Bildekräfte und Das Märchen von dem Guten und dem Bösen: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Bildekräfte''' ({{EnS|formative forces}}) sind gestaltverwandelnde ([[Metamorphose|metamorphosierende]]) [[ätherisch]]e [[Universalkräfte]], in denen und durch die die höheren [[Hierarchien]] bis hinauf zu den erhabenen [[Tierkreis]]wesen gestaltend wirken. [[Goethe]] spricht in seiner «[[Morphologie]]» von der für diese Ätherkräfte charakteristischen, ständig beweglich bleibenden «[[Bildung#Goethe|Bildung]]», die im Gegensatz zur fertigen, fixierten [[Gestalt]] steht.
'''Das Märchen von dem Guten und dem Bösen''' wird zu Beginn des 9. Bildes von [[Rudolf Steiner]]s zweitem [[Mysteriendrama]] «[[Die Prüfung der Seele]]» von [[Frau Kühne]] für ihre Tochter [[Berta]], der früheren [[Inkarnation]] der [[Die andre Maria|andren Maria]], erzählt:


{{Zitat|Der Deutsche hat für den Komplex des Daseins
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eines wirklichen Wesens das Wort Gestalt. Er abstrahiert bei diesem Ausdruck von dem Beweglichen, er
<poem>
nimmt an, daß ein Zusammengehöriges festgestellt,
'''BERTA''':
abgeschlossen und in seinem Charakter fixiert sei.<br>
Ich möchte heute die Geschichte hören,
Betrachten wir aber alle Gestalten, besonders die
Die von dem Guten und dem Bösen handelt.
organischen, so Enden wir, daß nirgend ein Bestehendes, nirgend ein Ruhendes, ein Abgeschlossenes vorkommt, sondern daß vielmehr alles in einer steten Bewegung schwanke. Daher unsere Sprache das Wort
Bildung sowohl von dem Hervorgebrachten, als von
dem Hervorgebrachtwerdenden gehörig genug zu
brauchen pflegt.<br>
Wollen wir also eine Morphologie einleiten, so
dürfen wir nicht von Gestalt sprechen; sondern, wenn
wir das Wort brauchen, uns allenfalls dabei nur die
Idee, den Begriff oder ein in der Erfahrung nur für den
Augenblick Festgehaltenes denken.<br>
Das Gebildete wird sogleich wieder umgebildet,
und wir haben uns, wenn wir einigermaßen zum lebendigen Anschaun der Natur gelangen wollen, selbst
so beweglich und bildsam zu erhalten, nach dem Beispiele mit dem sie uns vorgeht.|Goethe|''Morphologie: Die Absicht eingeleitet''<ref>Goethe-HA Bd. 13, S 55
</ref>}}


Jedes [[Lebewesen]] trägt diese Bildekräfte in Form des Bildekräfte- oder [[Ätherleib]]s in sich: [[Pflanze]]n, [[Tier]]e und auch der [[Mensch]]. Lernt der Mensch, sich auch in seinem [[Bildekräfte-Leib]] zu erfühlen, wie er sich sonst nur in seinem [[Physischer Leib|physischen Leib]] fühlt, so wird er auch der [[übersinnlich]]en Bildekräftetätigkeit in der [[Natur]] gewahr; er nimmt dann wirklich Übersinnliches im [[Sinnliche Welt|Sinnlichen]] wahr.
'''FRAU KÜHNE''':
Ich will sie dir recht gern erzählen; höre:
Es lebt' einmal ein Mann,
Der sann viel über Weltendinge nach.
Es quälte sein Gehirn am meisten,
Wenn er des Bösen Ursprung kennen wollte.
Da konnte er sich keine Antwort geben.
«Es ist die Welt von Gott», - so sagt' er sich,
«Und Gott kann nur das Gute in sich haben.
Wie kommen böse Menschen aus dem Guten?»
Und immer wieder sann er ganz vergebens;
Die Antwort wollte sich nicht finden lassen.
Da traf es sich einmal, daß jener Grübler
Auf seinem Wege einen Baum erblickte,
Der im Gespräche war mit einer Axt.
Es sagte zu dem Baume jene Axt:
«Was dir zu tun nicht möglich ist, ich kann es tun,
Ich kann dich fällen; du mich aber nicht.»
Da sagte zu der eitlen Axt der Baum:
«Vor einem Jahre nahm ein Mann das Holz,
Woraus er deinen Stiel verfertigt hat,
Durch eine andre Axt aus meinem Leib.»
Und als der Mann die Rede hatt' gehört,
Erstand in seiner Seele ein Gedanke,
Den er nicht klar in Worte bringen konnte,
Der aber volle Antwort gab der Frage:
Wie Böses aus dem Guten stammen kann.


