Entäußerung und Wissenschaftsgeschichte: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Entäußerung''' ist ein [[Wikipedia:Philosophie|philosophischer]] Begriff, der vor allem von [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]] geprägt wurde. Er ist verwandt mit dem Begriff der [[Vergegenständlichung]], besitzt aber auch Aspekte des Begriffs der [[Entfremdung]].
'''Wissenschaftsgeschichte''' ist ein verhältnismäßig junges Forschungsgebiet, das die Entstehung und [[Entwicklung]] der [[Wissenschaft]]en mit den Mitteln der [[Geschichte|Geschichtswissenschaft]] nachzuzeichnen und zu interpretieren versucht.  


== Definition ==
Ein Pionier der Wissenschaftsgeschichte war [[Wikipedia:Karl Sudhoff|Karl Sudhoff]], der 1906 das ''Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften'' als weltweit erstes medizinhistorisches Institut begründete. 1912 gründete [[Wikipedia:George Sarton|George Sarton]] die seitdem vierteljährlich von der [[Wikipedia:University of Chicago|University of Chicago]] herausgegebene wissenschaftshistorische Zeitschrift [[Wikipedia:Isis (Zeitschrift, 1912)|Isis]], die zugleich das offizielle Journal der [[Wikipedia:History of Science Society|History of Science Society]] ist.


Das Wort ''Entäußerung'' wird von [[Wikipedia:Johann Gottlieb Fichte|Fichte]] und Hegel aus der Alltagssprache heraus als philosophischer Begriff gebraucht, also als solcher „umgemünzt“.  
Erst 1943 wurde von [[Wikipedia:Willy Hartner|Willy Hartner]] an der [[Wikipedia:Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main|Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main]] das erste Institut für ''Geschichte der Naturwissenschaften'' aufgebaut; weitere Institute wurden in [[Wikipedia:Deutschland|Deutschland]] ab den [[Wikipedia:1960er|1960er Jahren]] eingerichtet. Einen völlig neuen Blickwinkel auf die historische Entwicklung der [[Naturwissenschaft]]en eröffnet 1962 [[Wikipedia:Thomas S. Kuhn|Thomas S. Kuhn]] mit seinem bahnbrechenden Werk betreffen die ''[[Wikipedia:The Structure of Scientific Revolutions|Struktur wissenschaftlicher Revolutionen]]'', die durch einen grundlegenden [[Paradigmenwechsel]] bedingt seien. Seit 1978 gib die ''Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte'' regelmäßig ''Berichte zur Wissenschaftsgeschichte'' heraus. Eine wesentlichen Impuls für die wissenschaftsgeschichtliche Forschung gab die Gründung des [[Wikipedia:Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte|Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte]] im Jahr 1994.


Hegel nutzt – wie schon beim Begriff „[[Dialektische Aufhebung|Aufhebung]]“ – die (von ihm sehr gelobte) [[Spekulation (Philosophie)|spekulative]] Eigenart der Sprache, mehrere unterschiedliche Bedeutungen in einem Wort zu verbinden.
[[Kategorie:Wissenschaft]]
 
''Entäußerung'' hat verschiedene Aspekte:
 
* Schöpfung von etwas Neuem
* Weggeben, Ablegen von etwas Eigenem
* Selbstöffnung von Innen nach Außen.
 
==Theologie==
 
Ursprünglich entstammt der Begriff der Entäußerung, hier als [[Kenosis]] ({{ELSalt|κένωσις}} „Leerwerden“, „Entäußerung“), dem [[Christentum]]. Im [[Wikipedia:Neues Testament|Neuen Testament]] taucht der Begriff der Kenosis unter anderem in einem [[Wikipedia:Brief des Paulus an die Philipper|Brief des Paulus an die Philipper]] auf. Gemeint ist dort die [[Menschwerdung Gottes]] in [[Jesus Christus]]: „Er war [[Gott]] gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.“<ref>{{B|Phi|2|5-11}}. Zitiert nach der Einheitsübersetzung [http://www.bibleserver.com/go.php?lang=de&bible=EU&ref=Phi2%2C5-11].</ref>
 
Kenose ist darauf aufbauend auch die [[Wikipedia:Theologie|theologische]] Lehre von der Entäußerung des göttlichen [[Logos]]; im 19. Jahrhundert bildete sich eine eigene Schule der ''Kenotiker'', als deren Hauptvertreter [[Wikipedia:Wolfgang Gess|Wolfgang Gess]] (1819-1891) gilt.<ref>''{{BBKL|http://www.bautz.de/bbkl/g/gess_w.shtml}}''.</ref> Der große japanische Philosoph des 20. Jahrhunderts [[Wikipedia:Nishitani Keiji|Nishitani Keiji]] sieht im Begriff ''Entäußerung'' auch Aspekte des Weges zum [[Buddhismus|buddhistischen]] Konzept der [[Shunyata]] (etwa: „Leerheit“).
 
