Temura und GiNaT: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Temura''' ([[Hebräische Sprache|hebr.]] תמורה) ist ein Verfahren der jüdischen [[Wikipedia:Hermeneutik|Hermeneutik]], neben anderen, wie [[Gematria]], [[Zeruph]] und [[Notarikon]]. Daneben ist Temura der Titel eines [[Wikipedia:Liste der Mischnatraktate|Mischnatraktates]] aus der 5. Ordnung ''Qodaschim''. Dort geht es ebenfalls um Tausch, genauer um den Umtausch von Opfertieren.
'''GiNaT''' ([[Hebräische Sprache|hebr.]] גנת) ist ein [[Wikipedia:Akronym|Akronym]] für drei verschiedene Ansätze der [[Wikipedia:Exegese|Exegese]] der [[Wikipedia:Bibel#Die jüdische Bibel|Jüdischen Bibel]] und anderer heiliger Texte in der Tradition des [[Wikipedia:Rabbiner|rabbinischen]] Judentums:


== Wortbedeutung ==
*Der erste Konsonant [[Gimel|Gimel (G)]] steht für ''[[Gematrie|Gematria]]''.
Das Wort Temura bezeichnet sowohl den Vorgang als auch das Ergebnis eines „Umtauschs“ bzw. einer „Vertauschung“. Es leitet sich von der Wurzel מור (''mur'') ab, welche so viel wie „tauschen, wechseln“ bedeutet.
*Der zweite Konsonant [[Nun|Nun (N)]] steht für ''[[Notarikon]]''.  
*Der dritte Konsonant [[Taw|Taw (T)]] steht für ''[[Temura]]''.


== Das Verfahren ==
Das Wort ''ginnat'' (גנת) ist der [[Wikipedia:Status constructus|Status constructus]] von ''ginna'' (גנה; dt. ''Garten'') und taucht als Akronym im Titel ''Ginnat egos'' (גנת אגוז; dt. ''Nussgarten'', verfasst 1274, Erstdruck 1615) des spanischen [[Kabbala|Kabbalisten]] [[Wikipedia:Josef Gikatilla|Josef Gikatilla]] auf.


Das Verfahren ist relativ einfach. Man legt ein vollständiges Alphabet im Kreise aus und ein zweites in diesen Kreis hinein. Nun kann man den inneren Kreis um einen oder mehrere Buchstaben verdrehen und erhält so verschiedene Schlüssel (Atba; der nächste Aschbath, danach Arbasch, etc. etc.) Nun schreibt man das Wort auf, welches man erläutert haben will, und sucht sich unter einem Schlüssel (Das Rad darf während der Prozedur nicht gedreht werden.) die den einzelnen Buchstaben entsprechenden Partner heraus. Man hat das Wort praktisch verschlüsselt. Den frühen Anwendern ging es aber nicht um [[Wikipedia:Kryptographie|Kryptographie]], wie wir sie heute verstehen, sondern um Hermeneutik.
== Auslegung der Tora ==
Über klassische Lesarten hinaus lassen sich mit Hilfe dieses Systems einige Bibelstellen in einem neuen, nicht wörtlichen Sinn interpretieren. Nach der kabbalistischen Buchstabenmystik sind die Worte und Buchstaben der Bibel mystische Chiffren oder Zahlen. Dies geschieht entweder synthetisierend oder identifizierend.
Die ''Ginat-[[Wikipedia:Typologie (Bibel)|Typologie]]'' steht mit der Pardes-Methodik in Verbindung. Diese besagt, dass der Tanach vierlagig angelegt wurde. Die Ginat-Methodik spricht von einem weiteren dreifachen Wortsinn. „Ginat“ bedeutet aus dem Hebräischen „Garten“. Das Wort GiNaT  wird aus den Anfangsbuchstaben der Worte: ''Gematria'', ''Notarikon'' und ''Temura'' zusammengesetzt.
Gematria ist eine Methode zur Interpretation von Worten mit Hilfe von Zahlen. Dabei werden Buchstaben in ihre Zahlenwerte überführt. Aus den Zahlenwerten werden dann Bedeutungen  und Verbindungen abgeleitet. Notarikon ist eine Methode mit der Anfangs- oder Endbuchstaben eines Wortes verbunden werden, um ein anderes Wort zu bilden. Daraus lassen sich andere, neue Worte oder Sätze finden. Temura ist eine Methode, um ein Wort zu erläutern, indem dessen Buchstaben miteinander vertauscht werden. Dadurch entsteht eine erklärende oder verborgene Bedeutung. Die ''Pardes-Ginat-Methode'' bzw. ''Paradies-Garten-Methode'' besagt also, dass alles in der Bibel einen siebenfachen Sinn hat.


