Sefer Jetzira und Seligpreisungen: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Sefer Jetzira''' ([[Hebräische Sprache|hebr.]]: &#1505;&#1508;&#1512; &#1497;&#1510;&#1497;&#1512;&#1492;, ''„Buch der Formgebung“''; auch übersetzt als ''Buch der Schöpfung''<ref name="Jetzira">Die gelegenlich gebrauchte Übersetzung als ''Buch der Schöpfung'' ist etwas irreführend, denn als [[Welt der Schöpfung]] ([[Hebräische Sprache|hebr.]] עולם בריאה, ''Olam Briah'') wird zu Recht die [[Astralwelt]] bezeichnet, in der sich die Ereignisse abspielen, die im ersten Schöpfungsbericht der [[Wikipedia:Genesis|Genesis]] geschildert werden. Das ''Sefer Jetzira'' bezieht sich hingegen auf Strukturen und Ereignisse in der [[Ätherwelt]].</ref>) gilt als das älteste eigenständig überlieferte Werk der [[Kabbala]]. [[Jetzira]] steht in der [[jüdisch]]en [[Geheimlehre]] für die [[Ätherwelt]]<ref name="Jetzira" />. Das Buch stellt die wesentlichen Elemente der [[Schöpfung]] in ihrer Entstehung ([[Kosmogonie]]) und ihrer Struktur ([[Kosmologie]]) dar. Diese Elemente sind die 10 Urziffern ([[Sephiroth]]) und die 22 Buchstaben des [[Hebräisches Alphabet|hebräischen Alphabets]].
[[Datei:Frescoangelico100216.jpg|thumb|300px|[[Wikipedia:Fra Angeliko|Fra Angeliko]]: ''Die Bergpredigt'', Fresco im Markuskloster in [[Wikipedia:Florenz|Florenz]], 1437-1445<br/>Hier wird sehr richtig dargestellt, dass die Bergpredigt nicht an das Volk, sondern als höhere Unterweisung nur an seine nächsten [[Jünger]] gerichtet war.]]
[[Bild:Berg_der_Seligpreisungen_BW_5.JPG|thumb|300px|Der [[Berg der Seligpreisungen]], gesehen von [[Wikipedia:Kafarnaum|Kafarnaum]].]]


== Entstehung und Geschichte ==
Die '''Seligpreisungen''', mit denen die [[Bergpredigt]] beginnt, deuten vorausweisend auf die grundlegende Veränderung in der Welt hin, die durch das [[Mysterium von Golgatha]] geschehen wird, durch das sich der [[Christus]] durch seinen [[Tod]] mit der [[Erde]] verbindet. Wichtig zu beachten ist dabei, dass der Christus den Tod vorher nicht kannte, da er ein rein [[Geistige Wesen|geistiges Wesen]] war und man den Tod nur auf der Erde oder auf Welten, die auf einer vergleichbaren Entwicklungsstufe stehen, erleben kann. Nur durch den Tod auf der Erde konnte der Christus sich mit dieser verbinden.
Nach [[Judentum|jüdischer]] [[Wikipedia:mündliche Überlieferung|mündlicher Tradition]] gilt als Autor des Werks der biblische [[Abraham]], der es bei seiner [[Einweihung]] durch [[Melchisedek]] empfangen habe<ref>{{Literatur
|Autor = Heinrich E. Benedikt
|Titel = Die Kabbala als jüdisch-christlicher Einweihungsweg
|Band = Bd. 1.
|Auflage = 3.
|Verlag = Hermann Bauer
|Jahr = 1991
|Seiten = 24
|ISBN = 3-7626-0279-4
}}</ref>. Der Text selbst nennt keinen Verfasser, erwähnt jedoch Abraham als den ersten, der die beschriebenen Wege der Weisheit gegangen ist, worauf sich die Annahme seiner Autorschaft stützt. Im letzten Absatz des ''Sefer Jetzira'' heißt es<ref>http://www.hermetik.ch/ath-ha-nour/site/kabbalajetzirah6.htm</ref>:


{{Zitat|Und als Abraham gekommen war, unser Vater, Friede sei mit ihm, da schaute er, betrachtete, forschte und verstand dies, er hieb und zeichnete, bis er es erlangt hatte, dann offenbarte sich ihm der Herr des Alls, gesegnet sei sein Name, es setzte ihn auf seinen Schoss und küsste ihn auf das Haupt und nannte ihn  Abraham, seinen Freund. Er schloss ein Bündnis mit ihm und seinen Kindern, (denn so heisst es:) er glaubte an [[JHVH]], dies wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet. Er setzte das Bündniszeichen zwischen die zehn Finger seiner Hände, dies ist die Zunge ({{HeS|לָשׁוֹן}}, laschon, bedeutet auch: ''Sprache''), und zwischen die zehn Zehen seiner Füsse, dies ist die Beschneidung ({{HeS|מִלָּה}}, mila, hat auch die Bedeutung: ''Wort'').<br><br>
== Die Bergpredigt als esoterische Lehre für die Jünger ==
Er band ihm die zweiundzwanzig Buchstaben der Torah an die Zunge und der Heilige, gesegnet sei er, offenbarte ihm ihre Geheimnisse: Und er machte sie zur Zugkraft des Wassers, zum Brennen des Feuers und zum Rauschen des Windes, er machte sie zur Leuchtkraft der sieben Sterne und zur Führungskraft der zwölf Sternbilder.|Sefer Jetzira 6}}


Die Autorschaft Abrahams ist wohl nich wörtlich in dem Sinn zu nehmen, als hätte er unmittelbar den überlieferten Text verfasst, aber richtig ist, dass die Lehren der [[Kabbala]] ganz aus dem Geist des abrahamitischen Zeitalters entspringen. [[Abraham]] war der erste, dessen [[physisch]]es [[Gehirn]] so beschaffen war, dass er das, was ehemals durch das ursprüngliche [[Hellsehen]] erlebt wurde, nun in klare [[Gedanke|gedankliche]] [[Begriff]]e fassen konnte. Dazu gehört vor allem auch die [[Erkenntnis]] von dem [[Wesen]] der [[Zahlen]] und ihrem gesetzmäßigen Zusammenwirken. Der Überlieferung nach gilt Abraham daher auch als "Erfinder" des [[Wikipedia:Zählen|Zählen]]s und [[Wikipedia:Rechnen|Rechnen]]s, der [[Wikipedia:Arithmetik|Arithmetik]] überhaupt. Heute, wo wir mit dem Ablauf des [[Kali Yuga]]s bzw. mit dem Beginn des dritten Jahrtausends gleichsam in das umgekehrte abrahamitische Zeitalter einlaufen, stehen wir vor der gegenteiligen Aufgabe: Wir müssen aus den klar gefassten [[spirituell]]en, aber an den logischen [[Verstand]] gebundenen Gedanken allmählich wieder die [[Imagination]]en entbinden und so von der [[sinnlich]]en wieder zur direkten geistigen [[Wahrnehmung]] aufsteigen. In diesem Sinne kann heute die [[Kabbala]] in zeitgemäßer Form studiert werden.
[[Rudolf Steiner]] weist ausdrücklich darauf hin, dass der [[Christus]] die [[Bergpredigt]] nur an seine Jünger richtete:
 
{{GZ|Christus Jesus gab selbst die eindringlichste Lehre von der Erfüllung
der Zeiten in dem, was wir die Bergpredigt nennen. Sie war
durchaus keine Volkspredigt, denn es heißt: «Da Christus das Volk
sah, ging er hinweg und offenbarte sich seinen Jüngern.» Da offenbarte
Christus ihnen im großen und ganzen das Folgende: In alten
Zeiten konnte der Mensch gotterfüllt werden in der Ekstase; außer
seinem Ich war er beseligt, er hatte ein unmittelbares Erlebnis mit der
geistigen Welt, aus der er geistige Kräfte herunterholen und Gesundungskräfte
saugen konnte. Jetzt aber, so sagte der Christus Jesus
seinen Jüngern, kann derjenige Mensch gotterfüllt werden, der in
sich selber sich durchdringt mit dem Gottes- und Christus-Impuls, der
in diesem Impuls selber aufgehen kann als Ich. Früher konnte nur derjenige
zur geistigen Welt aufsteigen, der angefüllt war mit den Strömungen
dieser geistigen Welt; nur dieser konnte seliggepriesen werden
als ein Reicher des Geistes. Das war der Hellseher im alten Sinne,
und der gehörte zu den seltensten Persönlichkeiten. Die meisten waren
Bettler geworden im Geiste. Jetzt aber konnten diejenigen das Reich
der Himmel finden, die es in ihrem Ich suchten. Das, was in einer
solch bedeutsamen Epoche der Menschheit geschieht, das geschieht
immer für den ganzen Menschen. Wenn auch nur ein einziges Glied
seines Wesens ergriffen wird, so klingen doch alle andern mit. Alle
Glieder des Menschen: der physische Leib, der ätherische Leib, die
Empflndungsseele, Verstandes- oder Gemütsseele, die Bewußtseinsseele,
das Ich, die höheren Seelenglieder sodann, sie leben auf durch
die Nähe der Himmelreiche. Diese Lehren stimmen überein mit den
großen Lehren der Urweltweisheit.|118|145}}
 