== Hegel ==
Bei Hegel wird ''Entäußerung''
 
* als durch die [[Arbeit]] Hervorgebrachtes und
* dessen Weggabe bestimmt.
''Entäußerung'' ist dabei zentral in der zweiten Phase von Hegels [[Dialektik]]: Der absolute Geist wird zur Natur und zum Menschen durch Entäußerung. Dies entspricht der zweiten Person Gottes, dem Sohn. Der Gang der Weltgeschichte verläuft nach Hegel derart, dass der [[Weltgeist]] sich mittels der bewussten Tätigkeit des Menschen als [[Vergegenständlichung]]en entäußert, die ihm gegenüber eine selbständige Existenz annehmen, in Widerspruch zu ihm geraten und damit eine neue, höhere Form des Bewusstseins provozieren.
 
Auf diese Weise arbeitet der Weltgeist in ständiger Entäußerung, Rücknahme und neuer Entäußerung den historischen Prozess aus sich heraus. Hegel gelingt es so, eine enge Verklammerung von Subjekt und Objekt darzustellen, in [[Widerspruch]] zu setzen und [[dialektische Aufhebung|dialektisch aufzuheben]].
 
== Marx ==
 
Die ökonomische und gesellschaftliche Interpretation des Begriffs wird erst bei Verwendung durch [[Karl Marx]] durchgeführt, der wesentliche Begriffe Hegels übernahm. Auch wenn der Begriff der Entäußerung oft mit dem Begriff der [[Verdinglichung]] und [[Entfremdung]] in Zusammenhang steht, ist er bei Marx nicht durchweg negativ angelegt, sondern bezeichnet auch positiv die Möglichkeit, sich im entäußerten Produkt der Arbeit als Produzent wiederzuerkennen und sich so selbst zu bestätigen und zu verwirklichen.<ref>Vgl. dazu die berühmte Passage aus der Schrift ''Auszüge aus [[Wikipedia:James Mill|James Mill]]s Buch „Élémens d’economique politique“'' (1844, in: [[Wikipedia:Marx-Engels-Werke|Marx-Engels-Werke]], Ergänzungsband I, S. 462).</ref>
 
==Quellennachweise==
<references/>
 
== Literatur ==
* [[Wikipedia:Vittorio Hösle|Vittorio Hösle]], D. Wandschneider: ''Die Entäußerung der Idee zur Natur und ihre zeitliche Entfaltung als Geist bei Hegel'', in: ''Hegel-Studien'', Bd. 18 (1983), 173–199
* [[Wikipedia:Keiji Nishitani|Keiji Nishitani]]: ''Was ist Religion?'', Frankfurt am Main 1982, deutsche Übertragung von Dora Fischer-Barnicol
* [[Wikipedia:Karl Marx|Karl Marx]]: ''Auszüge aus [[Wikipedia:James Mill|James Mill]]s Buch „Élémens d’economique politique“'' (1844), in: [[Wikipedia:Marx-Engels-Werke|Marx-Engels-Werke]], Ergänzungsband I, S. 443-463)
 
{{Wikipedia}}
 
[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Dialektik]]

Version vom 1. Mai 2014, 12:24 Uhr

Wissenschaftsgeschichte ist ein verhältnismäßig junges Forschungsgebiet, das die Entstehung und Entwicklung der Wissenschaften mit den Mitteln der Geschichtswissenschaft nachzuzeichnen und zu interpretieren versucht.

Ein Pionier der Wissenschaftsgeschichte war Karl Sudhoff, der 1906 das Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften als weltweit erstes medizinhistorisches Institut begründete. 1912 gründete George Sarton die seitdem vierteljährlich von der University of Chicago herausgegebene wissenschaftshistorische Zeitschrift Isis, die zugleich das offizielle Journal der History of Science Society ist.

Erst 1943 wurde von Willy Hartner an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main das erste Institut für Geschichte der Naturwissenschaften aufgebaut; weitere Institute wurden in Deutschland ab den 1960er Jahren eingerichtet. Einen völlig neuen Blickwinkel auf die historische Entwicklung der Naturwissenschaften eröffnet 1962 Thomas S. Kuhn mit seinem bahnbrechenden Werk betreffen die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, die durch einen grundlegenden Paradigmenwechsel bedingt seien. Seit 1978 gib die Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte regelmäßig Berichte zur Wissenschaftsgeschichte heraus. Eine wesentlichen Impuls für die wissenschaftsgeschichtliche Forschung gab die Gründung des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte im Jahr 1994.