Es gibt auch bei weitem kompliziertere Schlüssel. Man teilt das Alphabet genau in der Mitte, schreibt die ersten 11 Zeichen auf den äußeren Ring, die letzten 11 in den inneren Ring und erhält so den [[Atbash]], Albat etc. oder man dreht die Richtung des inneren Alphabetes und erhält so den Albam, Atbal etc. etc. Darüber hinaus gibt es noch viele andere, kompliziertere Schlüssel.
== [[Gematria]] ==
Gematria wird auch ''identisierende Zahlenmystik'' genannt. Beispiel: Das hebräische Wort AChaD (אחז) bedeutet „ein“ und hat den Zahlenwert 13 (1+8+4). Das hebräische Wort AHaWA (אהבה) bedeutet „Liebe“ und hat ebenfalls den Zahlenwert 13 (1+5+2+5). Beide Worte sind laut der Gematria austauschbar:


== Beispiel ==
::„Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden sein '''ein''' Fleisch.“ ([[Wikipedia:1. Buch Mose|1. Buch Mose]] 2,24)
Aus dem Worte יהוה ([[JHVH]] - [[GOTT]]) wird so, wenn man einen Buchstaben weiterschiebt, also im Atbah, die Konsonantenfolge כוזו Kusu, welche erst einmal keine Bedeutung hat, aber den Zahlenwert 39. Soweit der Zeruph - das Verfahren.


Die Zahl 39 schreibt man auf Hebr. לט (Tal), ein Wort, welches wiederum die Bedeutung „Tau“ - also, der vom Himmel fällt - trägt. Nach diesem Worte ist der [[Wikipedia:Tallit|Tallit]], der Gebetsmantel der Juden genannt. Die 39 nun ist wiederum Summe von 26 und 13. Erstere Zahl ist der natürliche Zahlenwert des Tetragrammatons, letztere des hebr. Wortes für Einheit אחד nach der [[Gematria]] der natürlichen Zahlenwerte.
Die Gematria überführt ein Wort in seinen Zahlenwert, um eine verborgene oder andere Bedeutung zu finden. Dann wird aus dem gleichen Zahlenwert ein neues Wort gebildet. Das Wort '''ein''' - im obigen Vers - kann dementsprechend zum Wort '''Liebe''' umformuliert werden, weil beide den gleichen Zahlenwert haben:


== Literatur ==
:: Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden sein '''liebendes''' Fleisch.


*Oaknin, Symbole des Judentums, München; 1995
== [[Notarikon]] ==
*Dornseiff: „Das Alphabet in Mystik und Magie“; Leipzig 1925
Notarikon wird auch ''synthetisierende Zahlenmystik'' genannt und erfolgt durch Erweiterung und Ergänzung von Buchstaben und Worten. So ruft David in seinem Testament für seinen Sohn Salomon (1 Kön 2,8): „Er hat mich verflucht mit einem harten (נמרצת [NiMReZeT]) Fluch .“
*Jewish Encyclopedy
Die Konsonanten des hebräischen Wortes ''nimrezet'' bergen nach dieser Methodik folgende schmähende Vorwürfe in sich:  


[[Kategorie:Kabbala]]
* '''N'''oeph: Ehebrecher
* '''M'''oabi: Moabiter
* '''R'''ozeach: Mörder
* '''Z'''ores: Gewalttätiger
* '''T'''oeb: Grausamer
 
== [[Temura]] ==
Temura wird auch ''synthetisierende Zahlenmystik'' genannt, aber in diesem Fall erfolgt sie durch Umstellung der Buchstaben. Beispiel: Gott sagt im [[Wikipedia:2. Buch Mose|2. Buch Mose]] (23,23): ''Ich will vor dir meinen Engel'' (מלאכי; ''Mal'achi'') ''einhersenden!'' Durch Umstellung der Buchstaben von ''meinen Engel'' erhält man den Namen des Engels ''Michael'' (מיכאל).
 
== Literatur (Auswahl) ==
* [[Wikipedia:Isaak Heinemann|I. Heinemann]]: ''Die wissenschaftliche Allegoristik des jüdischen Mittelalters'', in: Hebrew Union College Annual 23 (1950), 611-643.
* Giovanni Grippo: ''Die Kabbalah - Die Vereinigung vieler Philosophien'' Steinbach (Ts) 2009 - ISBN 978-3981062229
 
[[Kategorie:Rabbinisches Judentum]]
[[Kategorie:Jüdische Hermeneutik|H]]
[[Kategorie:Judentum]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 8. August 2020, 00:42 Uhr

GiNaT (hebr. גנת) ist ein Akronym für drei verschiedene Ansätze der Exegese der Jüdischen Bibel und anderer heiliger Texte in der Tradition des rabbinischen Judentums:

Das Wort ginnat (גנת) ist der Status constructus von ginna (גנה; dt. Garten) und taucht als Akronym im Titel Ginnat egos (גנת אגוז; dt. Nussgarten, verfasst 1274, Erstdruck 1615) des spanischen Kabbalisten Josef Gikatilla auf.

Auslegung der Tora

Über klassische Lesarten hinaus lassen sich mit Hilfe dieses Systems einige Bibelstellen in einem neuen, nicht wörtlichen Sinn interpretieren. Nach der kabbalistischen Buchstabenmystik sind die Worte und Buchstaben der Bibel mystische Chiffren oder Zahlen. Dies geschieht entweder synthetisierend oder identifizierend. Die Ginat-Typologie steht mit der Pardes-Methodik in Verbindung. Diese besagt, dass der Tanach vierlagig angelegt wurde. Die Ginat-Methodik spricht von einem weiteren dreifachen Wortsinn. „Ginat“ bedeutet aus dem Hebräischen „Garten“. Das Wort GiNaT wird aus den Anfangsbuchstaben der Worte: Gematria, Notarikon und Temura zusammengesetzt. Gematria ist eine Methode zur Interpretation von Worten mit Hilfe von Zahlen. Dabei werden Buchstaben in ihre Zahlenwerte überführt. Aus den Zahlenwerten werden dann Bedeutungen und Verbindungen abgeleitet. Notarikon ist eine Methode mit der Anfangs- oder Endbuchstaben eines Wortes verbunden werden, um ein anderes Wort zu bilden. Daraus lassen sich andere, neue Worte oder Sätze finden. Temura ist eine Methode, um ein Wort zu erläutern, indem dessen Buchstaben miteinander vertauscht werden. Dadurch entsteht eine erklärende oder verborgene Bedeutung. Die Pardes-Ginat-Methode bzw. Paradies-Garten-Methode besagt also, dass alles in der Bibel einen siebenfachen Sinn hat.

Gematria

Gematria wird auch identisierende Zahlenmystik genannt. Beispiel: Das hebräische Wort AChaD (אחז) bedeutet „ein“ und hat den Zahlenwert 13 (1+8+4). Das hebräische Wort AHaWA (אהבה) bedeutet „Liebe“ und hat ebenfalls den Zahlenwert 13 (1+5+2+5). Beide Worte sind laut der Gematria austauschbar:

„Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden sein ein Fleisch.“ (1. Buch Mose 2,24)

Die Gematria überführt ein Wort in seinen Zahlenwert, um eine verborgene oder andere Bedeutung zu finden. Dann wird aus dem gleichen Zahlenwert ein neues Wort gebildet. Das Wort ein - im obigen Vers - kann dementsprechend zum Wort Liebe umformuliert werden, weil beide den gleichen Zahlenwert haben:

Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden sein liebendes Fleisch.

Notarikon

Notarikon wird auch synthetisierende Zahlenmystik genannt und erfolgt durch Erweiterung und Ergänzung von Buchstaben und Worten. So ruft David in seinem Testament für seinen Sohn Salomon (1 Kön 2,8): „Er hat mich verflucht mit einem harten (נמרצת [NiMReZeT]) Fluch .“ Die Konsonanten des hebräischen Wortes nimrezet bergen nach dieser Methodik folgende schmähende Vorwürfe in sich:

  • Noeph: Ehebrecher
  • Moabi: Moabiter
  • Rozeach: Mörder
  • Zores: Gewalttätiger
  • Toeb: Grausamer

Temura

Temura wird auch synthetisierende Zahlenmystik genannt, aber in diesem Fall erfolgt sie durch Umstellung der Buchstaben. Beispiel: Gott sagt im 2. Buch Mose (23,23): Ich will vor dir meinen Engel (מלאכי; Mal'achi) einhersenden! Durch Umstellung der Buchstaben von meinen Engel erhält man den Namen des Engels Michael (מיכאל).

Literatur (Auswahl)

  • I. Heinemann: Die wissenschaftliche Allegoristik des jüdischen Mittelalters, in: Hebrew Union College Annual 23 (1950), 611-643.
  • Giovanni Grippo: Die Kabbalah - Die Vereinigung vieler Philosophien Steinbach (Ts) 2009 - ISBN 978-3981062229


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