Die Geheimlehre und Todeserlebnis: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Die Geheimlehre, die Synthesis von Wissenschaft, Religion und Philosophie''', ist das Hauptwerk von [[Helena Blavatsky]]. Sie veröffentlichte es 1888 in [[Wikipedia:London|London]].
Aus anthroposophischer Sicht stellt sich das '''Todeserlebnis''' so dar: Der [[Tod]] löscht das Leben, dem eine eigenständige feinstoffliche, [[ätherisch]]e Realität zukommt, nicht aus, aber es trennt sich endgültig vom [[Physischer Leib|physischen Körper]], worauf dieser unausweichlich dem Verfall anheim gegeben wird. Im Todesmoment steigern sich die Todesprozesse, die uns schon während unseres ganzen Erdenlebens die Grundlage für unser [[Bewusstsein]] geben, in ungeheurem Maße. Im Moment des Todes leuchtet das Bewusstsein derart hell auf, wie wir es während unseres Erdenlebens niemals erfahren können. Immer wieder berichten Menschen, die bereits an die Schwelle des Todes gekommen sind, aber noch einmal zurückgeholt werden konnten, aus ihrer [[Nahtod-Erfahrung]] von diesem strahlenden Lichterlebnis, das entsteht, wenn die ganzen Lebenskräfte aus dem physischen Körper herausgeschleudert werden und ihren gewaltigen Widerhall in der Seele erregen. Das [[Bewusstsein]], das mit dem Tod erwacht, ist ungleich stärker, reicher und wirklichkeitsgesättigter als unser irdisches waches Tagesbewusstsein. So stark ist dieses im Tod aufstrahlende Bewusstseinslicht, dass es dem Toten sein ganzes weiteres Dasein erhellt. So intensiv und blendend ist dieses Seelenlicht, dass der Tote darin zunächst gar keine Einzelheiten unterscheiden kann, und nur indem es sich allmählich abdämpft, werden einzelne Details wahrnehmbar.


Die Geheimlehre beschäftigt sich mit der Entstehung der Welt und der Menschheit und setzt sich in diesem Zusammenhang mit den bestehenden Anschauungen von Wissenschaft, Religion und Philosophie auseinander. Es versucht den "[[Sündenfall]]" verstehbar zu machen, das nach diesem Ereignis stattgefundene aufzuzeigen und daraus folgend auf den "Sinn des Lebens", das "warum bin ich hier" hinzuleiten.
Für das [[Selbstbewusstsein]] nach dem [[Tod]] ist das Todeserlebnis von entscheidender Bedeutung:


Die Geheimlehre ist in zwei Bände gegliedert. Der erste Band ist mit ''Kosmogenesis'' (= das Werden des Kosmos) betitelt, der zweite mit ''Anthropogenesis'' (= das Werden des Menschen). In der Geheimlehre wird erwähnt, das sie noch Band Drei und Vier zu veröffentlichen gedenke, die fast fertiggestellt seien. Nach Blavatskys Tod 1891 veröffentlichte [[Annie Besant]] 1897 in London einen umstrittenen Band Drei der Geheimlehre unter dem Titel ''Esoterik'' (im englischen Original: ''Occultism'') - umstritten, da er auf aus dem Kontex genommenen Fragmenten und unvollständigen Notizen aus dem Nachlass von Frau Blavatsky beruht. Die amerikanische Ausgabe der Geheimlehre wurde jahrzehntelang nur mit den ersten beiden Bänden ausgeliefert. Seit der englischen dritten Auflage 1893, gibt es auch einen Indexband mit etwa 100.000 Verweisen, meist als vierter Band bezeichnet. Ins Deutsche wurde das Gesamtwerk (alle 4 Bände) erstmals 1899 von Robert Froebe, unter Mithilfe von [[Franz Hartmann]], übersetzt, bis heute (2006) gibt es keine neuere Gesamtübersetzung.