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'''JOSEPH KÜHNE''':
"Die Pflanze, die ein lebendes Wesen ist, ist
Bedenke die Geschichte, meine Tochter;
nicht nur aus dem zusammengesetzt, was Physik und Chemie,
Und sehen wirst du, wie Naturbetrachtung
oder die aus ihnen wiederum zusammengesetzte Biologie
Erkenntnis schaffen kann im Menschenkopfe.
oder Physiologie erforschen kann, sondern sie enthält
Ich weiß, wieviel ich mir erklären kann,
noch etwas ganz anderes. Haben wir es in uns selbst so weit
Wenn ich die Märchen denkend weiterspinne,
gebracht, daß wir uns in einem Bildekräfte-Leib fühlen,
Durch welche unsre Ritter uns belehren.
wie sonst mit unserm gewöhnlichen Ich in einem physischen
</poem>
Leib, dann können wir, wie wir im physischen Leib Auge
{{Lit|{{G|14|246f}}}}
und Ohr zu Sinneswahrnehmungen benutzen, durch diesen
Bildekräfte-Leib, den wir aus dem seelischen Tastsinn heraus
differenziert haben, auch wahrnehmen, was Übersinnliches
in der übrigen Welt ist, was als Übersinnliches die
Natur durchsetzt und durchwebt. Dann sehen wir in allem
Pflanzlichen, allem Tierischen und auch physisch Menschlichen
außer uns das Geistige, das dann nicht ein in trivialem
Sinne Visionäres ist, sondern ebenso vor der erkrafteten
Seele dasteht wie der Inhalt der Sinneswahrnehmungen vor
der unerkrafteten Seele. Nur müssen wir überall die Raumesbegriffe
durch Zeitbegriffe ersetzen können. Wodurch
nehmen wir eigentlich wahr dasjenige, was übersinnlich in
der Pflanze ist? Dadurch, daß wir unser eigenes Übersinnliches
im Bildekräfte-Leib, wie er sich regt und webt, wahrnehmen,
dadurch nehmen wir nun auch das Übersinnliche
in der Pflanzenwelt wahr, ähnlich, wie wenn ein Ton in
einem musikalischen Zusammenhang den andern wahrnehmen
würde. Die Wahrnehmung des Übersinnlichen in der
Pflanzenwelt beruht ganz und gar darauf, daß unser eigener
Bildekräfte-Leib in seinem Leben und Weben in einem viel
langsameren Tempo ablauft als das Leben und Weben des
pflanzlichen Bildekräfte-Leibes. Ich habe das genauer ausgeführt
in einer kleinen Schrift «Das menschliche Leben vom
Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft». Da wird man finden,
wie alles abhängt von diesem verschiedenen Tempo in
dem Zeitmaße des menschlichen und des pflanzlichen Bildekräfte-
Leibes. Dadurch, daß sich unser Bildekräfte-Leib in
Wechselwirkung versetzen kann wie ein höheres, bildsames
Organ mit dem viel schneller ablaufenden Leben der Pflanze,
dadurch nehmen wir wirklich die andere Art des Lebens
im Pflanzlichen wahr. Dadurch wird etwas ganz anderes
vor unsere Seele treten als die alte, erspekulierte Lebenskraft
war. Wir nehmen, mit anderen Worten, Übersinnliches
im Sinnlichen wirklich wahr." {{Lit|{{G|67|60f}}}}
</div>
</div>


