Akt und Potenz und Gahmuret: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Akt''' ([[Latein|lat.]] actus; {{ELSalt|ἐνέργεια}}, ''energeia''; weitgehend synonym ist {{polytonisch|ἐντελέχεια}}, ''[[entelecheia]]''<ref>[[Wikipedia:Michael-Thomas Liske|Michael-Thomas Liske]]: ''entelecheia'', in: Christoph Horn/Christof Rapp (Hgg.): ''Wörterbuch der antiken Philosophie'', München 2002, S. 135</ref>) und '''Potenz''' ([[Latein|lat.]] potentia; {{ELSalt|δύναμις}}, ''dynamis'') sind im [[Philosophie|philosophischen]] Sprachgebrauch [[Begriffe|Gegenbegriffe]], die sich aus der [[Naturphilosophie]] und [[Ontologie]] des [[Aristoteles]] herleiten. ''Potenz'' bezeichnet dabei die noch nicht realisierte [[Möglichkeit|Möglichkeit]], zu der aber ein [[Vermögen]] bzw. eine [[Fähigkeit]] oder [[Dispositionelle Eigenschaft|Disposition]] besteht. Die ''reine'' Potenz kann sich nicht selbst aktualisieren, sie bedarf des Aktes, der auf sie einwirkt, um sich verwirklichen zu können, d.h. vom Zustand der bloßen Möglichkeit in den Zustand des tatsächlichen [[Sein]]s überzutreten. Der ''Akt'' bezeichnet die Kraft zur [[Realität|Realisierung]] bzw. [[Wirklichkeit|Verwirklichung]] dieser Möglichkeit, wie auch ihr Ergebnis, also die konkrete Wirklichkeit oder Realität selbst. [[Gott]] selbst ist nach Auffassung der [[Scholastik]] ''reine Aktualität'' ([[actus purus]]). Im Zusammenspiel von Akt und Potenz entfaltet sich alles [[Werden]].
'''Gahmuret''' ist der Vater [[Parzival]]s, des eigentlichen Helden im gleichnamigen mittelhochdeutschen [[Wikipedia:Roman|Versromans]] von [[Wikipedia:Wolfram von Eschenbach|Wolfram von Eschenbach]].


Dieser Begriffsgebrauch des [[Aristoteles]] blieb auch für die spätere griechische und lateinische Philosophie und insbesondere für die [[Hochmittelalter|hochmittelalterliche]] [[Scholastik]] maßgebend.  
Das Schicksal des Vaters erzählt Wolfram als Vorgeschichte in den ersten zwei Büchern. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er die Erzählhandlung weitgehend selbst entworfen, anders als die zentrale Geschichte von Parzival und dem Gral, die auf eine französische Vorlage von [[Wikipedia:Chrétien de Troyes|Chrétien de Troyes]] zurückgeht. Aus diesem Grund sind gerade die Gahmuret-Bücher von besonderem Interesse für viele Wissenschaftler.


Dabei kann außerdem zwischen ''aktiver'' und ''passiver'' Potenz unterschieden werden. '''Passive Potenz''' bedeutet die Empfangsmöglichkeit einem Akt gegenüber. Passive Potenz hat zum Beispiel ein Stück Lehm, das zu einer Vase geformt werden kann. '''Aktive Potenz''' ist das [[Vermögen]], die [[Fähigkeit]], selbst einen Akt hervorzubringen. Aktive Potenz hat zum Beispiel ein Künstler, der aus einem Stück Lehm eine Vase oder einen Krug zu formen ''vermag''. Sowohl aktive wie passive Potenz betrifft die [[Ontologie|ontologisch]] sachhaltige Zuschreibung konkreter Vermögen und ist insofern mehr als logische Möglichkeit. Ein Sachverhalt ist nämlich schon dann logisch möglich, wenn sein Gegenteil nicht logisch notwendig ist; eine Potenz kommt einer Sache aber nur dann zu, wenn die aktuale ''Welt so eingerichtet ist,'' dass die Sache ein Vermögen zu einem entsprechenden Akt besitzt.
== Handlung um Gahmuret ==
Gahmuret selber ist der jüngere Sohn des Königs von Anjou (''Anschouwe''). Nach dessen Tod soll der ältere der beiden Söhne den toten König alleine beerben. Nach dem Wunsch des Volkes soll jedoch Gahmuret die Hälfte des Erbes erhalten, um der Gerechtigkeit genüge zu tun. Obwohl der ältere Bruder mit der Teilung des Erbes einverstanden ist, verlangt Gahmuret, der lieber die Welt erkunden will, nichts weiter als einen [[Wikipedia:Tross|Tross]] für eine Reise. Nachdem ihm zugestanden wird, was er verlangt, begibt er sich auf Erkundungsfahrt.