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"Würden wir beim Durchgang durch die Todespforte dieses Erlebnis
nicht haben können, das wir wissentlich mitmachen, das Weggehen
unseres physischen Leibes, so würden wir nach dem Tode niemals ein
Ich-Bewußtsein entfalten können! Das Ich-Bewußtsein nach dem
Tode wird angeregt durch dieses Erleben des Hinweggehens des physischen
Leibes. Für den Toten ist es von größter Bedeutung: Ich sehe
meinen physischen Leib von mir hinwegschwinden. - Und das andere:
Ich sehe aus diesem Ereignis heraus in mir selber die Empfindung erwachsen:
Ich bin ein Ich. - Man kann das paradoxe Wort aussprechen:
Könnten wir unseren Tod nicht erleben von der anderen Seite, würden
wir nach dem Tode nicht ein Ich-Bewußtsein haben können. - So wahr
die Menschenseele, wenn sie durch die Geburt oder auch schon durch
die Empfängnis ins Dasein tritt, sich nach und nach dem Gebrauche des
physischen Apparates anpaßt und dadurch das Ich-Bewußtsein im
Leibe gewinnt, so wahr gewinnt das Menschenwesen das Ich-Bewußtsein
nach dem Tode von der anderen Seite des Daseins dadurch, daß es
das Abfallen des physischen Leibes von dem Gesamtmenschen erlebt." {{Lit|{{G|168|13f}}}}
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== Geschichte ==
Nachdem mit dem Tod der physische Leib abgelegt wurde, lebt der [[Tote]] zunächst in seinen drei höheren, nur übersinnlich erfahrbaren Wesensgliedern weiter. Das sind: der [[Ätherleib]], der [[Astralleib|Seelenleib]] und das [[Ich]]. Da wir nun nicht mehr mit dem physischen Leib verbunden sind, verändert sich das Bewusstsein zwangsläufig ganz entscheidend. Alles das, was wir durch die physischen [[Sinnesorgane]] während des Erdenlebens wahrnehmen konnten, verschwindet bald. Ebenso die abstrakten [[Gedanken]], die auf das physische Werkzeug des [[Gehirn]]s angewiesen sind. Das heißt aber nicht weniger, als dass das meiste, was wir auf Erden im wachen [[Tagesbewusstsein]] erleben konnten, für uns sehr bald nicht mehr greifbar ist. Nur eine ganze kurze Zeit lang können gelegentlich die Sinneswahrnehmung und das abstrakte Denken aufrechterhalten werden, da es ja im Grunde nicht die physischen Organe sind, die wahrnehmen, sondern letztlich das selbstbewusste Ich, das mit Hilfe des Seelenleibes und des Ätherleibes durch die Sinnesorgane in Kontakt mit der Außenwelt kommt. Die physischen Organe prägen dem Ätherleib und dem Seelenleib nur ganz spezifische Gewohnheiten auf, wie sie für die sinnliche Wahrnehmung nötig sind. Solange der Ätherleib und der Seelenleib diese Gewohnheiten beibehalten, ist eine eingeschränkte sinnliche Wahrnehmung noch möglich. Es entstehen dann Erlebnisse, wie sie gelegentlich von Menschen geschildert werden, die nahe an den Tod herangekommen sind und später berichten, wie sie sich dann außerhalb ihres physischen Körpers wiedergefunden haben, sich dabei als über ihm schwebend empfanden und auf ihn herabblicken konnten und auch bewusst miterlebten, was Ärzte und Retter sprachen und taten, um sie wieder ins Leben zurückzurufen. Derartige [[außerkörperliche Erfahrungen]] sind gar nicht so selten. Auch ohne in unmittelbare Todesnähe zu kommen, treten sie gelegentlich spontan auf. Sie beruhen stets darauf, dass sich die drei höheren Wesensglieder zumindest teilweise vom physischen Körper lösen, aber noch die der physischen Welt angemessenen Gewohnheiten beibehalten.
Blavatsky begann mit der Abfassung des Manuskriptes 1885 auf ihrer Schiffsreise von [[Chennai]] nach [[Neapel]], weitere Teile schrieb sie in [[Torre del Greco]], [[Würzburg]], [[Kempten]], [[Elberfeld]], [[Ostende]] und London. Die Bearbeitung des Manuskriptes übernahmen mehrere Mitglieder der theosophischen [[Blavatsky Lodge]], vor allem [[Archibald Keightley|Archibald]] und [[Bertram Keightley]] und [[Mabel Collins]]. Nach Blavatskys Tod, am 8. Mai 1891, ging das Verlagsrecht am Werk auf Annie Besant über.