== Anmerkungen ==
== Literatur ==


<references/>
* Wilfried Hammacher: ''Die Uraufführung der Mysteriendramen von und durch Rudolf Steiner'', Verlag am Goetheanum, Dornach 2010
* [[Rudolf Steiner]]: ''Vier Mysteriendramen'', [[GA 14]] (1998), ISBN 3-7274-0140-0; '''Tb 607''' (I + II), ISBN 978-3-7274-6070-8 + '''Tb 608''' (III + IV), ISBN 978-3-7274-6080-7


== Literatur ==
{{GA}}


#Jürgen Strube: ''Die Beobachtung des Denkens: Rudolf Steiners 'Philosophie der Freiheit' als Weg zur Bildekräfte-Erkenntnis'', 3. Auflage, Verlag für Anthroposophie 2017, ISBN 978-3037690239
== Weblinks ==
#Dorian Schmidt: ''Lebenskräfte ─ Bildekräfte: Methodische Grundlagen zur Erforschung des Lebendigen.'', 2. Auflage, Verlag Freies Geistesleben 2011, ISBN 978-3772514814
#Rudolf Steiner: ''Das Ewige in der Menschenseele. Unsterblichkeit und Freiheit'', [[GA 67]] (1992), ISBN 3-7274-0670-4 {{Vorträge|067}}


{{GA}}
* [http://anthro.lovania-art.ch/zitate/popup.htm 5 Märchen von Rudolf Steiner] (1918)


[[Kategorie:Äther]] [[Kategorie:Ätherwelt]]
[[Kategorie:Mysteriendrama]] [[Kategorie:Märchen]]

Version vom 15. Juni 2022, 17:47 Uhr

Das Märchen von dem Guten und dem Bösen wird zu Beginn des 9. Bildes von Rudolf Steiners zweitem Mysteriendrama «Die Prüfung der Seele» von Frau Kühne für ihre Tochter Berta, der früheren Inkarnation der andren Maria, erzählt:

BERTA:
Ich möchte heute die Geschichte hören,
Die von dem Guten und dem Bösen handelt.

FRAU KÜHNE:
Ich will sie dir recht gern erzählen; höre:
Es lebt' einmal ein Mann,
Der sann viel über Weltendinge nach.
Es quälte sein Gehirn am meisten,
Wenn er des Bösen Ursprung kennen wollte.
Da konnte er sich keine Antwort geben.
«Es ist die Welt von Gott», - so sagt' er sich,
«Und Gott kann nur das Gute in sich haben.
Wie kommen böse Menschen aus dem Guten?»
Und immer wieder sann er ganz vergebens;
Die Antwort wollte sich nicht finden lassen.
Da traf es sich einmal, daß jener Grübler
Auf seinem Wege einen Baum erblickte,
Der im Gespräche war mit einer Axt.
Es sagte zu dem Baume jene Axt:
«Was dir zu tun nicht möglich ist, ich kann es tun,
Ich kann dich fällen; du mich aber nicht.»
Da sagte zu der eitlen Axt der Baum:
«Vor einem Jahre nahm ein Mann das Holz,
Woraus er deinen Stiel verfertigt hat,
Durch eine andre Axt aus meinem Leib.»
Und als der Mann die Rede hatt' gehört,
Erstand in seiner Seele ein Gedanke,
Den er nicht klar in Worte bringen konnte,
Der aber volle Antwort gab der Frage:
Wie Böses aus dem Guten stammen kann.

JOSEPH KÜHNE:
Bedenke die Geschichte, meine Tochter;
Und sehen wirst du, wie Naturbetrachtung
Erkenntnis schaffen kann im Menschenkopfe.
Ich weiß, wieviel ich mir erklären kann,
Wenn ich die Märchen denkend weiterspinne,
Durch welche unsre Ritter uns belehren.

(Lit.: GA 14, S. 246f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks