Prana und Akt und Potenz: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Prana''' ([[Sanskrit]], m., प्राण, prāṇa, Lebensatem, Lebenshauch, Lebensodem) wird in der [[Wikipedia:Hinduismus|hinduistischen]] Lehre, als ''[[Leben]]'', ''[[Lebenskraft]]'' oder die universelle [[Lebensenergie]] angesehen. Prana ist vergleichbar mit [[Qi]] im [[Wikipedia:Kaiserreich China|alten China]] und Ki in [[Wikipedia:Japan|Japan]] und auch mit dem ''Hauch des Lebens'' ({{HeS|נִשְׁמַ֣ת חַיִּ֑ים|nisch'mat chaj'jim}}), der dem [[Adam]] nach seiner Erschaffung aus dem "Erdenstaub" eingeblasen wird {{Bibel|1 Mos|2|7|LUT}}. Prana entspricht in der [[Anthroposophie|anthroposophischen]] Terminologie auf erster Stufe dem [[Lebensäther]], im höheren Sinn aber dem strömenden geistigen Urbild alles [[Leben]]s, das sich in der zweiten Region des [[Devachan]]s befindet, das Steiner auch als das «Meeresgebiet» oder «Ozeangebiet» der [[Himmlische Welt|Himmlischen Welt]] bezeichnet hat, und damit auch dem vergeistigten [[Lebensleib]] ([[Ätherleib]]) des [[Mensch]]en, den Steiner [[Lebensgeist]] ([[Buddhi]]) genannt hat.
'''Akt''' ([[Latein|lat.]] actus; {{ELSalt|ἐνέργεια}}, ''energeia''; weitgehend synonym ist {{polytonisch|ἐντελέχεια}}, ''[[entelecheia]]''<ref>[[Wikipedia:Michael-Thomas Liske|Michael-Thomas Liske]]: ''entelecheia'', in: Christoph Horn/Christof Rapp (Hgg.): ''Wörterbuch der antiken Philosophie'', München 2002, S. 135</ref>) und '''Potenz''' ([[Latein|lat.]] potentia; {{ELSalt|δύναμις}}, ''dynamis'') sind im [[Philosophie|philosophischen]] Sprachgebrauch [[Begriffe|Gegenbegriffe]], die sich aus der [[Naturphilosophie]] und [[Ontologie]] des [[Aristoteles]] herleiten. ''Potenz'' bezeichnet dabei die noch nicht realisierte [[Möglichkeit|Möglichkeit]], zu der aber ein [[Vermögen]] bzw. eine [[Fähigkeit]] oder [[Dispositionelle Eigenschaft|Disposition]] besteht. Die ''reine'' Potenz kann sich nicht selbst aktualisieren, sie bedarf des Aktes, der auf sie einwirkt, um sich verwirklichen zu können, d.h. vom Zustand der bloßen Möglichkeit in den Zustand des tatsächlichen [[Sein]]s überzutreten. Der ''Akt'' bezeichnet die Kraft zur [[Realität|Realisierung]] bzw. [[Wirklichkeit|Verwirklichung]] dieser Möglichkeit, wie auch ihr Ergebnis, also die konkrete Wirklichkeit oder Realität selbst. [[Gott]] selbst ist nach Auffassung der [[Scholastik]] ''reine Aktualität'' ([[actus purus]]). Im Zusammenspiel von Akt und Potenz entfaltet sich alles [[Werden]].


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Dieser Begriffsgebrauch des [[Aristoteles]] blieb auch für die spätere griechische und lateinische Philosophie und insbesondere für die [[Hochmittelalter|hochmittelalterliche]] [[Scholastik]] maßgebend.  
"Das zweite Gebiet, das Ozean-Gebiet, besteht nicht aus Wasser, sondern strömendem
Leben, das das ganze devachanische Gebiet durchströmt, so wie der Blutkreislauf
beim Menschen alles durchdringt. Die eigenartige Substanz, das «Prana»,
das hier in für sich gesonderten tierischen und menschlichen Leibern strömt, bildet
im Devachan einen ewig fließenden Lebensstrom von der Farbe des [[Pfirsichblüt]].
Dieses Element bildet die schaffende Urkraft von allem, was auf Erden als lebendiges
Wesen auftritt. Im Devachan sehen wir, daß das Leben, das uns alle beseelt,
in der Tat eine Einheit bildet." {{Lit|{{BE|060|23}}}}
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==Prana im Yoga und im Hinduismus==
Dabei kann außerdem zwischen ''aktiver'' und ''passiver'' Potenz unterschieden werden. '''Passive Potenz''' bedeutet die Empfangsmöglichkeit einem Akt gegenüber. Passive Potenz hat zum Beispiel ein Stück Lehm, das zu einer Vase geformt werden kann. '''Aktive Potenz''' ist das [[Vermögen]], die [[Fähigkeit]], selbst einen Akt hervorzubringen. Aktive Potenz hat zum Beispiel ein Künstler, der aus einem Stück Lehm eine Vase oder einen Krug zu formen ''vermag''. Sowohl aktive wie passive Potenz betrifft die [[Ontologie|ontologisch]] sachhaltige Zuschreibung konkreter Vermögen und ist insofern mehr als logische Möglichkeit. Ein Sachverhalt ist nämlich schon dann logisch möglich, wenn sein Gegenteil nicht logisch notwendig ist; eine Potenz kommt einer Sache aber nur dann zu, wenn die aktuale ''Welt so eingerichtet ist,'' dass die Sache ein Vermögen zu einem entsprechenden Akt besitzt.
Eine besonders große Rolle spielt der Begriff Prana im [[Yoga]], er findet jedoch schon in den [[Brahmanas|Brahmanas]] und den [[Upanishaden]] Erwähnung.
In den [[Brahmanas]] wird in Fortsetzung zu den Upanishaden der Versuch unternommen eine Unterscheidung zwischen den sichtbaren und unsichtbaren Bestandteilen des Menschen vorzunehmen. Im Gegensatz zu den fünf  sterblichen Bestandteilen, die da sind  Haare, Haut, Fleisch, Knochen und Mark werden häufig die fünf unsichtbaren Bestandteile des Menschen wie Denken ([[Manas]]), Rede, Atem ([[Prana]]), Sehen und Hören genannt und als unsterbliche Bestandteile bezeichnet. In dieser Vorstellung wird der Atem als zentrale Lebenskraft gedacht und deshalb werden in den [[Brahmanas]] gerade diese fünf Lebenselemente auch als [[Prana]]s bezeichnet.
Im [[Raja Yoga]] dienen die Atemübungen ([[Pranayama]]) der Zusammenführung von Körper und Geist durch die Atmung. Prana ist jedoch mehr als "nur" Atem oder Luft. Im Yoga wird das Arbeiten mit Atem und Luft als Zugang zum Prana, d.h. der Lebensenergie und seiner Manifestation im Körper begriffen. Den Vorstellungen des Yoga zufolge zirkuliert das Prana im Körper durch ein System von Kanälen (''Nadi'').


In den Upanishaden steht die Atemlehre in engem Zusammenhang mit der Vorstellung vom [[Atman]] (Seele). Prana durchzieht jedes Leben, ist aber nicht der Atman oder das individuelle Selbst. In der Kaushitaki-Upanishad heißt es:
Für Aristoteles hat die Wirklichkeit eine ontologische Priorität vor der Möglichkeit.<ref>[[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Met.]] 12, 1071b12-1072a8</ref> Eines der Argumente für diese Position ist, dass die Realisierung je bestimmter Veränderungen nicht erklärbar wäre, wenn nicht jeweils ein Prinzip vorausgesetzt wird, was diese Veränderung verursacht. Da eine unendliche Reihe von Aktualisierern außerdem undenkbar ist, nimmt Aristoteles als erstes Prinzip seiner Kosmologie einen unbewegten ''Beweger'' an - nicht etwa nur eine ungeformte Materie mit Potenz zur Veränderung. Dieses erste Prinzip bezeichnet er außerdem als nur auf sich selbst bezogenes Denken. Zugleich ist es mit der vollkommensten Art der Bewegung verbunden, der Kreisbewegung. Gott bzw. seine Vernunfttätigkeit ist „wirkliche Tätigkeit“.<ref>[[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Met.]] 12, 1072b24-29</ref>
:''Ich bin der Atem (prana). Als den aus Erkennen bestehenden Atman, als Leben, als Unsterblichkeit verehre mich. Der Atem ist Leben und das Leben ist Atem. Denn solange der Atem in diesem Körper weilt, solange weilt auch das Leben.''


==Prana in der Esoterik==
In diesen Ausgangslagen hat der [[Scholastik|scholastische]] Begriff des [[Wesen]]s [[Gott]]es als '''reiner Akt''' ([[actus purus]]) seinen Ursprung.  
Heute werden die Lehren teilweise in [[Esoterik|esoterischen]] Kreisen eingesetzt, wo Prana auch als "Lichtnahrung" gepriesen wird, die feste Nahrung ersetzen können soll. Eine der wichtigsten Esoterikerinnen dieser Ausrichtung ist [[Wikipedia:Jasmuheen|Jasmuheen]].
 
 
== Der indische Begriff ''prāná'' im Verhältnis zu den 4 Äthern==
 
'''Etymologische Betrachtung des Begriffs prāná'''
 
Der Sanskritbegriff ''prāná'' wird in der Literatur einschlägig mit Atem, Lebensatem, aber auch als Hauch oder Lebenskraft übersetzt. Bei der etymologischen Betrachtung setzt sich das Wort ''prāná'' aus  ''pra'' und ''āna'' zusammen – ''pra'' kann mit Adverb „hervor“ übersetzt und der Wortstamm ''an'' kann mit dem Verb „atmen“ bzw. das Nomen ''aná'' mit „Atem“ übersetzt und zugrunde gelegt werden - und bedeutet damit wörtlich “Hervor-Atem”. Als Verb bedeutet ''prāná'' atmen, einatmen, aber auch leben.  Im philosophischem Zusammenhang wird das Nomen ''prāná'' auch als Lebensprinzip, manchmal auch mit Intellekt übersetzt, zudem wird prāná auch als Begriff für eine Bezeichnung der Organe der Seele, namentlich der Atem, die Sprache, das Sehen, das Gehör, und das Denken, verwendet.<ref name="Mylius2005">Vgl.:Klaus Mylius: ''Wörterbuch Sanskrit''. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden: 2005.</ref>
''Prāná'' bezeichnet in der indischen Philosophie damit eine kosmische [[Energie]], die den Körper durchdringt und erhält. ''Prāná'' beschreibt ganz allgemein gesagt, die sogenannte Lebensenergie. Der Begriff ''prāná'' kann aber auch im weitesten und heute umgangssprachlich gebräuchlichen Sinn die physische Atemluft bezeichnen und ist damit durch den Atem selbst wahrnehmbar.
 
