine sich festigende Zuordnung von Name, Funktion und Attribut:
 
* ''[[Klio (Muse)|Klio]]'' (Κλειώ), die Rühmende, ist die Muse der [[Geschichtswissenschaft|Geschichtsschreibung]] (Attribute: Papierrolle und Schreibgriffel)
* ''[[Melpomene]]'' (Μελπομένη), die Singende, ist die Muse der [[Tragödie]] (Attribut: ernste Theatermaske, Weinlaubkranz, wahrscheinlich auch ein Schwert oder eine Keule)
* ''[[Terpsichore]]'' (Τερψιχόρη), die fröhlich im Reigen Tanzende, ist die Muse für [[Chorlyrik]] und [[Tanz]] (Attribut: Leier)
* ''[[Thalia (Muse)|Thalia]]'' (Θάλεια), die Festliche, die Blühende, ist die Muse der [[Komödie]] (Attribut: lachende Theatermaske, Efeukranz und Krummstab (denn auch die heitere [[Bukolische Dichtung|bukolische Poesie]] gehört zu ihr))
* ''[[Euterpe]]'' (Ἐυτέρπη), die Erfreuende, ist die Muse der [[Lyrik]] und des [[Flöte]]nspiels (Attribut: [[Aulos]], die Doppelflöte)
* ''[[Erato]]'' (Ἐρατώ), die Liebevolle, Sehnsucht Weckende, ist die Muse der Liebesdichtung (Attribut: Saiteninstrument, Leier)
* ''[[Urania]]'' (Οὐρανία), die Himmlische, ist die Muse der [[Astronomie]] (Attribut: Himmelskugel und Zeigestab)
* ''[[Polyhymnia]]'' (Πολύμνια), die Hymnenreiche (Liederreiche). Sie ist die Muse des Gesangs mit der Leier (kein spezifisches Attribut, manchmal die Leier)
* ''[[Kalliope]]'' (Καλλιόπη), die mit der schönen Stimme, ist die Muse der [[Epik|epischen Dichtung]], der [[Rhetorik]], der [[Philosophie]] und der [[Wissenschaft]] (Attribut: Schreibtafel und Schreibgriffel)
Anhand der folgenden [[Eselsbrücke]], in welcher nur der Name der Muse Klio vollständig enthalten ist, lassen sich ihre Namen leicht merken:
Klio, Me, Ter, Thal, Eu, Er, Ur, Po, Kal
(KLIOMETERTHAL EUER URPOKAL) bzw. (EUER URPOKAL KLIO METERTHAL)
 
<gallery>
Datei:Achilleion Calliope.jpg|Statue der Kalliope.
Datei:Achilleion Clio.jpg|Statue der Klio.
Datei:Achilleion Erato.jpg|Statue der Erato.
Datei:Achilleion Euterpe.jpg|Statue der Euterpe.
Datei:Achilleion Melpomene.jpg|Statue der Melpomene.
Datei:Achilleion Polyhymnia.jpg|Statue der Polyhymnia.
Datei:Achilleion Terpsichore.jpg|Statue der Terpsichore.
Datei:Achilleion Thalia.jpg|Statue der Thalia.
Datei:Achilleion Urania.jpg|Statue der Urania.
</gallery>
 
=== Die drei/vier titanischen Musen ===
Bevor es zu der Überlieferung von neun Musen gekommen ist, hat es nach [[Pausanias]] (um 115–180 n.&nbsp;Chr.) jedoch eine Trias von drei Musen gegeben:
* ''[[Melete (Mythologie)|Melete]]'' (Übung/Fertigkeit)
* ''[[Mneme]] (Mnemosyne)'' (Gedächtnis)
* ''[[Aoide]]'' (Gesang, Musik)
Es ist allerdings zu beachten, dass Pausanias eine wesentlich spätere Quelle aus der Mitte des 2.&nbsp;nachchristlichen Jahrhunderts, Hesiods Theogonie hingegen eine der ältesten griechischen Quellen überhaupt ist und Pausanias diese Überlieferung selbst in Frage stellt.<ref>[[Pausanias]] 9,29,2</ref> Als Musen wurden auch die vier ''titanischen Musen (Mousai Titanides)''<ref>[http://www.theoi.com/Titan/Mousai.html Mousai Titanides], theoi.com</ref> genannt, [[Cicero]] etwa gibt an:<ref>Cicero: ''De Natura Deorum'' 3.21</ref>
* ''[[Thelxinoe (Muse)|Thelxinoe]]'' (die Herzerfreuende)
* ''Aoede (Aoide)'' (der Gesang)
* ''[[Arche (Muse)|Arche]]'' (der Beginn)
* ''Melete'' (die Übung / Fertigkeit)
Sie sollen die Töchter von [[Zeus]] (oder [[Uranos]]) und der [[Plusia]] gewesen sein, daher ihr Name. [[Platon]] nennt Hesiods ''Terpsichore'', ''Erato'', ''Kalliope'' und ''Urania'' im Sinne dieser „Besetzung“.<ref>Plato: ''Phaedrus'' 259</ref>
 