Die Geheimlehre gilt als eines der schwerstverständlichsten und kompliziertesten esoterischen Werke überhaupt. Zudem haben alleine die ersten beiden Bände ein Volumen von 1580 Seiten im [[Buchformat|groß-Oktav-Format]] (vollständige deutsche Ausgabe 1899), der dritte Band noch einmal 594 Seiten. Aus diesem Grund wurden eine Reihe von zum Teil stark gekürzten Fassungen herausgegeben, manchmal in einer recht freien Bearbeitung, welche die Lesbarkeit erleichtern sollte. Die Bandbreite dieser Ausgaben reichte von etwa 300 bis 800 Seiten. Praktisch jede dieser Kurzfassungen wurde bei ihrem Erscheinen mit Jubel als leicht verständliche Bereicherung aufgenommen, einige Zeit später aber wegen verschiedenster Abweichungen oder wesentlicher Auslassungen kritisiert. <br />
Was uns zunächst bleibt, wenn die äußere Wahrnehmung und das Verstandesdenken schließlich vollständig dahinschwinden, ist der Blick in bzw. auf den eigenen Ätherleib. Er ist es, der das blendende Bewusstseinslicht in der Seele erregt, wenn er sich dem physischen Körper entreißt. Unser Bewusstsein, wie wir es uns auf Erden erworben haben, ist zunächst viel zu schwach um diese blendende Fülle zu bewältigen. Der allergrößte Teil der [[Bildekräfte]]tätigkeit war ja während des irdischen Lebens der beständigen Erhaltung und Regeneration des physischen Leibes zugewendet und blieb uns deshalb völlig unbewusst; nur ein sehr, sehr geringer Teil der Lebenskräfte wurde in das seelische Erleben zurückgespiegelt, und nur diesen Teil vermag der Tote zunächst bewusst zu erfassen. Was also ist der Inhalt dieses Bewusstseins? Sinneswahrnehmung und Verstandesdenken sind es nicht mehr – dafür aber die [[Erinnerung]]en an das, was wir wahrgenommen und gedacht haben! Der Ätherleib ist nämlich der eigentliche Träger des [[Gedächtnis]]es. Während unseres Erdenlebens können wir uns an viele Dinge, die wir erlebt haben, nur sehr schwach erinnern, an manche gar nicht mehr. Nach dem Tod leuchtet das Gedächtnis mit ungeheurer Stärke auf und zeigt uns das vergangene irdische Leben als lückenloses [[Lebenspanorama]]. Alle Erlebnisse, die wir hatten, stehen gleichzeitig und ganz deutlich vor unserem Seelenblick. Alles, was wir längst vergessen glaubten, erleben wir nun noch einmal, aber mit der nüchternen Distanz eines neutralen Beobachters, was daran liegt, dass sich der Ätherleib bereits vom Seelenleib zu lösen beginnt und gleichsam von außen angeschaut wird, was während des wachen Erdenlebens niemals der Fall ist. Die Zeit spielt hier keine Rolle mehr. Ähnliche Phänomene kennt man ja auch aus dem Traumleben, wo sich innerhalb von Sekundenbruchteilen ein ganzes gewaltiges Traumdrama entrollen kann.
Zur Erleichterung für den Laien brachten eine Reihe von namhaften Theosophen eine Unzahl an Einführungen in die Geheimlehre heraus. Die angestrebte Vereinfachung konnte darin naturgemäss nur in Ansätzen verwirklicht werden. Hervorzuheben sind hier Besants ''Die uralte Weisheit'' und ''Das Meer der Theosophie'' von [[William Quan Judge]]. <br />
Eine hilfreiche Ergänzung stellten die Sitzungsprotokolle der [[Blavatsky Lodge]], die ''Transactions of the Blavatsky Lodge'', dar, die eine Reihe von Erläuterungen zur Geheimlehre enthalten.  


Wie bereits erwähnt, schrieb Blavatsky selbst in der Geheimlehre, dass den Bänden Eins und Zwei noch die Bände Drei und Vier folgen sollten. ''"Der dritte Band ist vollständig fertig, der vierte nahezu."'' (Froebe, Band I, Vorrede Seite XXIII) <ref name="Blavatsky">Robert Froebe (Übers.): ''Die Geheimlehre''. Theosophisches Verlagshaus, Leipzig 1899. Reprint, Edition 3 Masques, Burgh-Haamstede 1998. ISBN 3-927837-59-8.</ref> Ein weiterer Hinweis findet sich am Ende des zweiten Bandes: ''"Bis daß der Schutt der Zeitalter aus den Gemütern der Theosophen, denen diese Blätter gewidmet sind, hinweggeräumt ist, ist es unmöglich, daß die mehr auf das Handeln gerichtete Lehre, die im dritten Bande enthalten ist, verstanden werden kann. Infolgedessen hängt es gänzlich von der Aufnahme ab, welche der erste und zweite Band in den Händen der Theosophen und Mystiker finden werden, ob der letzte Band jemals veröffentlicht werden wird."'' (Froebe, Band II, Seite 842) <ref name="Blavatsky"/> Tatsächlich wurde keiner dieser Bände veröffentlicht, der von Besant später herausgegebene dritte Band bestand ja nur aus unzusammenhängenden Notizen und der heutige vierte ist der Indexband. Aus diesem Umstand kursieren bis heute Mutmaßungen dahingehend, dass Blavatsky sowohl den fertigen dritten, als auch den beinahe fertigen vierten Band vernichtet hat. Als Grund für dieses Tun wird einerseits angenommen, dass die oben erwähnte Aufnahme der ersten beiden Bände nicht ihren Vorstellungen entsprechend war. Andererseits, und dazu tendieren die meisten Vermutungen, wurde ihr die Veröffentlichung von den [[Meister der Weisheit|Meistern der Weisheit]] untersagt sowie auch die Vernichtung der Manuskripte angeordnet, da damals die Zeit für das offenbar werden dieser Texte noch nicht reif war. Naturgemäß sind für keine dieser Aussagen Belege vorhanden.  
Man wird das Ganze noch besser verstehen, wenn man sich vor Augen hält, wie das Gedächtnis des auf Erden verkörperten Menschen eigentlich funktioniert. Was immer die Seele augenblicklich erlebt, lebt der Ätherleib sehr stark mit - denn im Wachzustand sind Ätherleib und Seelenleib ganz stark mit einander verbunden - und bewahrt es als dynamische innere Lebenstätigkeit auf. Diese durch das seelische Erleben erregte Lebenstätigkeit greift sehr bald auf den physischen Körper über und prägt diesem entsprechende Spuren ein. Damit diese Spuren auch ein Leben lang erhalten bleiben, muss sie der Ätherleib beständig regenerieren. Der Ätherleib nimmt also das seelische Erleben auf, setzt es in eine entsprechende Lebenstätigkeit um und gräbt diese dem Körper ein. Damit wird aber das, was wir seelisch erlebt haben, zunächst in die Tiefe des physischen Organismus hinein „vergessen“. Denn wenn sich die Bildekräftetätigkeit ganz dem Körper zuwendet, kann sie keine seelischen Bilder mehr erregen. Das entspricht auch durchaus unserer alltäglichen Erfahrung, denn wir tragen das, was wir einmal erlebt haben nicht ununterbrochen im Bewusstsein, und es ist, wie mancher Prüfling schmerzlich bemerken muss, oft sehr mühevoll, Erlerntes wieder ins Bewusstsein heraufzuheben. In der frühesten Kindheit verbindet sich das, was wir erleben, am aller stärksten mit dem physischen Leib. Nur flüchtige Reflexe spiegeln sich in der Seele wider und fast alles gerinnt zu körperlichen Strukturen. Alles, was wir als kleines Kind wahrnehmen, prägt sich dem Organismus so stark ein, dass wir uns später niemals daran erinnern können. Was wir als Baby nahezu bewusstlos wahrnehmen, gestaltet so überhaupt erst die Feinstruktur des Gehirns aus. Relativ leicht erinnern können wir uns nur an das, was wir mit dem voll erwachten [[Ichbewusstsein]] erlebt haben. Die dadurch gebildeten Gedächtnisspuren graben sich dem Organismus nur sehr oberflächlich ein. Die traumartigen Erlebnisse des Seelenleibes heften sich schon wesentlich stärker an den physischen Leib und können darum nur sehr viel schwerer wieder dem Dunkel des Vergessens entrissen werden. Deswegen können wir uns auch an die meisten nächtlichen Träume nur sehr wenig erinnern. Erst nach dem Tod werden uns die Erfahrungen des Seelenleibes lückenlos zugänglich. Tatsächlich ist das, was wir mittels des Seelenleibes erleben, sehr viel reicher als das, was wir mit dem vollen Selbstbewusstsein begleiten. Unser Selbstbewusstsein ist eben noch sehr schwach ausgebildet. Das nachtodliche Lebenspanorama zeigt uns daher vor allem jene Erfahrungen, deren wir uns auf Erden gar nicht so recht bewusst geworden sind, oder die wir gewaltsam in die tieferen Bewusstseinsschichten verdrängt haben. Das Lebenspanorama, das sich nach dem Tod unserem Seelenblick zeigt, unterscheidet sich daher doch sehr wesentlich von unserem irdischen Erinnerungsvermögen.


Es gibt in der westlichen Literatur kein Werk, welches ein Weltbild mit solcher Informationsdichte und Vollständigkeit entwirft, wie die Geheimlehre. Alle Konkurrenz ist weit abgeschlagen entweder unvollständig, verliert sich in dunklen Andeutungen, verschlüsselten Symbolen oder theoretischen Möglichkeiten. Die einzige Ausnahme bildet [[Rudolf Steiner]]s Werk ''Die Geheimwissenschaft im Umriß'', das eine ähnliche Thematik behandelt. Steiner, der keineswegs leichter zu lesen ist, bietet aber im Gegensatz zur Geheimlehre einen für jeden Menschen gangbaren Weg persönlicher Vervollkommnung. Diese praktische "Anleitung" für einen individuellen [[Initiation|Einweihungsweg]] im täglichen Leben fehlt in der Geheimlehre. Wie oben erwähnt, schrieb Blavatsky ''"die mehr auf das Handeln gerichtete Lehre, die im dritten Bande enthalten ist"'' - als dieser dritte Band könnte Steiners Geheimwissenschaft mit seiner Anleitung zum "Handeln" betrachtet werden.
Was geschieht also, wenn wir uns an etwas erinnern? Erinnern heißt, dass wir die ätherischen Bildekräfte, welche die physischen Gedächtnisspuren beständig regenerieren, vom Körper abziehen und in das seelische Erleben zurückleiten. Die physischen Gedächtnisspuren beginnen sich dadurch aufzulösen, und nur wenn wir das Erinnerte wieder aus dem Bewusstsein entlassen, kann sie der Ätherleib dem physischen Körper neuerlich, vielleicht in modifizierter Form wieder einprägen. Es wäre also wahrscheinlich nicht sehr gesund, wenn wir uns an die frühesten Kindheitserlebnisse erinnern würden, denn dann könnte die Feinstruktur unseres Gehirns sehr leicht beschädigt werden. Erleben, Vergessen und Erinnern stellen einen wichtigen Lebenszyklus dar, durch den unser physischer Leib immer wieder nach Maßgabe unserer Lebenserfahrungen ganz leise umgestaltet und diesen angepasst wird. Bei den Tieren ist dieser Lebenszyklus beinahe ausschließlich auf eine kurze, sehr frühe Lebensepoche beschränkt. Beim Menschen ist diese Fähigkeit am stärksten in der frühen Kindheit ausgeprägt; mit zunehmendem Alter beginnt sich der Ätherleib bereits ganz vorsichtig vom physischen Leib zu trennen. Es fällt uns dann immer schwerer, Gedächtnisspuren unserem Organismus einzugraben, dafür tauchen aber plötzlich Jugenderlebnis wieder auf, an die man sich während des ganzen Lebens davor nicht erinnern konnte. Dieses Phänomen findet man bei älteren Menschen ja sehr häufig.


== Blavatsky sagte selbst über ihr Werk ==
Solange wir auf Erden leben, sind die ätherischen Bildekräfte sehr stark dem physischen Leib zugewendet und verhindern dessen Zerfall. Nach dem Tod, wenn der physische Leib wegfällt, folgen sie ihrer inneren kosmischen Lichtnatur und gliedern sich dem kosmischen Geschehen ein. Schon wenige Tage nach dem Tod beginnt sich der Ätherleib normalerweise aufzulösen, wodurch auch das Lebenspanorama allmählich verblasst, gleichsam dünn und durchsichtig wird und nun anderen Erlebnissen Platz macht, die viel inniger mit unserem inneren Seelenwesen verbunden sind als dieser nüchterne Gesamtüberblick über die ''äußeren'' Geschehnisse des vergangenen Erdenlebens.  