'''Begriffsdeutung von ''prāná'' in der indischen Literatur auf Grundlage des dreigliedrigen Menschenbildes'''
 
In der indischen Literatur  wird unter anderem in der Prasna-Upanishad  der ''prāná'' in seinen Eigenschaften und seinem Ursprung ausführlich beschrieben. Hier wird anfangs geschildert, dass ''prāná'' in den Strahlen der Sonne beheimatet ist und beschreibt damit eine universelle Lebensenergie. Weiterhin wird ''prāná'' damit auch in einen Bezug zum Element des Feuers gebracht und beschreibt hier das Prinzip der universellen Form. Weiterhin wird ausgeführt, dass allem, was in den drei Welten , aber im besonderen allem, was auf der Erde existiert - allen Elementen, Erscheinungen sowie allen sterblichen und auch allen unsterblichen Lebewesen - ''prāná'' als Ursprung zugrunde liegt und von ihm geführt wird.<ref name="Sharvananda1922">Vgl.: Swami Sharvananda: Prasna-Upanishad. Wortwörtliche Übersetzung aus dem Sanskrit ins Englische mit Kommentaren des Autors. The Ramakrishna Math: Mylapore, Madras. 2. Auflage; 1922.</ref>
Interessant ist die bildhafte Beschreibung, wie ''prāná'' direkt in den Körper des Menschen kommt. Als Ursprung für ''prāná'' wird [[ātman]] und dieses Herankommen von ''prāná'' mit dem Ausbreiten eines Schattens am Menschen beschrieben. Bezeichnender Weise wird weiterhin ausgeführt, dass es durch die Handlungen des Geistes Einzug in den Körper erhält.
Weiterhin gliedert sich ''prāna'' in fünf unterschiedliche Anteile, die den Körper beleben und unterstützen. Diese werden in der indischen Literatur als sogenannte Lebenshauche bezeichnet: 1) ''prāna'' 2) ''vyāna'' 3) ''samāna'' 4) ''apāna'' 5) ''udāna''. Diese fünf Lebenshauche, häufig auch als „vital airs“ bezeichnet, oder Lebensenergien werden speziellen Körperbereichen und damit auch unterschiedlichen Wirkungen, die sie auf den Körper und seine physiologischen Prozesse einnehmen, zugeordnet.<ref name="Huchzermeyer">Vgl.:Wilfried Huchzermeyer: ''Das Yoga-Wörterbuch''. edition sawitri: 2007.</ref>
''Prāná'' ist nach Beschreibungen von Sivananda  am Herzen lokalisiert und dieser Lebensatmen steuert die Atmung – Ein- und Ausatmung . ''Vyāna'' ist am gesamten Körper lokalisiert und wird als die alles durchdringende Energie bezeichnet, die alle Bereiche des Körpers versorgt und wird damit auch der Blutzirkulation zugeordnet . ''Samāna'' hat seinen Sitz an der Nabelregion bzw. Unterleibsregion und wird als die ausgleichende Energie beschrieben, die alle Verdauungsprozesse steuert und reguliert. ''Apāná'' wirkt im untersten Bereich des Körpers und ist am Anus lokalisiert. Diese sogenannte „Herab“-Energie wirkt regulierend auf alle Ausscheidungsprozesse des Körpers. ''Udāna'' wird der Region der Kehle zugeordnet und auch als “Herauf”- Energie bezeichnet und wirkt damit im oberen Bereich des Körpers. Im physiologischen Sinn stützt sie die Schluckprozesse. In spiritueller Hinsicht fördert diese Energie auch die Sprache sowie die spirituelle Entwicklung. Sivananda hebt aber ''prāná'' und ''apāná'' als sogenannte Hauptenergien hervor.<ref name="Sivananda2000">Vgl.: Sri Swami Sivananda (World Wide Web(WWW) Edition: 2000): The Sience of Pranayama.</ref>
Das Wort ''apāná'' setzt sich aus ''apa'' und ''āna'' zusammen und kann wörtlich mit „Herab- Atem“ oder „Herab- Energie“ übersetzt werden. Somit wird deutlich, dass es sich bei ''prāná'' und ''apāna'' um gegensätzliche, gegensätzlich wirkende Energien oder Lebenshauche handelt -  ''apāna'' wirkt von oben nach unten und  ''prāná'' von unten nach oben. Diese beiden Lebenshauche stehen in einem besonderen Zusammenhang und bedingen sich gegenseitig. Sie werden in der [[Bhagavadgita]] auch in Verbindung mit der Aus- und der Einatmung gebracht und wie folgt im Kapitel IV, Vers 29 beschrieben:
''Andere wiederum, die sich der Atemkontrolle widmen, gießen, nachdem sie Prana (den einströmenden Atem) und Apana ( den ausströmenden Atem) innegehalten haben, Prana als Opfer in Apana und Apana in Prana.''<ref name="Aurobindo1995">Sri Aurobindo: Bhagavadgita. Übersetzung des Originaltextes aus dem Englischen ins Deutsche: Verlag Hinder + Deelmann, Gladenbach; 3. unveränderte Auflage; 1995.</ref>
In der Originalübersetzung von Sri Aurobindo  sowie in einer Übersetzung von Srimath Swami Chidbhavanda  wird  ''prāná'' mit „the outgoing breath“ und ''apana'' mit „the incoming breath“ beschrieben. Heinz Grill beschreibt die Energieformen und apāná unabhängig von der Ein- oder Ausatmung. Er charakterisiert generell die zentrifugal wirkende Energie als ''prāná'' und die zentripedal wirkende Energie, welche strukturbildend wirkt und ausscheidende Prozesse fördert, als ''apāná''.<ref name="Aurobindo1995"></ref>
In der Prasna-Upanishad wird weiter beschrieben, dass der Gedanke, den der Mensch zum Todeszeitpunkt gedacht hat, in das ''prāna'' aufgenommen wird. Dieses prāna vereint sich mit dem Feuer, das die beiden Aspekte Licht und Wärme beinhaltet, und führt [[atman]], die unsterbliche Seele, in die „ersehnte Welt“, die geistige Welt. Es wird weiterhin beschrieben, dass alle Früchte des Erlernten von demjenigen, der prāna in seinem Ursprung, in seinem Wesen erkannt hat, unvergänglich und damit unsterblich sind. Der Weise, der Mensch der Erkenntnis über ''prāna'' in seinem umfassenden Wesen erkennt hat, gelangt damit in den Zustand einer Unsterblichkeit. Derjenige, der diese Unsterblichkeit erkannt hat, die eine tiefgründige Kenntnis von prāna als solche voraussetzt, wird „allwissend“ und erhält Einsicht in „alles“ - in die geistigen Welten. Purusha , das reine Bewusstsein, schafft prāna. Aus diesem ''prāna'' entsteht der Glaube als spirituelle und religiöse Grundlage sowie alle weiteren Erscheinungsformen auf der Erde wie beispielsweise Äther, Elemente, alle Wesenheiten sowie Nahrung.<ref name="Sharvananda1922"></ref>
 