Für Aristoteles hat die Wirklichkeit eine ontologische Priorität vor der Möglichkeit.<ref>[[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Met.]] 12, 1071b12-1072a8</ref> Eines der Argumente für diese Position ist, dass die Realisierung je bestimmter Veränderungen nicht erklärbar wäre, wenn nicht jeweils ein Prinzip vorausgesetzt wird, was diese Veränderung verursacht. Da eine unendliche Reihe von Aktualisierern außerdem undenkbar ist, nimmt Aristoteles als erstes Prinzip seiner Kosmologie einen unbewegten ''Beweger'' an - nicht etwa nur eine ungeformte Materie mit Potenz zur Veränderung. Dieses erste Prinzip bezeichnet er außerdem als nur auf sich selbst bezogenes Denken. Zugleich ist es mit der vollkommensten Art der Bewegung verbunden, der Kreisbewegung. Gott bzw. seine Vernunfttätigkeit ist „wirkliche Tätigkeit“.<ref>[[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Met.]] 12, 1072b24-29</ref>
Seine Reise geht nach Osten bis in den [[Wikipedia:Orient|Orient]]. Die Schilderung dieser Region in Wolframs Roman ist beachtenswert, denn eigentlich war es zu Woframs Zeit üblich, den Orient und seine Bewohner als ausgesprochen wundersam zu beschreiben. Wolfram hingegen schlägt hier einen eher nüchternen Ton an, auch in der Darstellungen der [[Wikipedia:Heidentum|Heiden]].
Im Orient heiratet Gahmuret die schöne Mohrenkönigin ''Belakane''. Aus der Ehe geht ein Kind mit halb weißer und halb schwarzer Haut hervor, das [[Feirefiz]] genannt wird. Gahmuret verlässt seine Frau jedoch bereits vor dessen Geburt, vorgeblich, weil Belakane nicht getauft ist, sicher aber auch, weil er das Abenteuer liebt und sich deshalb nicht binden will, so dass er seinen Sohn aus der Verbindung mit Belakane niemals zu sehen bekommt.


In diesen Ausgangslagen hat der [[Scholastik|scholastische]] Begriff des [[Wesen]]s [[Gott]]es als '''reiner Akt''' ([[actus purus]]) seinen Ursprung.  
Später fällt ihm in Spanien als Siegerpreis in einem [[Wikipedia:Turnier|Turnier]] die Hand der jung verwitweten Herzeloyde, einer Schwester des [[Gral]]skönigs Anfortas, zu. Obwohl Gahmuret diese Ehe zunächst nicht eingehen will, zwingt Herzeloyde ihn, den Turnierpreis anzunehmen. Gahmuret willigt erst ein, nachdem Herzeloyde ihm zugestanden hat, dass er regelmäßig Turniere besuchen darf. Achtzehn Monate lang leben die beiden in großer Liebe, bevor Gahmurets Abenteuerlust sich wieder bemerkbar macht und er zum zweiten Mal eine schwangere Ehefrau verlässt und nicht mehr zurückkehrt.


Ebenfalls in Rückgriff auf Aristoteles hat [[Wikipedia:Wilhelm von Humboldt|Wilhelm von Humboldt]] Sprache als ''energeia'' verstanden, also als wirkende Kraft statt als statisches System.<ref>Hans Schwarz: ''Enérgeia, Sprache als (Humboldt)'', in: [[Wikipedia:HWPh|HWPh]] Bd. 2, S. 492-494</ref>
Noch vor der Geburt ihres Sohnes Parzival erfährt Herzeloyde vom Tod ihres Mannes, der während einer neuerlichen Reise in den Orient in einer Schlacht umgekommen war. Dies bewegt seine Frau Herzeloyde dazu, mit ihrem Sohn Parzival in der Wildnis zu leben, um diesen von einem Leben als [[Wikipedia:Ritter|Ritter]] und Abenteurer abzuhalten, damit sie nicht auch ihn verliert.


== Literatur ==
Parzival erlangt später durch die Verwandtschaft seiner Mutter mit dem Gralskönig Zugang zum Gralshof. Seinem Vater dagegen verdankt er die Verwandtschaft zum Artushof. Somit verbinden sich die beiden großen Verwandtschaftslinien des Romans in Parzival.
* Dietrich Schlüter: ''Akt/Potenz'', in: [[Wikipedia:HWPh|HWPh]] Bd.1, 134-142.
;Zum Begriff ἐνέργεια
* [[Wikipedia:Georg Picht|Georg Picht]], ''Der Begriff des Energeia bei Aristoteles'', in: Georg Picht, ''Hier und Jetzt. Philospophieren nach Auschwitz und Hiroshima'', Bd. 1, S. 289 - 308
* Max Jammer: ''Energie'', in: [[Wikipedia:HWPh|HWPh]] Bd. 2, 494-499
* Max Jammer und Marc Lange: ''Energy'' und ''Energy (Addendum)'', in: Donald M. Borchert (Hg.): ''Encyclopedia of Philosophy'', 2. Auflage, Detroit 2006, Bd. 3, S. 225-234 und 234-237
<!--
* Alexander P. Mourelatos: ''Aristotle's powers and modern empiricism'', in: ''Ratio'' 9 (1967) S. 97-104.
* [[Wikipedia:Nancy Cartwright (Philosophin)|N. Cartwright]]: ''Aristotle on bodies, matter, and potentiality'', in Allan Gotthelf / James Lennox (Hgg.): ''Philosophical issues in Aristotle's biology'', Cambridge: Cambridge University Press 1987, S. 392-407.
-->
* Roberto Radice / Richard Davies / Giovanni Reale: ''Aristotle's Metaphysics: Annotated Bibliography of the Twentieth-Century Literature'', Leiden: Brill 1997, ISBN 9004108955 (Abschnitte ''actuality'', ''potency'')


== Weblinks ==
Zu erwähnen ist noch der [[Wikipedia:Doppelter Kursus|doppelte Kursus]] der Gahmuret-Handlung: Das erste Buch, die Orientreise, und das zweite Buch, die Ehe mit Herzeloyde weisen signifikante Parallelen auf: Beide Frauen sind gerade erst verwitwete Königinnen und werben ungewöhnlich offensiv um Gahmuret. Schließlich werden beide von ihm schwanger zurückgelassen, da Gahmuret nicht von seinen ritterlichen Abenteuern lassen kann.  
* C.A. Dubray: [http://www.newadvent.org/cathen/01124a.htm ''Actus et Potentia''], in: Catholic Encyclopedia, Bd. 1, New York: Robert Appleton 1907
* Enrique Alarcón: [http://www.corpusthomisticum.org/tla.html#actus actus] und [http://www.corpusthomisticum.org/tlp.html#potentia potentia], in: [[Thomas von Aquin|Thomas]]-Lexikon, Pamplona, Universität von Navarra 3. A. 2006
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/aristotle-natphil/|Aristotle's Natural Philosophy|Istvan Bodnar}}
* {{IEP|http://www.iep.utm.edu/a/aris-mot.htm#H2|''Energeia'' and ''Entelechia'', in: Aristotle: Motion and its Place in Nature|Joe Sachs}}
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/aristotle-metaphysics/#ActPot|Actuality and Potentiality, in: Aristotle's Metaphysics|S. Marc Cohen}}
* Justo Fernández López: [http://culturitalia.uibk.ac.at/hispanoteca/Lexikon%20der%20Linguistik/e/ENERGEIA%20%20%20Energeia.htm Energeia], in: [http://culturitalia.uibk.ac.at/hispanoteca/Lexikon%20der%20Linguistik/Eingangsseite/Lexikon-Linguistik-Eingangsseite.htm Lexikon der Linguistik und Nachbardisziplinen] (Zusammenstellung von Textauszügen)
* Jonathan B. Beere: Kap. 8, [http://eva.unibas.ch/?c=16250 ''Actuality, Activity, Ambiguity: Preliminary Considerations on Energeia''], in: Ders.: ''Doing & Being'' An Interpretation of Aristotle’s Metaphysics Theta, Ms. Basel 2007


== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Gral]]
<references />
 
[[Kategorie:Prozessontologie]]
[[Kategorie:Philosophie]]
[[Kategorie:Ontologie]]
[[Kategorie:Aristoteles]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 10. Mai 2013, 02:42 Uhr

Gahmuret ist der Vater Parzivals, des eigentlichen Helden im gleichnamigen mittelhochdeutschen Versromans von Wolfram von Eschenbach.

Das Schicksal des Vaters erzählt Wolfram als Vorgeschichte in den ersten zwei Büchern. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er die Erzählhandlung weitgehend selbst entworfen, anders als die zentrale Geschichte von Parzival und dem Gral, die auf eine französische Vorlage von Chrétien de Troyes zurückgeht. Aus diesem Grund sind gerade die Gahmuret-Bücher von besonderem Interesse für viele Wissenschaftler.

Handlung um Gahmuret

Gahmuret selber ist der jüngere Sohn des Königs von Anjou (Anschouwe). Nach dessen Tod soll der ältere der beiden Söhne den toten König alleine beerben. Nach dem Wunsch des Volkes soll jedoch Gahmuret die Hälfte des Erbes erhalten, um der Gerechtigkeit genüge zu tun. Obwohl der ältere Bruder mit der Teilung des Erbes einverstanden ist, verlangt Gahmuret, der lieber die Welt erkunden will, nichts weiter als einen Tross für eine Reise. Nachdem ihm zugestanden wird, was er verlangt, begibt er sich auf Erkundungsfahrt.

Seine Reise geht nach Osten bis in den Orient. Die Schilderung dieser Region in Wolframs Roman ist beachtenswert, denn eigentlich war es zu Woframs Zeit üblich, den Orient und seine Bewohner als ausgesprochen wundersam zu beschreiben. Wolfram hingegen schlägt hier einen eher nüchternen Ton an, auch in der Darstellungen der Heiden. Im Orient heiratet Gahmuret die schöne Mohrenkönigin Belakane. Aus der Ehe geht ein Kind mit halb weißer und halb schwarzer Haut hervor, das Feirefiz genannt wird. Gahmuret verlässt seine Frau jedoch bereits vor dessen Geburt, vorgeblich, weil Belakane nicht getauft ist, sicher aber auch, weil er das Abenteuer liebt und sich deshalb nicht binden will, so dass er seinen Sohn aus der Verbindung mit Belakane niemals zu sehen bekommt.

Später fällt ihm in Spanien als Siegerpreis in einem Turnier die Hand der jung verwitweten Herzeloyde, einer Schwester des Gralskönigs Anfortas, zu. Obwohl Gahmuret diese Ehe zunächst nicht eingehen will, zwingt Herzeloyde ihn, den Turnierpreis anzunehmen. Gahmuret willigt erst ein, nachdem Herzeloyde ihm zugestanden hat, dass er regelmäßig Turniere besuchen darf. Achtzehn Monate lang leben die beiden in großer Liebe, bevor Gahmurets Abenteuerlust sich wieder bemerkbar macht und er zum zweiten Mal eine schwangere Ehefrau verlässt und nicht mehr zurückkehrt.

Noch vor der Geburt ihres Sohnes Parzival erfährt Herzeloyde vom Tod ihres Mannes, der während einer neuerlichen Reise in den Orient in einer Schlacht umgekommen war. Dies bewegt seine Frau Herzeloyde dazu, mit ihrem Sohn Parzival in der Wildnis zu leben, um diesen von einem Leben als Ritter und Abenteurer abzuhalten, damit sie nicht auch ihn verliert.

Parzival erlangt später durch die Verwandtschaft seiner Mutter mit dem Gralskönig Zugang zum Gralshof. Seinem Vater dagegen verdankt er die Verwandtschaft zum Artushof. Somit verbinden sich die beiden großen Verwandtschaftslinien des Romans in Parzival.

Zu erwähnen ist noch der doppelte Kursus der Gahmuret-Handlung: Das erste Buch, die Orientreise, und das zweite Buch, die Ehe mit Herzeloyde weisen signifikante Parallelen auf: Beide Frauen sind gerade erst verwitwete Königinnen und werben ungewöhnlich offensiv um Gahmuret. Schließlich werden beide von ihm schwanger zurückgelassen, da Gahmuret nicht von seinen ritterlichen Abenteuern lassen kann.


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