== Die neun Seligpreisungen im Matthäus-Evangelium ==
=== [[Martin Luther]] ===
 
;Fassung 1522
{{Zitat|vor=|nach=|<poem>1 Da er aber das volck sahe, steyg er auff eynen berg, vnd satzet sich, vnnd seyne Junger tratten zu yhm,
2 vnnd er thatt seynen mund auff, leret sie, vnd sprach,
3 Selig sind, die da geystlich arm sind, denn das hymelreych ist yhr,
4 Selig sind, die da leyde tragen, denn sie sollen getrostet werden,
5 Selig sind die senfftmutigen, denn sie werden das erdreych besitzen,
6 Selig sind die da hungert vnnd durstet nach der gerechtickeyt, denn sie sollen satt werden,
7 Selig sind die barmhertzigen, denn sie werden barmhertzickeyt erlangen,
8 Selig sind die von hertzen reyn sind, denn sie werden got schawen,
9 Selig sind die fridfertigen, denn sie werden gottes kynder heyssen,
10 Selig sind, die vmb gerechtickeyt willen verfolget werden, denn das hymel reych ist yhr,
11 Selig seyd yhr, wenn euch die menschenn schmehen vnd verfolgen, vnd reden allerley arges widder euch so sie daran liegen vmb meynen willen.
12 Habt freud vnnd wonne, Es wirt euch ym hymell woll belonet werden, denn also haben sie verfolgt die propheten, die fur euch gewesen sind.</poem>|[[Martin Luther]]|''Euangelion Sanct Matthes. Das funffte Capitel.'' 1-12, Wittenberg 1522 [http://de.wikisource.org/wiki/Das_Newe_Testament_Deutzsch/Mt]}}
 
;Fassung 2017
{{Zitat|vor=|nach=|<poem>1 Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg. Und er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.
2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
9 Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen.
12 Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.</poem>|Lutherbibel 2017|{{B|Mt|5|1-12|LUT}}}}
 
=== Rudolf Steiner ===
 
;1. Fassung (1905)
 
In dieser Fassung übersetzt Rudolf Steiner die ersten acht Seligpreisungen, wobei die Reihenfolge der zweiten und dritten Seligpreisung vertauscht ist:
 
{{GZ|Selig die Bettler um Geist, denn ihnen selbst ist das
Königreich der Himmel.
 
Selig die Sanftmütigen, denn sie werden in sich selbst die
Erde als ihren Anteil erhalten.
 
Selig die Leidtragenden, denn sie werden Trost in sich selbst
finden.
 
Selig die nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden,
denn sie werden in sich selbst gesättigt werden.
 
Selig die Mitleidigen, denn ihnen wird durch sich selbst
Mitleid sein.
 
Selig die reinen Herzens sind, denn sie werden in sich Gott
schauen.
 
Selig die Friedenstiftenden, denn sie werden Kinder Gottes
heißen.
 
Selig sind die man um der Gerechtigkeit willen verfolgt, denn
in ihnen selbst wird das Reich des Himmels sein.|268|326}}
 
;2. Fassung (1910)
 
In dieser Fassung übersetzt Rudolf Steiner die ersten sieben Seligpreisungen in der originalen Reihefolge:
 
{{GZ|1. Von Gott erfüllt sind die, welche Bettler sind um Geist,
denn in ihnen selbst ist das Reich der Himmel.
 
2. Von Gott erfüllt sind die, welchen das Leid nicht
abgenommen wird, (welche dem Leiden unterworfen sind),
denn sie werden durch sich selbst sich Beistand suchen.
 
3. Von Gott erfüllt sind die, welche ihre Leidenschaften
zügeln, denn ihnen wird die Erde als Los zufallen.
 
4. Von Gott erfüllt sind die, welche Hunger und Durst nach
der Gerechtigkeit empfinden, denn sie werden durch sich
selbst gesättigt werden.
 
5. Von Gott erfüllt sind die Liebenden, denn sie werden
Liebe erwecken.
 
6. Von Gott erfüllt sind die im Herzen Reinen, denn sie
werden Gott in sich schauen.
 
7. Von Gott erfüllt sind die Friedenbringer, denn Söhne
Gottes werden sie heißen.|268|327}}
 
=== Emil Bock ===
 
{{Zitat|vor=|nach=|1 Als er die Menge des Volkes sah, stieg er auf den Berg.
Dann setzte er sich nieder, und seine Jünger traten zu ihm.
 
2 Und er tat seinen Mund auf und begann sie zu unterweisen.
 
3 Selig die Bettler um Geist, in sich selber finden sie das
Reich der Himmel.
 
4 Selig, die das Erdenleid tragen, in sich selber finden sie
den Geistestrost.
 
5 Selig, die ihre Seelen zum Gleichmut erziehen, im eignen
Ich empfangen sie den Sinn der Erde.
 
6 Selig, die hungern und dürsten nach dem Sein des Guten,
ihr eigenes Tun wird ihnen den Hunger stillen.
 
7 Selig die Barmherzigen, denn ihnen wird wiederum
Barmherzigkeit zuteil.
 
8 Selig, die im Herzen lauter sind, denn sie werden darinnen
den Gott schauen.
 
9 Selig, die den Frieden in die Welt bringen, sie werden
Söhne Gottes genannt werden.
 
10 Selig, die Verfolgung erleiden, weil sie dem höheren
Leben dienen; das Reich der Himmel ist in ihnen.
 
11 Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und
Worte des Hasses und Truges gegen euch schleudert, weil
 
12 mein Ich in euch lebt. Freut euch und frohlocket; in den Himmeln ist euch der volle Schicksalsausgleich zubereitet. Hat
man nicht vor euch die Propheten ebenso geschmäht und verfolgt?|[[Emil Bock]]|''Das Neue Testament}}
 
== Die Seligpreisungen und die neun Wesensglieder des Menschen ==
 
Jeder der neun Seligpreisungen des [[Matthäus-Evangelium]]s deutet auf eine Veränderung eines [[Wesensglieder|Wesensgliedes]] des [[Mensch|Menschen]] hin.
 
{{GZ|So wird in diesen wunderbaren Sätzen, die sich beziehen auf die
neun Glieder der Menschennatur, gezeigt, wie das Ich sich gestaltet,
wenn es ein Christus-Ich wird, für die verschiedenen Glieder der Menschennatur
und sie beseligt. In grandioser, in majestätischer Weise ist
im Matthäus-Evangelium {{Bibel|Mt|5|3-11|LUT}} in den Sätzen nach der [[Versuchung Christi|Versuchungsszene]]
ausgedrückt, wie die Christus-Kraft für die [[Wesensglieder#Die neungliedrige Wesenheit des Menschen|Neungliedrigkeit]]
des Menschen wirkt, zunächst in der Gegenwart, und dann, wie
sie wirkt in der nächsten Zukunft, wo diejenigen noch Kinder Gottes
genannt werden, in die hineinleuchtet das Geistselbst schon jetzt, wo
aber doch solche Kinder Gottes nur in einzelnen begnadeten Exemplaren
vorhanden sind. Gerade das ist das Wunderbare: das bestimmte
Sprechen für die ersten Glieder, die schon da sind, und das Auslaufen in
das Unbestimmte in den letzten Sätzen, die für fernere Zukünfte gelten.|123|181}}
 
=== Physischer Leib ===
'''1. Selig sind die, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. (Vers 3 wörtlich: Selig die Armen im Geist)''' {{Bibel|Mt|5|3}}.  
 