Im Yoga, dem ein dreigliedriges Menschenbild zugrunde liegt, wird der Kosmos stets mit der Seelenregion in Verbindung gebracht. Diese Seelenregion nimmt eine Mittenstellung zwischen einem geistigen und einem irdischen, körperlichen Prinzip ein. Aus dieser Betrachtung heraus ist es bedeutsam zu beachten, dass ein „höheres“ Wesensglied auf ein niederes wirkt. Damit wirkt der Geist als freie Region, die auch mit der Gedanken- oder Ideenwelt in Verbindung steht, auf die kosmische Ebene mit seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten und Empfindungen ein, welche wiederum auf den Köper mit seiner Erscheinung und seinen physiologischen Prozessen wirkt.
Mit dieser Beschreibung in der Prasna-Upanishad, wird deutlich, wie oben bereits angeklungen, dass durch das Geistige, welches aber durch den Menschen selbst durch seine Gedanken- und Erkenntnisarbeit und seinem Ringen nach einem erweiterten und weiter entwickelten Bewusstsein, ''prāna'' als Lebensenergie an ihn herankommen und in ihm wirken kann. Aber es ist dem Mensch auch möglich, selbst durch Erkenntnisse, die er sich über die verschiedensten Erscheinungen und Gesetzmäßigkeiten auf der Erde sowie in den seelischen und geistigen Welten erwirbt - wie beispielsweise die Erkenntnis über ''prāna'' - er selbst in der Lage dazu ist, ''prāna'', Lebensenergie zu schaffen. Dieses geschaffene ''prāna'' kann dann wiederum in allem wirksam sein. Dieser Prozess drückt eine Religiösität auf der seelischen Ebene aus.
 
 
'''Begriffsbedeutung von ''prāná'' auf dem Hintergrund des anthroposophischen Menschenbildes'''
 
Ausgehend von dem anthroposophischen Menschenbild, das vier Glieder beschreibt, das Ich, die [[Seele]] mit seinen drei Seelen- oder Bewusstseinskräften – Denken, Fühlen und Wollen, dem Ätherleib – der auch wiederum in vier Äther untergliedert werden kann  - [[Wärmeäther]], [[Lichtäther]], [[chemischer Äther]]/ [[Klangäther]] und [[Lebensäther]] -, und schließlich der Körper als letztes Glied, soll im Folgenden auszugsweise dargestellt werden, wie Rudolf Steiner und Heinz Grill den Begriff ''prāná'' beschreiben.
 
'''Die Bedeutung von ''prāná'' und seine Einordnung in dem Gebiet des Devachan nach Beschreibungen von Rudolf Steiner'''
 
Rudolf Steiner schildert ''prāná'' als eine kosmische schaffende Urkraft, die alles Lebendige auf der Erde beseelt, und gesondert in den tierischen und menschlichen Köpern strömt. Weiterhin charakterisiert er ''prāná'' als den ewig [[fließenden Lebensstrom]] mit der Farbe Pfirsichblüt, die mit dieser Beschreibung einen Hinweis zum [[Lebensäther]] gibt. {{Lit|{{BE|060|23}}}} Weiterhin befindet sich ''prāná'' in der zweiten Region des [[niederen Devachan]]. {{Lit|{{G|94|138}}}} Dieses niedere Devachan, oder auch Rupa-Devachan  genannt, beschreibt in seinen drei Stufen die äußere Planetensphäre mit dem Mars, dem Jupiter und dem Saturn und enthält entsprechend dieser Gliederung Urbilder für die physische Welt (erste Region), für alles Lebendige (zweite Region) und für alles Seelisches (dritte Region). Nach diesem [[Rupa-Devachan]] existiert die vierte Region des Devachan - [[Akasha]], der die Quelle der [[Urbilder]] beschreibt und der bereits außerhalb der Planetensphäre liegt.  Anschließend existiert das höhere Devachan, oder das [[Arupa-Devachan]], das die sogenannten Keimpunkte  der Urbilder entsprechend der Rupa-Devachan enthält. {{Lit|{{G|141|178ff}}}}.
Erwähnenswert und für das weitere Verständnis bedeutungsvoll ist die Charakterisierung dieses Gebietes des Devachan. Der „Stoff“ dieser Welt der geistigen Urbilder besteht nach seinen Beschreibungen von Rudolf Steiner aus dem „Stoff“, aus dem auch der menschliche Gedanke besteht.  Diese Urbilder sind für alle Erscheinungen vorhanden und die physischen Erscheinungen und Wesenheiten sind sogenannte Nachbilder der Urbilder. {{Lit|{{G|94|137}}}}
 
Rudolf Steiner bezeichnet die zweite Region, die Jupitersphäre, als [[Meeres- oder Ozeangebiet]]. Hier in diesem Gebiet sind die Urbilder des Lebens zu finden, aber dieses Leben bildet hier eine Einheit. Es durchströmt als flüssiges Element die Welt des Geistes, vergleichsweise wie das Blut in tierischen Körpern. Dieses „fließende Leben“ ist aus Gedankenstoff gebildet. Er beschreibt weiter, dass sich in dieser Region alles Leben als eine Einheit zeigt und somit das Leben des einzelnen Menschen in einem Zusammenhang mit dem Leben aller anderen lebendigen Geschöpfe der Erde steht.  Nach Rudolf Steiner erscheint dem Mensch dieses Phänomen im irdischen Leben nur als ein Abglanz und „dieser spricht sich in jeder Form von Verehrung aus, die der Mensch dem Ganzen, der Einheit und Harmonie der Welt, entgegenbringt. Das religiöse Leben der Menschen schreibt sich von diesem Abglanze her. Der Mensch wird gewahr, inwiefern nicht im Vergänglichen, im einzelnen, der umfassende Sinn des Daseins liegt.“ {{Lit|{{G|9|136}}}} Rudolf Steiner beschreibt weiter, dass der Mensch erkennt, dass das Vergängliche ein Ausdruck des Ewigen, einer harmonischen Einheit, die er verehrt. In dieser Region des Devachan erscheint nicht Abglanz sondern die wirkliche Gestalt als lebendige Gedankenwesenheit. Er führt weiter aus, dass es dem Menschen möglich wird zu erkennen,  das eigene Schicksal nicht unabhängig von einer Gemeinschaft zu betrachten sowie sich in der Folge selbst als Teil des Ganzen zu empfinden. (ebd.)
 
 
'''Die Bedeutung von ''prāná'' in seine Beziehung zu den 4 Äthern nach Beschreibungen von Heinz Grill - Begründer des Neuen Yogawillen oder der Neuen Yogaempfindung'''
 
In einer Gesamtbetrachtung, ausgehend von den Beschreibungen des niederen Devachan-Gebietes von Rudolf Steiner und den Charakterisierungen des prāná, ordnet Heinz Grill nach seinen Forschungen dieser zweiten Region des Devanchan-Gebietes, der Jupitersphäre, in der das ''prāná'' beheimatet ist, seinem Wesen nach den chemischen Äther zu. Die ersten Region des Devachan-Gebietes, die Marssphäre, ist durch den Lichtäther charakterisiert und mit der dritten Region, der Saturnsphäre, kann der Lebensäther in Beziehung gebracht werden. Wie nachfolgend noch ausführlicher beschrieben wird, entspringt der Lebensäther nach seinen Forschungen in der Jupitersphäre, da er einen signifikanten Bezug zur aktiven konkreten Gedankenbildung einnimmt, und verbreitet sich von dort aus sowohl in die Marssphäre als auch in die Saturnsphäre. Der Wärmeäther ist nach Heinz Grill an dem Übergang der Seelenwelt zum Gebiet des Devachan lokalisiert. Bei diesem Übergang wird der Astralleib abgestreift und damit wird mit dem Wärmeäther ein universaler Kreis eröffnet. Aus diesem Grund kommt der gesamte Kosmos in Bewegung. Die Bewegung ist der Anfang der Wärme und damit wird Äther geschaffen.<ref name="Grill2016">Heinz Grill: Hörreferat zum Begriff ''prāna''. Schriftliche Dokumentation: d.Verfasserin –Lundo 2016.</ref>
 
In der Bhagavadgita Kapitel IX, Vers 10 heißt es:
Ich bin der führende Herrscher über das eigene Wirken Meiner Natur (nicht nur Geist, der in ihr geboren wurde, sondern) der Schöpfungsgeist, der sie veranlasst, all das hervorzubringen, was in der Manifestation erscheint. Aus diesem Grund, o Kaunteya, schreitet die Welt in Zyklen fort.<ref name="Aurobindo1995"></ref>
Hier wird nach Heinz Grill der Bezug zum [[Selbst]] des Menschen hergestellt. Aus diesem Selbst oder, anders ausgedrückt, durch die Tätigkeit des Selbstes entsteht die erste Bewegung -  die der Wärme . Aus dieser Wärme entsteht in der Folge der Lichtäther, anschließend der chemische Äther und final der Lebensäther. Der Wärmeäther entsteht, in dem man in die geistige Welt kommt. Der Lichtäther bildet sich, wenn der Mensch dort tätig wird und schließlich entstehen in der Folge der chemische Äther und der Lebensäther aus dem konkreten schaffenden Tätig-Sein.<ref name="Grill2016"></ref>
 
''Prāná'' ist ein Resultat aus diesem gesamten Prozess. Die heutigen geläufigen Ausführungen und Gebrauchsformen des Begriffes ''prāná'' sowie der Umgang mit diesem im Bereich des [[Yoga]], entsprechen bei weitem nicht dem eigentlichen schöpferischen Ursprung von ''prāná''. Anhand von den heute üblichen Beschreibungen erkennt man ''prāná'' in seinem Ursprung und in seinem Wesen nicht mehr.
 
[[Prānāyāma]], die Technik der Atemkontrolle, kann ''prāná'', die Lebensenergie, nutzbar machen. Dennoch erscheint es für die Entwicklung des heutigen Menschen, bedeutungsvoll, dass ''prāná'' nicht durch eine Technik sondern durch eine konkrete Gedankenbildung aufgebaut wird. Diese schaffende Tätigkeit, bei der Gedanken aufgebaut und gestaltet werden, führt dazu, dass sogenannte [[Bildekräfte]], aufgebaut werden und diese wiederum können alle fünf [[Energien]] (''prāna, vyāna , samāna, apān'' und  ''udāna)'' freisetzen. 
 
Durch ''prānāyāma'' oder Körperübungen(Yogaübungen), die eher technisch ausgeführt werden, kann ''prāna'' stark aktiviert werden, indem das [[kāma]]  wirksam wird. Die Geistschulung ermöglicht aber, dass anhand von konkreten Gedanken und einer konkreten schaffenden Gedankenbildetätigkeit  prāna unmittelbar hervorbringt. Dieser Prozess, bei dem prāna durch die frei schaffende gedankliche Tätigkeit des Menschen freigesetzt wird und damit eine freie Aktivierung gegenüber der Materie entstehen kann, ist nach Heinz Grill bedeutungsvoll. 
 
Der Unterschied zwischen einer utilitaristischen Aktivierung von prāna durch Atemtechniken und einer bloßen körperorientierten Übungsweise im Yoga, bei der bisherige, bereits vorhandene Kräfte, benutzt werden und einer konkreten und schaffenden Gedankenbildung, bei der die geistige Welt unmittelbar tätig ist, sollte kennengelernt und unterschieden werden.
 
Nach Heinz Grill kann ''prānāyāma'' als „''prāna''-freisetzender-Prozess“ beschrieben werden. Er ist aber damit mehr ein Prozess, der ''prāna'' nutzbar macht. Wohingegen, der „''prāna''-schaffende-Prozess“ in einer Freiheit beginnt und auch zu einer größeren Freiheit im Kosmos, bei den Mitmenschen und bei selbst führt. Diese Kraft, die aus dem „''prāna''-schaffende-Prozess“ entsteht, kann mit ''buddhi'', der Weisheit und der Erkenntnis, beschrieben werden. <ref name="Grill2016"></ref>
 
Nach Forschungen von Heinz Grill entspringt der Lichtäther der zweiten Region des Devachan, bei einer konkreten Gedankentätigkeit, wenn ein Gedanke konkret wird. Diese daraus entstehende Erkenntnis ist hier aber nicht im gewöhnlichen Sinne oder dem alltäglichen „Erkennen“ von Sachzusammenhängen gemeint, sondern wenn ein Gedanke wirklich konkret gedacht, wenn er in seiner Wirklichkeit und in seinen möglichen logischen Bezügen erkannt und erfasst wird, bis er in eine wirkliche Erkenntnis einmündet. Dieses daraus entstehende ''prāna'' wird zur Schaffung von ''brahman'', der Ebene des reinen Geistes.<ref name="Grill2016"></ref>


Ebenfalls in Rückgriff auf Aristoteles hat [[Wikipedia:Wilhelm von Humboldt|Wilhelm von Humboldt]] Sprache als ''energeia'' verstanden, also als wirkende Kraft statt als statisches System.<ref>Hans Schwarz: ''Enérgeia, Sprache als (Humboldt)'', in: [[Wikipedia:HWPh|HWPh]] Bd. 2, S. 492-494</ref>


== Literatur ==
* Dietrich Schlüter: ''Akt/Potenz'', in: [[Wikipedia:HWPh|HWPh]] Bd.1, 134-142.
;Zum Begriff ἐνέργεια
* [[Wikipedia:Georg Picht|Georg Picht]], ''Der Begriff des Energeia bei Aristoteles'', in: Georg Picht, ''Hier und Jetzt. Philospophieren nach Auschwitz und Hiroshima'', Bd. 1, S. 289 - 308
* Max Jammer: ''Energie'', in: [[Wikipedia:HWPh|HWPh]] Bd. 2, 494-499
* Max Jammer und Marc Lange: ''Energy'' und ''Energy (Addendum)'', in: Donald M. Borchert (Hg.): ''Encyclopedia of Philosophy'', 2. Auflage, Detroit 2006, Bd. 3, S. 225-234 und 234-237
<!--
* Alexander P. Mourelatos: ''Aristotle's powers and modern empiricism'', in: ''Ratio'' 9 (1967) S. 97-104.
* [[Wikipedia:Nancy Cartwright (Philosophin)|N. Cartwright]]: ''Aristotle on bodies, matter, and potentiality'', in Allan Gotthelf / James Lennox (Hgg.): ''Philosophical issues in Aristotle's biology'', Cambridge: Cambridge University Press 1987, S. 392-407.
-->
* Roberto Radice / Richard Davies / Giovanni Reale: ''Aristotle's Metaphysics: Annotated Bibliography of the Twentieth-Century Literature'', Leiden: Brill 1997, ISBN 9004108955 (Abschnitte ''actuality'', ''potency'')


''Siehe auch:'' [[Wikipedia:Prana-Heilung|Prana-Heilung]], [[Wikipedia:Orgon|Orgon]], [[Wikipedia:Mana (Ethnologie)|Mana]], [[Wikipedia:Pneuma|Pneuma]], [[Wikipedia:Baraka|Baraka]], [[Wikipedia:Qi|Qi]], [[Wikipedia:Od|Od]], [[Wikipedia:Feinstofflichkeit|Feinstofflichkeit]], [[Wikipedia:Nadi|Nadi]]
== Weblinks ==
* C.A. Dubray: [http://www.newadvent.org/cathen/01124a.htm ''Actus et Potentia''], in: Catholic Encyclopedia, Bd. 1, New York: Robert Appleton 1907
* Enrique Alarcón: [http://www.corpusthomisticum.org/tla.html#actus actus] und [http://www.corpusthomisticum.org/tlp.html#potentia potentia], in: [[Thomas von Aquin|Thomas]]-Lexikon, Pamplona, Universität von Navarra 3. A. 2006
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/aristotle-natphil/|Aristotle's Natural Philosophy|Istvan Bodnar}}
* {{IEP|http://www.iep.utm.edu/a/aris-mot.htm#H2|''Energeia'' and ''Entelechia'', in: Aristotle: Motion and its Place in Nature|Joe Sachs}}
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/aristotle-metaphysics/#ActPot|Actuality and Potentiality, in: Aristotle's Metaphysics|S. Marc Cohen}}
* Justo Fernández López: [http://culturitalia.uibk.ac.at/hispanoteca/Lexikon%20der%20Linguistik/e/ENERGEIA%20%20%20Energeia.htm Energeia], in: [http://culturitalia.uibk.ac.at/hispanoteca/Lexikon%20der%20Linguistik/Eingangsseite/Lexikon-Linguistik-Eingangsseite.htm Lexikon der Linguistik und Nachbardisziplinen] (Zusammenstellung von Textauszügen)
* Jonathan B. Beere: Kap. 8, [http://eva.unibas.ch/?c=16250 ''Actuality, Activity, Ambiguity: Preliminary Considerations on Energeia''], in: Ders.: ''Doing & Being'' An Interpretation of Aristotle’s Metaphysics Theta, Ms. Basel 2007


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


== Literatur ==
[[Kategorie:Prozessontologie]]
#Rudolf Steiner: ''Kosmogonie'', [[GA 94]] (2001), ISBN 3-7274-0940-1 {{Vorträge|094}}
[[Kategorie:Philosophie]]
#Rudolf Steiner: ''Das Leben zwischen dem Tode und der neuen Geburt im Verhältnis zu den kosmischen Tatsachen'', [[GA 141]] (1997), ISBN 3-7274-1410-3 {{Vorträge|141}}
[[Kategorie:Ontologie]]
# Rudolf Steiner: Theosophie – Einführung in die übersinnliche Weltenerkenntnis und Menschenbestimmung (GA 9). Rudolf Steiner-Nachlassverwaltung, Dornach/ Schweiz. Clausen & Bosse, Leck. 31. Auflage Dornach 1987.
[[Kategorie:Aristoteles]]
# ''Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe'', Heft 60, Dornach 1977
# Sri Aurobindo: The Message og the Gita -  Bhagavadgita; Originalübersetzung. Sri Aurobindo Press, Pondicherry, India:1972.
 
{{GA}}
 
[[Kategorie:Hinduismus]]
[[Kategorie:Yoga]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 27. November 2019, 15:40 Uhr

Akt (lat. actus; griech. ἐνέργεια, energeia; weitgehend synonym ist ἐντελέχεια, entelecheia[1]) und Potenz (lat. potentia; griech. δύναμις, dynamis) sind im philosophischen Sprachgebrauch Gegenbegriffe, die sich aus der Naturphilosophie und Ontologie des Aristoteles herleiten. Potenz bezeichnet dabei die noch nicht realisierte Möglichkeit, zu der aber ein Vermögen bzw. eine Fähigkeit oder Disposition besteht. Die reine Potenz kann sich nicht selbst aktualisieren, sie bedarf des Aktes, der auf sie einwirkt, um sich verwirklichen zu können, d.h. vom Zustand der bloßen Möglichkeit in den Zustand des tatsächlichen Seins überzutreten. Der Akt bezeichnet die Kraft zur Realisierung bzw. Verwirklichung dieser Möglichkeit, wie auch ihr Ergebnis, also die konkrete Wirklichkeit oder Realität selbst. Gott selbst ist nach Auffassung der Scholastik reine Aktualität (actus purus). Im Zusammenspiel von Akt und Potenz entfaltet sich alles Werden.

Dieser Begriffsgebrauch des Aristoteles blieb auch für die spätere griechische und lateinische Philosophie und insbesondere für die hochmittelalterliche Scholastik maßgebend.

Dabei kann außerdem zwischen aktiver und passiver Potenz unterschieden werden. Passive Potenz bedeutet die Empfangsmöglichkeit einem Akt gegenüber. Passive Potenz hat zum Beispiel ein Stück Lehm, das zu einer Vase geformt werden kann. Aktive Potenz ist das Vermögen, die Fähigkeit, selbst einen Akt hervorzubringen. Aktive Potenz hat zum Beispiel ein Künstler, der aus einem Stück Lehm eine Vase oder einen Krug zu formen vermag. Sowohl aktive wie passive Potenz betrifft die ontologisch sachhaltige Zuschreibung konkreter Vermögen und ist insofern mehr als logische Möglichkeit. Ein Sachverhalt ist nämlich schon dann logisch möglich, wenn sein Gegenteil nicht logisch notwendig ist; eine Potenz kommt einer Sache aber nur dann zu, wenn die aktuale Welt so eingerichtet ist, dass die Sache ein Vermögen zu einem entsprechenden Akt besitzt.

Für Aristoteles hat die Wirklichkeit eine ontologische Priorität vor der Möglichkeit.[2] Eines der Argumente für diese Position ist, dass die Realisierung je bestimmter Veränderungen nicht erklärbar wäre, wenn nicht jeweils ein Prinzip vorausgesetzt wird, was diese Veränderung verursacht. Da eine unendliche Reihe von Aktualisierern außerdem undenkbar ist, nimmt Aristoteles als erstes Prinzip seiner Kosmologie einen unbewegten Beweger an - nicht etwa nur eine ungeformte Materie mit Potenz zur Veränderung. Dieses erste Prinzip bezeichnet er außerdem als nur auf sich selbst bezogenes Denken. Zugleich ist es mit der vollkommensten Art der Bewegung verbunden, der Kreisbewegung. Gott bzw. seine Vernunfttätigkeit ist „wirkliche Tätigkeit“.[3]

In diesen Ausgangslagen hat der scholastische Begriff des Wesens Gottes als reiner Akt (actus purus) seinen Ursprung.

Ebenfalls in Rückgriff auf Aristoteles hat Wilhelm von Humboldt Sprache als energeia verstanden, also als wirkende Kraft statt als statisches System.[4]

Literatur

  • Dietrich Schlüter: Akt/Potenz, in: HWPh Bd.1, 134-142.
Zum Begriff ἐνέργεια
  • Georg Picht, Der Begriff des Energeia bei Aristoteles, in: Georg Picht, Hier und Jetzt. Philospophieren nach Auschwitz und Hiroshima, Bd. 1, S. 289 - 308
  • Max Jammer: Energie, in: HWPh Bd. 2, 494-499
  • Max Jammer und Marc Lange: Energy und Energy (Addendum), in: Donald M. Borchert (Hg.): Encyclopedia of Philosophy, 2. Auflage, Detroit 2006, Bd. 3, S. 225-234 und 234-237
  • Roberto Radice / Richard Davies / Giovanni Reale: Aristotle's Metaphysics: Annotated Bibliography of the Twentieth-Century Literature, Leiden: Brill 1997, ISBN 9004108955 (Abschnitte actuality, potency)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Michael-Thomas Liske: entelecheia, in: Christoph Horn/Christof Rapp (Hgg.): Wörterbuch der antiken Philosophie, München 2002, S. 135
  2. Met. 12, 1071b12-1072a8
  3. Met. 12, 1072b24-29
  4. Hans Schwarz: Enérgeia, Sprache als (Humboldt), in: HWPh Bd. 2, S. 492-494


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