=== Die drei/vier apollonischen Musen ===
Die drei ''apollonischen Musen (Mousai Apollonides)''<ref name="Mousai Apollonides"/> oder auch ''Delphische Musen'' wurden drei Töchter des [[Apollon]] genannt:
* ''[[Kephiso]]'' oder ''[[Nete (Mythologie)|Nete]]''
* ''[[Apollonis (Mythologie)|Apollonis]]'' oder ''[[Mese (Mythologie)|Mese]]''
* ''[[Borysthenis]]'' oder ''[[Hypate]]''
Sie sollen die drei Saiten der [[Lyra (Zupfinstrument)|Lyra]] des Apollo dargestellt haben und auf dem [[Helikon (Gebirge)|Helikon]] gewohnt haben. Der erste Namenssatz geht auf [[Eumelos von Korinth]] (7.&nbsp;Jh. v.&nbsp;Chr.) zurück<ref>Eumelus: Frag 35, Tzetzes</ref>, der zweite auf [[Plutarch]]<ref>Plutarch: ''Symposium'' 9.14</ref>, er gibt dort auch eine vierte Muse an:
* ''[[Polymatheia]]'' (die Belesenheit, Gelehrsamkeit)
Diese (Nete, Mese, Hypate) spielen als [[Tetraktys]] in der [[Musiktheorie im antiken Griechenland|Musik der griechischen Antike]] eine Rolle, die vierte der „Vierheit“ war die ''Paramese'' – da sich Musiktheorie wie auch Saitenzahl der Lyra verändert haben, kommen dahingehend auch andere Anzahlen vor.
 
{{Anker|Pieriden}}
=== Die sieben/neun pireischen Musen ===
In anderer Tradition gab es dann noch eine Gruppe von sieben Musen, die nach [[Johannes Tzetzes]] von [[Epicharmos]] (5.&nbsp;Jh. v.&nbsp;Chr.) erwähnt worden sein sollen, die ''Pieriden'':<ref>Johannes Tzetzes: ''Über die Entstehung der Götter'' zu Hes. 23</ref>
* ''[[Neilo]]'' (Νειλώ),
* ''[[Tritone]]'' (Τριτώνη)
* ''[[Asopo]]'' (Ἀσωπώ)
* ''[[Heptapora]]'' (Ἑπτάπορα)
* ''[[Achelois]]''
* ''[[Tipoplo]]'' (Τιποπλώ)
Diese sollen die Kinder des [[Pieros]], Stammvater der makedonischen [[Pieria]]-Thraker<ref>''[http://www.mythindex.com/greek-mythology/P/Pierides.html Pieriden].'' Myth Index</ref>  und einer Pimpleischen [[Nymphe]] namens [[Antiope]] (nach Cicero) gewesen sein.
 
Bei [[Ovid]]<ref>Ovid: ''Metamorphosen'' 5. Buch</ref> sind die pireischen Musen neun, ihre Mutter soll dort [[Euippe (Gattin des Pieros)|Euippe]] gewesen sein, und sie stammen von Ägypten: Sie fordern die „jüngeren“ olympischen Musen heraus (Wettstreit der Mnemoniden und Pieriden).
 
Diese neun Töchter des Pieros wurden auch Vögeln gleichgesetzt (''Colymbas, Lyngx, Cenchris, Cissa, Chloris, Acalanthis, Nessa, Pipo'' und ''Dracontis'').
 
== Rezeption der Musen ==
[[Datei:Musae.png|thumb]]
Während die Namen der Musen bei Hesiod lediglich Aspekte der Tanz- und Dichtkunst betonen, werden sie in der späteren Antike auf unterschiedliche Musikinstrumente und Gattungen bezogen, woraus die angegebene kanonische Zuordnung von „Aufgabengebieten“ der Musen hervorgeht.
 
