Raumwürfel

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Der Raumwürfel der Kabbala

Der Raumwürfel ist ein grundlegendes, gegenüber dem bekannteren Sephirothbaum aber meist viel weniger beachtetes, aber schon im Sefer Jetzira, dem ältesten überlieferten Werk der Kabbala, eingeführtes Grundkonzept der jüdischen Kabbala, das die kubische Grundstruktur der Schöpfung symbolisiert. Die Würfelgestalt der Welt darf dabei aber nicht im physisch-räumlichen Sinn missverstanden werden. Sie ergibt sich vielmehr aus einer systematischen Gliederung der Seelenwelt in verschiedene Gegensatzpaare, die nach ihrer seelisch-moralischen Qualität zueinander in Beziehung gesetzt werden. Höhe und Tiefe etwa sind hier nicht primär räumlich aufzufassen, sondern eher im Sinn von moralisch Erhaben oder moralisch Niedrig. Im Osten geht das geht das geistige Licht auf, im Westen zieht es sich zurück usw. Die räumliche Struktur, die wir in der sinnlichen Welt erleben, ist nur das äußere schattenhafte Abbild dieser seelischen Beziehungen.

Im Sefer Jetzira heißt es zunächst noch recht allgemein:

„Zehn Sephiroth aus dem Nichts, ihr Maß ist zehn, doch haben sie kein Ende: eine Dimension des Anfangs und eine Dimension des Endes, eine Dimension des Guten und eine Dimension des Bösen, eine Dimension der Höhe und eine Dimension der Tiefe, eine Dimension des Ostens und eine Dimension des Westens, eine Dimension des Nordens und eine Dimension des Südens und ein einziger Herr, Gott, der beständige König, herrscht über sie alle in seiner heiligen Wohnung bis in alle Ewigkeit.“

Sefer Jetzira 1,5

Wie beim Sephirothbaum werden auch dem Raumwürfel nach und nach die zehn Sephiroth, also die Zahlen 1 bis 10, und die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets zugeordnet. Die zweiundzwanzig Buchstaben gliedern sich dabei nach den Lehren der Kabbala in die drei Mütter Shin (ש), Aleph (א) und Mem (מ) (A M S), die Feuer, Luft und Wasser, aber auch Geist, Seele und Leib entsprechen. Sie bilden die drei Raumachsen im Inneren des Würfels und stehen damit für die innersten Qualitäten der Schöpfung:

„Er wählte drei Buchstaben von den einfachen und setzte sie in seinen grossen Namen JHV und versiegelte mit ihnen sechs Enden. Fünf, er versiegelte die Höhe, wandte sich aufwärts und versiegelte sie mit JHV. Sechs, er versiegelte die Tiefe, wandte sich nach unten und versiegelte sie mit JVH. Sieben, er versiegelte den Osten, wandte sich nach vorn und versiegelte ihn mit HJV. Acht, er versiegelte den Westen, wandte sich nach hinten und versiegelte ihn mit HVJ. Neun, er versiegelte den Süden, wandte sich nach rechts und versiegelte ihn mit VJH. Zehn, er versiegelte den Norden, wandte sich nach links und versiegelte ihn mit VHJ.“

Sefer Jetzira 1,13

Scheinbar ist zunächst nicht von den Müttern die Rede, sondern von drei der einfachen Buchstaben bzw. Lauten (siehe unten), die den Heiligen Namen JHV bilden, doch Goldschmidt weist in seiner Übersetzung darauf hin, dass es sich hierbei um ein Geheimnis der drei Mütter Aleph, Mem und Shin handelt. Tatsächlich findet man später den Hinweis:

„Drei Mütter: Aleph, Mem, Shin. Ein großes, verborgenes, wunderbares Geheimnis, versiegelt mit sechs Siegeln. Aus ihnen gehen hervor Feuer, Wasser und Wind, eingewickelt in männlich und weiblich. Erkenne, bedenke und mache dir ein Bild davon, dass Feuer das Wasser trägt.“

Sefer Jetzira 3,2

Die sechs Siegel entsprechen den 6 möglichen Permutationen (3! = 1*2*3 = 6) der Buchstaben Aleph (A), Mem (M) und Shin (S). Durch ihre Verbindungen werden die Achsen des Würfels festgelegt und man erkennt dann auch die Korrespondenz der drei Einfachen J H V zu den drei Müttern A M S:

„Auf welche Weise verband er sie? Aleph, Mem, Shin mit Aleph, Shin, Mem, Mem, Aleph, Shin mit Mem, Shin, Aleph, Shin, Mem, Aleph mit Shin, Aleph, Mem. Himmel mit Feuer, Luft mit Wind, Erde mit Wasser, den Kopf des Menschen mit Feuer, seinen Bauch mit Wasser, sein Herz mit dem Wind.“

Sefer Jetzira 3,11
Der Raumwürfel

Weiters gibt es die 7 Doppelten, die deshalb so heißen, weil sie aspiriert oder unbehaucht gesprochen werden können; sie entsprechen u.a. den 7 Wochentagen, den sieben Planeten usw. Alle frühen Ausgaben des Sefer Jetzira, die Kurzfassung (ausgenommen das erste Manuskript, das keine explizite Zuordnung erwähnt), die Langfassung und auch die Saadia-Ausgabe ordnen die 7 Doppelten übereinstimmend nach der geozentrischen okkulten Reihenfolge der Planeten zu: Beth (Saturn), Gimel (Jupiter), Daleth (Mars), Kaph (Sonne), Peh (Venus), Resch (Merkur), Taw (Mond). Von den sieben Doppelten bildet Taw (ת), der letzte Buchstabe des hebräischen Alphabet, der damit von der Bedeutung dem griechischen Omega (Ω) entspricht, das Zentrum des Würfels, das damit üblicherweise dem Mond zugeordnet wird. Tatsächlich ist der Mond die Wohnstatt, der "Palast" JHVHs, des Mondenelohim. Die restlichen sechs Doppelten und die sechs übrigen Planeten werden den 6 Flächen des Würfels zugeordnet:

„Sieben Doppelte: Beth (ב), Gimel (ג), Daleth (ד), Kaph (כ), Peh (ף), Resch (ר), Taw (ת), entsprechend den sieben Enden; sech dieser Enden sind: Oben, Unten, Osten, Westen, Norden, Süden und der heilige Palast in der Mitte, und er trägt sie alle.“

Sefer Jetzira 4,4

Schließlich sind noch die 12 Einfachen zu betrachten, die die zwölf Tierkreiszeichen, die 12 Monate, die 12 Körperteile usw. repräsentieren. Sie werden den 12 Kanten oder Winkeln des Kubus zugewiesen:

„Zwölf Einfache: Heh (ה), Waw (ו), Zajin (ז), Cheth (ח), Tet (ט), Jod (י), Lamed (ל), Nun (נ), Samech (ס), Ajin (ע), Zade (צ), Qoph (ק); zwölf und nicht elf, zwölf und nicht dreizehn. Ihr Grund ist entsprechend den zwölf Winkeln, nordöstlicher Winkel, südöstlicher Winkel, obenöstlicher Winkel, untenöstlicher Winkel, obennördlicher Winkel, untennördlicher Winkel, nordwestlicher Winkel, südwestlicher Winkel, obenwestlicher Winkel, untenwestlicher Winkel, obensüdlicher Winkel, untensüdlicher Winkel. Sie dehnen sich aus und erweitern sich bis in das Unendliche, denn sie sind die Arme der Welt.“

Sefer Jetzira 5,2

Das Neue Jerusalem

Der Raumwürfel der Kabbala ist ein Konzept, das die gegenwärtige Schöpfung in ihrem Sein und Werden beschreibt. In der Apokalypse des Johannes wird auf die künftige planetarische Verkörperung unserer Erde hingewiesen, auf den neuen Jupiter, der aber hier als das Neue Jerusalem bezeichnet und als vollkommener Würfel beschrieben wird:

10 Und er führte mich hin im Geist auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem herniederkommen aus dem Himmel von Gott, 11 die hatte die Herrlichkeit Gottes; ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem Jaspis, klar wie Kristall; 12 sie hatte eine große und hohe Mauer und hatte zwölf Tore und auf den Toren zwölf Engel und Namen darauf geschrieben, nämlich die Namen der zwölf Stämme der Israeliten: 13 von Osten drei Tore, von Norden drei Tore, von Süden drei Tore, von Westen drei Tore. 14 Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine und auf ihnen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes. 15 Und der mit mir redete, hatte einen Messstab, ein goldenes Rohr, um die Stadt zu messen und ihre Tore und ihre Mauer. 16 Und die Stadt ist viereckig angelegt und ihre Länge ist so groß wie die Breite. Und er maß die Stadt mit dem Rohr: zwölftausend Stadien. Die Länge und die Breite und die Höhe der Stadt sind gleich. 17 Und er maß ihre Mauer: hundertvierundvierzig Ellen nach Menschenmaß, das der Engel gebrauchte. 18 Und ihr Mauerwerk war aus Jaspis und die Stadt aus reinem Gold, gleich reinem Glas. 19 Und die Grundsteine der Mauer um die Stadt waren geschmückt mit allerlei Edelsteinen. Der erste Grundstein war ein Jaspis, der zweite ein Saphir, der dritte ein Chalzedon, der vierte ein Smaragd, 20 der fünfte ein Sardonyx, der sechste ein Sarder, der siebente ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topas, der zehnte ein Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst. 21 Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, ein jedes Tor war aus einer einzigen Perle, und der Marktplatz der Stadt war aus reinem Gold wie durchscheinendes Glas. 22 Und ich sah keinen Tempel darin; denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel, er und das Lamm. 23 Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, dass sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. 24 Und die Völker werden wandeln in ihrem Licht; und die Könige auf Erden werden ihre Herrlichkeit in sie bringen. 25 Und ihre Tore werden nicht verschlossen am Tage; denn da wird keine Nacht sein. 26 Und man wird die Pracht und den Reichtum der Völker in sie bringen. 27 Und nichts Unreines wird hineinkommen und keiner, der Gräuel tut und Lüge, sondern allein, die geschrieben stehen in dem Lebensbuch des Lammes. (Offb 21,14 LUT)

Literatur

Weblinks

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