Gerade dieser Satz wird häufig falsch verstanden, was man auch gut an der hier verwendeten Einheitsübersetzung erkennen kann. [[Rudolf Steiner|Steiner]] sagt folgendes dazu:


<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
"Wir haben nun gesehen bei meinem letzten Besuche hier, wie das erste Jahrtausend bei seinem Abschlusse eine Art Ersatz brachte für das Hineinschauen in die geistigen Welten, jenen Ersatz, der dadurch dem Menschen gegeben war, daß eine besondere Individualität, Abraham, ausersehen worden ist - die jene Einrichtung im physischen Gehirn besonders hatte -, ohne die alten Fähigkeiten dennoch zu einem Bewußtsein von der geistigen Welt kommen zu können. Deshalb nennen wir den ersten Teil des Kali Yuga in der Geisteswissenschaft vorzugsweise das abrahamitische Zeitalter, jenes Zeitalter, in dem der Mensch zwar den unmittelbaren Ausblick in die höheren geistigen Welten verliert, in dem ihm aber etwas erwächst wie ein Gottesbewußtsein, das nach und nach immer mehr und mehr in sein Ich hereinwächst, so daß er immer mehr und mehr den Gott vorstellt als verwandt mit dem Ich-Bewußtsein, dem menschlichen Ich-Bewußtsein. Wie das Welten-Ich, so erscheint die Gottheit demjenigen Zeitalter, dem ersten Jahrtausend im Kali Yuga, das wir an seinem Abschluß das abrahamitische Zeitalter nennen können.  
"Früher konnte nur derjenige zur geistigen Welt aufsteigen, der angefüllt war mit den Strömungen dieser geistigen Welt; nur dieser konnte seliggepriesen werden als ein Reicher des Geistes. Das war der Hellseher im alten Sinne, und der gehörte zu den seltensten Persönlichkeiten. Die meisten waren Bettler geworden im Geiste. Jetzt aber konnten diejenigen das Reich der Himmel finden, die es in ihrem Ich suchten [...]


[...]
Früher mußte beim Eingehen in die geistige Welt der Ätherleib
sich leicht trennen von dem [[Physischer Leib|physischen Leib]]; dieser mußte also ganz
besonders geartet sein. Christus Jesus sagte daher mit Hinweis auf den
physischen Leib: Selig können sein die Bettler, das heißt, die arm
sind an Geist, denn sie werden, wenn sie diesen vom Ich beherrschten
äußeren Leib richtig entwickeln, das Reich der Himmel finden." {{Lit|{{G|118|145}}}}
</div>


Die Bedeutung des abrahamitischen Zeitalters war, daß sozusagen das alte Hellsehen geschwunden ist, daß dem Menschen ein Gottesbewußtsein gegeben ward, das mit den menschlichen Fähigkeiten eng zusammenhängt. Alles, was die Menschheit aus diesem Gottesbewußtsein, das an das menschliche Gehirn gebunden ist, gewinnen konnte, ist nach und nach ausgeschöpft worden, und nur wenig ist noch auf dem Weg dieser Fähigkeiten für das Gottesbewußtsein der Menschen zu gewinnen, wenig nur noch. Dagegen gehen wir den genau umgekehrten Weg in dem neuen abrahamitischen Zeitalter. Wir gehen den Weg, der die Menschheit wiederum hinausführt aus dem bloß physisch-sinnlichen Anschauen, aus dem Kombinieren der physischsinnlichen Merkmale; wir gehen den Weg, der die Menschen wiederum zurückführt in jene Regionen, in denen sie einmal vor dem abrahamitischen Zeitalter waren. Wir gehen den Weg, der die Menschen wieder eintreten lassen wird in Zustände natürlichen Hellsehens, natürlich hellseherischer Kräfte. In dem Zeitalter Kali Yuga war es ja nur die Einweihung, die hinaufführen konnte in regelrechter Weise in die geistigen Welten. Natürlich führt die Einweihung in hohe Stufen hinauf, die von den Menschen in sehr ferner Zukunft erst erklommen werden können, aber die ersten Spuren eines erneuerten Hellsehens, das auftreten wird wie eine natürliche menschliche Fähigkeit, werden sich verhältnismäßig bald zeigen, je mehr wir in die Erneuerung des abrahamitischen Zeitalters hinübergehen."
=== Ätherleib ===
{{Lit|GA 118, S 110ff}}
'''2. Selig sind die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.''' {{Bibel|Mt|5|4}}
</div>
 
Damit ist folgendes gemeint:


Im ''Pardes Rimmonim'' (1548) vertritt [[Moses Cordovero]] (1522–1570) die Meinung, das ''Sefer Jetzira'' gehe zwar auf Abraham zurück, wäre aber in der  vorliegenden überlieferten Form von [[Wikipedia:Rabbi Akiba|Rabbi Akiba]] redigiert worden<ref>[http://www.maqom.com/journal/paper14.pdf Christopher P. Benton: ''An Introduction to the Sefer Yetzirah'']</ref>.
<div style="margin-left:20px">"Sodann sagte er vom [[Ätherleib]]: Früher konnten die Menschen vom leiblichen und seelischen Leid geheilt werden durch Hinaufsteigen in die geistige Welt mittels der Ekstase. Wenn sie nun gotterfüllt, gottinnig werden, dann können, die da Leid tragen, geheilt, getröstet werden und können in sich selber den Grund, den Trost finden." {{Lit|{{G|118|146}}}}</div>


Die wissenschaftliche Erforschung der Entstehungsgeschichte des ''Sefer Jetzira'' hat zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Von einigen Forschern wird das Werk in die [[Wikipedia:Hellenismus|hellenistisch]]-römische Antike eingeordnet. [[Wikipedia:Heinrich Graetz|H. Graetz]] sah darin zunächst eine Antwort auf die [[Gnosis]] und datierte es in das 2. oder 3.&nbsp;Jahrhundert, ebenso wie [[Wikipedia:Gershom Scholem|Gershom Scholem]]. Neuere Forschungen sehen jedoch eine Abhängigkeit von [[Islam|islamischen]] Traditionen und setzen die Entstehung demzufolge erst nach dem 7.&nbsp;Jahrhundert an. Aber auch diesen Theorien ist unter Hinweis auf Parallelen zur Philosophie [[Wikipedia:Philon von Alexandria|Philos von Alexandria]] widersprochen worden, woraus eine Frühdatierung sogar ins 1. Jahrhundert  folgt.<ref> Zur Datierung vgl. K. Herrmann, ''Sefer Jezira'', Seiten 184 bis 204</ref> Abschließende Antworten auf die Frage nach der historischen Einordnung sind nicht möglich, jedoch ist eine Entstehung jedenfalls vor dem 10.&nbsp;Jahrhundert sicher. 
=== Astralleib ===
'''3. Selig sind die, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.''' {{Bibel|Mt|5|5}}


Das ''Sefer Jetzira'' ist ab dem 10.&nbsp; Jahrhundert in der jüdischen Tradition reich kommentiert worden. Dabei stand zunächst der philosophisch-wissenschaftliche Zugang im Vordergrund. Später wurde es vermehrt mystisch-spekulativ interpretiert und so die Bedeutung des Buches für die [[Kabbala]] begründet.   
Mit diesen Worten bezieht sich Christus auf den [[Astralleib]]:


=== Überlieferte Textfassungen ===
<div style="margin-left:20px">"Weiter sagte er vom Astralleib: Früher mussten diejenigen, die wilde, stürmische Leidenschaften und Impulse im Astralleib hegten, dadurch besänftigt werden, dass ihnen Gleichmut, Gelassenheit und Läuterung zuströmte von den geistig-göttlichen Wesenheiten. - Jetzt aber sollten die Menschen durch die Kraft ihres eigenen Ich unter der Einwirkung Christi die Kraft finden, ihren Astralleib zu läutern. Die Stätte, wo der Astralleib sich läutern kann, ist jetzt die Erde geworden. Daher musste dieser Einschlag für den Astralleib so dargestellt werden, dass gesagt wurde: Selig und gotterfüllt im Astralleib können nur diejenigen sein, die sich das Gleichnis, Gleichmaß erwerben, und ihnen wird als Los, als Lohn aller Trost und alles Gute auf der Erde zufallen." {{Lit|{{G|118|146}}}}</div>
Die Textüberlieferung des Werkes ist unübersichtlich. Es existieren handschriftliche Kurz- und Langfassungen, deren Verhältnis zueinander jedoch unklar und umstritten ist. Die Kurzfassung umfasst ungefähr 1300 Worte, die Langfassung etwa das Doppelte. Zur Langfassung gehört vor allem die Handschrift ''Ms. Vatikan 299'' aus dem [[Wikipedia:10. Jahrhundert|10. Jahrhundert]], zur Kurzfassung die Handschrift ''Ms. London 6577'' aus dem 14.&nbsp;Jahrhundert. Dazu kommt eine frühe Textversion aus dem 10. Jahrhundert, die sogenannte ''Sa'adjanische Rezension'', für die der jüdische Gelehrte [[Wikipedia:Saadia Gaon|Saadia Gaon]] († 942) die Langfassung neu arangierete und kommentierte. Im [[Wikipedia:16. Jahrhundert|16. Jahrhundert]] bearbeitete [[Isaak Luria]] den Text, um ihn mit dem [[Sohar]] zu harmonisieren. Die weitere Bearbeitung durch [[Wikipedia:Gaon von Wilna|Gaon von Wilna]] im [[Wikipedia:18. Jahrhundert|18. Jahrhundert]] ist als ''Gra Version'' bekannt geworden.
 
Der erste Druck − in [[Latein|lateinischer]] Übersetzung − wurde 1552 in [[Wikipedia:Paris|Paris]] gefertigt. Die erste gedruckte hebräische Ausgabe erfolgte 1562 in [[Wikipedia:Mantua|Mantua]]. Es liegen heute verschiedene Ausgaben vor, die teilweise auch implizite kommentierende Texte umfassen.


== Inhalt ==
=== Empfindungsseele ===
Das ''Sefer Jetzira'' hat selbst in den umfangreichsten Fassungen kaum mehr als 2000 Worte. Es stellt '''[[32 Pfade der Weisheit]]''' dar, die sich zusammensetzen aus den 10 [[Sephiroth]] und den 22 [[Hebräisches Alphabet|hebräischen Buchstaben]], die den 22 Pfaden entsprechen, welche die 10 Sephiroth miteinander verbinden.
'''4. Selig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.''' {{Bibel|Mt|5|6}}>


{{Zitat|In zweiunddreißig geheimnisvollen Pfaden der Weisheit zeichnete JAH, JHVH Zabaoth, Gott Israels, lebendiger Elohim, König der Welt, allmächtig, barmherzig und gnädig, hoch und erhaben, waltend in Ewigkeit, heilig ist sein Name, und schuf seine Welt mit drei Sefarim ({{HeS|םפרים}}): Erzählung ({{HeS|סִפּוּר}},''sippur''), Zahl ({{HeS|סִפְרָה}}, ''sefar'', Ziffer) und  Zeichen ({{HeS|סֵפֶר}}, ''sefer''; Buchstabe).|Sefer Jezirah 1,2}}
Jetzt spricht der Christus von der [[Empfindungsseele]].  


Das sind die Kräfte, die den [[Baum des Lebens]] bilden: der [[Zahlenäther]] und der [[Wortäther|Wort]]- oder [[Lebensäther]]. Die Verfügung über diese [[ätherisch]]en Kräfte wurde dem [[Mensch]]en nach dem [[Sündenfall]] und der Vertreibung aus dem [[Paradies]] entzogen. Bis zum Ende der [[Erdentwicklung]] soll er die Herrschaft darüber mit Hilfe des [[Christus]] neu und [[Bewusstsein|vollbewusst]] wieder gewinnen.
<div style="margin-left:20px">"Auf die Empfindungsseele bezieht sich die vierte Seligpreisung. Wer sich in seiner Empfindungsseele recht läutern und eine höhere Entwickelung durchmachen will, der wird in seinem Ich einen Einschlag des Christus bekommen; er wird einen Durst im Herzen nach Gerechtigkeit verspüren, gottinnig werden und sein Ich wird in sich selber gesättigt sein." {{Lit|{{G|118|146}}}}</div>


=== [[Sephiroth]] ===
=== Verstandes- oder Gemütsseele ===
[[Datei:Tree of life hebrew.png|thumb|300px|Die 10 Sephiroth im Lebensbaum verbunden durch den [[Pfad des flammenden Schwerts]] (gelb), der die Reihenfolge ihrer Entstehung von 1 - 10 angibt.
'''5. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.''' {{Bibel|Mt|5|7}}
Bezieht man dieses Diagramm auf den irdischen Menschen, so entspricht die rechte Seite der rechten Körperhälfte, die linke Seite der linken Körperhälfte - es ist also ein Bild des Menschen, wie es von ''hinten'' gesehen wird. In [[freimaurer]]ischen und [[rosenkreuzer]]ischen Darstellungen wird der Mensch meist von ''vorne'' betrachtet und im Diagramm erscheinen dann die linke und rechte Seite vertauscht.]]
Der Begriff ''[[Sephiroth]]'' (hebr. ספרות, Singular: ''Sephira'' - ספרה) ist eine Neuschöpfung des Buches Jetzira. Er geht auf den hebräischen Verbalstamm s-f-r (ספר, vgl. Sefer Jezirah §&nbsp;1) zurück, der „zählen“, „schreiben“, „erzählen“ und als Nomen auch „Buch“ (''sefer'') bedeuten kann, entlehnt aus [[Wikipedia:Arabisch|arabisch]] ''sifr'' „[[Null]], [[leer]]“, was wiederum lehnübersetzt ist von [[Wikipedia:altindisch|altindisch]] ''[[sunya]]'' „Null, leer“. Meist wird ''Sephira'' als „Zahl“ übersetzt. Es ist [[Wikipedia:Etymologie|etymologisch]] aber auch verwandt mit dem griechischen Wort σφαιρα und wird daher auch als „Sphäre“ oder „Element“ wiedergegeben.<ref>K. Herrmann, ''Sefer Jezira'', Seite 226</ref>


Die Zahl [[0]] (okkult gelesen als Ei) bezeichnet die Vollendung und vollständige Vergeistigung eines vorangegangenen Entwicklungszyklus {{Lit|GA 110, S 187}}, aus dem mit der [[10]] (okkult gelesen als [[Eins aus dem Ei]]) die neue [[Schöpfung]] hervorbricht. 10 entspricht auch dem hebräischen Buchstaben [[Jod (Hebräisch)|Jod]] (י), der für das schöpferische göttliche [[Ich]] steht, von dem auch ein Funke im [[Mensch]]en wohnt. Sehr nachdrücklich wird daher im ''Sefer Jetzira'' betont, dass es 10 Sephiroth gibt, nicht mehr und nicht weniger:
<div style="margin-left:20px">"Das nächste Glied ist die [[Verstandes- oder Gemütsseele]]. Das Ich schlummert dumpf in der Empfindungsseele und erwacht erst in der Verstandes- oder Gemütsseele. Wenn wir mit unserem Ich in der Empfindungsseele schlummern, dann können wir nicht in allen Menschen das finden, was sie erst zu wirklichen Menschen macht: das Ich. Bevor der Mensch das Ich in sich entwickelt hat, muss er seine Empfindungsseele in höhere Welten hinaufwachsen lassen, um dort etwas wahrnehmen zu können. Wenn er aber in der Verstandes- oder Gemütsseele sich entwickelt, kann er den Menschen neben sich wahrnehmen. Bei allen bisher genannten Gliedern müssen wir uns an das erinnern, was in früheren Reichen gegeben war. Erst in der Verstandes- oder Gemütsseele kann sich die Seele mit dem erfüllen, was von Mensch zu Mensch strömt. Es wird in dem Satzgefüge der fünften Seligpreisung etwas Besonderes eintreten müssen; es muss Subjekt und Prädikat gleich sein, weil hingedeutet werden soll auf das, was das Ich in sich entwickelt. Dieser fünfte Satz sagt: «Wer Mitleid und Barmherzigkeit entwickelt, der wird Barmherzigkeit wiederfinden.» Das ist eine Kreuzprobe, die wir hier bei einem okkulten Dokument machen. Christus hat in bezug auf die einzelnen Glieder der menschlichen Natur alles verheißen, alles stimmt." {{Lit|{{G|118|146}}}}</div>


{{Zitat|Zehn Zahlen aus dem Nichts, zehn und nicht neun, zehn und nicht elf, begreife diese Weisheit, verstehe dieses Wissen, forsche danach und erwäge es, fasse es in Klarheit und folge dem Schöpfer wieder zu seinem Thron.|Sefer Jezirah 1,4}}  
=== Bewusstseinsseele ===
 
'''6. Selig sind die, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.''' {{Bibel|Mt|5|8}}
Die zehn Sephiroth sind Sinnbilder der dialogischen Struktur der Welt:
* Vorher – Nachher
* Gutes – Böses
* Männliches – Weibliches
* Hohes – Niedriges;
daneben stehen die vier Himmelsrichtungen
* Osten – Westen – Norden – Süden.


Das Sefer Jetzira kennt noch keine Namen der Sephiroth, wie sie später im Sephiroth- oder Lebensbaum strukturbildend geworden sind. Die Namen werden den zehn Ziffern erst ab dem 13.&nbsp; Jahrhundert im [[Sohar]] und daran anschließenden kabbalistischen Werken zugeordnet.
<div style="margin-left:20px">"Auf die [[Bewusstseinsseele]] bezieht sich der nächste Satz der Seligpreisungen. Durch sie kommt das Ich als reines Ich derart zur Entwickelung, dass es den Gott in sich aufnehmen kann. Wenn also der Mensch so weit heraufdringen kann, dann kann er den Tropfen des Göttlichen, sein Ich in sich wahrnehmen. Er kann durch seine gereinigte Bewusstseinsseele Gott schauen. Dieser sechste Satz der Seligpreisungen muss sich also auf das Gottschauen beziehen. Der äußere physische Ausdruck für das Ich und die Bewusstseinsseele ist das physische Blut, und worin sich dieses besonders zum Ausdruck bringt, das ist das menschliche Herz als Ausdruck des gereinigten Ich. Christus sprach daher: «Selig werden die sein, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.» Damit ist geradezu bis in diese Intimität herein angedeutet, dass unser Herz, der Ausdruck des Ich, des Göttlichen im Menschen ist." {{Lit|{{G|118|147}}}}</div>


=== [[Hebräisches Alphabet|Buchstaben]] ===
=== Geistselbst ===
Der weitaus größte Teil des Buches widmet sich den Bedeutungen und Beziehungen der hebräischen Buchstaben. Die 22 Buchstaben werden in Gruppen zusammengefasst und den grundlegenden Dimensionen von Zeit, Welt und Mensch zugeordnet:
'''7. Selig sind die, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.''' {{Bibel|Mt|5|9}}


{{Zitat|Zehn Zahlen aus dem Nichts und zweiundzwanzig Buchstaben, die Fundamente allen Seins: drei Mütter, sieben Einfache und zwölf Doppelte.|Sefer Jezirah 1,2}}
<div style="margin-left:20px">"Der gegenwärtige Mensch kann wohl die drei Seelenglieder ausbilden, aber in ferner Zukunft erst die höheren Glieder: Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch. Diese können im Menschen noch nicht in sich selber leben, er muss dazu aufschauen zu höheren Wesen. Sein Geistselbst ist noch nicht in ihm; es ergießt sich erst später über ihn. Er ist noch nicht genügend entwickelt, um das Geistselbst völlig in sich aufzunehmen, er steht in dieser Beziehung erst im Anfang der Entwickelung, ist nur gleichsam ein Gefäß, um es allmählich in sich aufzunehmen. Das deutet auch der siebente Satz der Seligpreisung an. Das Geistselbst kann ihn zunächst nur durchwärmen, durchweben. Allein die Tat Christi bringt es auf die Erde herunter als die Kraft der Liebe und Harmonie. Daher sagt Christus: Selig sind die, welche das [[Geistselbst]] als erstes geistiges Glied zu sich herunterholen, denn sie werden Gottes Kinder werden. - Das weist die Menschen hinauf in die höheren Welten." {{Lit|{{G|118|147f}}}}</div>


{| class="prettytable"
=== Lebensgeist ===
|-
'''8. Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.''' {{Bibel|Mt|5|10}}
! Gruppe
! Buchstaben
! Zuordnung
|-
| 3 [[Mütter (Kabbala)|Mütter]]
| <big>&#1513;&nbsp;&nbsp;&#1502;&nbsp;&nbsp;&#1488;</big><br />
Aleph, Mem, Schin
| Luft ([[Seele]]) – Wasser ([[Materie]]) – Feuer ([[Geist]])<br/>
Von den drei [[Säulen der Manifestation]] wird der rechten, weißen Säule [[Jachin]] das [[Shin]] zugeordnet, der mittleren [[Säule der Milde]] das [[Aleph]] und der linken, schwarzen Säule [[Boas]] das [[Mem]].<br/>
Von den [[Weltentwicklungsstufen]] enspricht ''Shin'' dem [[Alter Saturn|alten Saturn]], ''Aleph'' der [[Alte Sonne|alten Sonne]] und ''Mem'' dem [[Alter Mond|alten Mond]].
|-
| 7 Doppelte
| <big>&#1514;&nbsp;&nbsp;&#1512;&nbsp;&nbsp;&#1508;&nbsp;&nbsp;&#1499;&nbsp;&nbsp;&#1491;&nbsp;&nbsp;&#1490; &nbsp;&nbsp;&#1489;</big><br />
Beth, Gimel, Daleth, Kaph, Peh, Resch, Thaw
| 7 Planeten (von [[Saturn]] bis [[Mond]])<ref name="doppelte">Verschiedene Textausgaben geben dazu unterschiedliche Zuordnungen. Alle frühen Ausgaben, die Kurzfassung (ausgenommen das erste Manuskript, das keine explizite Zuordnung erwähnt), die Langfassung und auch die Saadia-Ausgabe geben übereinstimmend die [[okkulte Reihenfolge der Planeten]]: [[Saturn]] ({{HeS|שַׁבְּתַאי}}, ''Shabatai''), [[Jupiter]] ({{HeS|צֶדֶק}}, ''Tsedeq''), [[Mars]] ({{HeS|מַאְדִּים}}, ''Meadim''), [[Sonne]] ({{HeS|חמה}}, ''Chamah''; auch ''Zorn''), [[Venus]] ({{HeS|נֹגַהּ}}, ''Nogah''), [[Merkur]] ({{HeS|כוכבית}}, ''Kawkab''; auch ''Gestirn''), [[Mond]] ({{HeS|לבֿנה}}, ''Lavanah''). Die Gra-Version gibt, wie der [[Sohar]], die davon abweichende Reihung: ''Mond, Mars, Sonne, Venus, Merkur, Saturn, Jupiter''. Die Fassung des [[Golden Dawn]] reiht: ''Merkur, Mond, Venus, Jupiter, Mars, Sonne, Saturn.''</ref>, 7 Wochentage, 7 Pforten der Sinne am menschlichen Haupt: zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, Mund.
|-
| 12 Einfache
|  <big>&#1511;&nbsp;&nbsp;&#1510;&nbsp;&nbsp;&#1506;&nbsp;&nbsp;&#1505;&nbsp;&nbsp;&#1504;&nbsp;&nbsp;&#1500;&nbsp;&nbsp;&#1497;&nbsp;&nbsp;&#1496;&nbsp;&nbsp;&#1495;&nbsp;&nbsp;&#1494; &nbsp;&nbsp;&#1493;&nbsp;&nbsp;&#1492;</big><br />
Heh, Waw, Sajin, Cheth, Tet, Jod, Lamed, Nun, Samech, Ajin, Zade, Qoph
| 12 Sternbilder (von [[Widder (Sternbild)|Widder]] bis [[Fische (Sternbild)|Fische]]), 12 Monate, 12 Organe des menschlichen Körpers.<ref name="einfache">Bezüglich der Zuordnung zu den Sternbildern stimmen die meisten Ausgaben überein - im Gegensatz zur Zuordnung der Planeten.</ref>
|}


{{Zitat|Ein Beweis dafür und wahre Zeugen sind: Welt, Jahr und Körper. Zwölf sind unten, sieben auf diesen und drei auf diesen sieben. Auf den dreien gründete er seine Wohnung und alles geht von Eins aus. Dies ist ein Zeichen dafür, dass er einer ist und nicht einen zweiten (neben sich) hat. Er ist der einzige König in der Welt, er ist einzig und sein Name ist einzig.|Sefer Jetzira 6,1}}  
<div style="margin-left:20px">"Fernerhin wird Bezug genommen auf dasjenige, was für die Zukunft herbeigeführt werden soll, was aber von der Gegenwart mehr und mehr angefochten und mit allen Kräften und Mächten verfolgt wird. Es ist angedeutet in dem achten Satz der Seligpreisungen: Gotterfüllt oder selig sind diejenigen, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn sie werden erfüllt sein in ihrem Selbst von den Reichen des Himmels, vom [[Lebensgeist]], von [[Buddhi]]." {{Lit|{{G|118|148}}}}</div>


== Bedeutung ==
=== Geistesmensch ===
Das ''Sefer Jetzira'' hat mit der Lehre über die 10 Sephiroth erheblichen Einfluss auf die kabbalistische Tradition im Judentum genommen. Die Sephiroth bilden die Elemente des [[Lebensbaum (Kabbala)|Lebensbaums]] und stellen damit das wohl wirkungsvollste Symbol der Kabbala überhaupt dar. Dafür zeugen auch die späteren Ausführungen zu ihrer Gestalt und ihren Beziehungen zueinander im [[Sohar]] und den sich daran anschließenden Lehr- und Lebenstraditionen.
'''9. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.''' {{Bibel|Mt|5|11}}


Die Spekulationen über die hebräischen Buchstaben und deren dreigliedrige Struktur haben ebenfalls größte Wirkung im Judentum und darüber hinaus in anderen [[Mystik|mystischen]] Traditionen erzielt. Das bekannteste Beispiel dafür ist der moderne [[Wikipedia:Tarot|Tarot]]. Die Zuordnung der 22 Karten der „Großen Arkana“ wurde von bekannten Tarot-Auslegern bis in Details hinein der Struktur der Buchstaben im Buch Jetzira nachgebildet.
<div style="margin-left:20px">"Im Anschlusse daran finden wir noch Hinweise auf die besondere Mission des Christus selber, auch in dem Sinne, dass die intimen Schüler des Christus selig sein können, wenn sie um seinetwillen Verfolgung leiden müssen: eine leise Andeutung auf das [[Atma]], das erst in ferner Zukunft uns zuteil werden wird, ist damit verbunden." {{Lit|{{G|118|148}}}}</div>


== Anmerkungen ==
== Die vier Seligpreisungen im Lukas-Evangelium ==
<references />


== Kommentierte Textausgaben ==
Im Gegensatz zu den neun Seligpreisungen des [[Matthäus-Evangelium]]s erwähnt das [[Lukas-Evangelium]] nur vier, wobei die erste Seligpreisung des Lukas-Evangeliums mit der ersten Seligpreisung des Matthäus-Evangeliums korrespondiert, die zweite mit der vierten, die dritte mit der zweiten und die vierte mit der neunten Seligpreisung bei Matthäus:
Hebräisch und Deutsch:
* [[Wikipedia:Lazarus Goldschmidt|Lazarus Goldschmidt]], ''Sefer Jesirah. Das Buch der Schöpfung'', Frankfurt 1894, Nachdruck Hamburg 2004 ISBN 3-937392-14-9
* Arjeh Kaplan, ''Sefer Jezira - Das Buch der Schöpfung in Theorie und Praxis'', Grevenbroich, 2007, ISBN 978-3-929588-25-5
* Guillaume Postel, Wolf P. Klein (Herausgeber), ''Sefer jezirah.'', Stuttgart, 1994, ISBN 3-7728-1623-1
Deutsch:
* Klaus Herrmann (Herausgeber), ''Sefer Jezira - Buch der Schöpfung.'', Verlag der Weltreligionen, Frankfurt a. M. und Leipzig, 2008, ISBN 978-3-458-70007-4
Hebräisch und Englisch:
* A. Peter Hayman, ''Sefer yeṣira: edition, translation, and text-critical commentary.'', Tübingen, 2004, ISBN 3-16-148381-2


== Textausgaben online==
{{Zitat|vor=|nach=|<poem>20 Und er hob seine Augen auf über seine Jünger und sprach: Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer.
* http://faculty.biu.ac.il/~barilm/yezifra.html (Hebräisch mit hebräischem Kommentar)
21 Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert; denn ihr sollt satt werden. Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen.
* http://www.hebrewbooks.org/pdfpager.aspx?req=38753 (Hebräisch-Englisch)
22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und euch ausstoßen und schmähen und verwerfen euren Namen als böse um des Menschensohnes willen.
* http://www.sacred-texts.com/jud/yetzirah.htm (Englische Übersetzung von W. Wescott)
23 Freut euch an jenem Tage und springt vor Freude; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel. Denn das Gleiche haben ihre Väter den Propheten getan.</poem>|[[Lukas-Evangelium]]|{{BB|Lk|6|20-23}}}}
* http://www.psyche.com/psyche/txt/scholem_sy.html (Englische Übersetzung von [[Wikipedia:Gershom Scholem|Gershom Scholem]])
* http://www.wbenjamin.org/saadia.html (Englische Übersetzung inkl. des Kommentars von Saadja)


== Literatur ==
== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der ätherischen Welt'', [[GA 118]] (1984) {{Vorträge|118}}
 
* [[Emil Bock]]: ''Das neue Testament. Übersetzung in der Originalfassung'', Urachhaus, Stuttgart 1998, ISBN 3-8251-7221-X
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der ätherischen Welt'', [[GA 118]] (1984), ISBN 3-7274-1180-5 {{Vorträge|118}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Matthäus-Evangelium'', [[GA 123]] (1988), ISBN 3-7274-1230-5 {{Vorträge|123}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Mantrische Sprüche. Seelenübungen Band II, 1903 – 1925'', [[GA 268]] (1999),  ISBN 3-7274-2680-2 {{Vorträge|268}}


{{GA}}
{{GA}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
;Deutsch:
* [http://www.rodurago.de/index.php?site=lebensbaum Kabbalistischer Lebensbaum (interaktiv)]
* http://www.hagalil.com/judentum/kabbala/jezirah0.htm
* [http://www.hermetik.ch/ath-ha-nour/site/kabbalajetzirah.htm Das Sepher Jetzirah] - in deutscher Übertragung
* [http://www.hermetik.ch/ath-ha-nour/site/kabbalaaleph.htm Das hebräische Alephbeth]
;Englisch:
* [http://www.holyebooks.org/judaism/sepher_yetzirah.html SEPHER YETZIRAH] on HolyeBooks.org
* [http://www.scribd.com/doc/3206349/sefer-yetzira Sefer Yetsira: The Book of Creation] translated by Peter Hayman
* [http://www.scribd.com/doc/20191942/ISAAC-THE-BLINDS-COMMENTARY-ON-SEFER-YEZIRAH ISAAC THE BLIND'S COMMENTARY ON SEFER YEZIRAH]
* [http://www.rodurago.de/en/index.php?site=lebensbaum Sefirot Jezirah and the Tree Of Life] by E. Rodurago
* [http://kabbalah.info/hebkab/yetzirah.htm Original Hebrew Text]
* [http://www.psyche.com/psyche/txt/kaplan_sy_short.html Short Version English translation] by A Kaplan
* [http://www.psyche.com/psyche/cube/cube.html Sefer Yetzirah: Cube of Space]
* [http://www.psyche.com/psyche/yetsira/sy_astro.html Astrological Correspondences in the Sepher Yetsira]
* [http://www.wbenjamin.org/saadia.html Sa'adia Version of Sefer Yetzirah & Excerpts from Sa'adia's 10th century commentary] [trans. Scott J. Thompson Walter Benjamin Research Syndicate]
* [http://www.wbenjamin.org/baeck.html Leo Baeck, "Sefer Yetzira"][trans. Scott J. Thompson Walter Benjamin Research Syndicate]
* [http://www.wbenjamin.org/biblio_yetzirah.html Sefer Yetzirah Bibliography, ed. & trans. Scott J. Thompson] [Walter Benjamin Research Syndicate]
* [http://www.digital-brilliance.com/kab/karr/syie.pdf Notes on Editions of Sefer Yetzirah in English]
== Siehe auch ==
* [[Wikipedia:Dunasch ibn Tamim|Dunasch ibn Tamim]]
* [[Sefer ha-Bahir]]
* [[Sefer ha-Sohar]]


[[Kategorie:Kabbala]]
* [http://anthroposophie.byu.edu/vortraege/118_09.pdf GA 118: 9. Vortrag: Die Bergpredigt. Das Land Schamballa]


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Matthäusevangelium|T]] [[Kategorie:Christologie]]
[[Kategorie:Christus]][[Kategorie:Evangelium]][[Kategorie:Jesus|T]]

Version vom 24. Februar 2022, 18:34 Uhr

Fra Angeliko: Die Bergpredigt, Fresco im Markuskloster in Florenz, 1437-1445
Hier wird sehr richtig dargestellt, dass die Bergpredigt nicht an das Volk, sondern als höhere Unterweisung nur an seine nächsten Jünger gerichtet war.
Der Berg der Seligpreisungen, gesehen von Kafarnaum.

Die Seligpreisungen, mit denen die Bergpredigt beginnt, deuten vorausweisend auf die grundlegende Veränderung in der Welt hin, die durch das Mysterium von Golgatha geschehen wird, durch das sich der Christus durch seinen Tod mit der Erde verbindet. Wichtig zu beachten ist dabei, dass der Christus den Tod vorher nicht kannte, da er ein rein geistiges Wesen war und man den Tod nur auf der Erde oder auf Welten, die auf einer vergleichbaren Entwicklungsstufe stehen, erleben kann. Nur durch den Tod auf der Erde konnte der Christus sich mit dieser verbinden.

Die Bergpredigt als esoterische Lehre für die Jünger

Rudolf Steiner weist ausdrücklich darauf hin, dass der Christus die Bergpredigt nur an seine Jünger richtete:

„Christus Jesus gab selbst die eindringlichste Lehre von der Erfüllung der Zeiten in dem, was wir die Bergpredigt nennen. Sie war durchaus keine Volkspredigt, denn es heißt: «Da Christus das Volk sah, ging er hinweg und offenbarte sich seinen Jüngern.» Da offenbarte Christus ihnen im großen und ganzen das Folgende: In alten Zeiten konnte der Mensch gotterfüllt werden in der Ekstase; außer seinem Ich war er beseligt, er hatte ein unmittelbares Erlebnis mit der geistigen Welt, aus der er geistige Kräfte herunterholen und Gesundungskräfte saugen konnte. Jetzt aber, so sagte der Christus Jesus seinen Jüngern, kann derjenige Mensch gotterfüllt werden, der in sich selber sich durchdringt mit dem Gottes- und Christus-Impuls, der in diesem Impuls selber aufgehen kann als Ich. Früher konnte nur derjenige zur geistigen Welt aufsteigen, der angefüllt war mit den Strömungen dieser geistigen Welt; nur dieser konnte seliggepriesen werden als ein Reicher des Geistes. Das war der Hellseher im alten Sinne, und der gehörte zu den seltensten Persönlichkeiten. Die meisten waren Bettler geworden im Geiste. Jetzt aber konnten diejenigen das Reich der Himmel finden, die es in ihrem Ich suchten. Das, was in einer solch bedeutsamen Epoche der Menschheit geschieht, das geschieht immer für den ganzen Menschen. Wenn auch nur ein einziges Glied seines Wesens ergriffen wird, so klingen doch alle andern mit. Alle Glieder des Menschen: der physische Leib, der ätherische Leib, die Empflndungsseele, Verstandes- oder Gemütsseele, die Bewußtseinsseele, das Ich, die höheren Seelenglieder sodann, sie leben auf durch die Nähe der Himmelreiche. Diese Lehren stimmen überein mit den großen Lehren der Urweltweisheit.“ (Lit.:GA 118, S. 145)

Die neun Seligpreisungen im Matthäus-Evangelium

Martin Luther

Fassung 1522

1 Da er aber das volck sahe, steyg er auff eynen berg, vnd satzet sich, vnnd seyne Junger tratten zu yhm,
2 vnnd er thatt seynen mund auff, leret sie, vnd sprach,
3 Selig sind, die da geystlich arm sind, denn das hymelreych ist yhr,
4 Selig sind, die da leyde tragen, denn sie sollen getrostet werden,
5 Selig sind die senfftmutigen, denn sie werden das erdreych besitzen,
6 Selig sind die da hungert vnnd durstet nach der gerechtickeyt, denn sie sollen satt werden,
7 Selig sind die barmhertzigen, denn sie werden barmhertzickeyt erlangen,
8 Selig sind die von hertzen reyn sind, denn sie werden got schawen,
9 Selig sind die fridfertigen, denn sie werden gottes kynder heyssen,
10 Selig sind, die vmb gerechtickeyt willen verfolget werden, denn das hymel reych ist yhr,
11 Selig seyd yhr, wenn euch die menschenn schmehen vnd verfolgen, vnd reden allerley arges widder euch so sie daran liegen vmb meynen willen.
12 Habt freud vnnd wonne, Es wirt euch ym hymell woll belonet werden, denn also haben sie verfolgt die propheten, die fur euch gewesen sind.

Martin Luther: Euangelion Sanct Matthes. Das funffte Capitel. 1-12, Wittenberg 1522 [1]
Fassung 2017

1 Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg. Und er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.
2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
9 Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen.
12 Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.

Lutherbibel 2017: Mt 5,1-12 LUT

Rudolf Steiner

1. Fassung (1905)

In dieser Fassung übersetzt Rudolf Steiner die ersten acht Seligpreisungen, wobei die Reihenfolge der zweiten und dritten Seligpreisung vertauscht ist:

„Selig die Bettler um Geist, denn ihnen selbst ist das Königreich der Himmel.

Selig die Sanftmütigen, denn sie werden in sich selbst die Erde als ihren Anteil erhalten.

Selig die Leidtragenden, denn sie werden Trost in sich selbst finden.

Selig die nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden, denn sie werden in sich selbst gesättigt werden.

Selig die Mitleidigen, denn ihnen wird durch sich selbst Mitleid sein.

Selig die reinen Herzens sind, denn sie werden in sich Gott schauen.

Selig die Friedenstiftenden, denn sie werden Kinder Gottes heißen.

Selig sind die man um der Gerechtigkeit willen verfolgt, denn in ihnen selbst wird das Reich des Himmels sein.“ (Lit.:GA 268, S. 326)

2. Fassung (1910)

In dieser Fassung übersetzt Rudolf Steiner die ersten sieben Seligpreisungen in der originalen Reihefolge:

„1. Von Gott erfüllt sind die, welche Bettler sind um Geist, denn in ihnen selbst ist das Reich der Himmel.

2. Von Gott erfüllt sind die, welchen das Leid nicht abgenommen wird, (welche dem Leiden unterworfen sind), denn sie werden durch sich selbst sich Beistand suchen.

3. Von Gott erfüllt sind die, welche ihre Leidenschaften zügeln, denn ihnen wird die Erde als Los zufallen.

4. Von Gott erfüllt sind die, welche Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit empfinden, denn sie werden durch sich selbst gesättigt werden.

5. Von Gott erfüllt sind die Liebenden, denn sie werden Liebe erwecken.

6. Von Gott erfüllt sind die im Herzen Reinen, denn sie werden Gott in sich schauen.

7. Von Gott erfüllt sind die Friedenbringer, denn Söhne Gottes werden sie heißen.“ (Lit.:GA 268, S. 327)

Emil Bock

1 Als er die Menge des Volkes sah, stieg er auf den Berg. Dann setzte er sich nieder, und seine Jünger traten zu ihm.

2 Und er tat seinen Mund auf und begann sie zu unterweisen.

3 Selig die Bettler um Geist, in sich selber finden sie das Reich der Himmel.

4 Selig, die das Erdenleid tragen, in sich selber finden sie den Geistestrost.

5 Selig, die ihre Seelen zum Gleichmut erziehen, im eignen Ich empfangen sie den Sinn der Erde.

6 Selig, die hungern und dürsten nach dem Sein des Guten, ihr eigenes Tun wird ihnen den Hunger stillen.

7 Selig die Barmherzigen, denn ihnen wird wiederum Barmherzigkeit zuteil.

8 Selig, die im Herzen lauter sind, denn sie werden darinnen den Gott schauen.

9 Selig, die den Frieden in die Welt bringen, sie werden Söhne Gottes genannt werden.

10 Selig, die Verfolgung erleiden, weil sie dem höheren Leben dienen; das Reich der Himmel ist in ihnen.

11 Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und Worte des Hasses und Truges gegen euch schleudert, weil

12 mein Ich in euch lebt. Freut euch und frohlocket; in den Himmeln ist euch der volle Schicksalsausgleich zubereitet. Hat man nicht vor euch die Propheten ebenso geschmäht und verfolgt?

Emil Bock: Das Neue Testament

Die Seligpreisungen und die neun Wesensglieder des Menschen

Jeder der neun Seligpreisungen des Matthäus-Evangeliums deutet auf eine Veränderung eines Wesensgliedes des Menschen hin.

„So wird in diesen wunderbaren Sätzen, die sich beziehen auf die neun Glieder der Menschennatur, gezeigt, wie das Ich sich gestaltet, wenn es ein Christus-Ich wird, für die verschiedenen Glieder der Menschennatur und sie beseligt. In grandioser, in majestätischer Weise ist im Matthäus-Evangelium (Mt 5,3-11 LUT) in den Sätzen nach der Versuchungsszene ausgedrückt, wie die Christus-Kraft für die Neungliedrigkeit des Menschen wirkt, zunächst in der Gegenwart, und dann, wie sie wirkt in der nächsten Zukunft, wo diejenigen noch Kinder Gottes genannt werden, in die hineinleuchtet das Geistselbst schon jetzt, wo aber doch solche Kinder Gottes nur in einzelnen begnadeten Exemplaren vorhanden sind. Gerade das ist das Wunderbare: das bestimmte Sprechen für die ersten Glieder, die schon da sind, und das Auslaufen in das Unbestimmte in den letzten Sätzen, die für fernere Zukünfte gelten.“ (Lit.:GA 123, S. 181)

Physischer Leib

1. Selig sind die, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. (Vers 3 wörtlich: Selig die Armen im Geist) (Mt 5,3 EU).

Gerade dieser Satz wird häufig falsch verstanden, was man auch gut an der hier verwendeten Einheitsübersetzung erkennen kann. Steiner sagt folgendes dazu:

"Früher konnte nur derjenige zur geistigen Welt aufsteigen, der angefüllt war mit den Strömungen dieser geistigen Welt; nur dieser konnte seliggepriesen werden als ein Reicher des Geistes. Das war der Hellseher im alten Sinne, und der gehörte zu den seltensten Persönlichkeiten. Die meisten waren Bettler geworden im Geiste. Jetzt aber konnten diejenigen das Reich der Himmel finden, die es in ihrem Ich suchten [...]

Früher mußte beim Eingehen in die geistige Welt der Ätherleib sich leicht trennen von dem physischen Leib; dieser mußte also ganz besonders geartet sein. Christus Jesus sagte daher mit Hinweis auf den physischen Leib: Selig können sein die Bettler, das heißt, die arm sind an Geist, denn sie werden, wenn sie diesen vom Ich beherrschten äußeren Leib richtig entwickeln, das Reich der Himmel finden." (Lit.: GA 118, S. 145)

Ätherleib

2. Selig sind die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. (Mt 5,4 EU)

Damit ist folgendes gemeint:

"Sodann sagte er vom Ätherleib: Früher konnten die Menschen vom leiblichen und seelischen Leid geheilt werden durch Hinaufsteigen in die geistige Welt mittels der Ekstase. Wenn sie nun gotterfüllt, gottinnig werden, dann können, die da Leid tragen, geheilt, getröstet werden und können in sich selber den Grund, den Trost finden." (Lit.: GA 118, S. 146)

Astralleib

3. Selig sind die, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben. (Mt 5,5 EU)

Mit diesen Worten bezieht sich Christus auf den Astralleib:

"Weiter sagte er vom Astralleib: Früher mussten diejenigen, die wilde, stürmische Leidenschaften und Impulse im Astralleib hegten, dadurch besänftigt werden, dass ihnen Gleichmut, Gelassenheit und Läuterung zuströmte von den geistig-göttlichen Wesenheiten. - Jetzt aber sollten die Menschen durch die Kraft ihres eigenen Ich unter der Einwirkung Christi die Kraft finden, ihren Astralleib zu läutern. Die Stätte, wo der Astralleib sich läutern kann, ist jetzt die Erde geworden. Daher musste dieser Einschlag für den Astralleib so dargestellt werden, dass gesagt wurde: Selig und gotterfüllt im Astralleib können nur diejenigen sein, die sich das Gleichnis, Gleichmaß erwerben, und ihnen wird als Los, als Lohn aller Trost und alles Gute auf der Erde zufallen." (Lit.: GA 118, S. 146)

Empfindungsseele

4. Selig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. (Mt 5,6 EU)>

Jetzt spricht der Christus von der Empfindungsseele.

"Auf die Empfindungsseele bezieht sich die vierte Seligpreisung. Wer sich in seiner Empfindungsseele recht läutern und eine höhere Entwickelung durchmachen will, der wird in seinem Ich einen Einschlag des Christus bekommen; er wird einen Durst im Herzen nach Gerechtigkeit verspüren, gottinnig werden und sein Ich wird in sich selber gesättigt sein." (Lit.: GA 118, S. 146)

Verstandes- oder Gemütsseele

5. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. (Mt 5,7 EU)

"Das nächste Glied ist die Verstandes- oder Gemütsseele. Das Ich schlummert dumpf in der Empfindungsseele und erwacht erst in der Verstandes- oder Gemütsseele. Wenn wir mit unserem Ich in der Empfindungsseele schlummern, dann können wir nicht in allen Menschen das finden, was sie erst zu wirklichen Menschen macht: das Ich. Bevor der Mensch das Ich in sich entwickelt hat, muss er seine Empfindungsseele in höhere Welten hinaufwachsen lassen, um dort etwas wahrnehmen zu können. Wenn er aber in der Verstandes- oder Gemütsseele sich entwickelt, kann er den Menschen neben sich wahrnehmen. Bei allen bisher genannten Gliedern müssen wir uns an das erinnern, was in früheren Reichen gegeben war. Erst in der Verstandes- oder Gemütsseele kann sich die Seele mit dem erfüllen, was von Mensch zu Mensch strömt. Es wird in dem Satzgefüge der fünften Seligpreisung etwas Besonderes eintreten müssen; es muss Subjekt und Prädikat gleich sein, weil hingedeutet werden soll auf das, was das Ich in sich entwickelt. Dieser fünfte Satz sagt: «Wer Mitleid und Barmherzigkeit entwickelt, der wird Barmherzigkeit wiederfinden.» Das ist eine Kreuzprobe, die wir hier bei einem okkulten Dokument machen. Christus hat in bezug auf die einzelnen Glieder der menschlichen Natur alles verheißen, alles stimmt." (Lit.: GA 118, S. 146)

Bewusstseinsseele

6. Selig sind die, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. (Mt 5,8 EU)

"Auf die Bewusstseinsseele bezieht sich der nächste Satz der Seligpreisungen. Durch sie kommt das Ich als reines Ich derart zur Entwickelung, dass es den Gott in sich aufnehmen kann. Wenn also der Mensch so weit heraufdringen kann, dann kann er den Tropfen des Göttlichen, sein Ich in sich wahrnehmen. Er kann durch seine gereinigte Bewusstseinsseele Gott schauen. Dieser sechste Satz der Seligpreisungen muss sich also auf das Gottschauen beziehen. Der äußere physische Ausdruck für das Ich und die Bewusstseinsseele ist das physische Blut, und worin sich dieses besonders zum Ausdruck bringt, das ist das menschliche Herz als Ausdruck des gereinigten Ich. Christus sprach daher: «Selig werden die sein, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.» Damit ist geradezu bis in diese Intimität herein angedeutet, dass unser Herz, der Ausdruck des Ich, des Göttlichen im Menschen ist." (Lit.: GA 118, S. 147)

Geistselbst

7. Selig sind die, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. (Mt 5,9 EU)

"Der gegenwärtige Mensch kann wohl die drei Seelenglieder ausbilden, aber in ferner Zukunft erst die höheren Glieder: Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch. Diese können im Menschen noch nicht in sich selber leben, er muss dazu aufschauen zu höheren Wesen. Sein Geistselbst ist noch nicht in ihm; es ergießt sich erst später über ihn. Er ist noch nicht genügend entwickelt, um das Geistselbst völlig in sich aufzunehmen, er steht in dieser Beziehung erst im Anfang der Entwickelung, ist nur gleichsam ein Gefäß, um es allmählich in sich aufzunehmen. Das deutet auch der siebente Satz der Seligpreisung an. Das Geistselbst kann ihn zunächst nur durchwärmen, durchweben. Allein die Tat Christi bringt es auf die Erde herunter als die Kraft der Liebe und Harmonie. Daher sagt Christus: Selig sind die, welche das Geistselbst als erstes geistiges Glied zu sich herunterholen, denn sie werden Gottes Kinder werden. - Das weist die Menschen hinauf in die höheren Welten." (Lit.: GA 118, S. 147f)

Lebensgeist

8. Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. (Mt 5,10 EU)

"Fernerhin wird Bezug genommen auf dasjenige, was für die Zukunft herbeigeführt werden soll, was aber von der Gegenwart mehr und mehr angefochten und mit allen Kräften und Mächten verfolgt wird. Es ist angedeutet in dem achten Satz der Seligpreisungen: Gotterfüllt oder selig sind diejenigen, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn sie werden erfüllt sein in ihrem Selbst von den Reichen des Himmels, vom Lebensgeist, von Buddhi." (Lit.: GA 118, S. 148)

Geistesmensch

9. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. (Mt 5,11 EU)

"Im Anschlusse daran finden wir noch Hinweise auf die besondere Mission des Christus selber, auch in dem Sinne, dass die intimen Schüler des Christus selig sein können, wenn sie um seinetwillen Verfolgung leiden müssen: eine leise Andeutung auf das Atma, das erst in ferner Zukunft uns zuteil werden wird, ist damit verbunden." (Lit.: GA 118, S. 148)

Die vier Seligpreisungen im Lukas-Evangelium

Im Gegensatz zu den neun Seligpreisungen des Matthäus-Evangeliums erwähnt das Lukas-Evangelium nur vier, wobei die erste Seligpreisung des Lukas-Evangeliums mit der ersten Seligpreisung des Matthäus-Evangeliums korrespondiert, die zweite mit der vierten, die dritte mit der zweiten und die vierte mit der neunten Seligpreisung bei Matthäus:

20 Und er hob seine Augen auf über seine Jünger und sprach: Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer.
21 Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert; denn ihr sollt satt werden. Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen.
22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und euch ausstoßen und schmähen und verwerfen euren Namen als böse um des Menschensohnes willen.
23 Freut euch an jenem Tage und springt vor Freude; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel. Denn das Gleiche haben ihre Väter den Propheten getan.

Lukas-Evangelium: 6,20-23 EU

Literatur

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Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

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