Die zum Gefolge Apollons zählenden Musen sollen am Berg [[Helikon (Gebirge)|Helikon]] bei der [[Quelle]] [[Hippokrene]] zu finden sein, die durch einen Hufschlag des geflügelten Musenrosses ([[Pegasus (Mythologie)|Pegasus]]) freigelegt wurde. Daher rührt der zum Teil für sie benutzte verkünstelte Name Helikoniades. Anderen Angaben zufolge wohnen die Musen auf dem Berg [[Parnass]] (der Apollon geweiht ist), bei der [[Kastalische Quelle|Kastalischen Quelle]], deren Wasser Begeisterung und Dichtergabe verleihen soll.
 
Die Heiligtümer der Musen heißen ''Museion'' (woraus das heutige Wort ''[[Museum]]'' entstand), auch das deutsche Wort ''[[Musik]]'' - die „Kunst der Musen“ - verdankt seinen Namen den Göttinnen.
 
Die Römer setzten die Musen mit den [[Camena]]e gleich.
 
== Der Musenanruf in der Dichtung ==
Am Anfang antik-griechischer [[Epos|Epen]] und [[Hymnus|Hymnen]] steht oft eine [[Anrufung]] der Muse. Homers ''[[Odyssee]]'' beginnt mit den Versen: ''Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes, / Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung''. Auch viele römische Dichter bitten die Muse um Inspiration (Vergil in der ''[[Aeneis]])'', oder um Dauer für ihr Gedicht ([[Catull]] in den ''Carmina''). Nach der Ächtung der Musen durch die mittelalterliche Kirche folgen Dichter der Neuzeit wieder diesem Gebrauch ([[Dante]], [[Shakespeare]], [[John Milton|Milton]]).<ref>Vgl. [[:en:Muse#Function in literature]] </ref> Die neun Gesänge von Goethes ''[[Hermann und Dorothea]]'' tragen die Namen der neun Musen. [[Klopstock]] ruft im ''Messias'' statt der Muse die unsterbliche Seele an: ''Sing’, unsterbliche Seele, der Menschheit Erlösung''.  [[Vladimir Nabokov]] macht im Titel seiner autobiographischen Schrift ''Speak, Memory'' von der Form des Musenanrufs Gebrauch und spielt zugleich auf Mnemosyne, Göttin der Erinnerung und Mutter der Musen, an.<ref>Vgl. [[:en:Speak, Memory#Various publications]] </ref>
 
== Siehe auch ==
* [[Wikipedia:Zehnte Muse|Zehnte Muse]]
 
== Literatur ==
* {{Roscher|2,2|3238|3295|Musen|[[Wikipedia:Oskar Bie|Oskar Bie]]|}}
* [[Wikipedia:Pierre Boyancé|Pierre Boyancé]]: ''Le culte des muses chez les philosophes grecs''. Toulouse, 1937, Nachdruck: de Boccard, 1972.
* Maria Teresa Camilloni: ''Le Muse''. Editori riuniti, Rom 1998. ISBN 8835945348
* [[Wikipedia:Ernst Robert Curtius|Ernst Robert Curtius]]: ''Die Musen im Mittelalter''. In: ''[[Wikipedia:Zeitschrift für romanische Philologie|Zeitschrift für romanische Philologie]]'' 59. 1939. S. 129-188.
* {{RE|XVI,1|680|757|Musai|[[Wikipedia:Maximilian Mayer|Maximilian Mayer]]|}}
* [[Wikipedia:Walter F. Otto|Walter F. Otto]]: ''Die Musen und der göttliche Ursprung des Singens und Sagens''. Düsseldorf 1954.
* {{LIMC|6|657|681|Mousa, Mousai|A. Queyrel}}
 
== Weblinks ==
{{Wiktionary|Muse}}
{{Commonscat|Muses|Musen}}
* [http://www.theoi.com/Ouranios/Mousai.html Mousai], TheoiProject
* ca. 1000 Photos von Darstellungen der Musen in der Kunst, in der [http://warburg.sas.ac.uk/vpc/VPC_search/subcats.php?cat_1=5&cat_2=115 ''Warburg Institute Iconographic Database''].
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Navigationsleiste Musen}}
 
[[Kategorie:Mythologie]] [[Kategorie:Griechische Mythologie]] [[Kategorie:Muse|!]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 29. April 2015, 15:38 Uhr

Zeichnung aus GA 89, S 76