*''"Die ''Geheimlehre'' Seite um Seite durchzulesen wie ein anderes Buch [...] führt nur zu Verwirrung. Das erste, was man tun muß, ist sich einigermaßen einen Begriff von den "drei Grundthesen" zu machen, die im ''Proem'' [im Vorwort] gegeben werden. Dann sollte man die Wiederholung studieren - die numerierten Absätze in der ''Zusammenfassung'' im ersten Teil des ersten Bandes. Dann nehme man sich die ''Einleitenden Bemerkungen'' und den ''Schlußabschnitt'' des zweiten Bandes vor."'' (Hoskins, Seite 99f.) <ref name="Hoskins">Ianthe H. Hoskins (Hrsg.): ''Grundlehren der esoterischen Philosophie''. Adyar-Verlag, Graz 1981. ISBN 3-85005-067-X.</ref>


*''"[...] wer erwarte, aus der ''Geheimlehre'' ein zufriedenstellendes Bild von der Konstitution des Universums zu erhalten, werde von seinen Studien nur Verwirrung ernten. Die ''Geheimlehre'' ist nicht dazu bestimmt, eine solche endgültige Erklärung des Daseins zu geben, sondern nur dazu, ZUR WAHRHEIT HINZUFÜHREN. [...] Es ist mehr als nutzlos, [...] zu Personen zu gehen, die man für fortgeschrittene Studierende hält, und sie zu bitten, eine "Erklärung" der ''Geheimlehre'' zu geben. Sie können es nicht. Wenn sie es versuchen, ist alles, was sie geben können, eine Anzahl trockener exoterischer Auslegungen, die nicht im entferntesten der WAHRHEIT ähneln. Eine solche Auslegung anzunehmen bedeutet, uns an festen Vorstellungen zu verankern, aber die WAHRHEIT liegt jenseits jeglicher Vorstellungen, die wir formulieren oder ausdrücken können."'' (Hoskins, Seite 101) <ref name="Hoskins"/>
Der Tote tritt dann in jenen Bereich über, der in der geisteswisenschaftlichen Terminologie als [[Kamaloka]], in der christlich-abendländischen Ausdrucksweise als [[Fegefeuer]] bezeichnet wird.


*Auf eine Aussage hin, die das schwierige Erfassen der Geheimlehre beklagte, antwortete Blavatsky: ''"''Theosophie'' [...] ist für Menschen, die denken können oder die sich zum Denken zwingen können, nicht für mentale Faulpelze."'' (Hoskins, Seite 103) <ref name="Hoskins"/>
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"Gleichzeitig mit dem Erinnerungsbilde empfindet
*''"Man sollte kein Narr sein [...] und sich dadurch, daß man gleich am Anfang zu viel versucht, ins Irrenhaus bringen. [...] Die gewöhnliche intellektuelle Tätigkeit bewegt sich entlang wohlausgetretener Pfade im Gehirn [...]. Aber diese neue Art mentaler Anstrengung [das Lesen der Geheimlehre] erfordert etwas ganz anderes - das Aushauen "neuer Gehirnpfade", das Aneinanderreihen der kleinen Gehirn-Leben in einer anderen Ordnung. Wenn es unüberlegt erzwungen wird, kann es dem Gehirm ernsten physischen Schaden zufügen."'' (Hoskins, Seite 105) <ref name="Hoskins"/>
der Mensch, daß er immer größer und größer wird. Die Bilder, die
 
ihn umgeben, welche die Bilder des vergangenen Lebens sind, vergrößern
*''"Wer die ''Geheimlehre'' ernsthaft studiert, ist ein [[Jnana Yoga|Jnana-Yogi]], und dieser Yoga-Pfad ist der wahre Pfad für den westlichen Forscher. Um ihn mit Wegweisern auf diesem Pfad zu versehen, ist die ''Geheimlehre'' geschrieben worden.'' (Hoskins, Seite 106) <ref name="Hoskins"/>
sich ebenfalls. Indem der Mensch sich noch im Ätherleib befindet,
 
wächst er sozusagen in seine Umgebung hinein. Wenn der im
== Kommentare ==
Ätherleib befindliche Mensch ein Ereignis erlebt hat, das sich fünfzig
*[[Alice Bailey]] schrieb über die Geheimlehre: ''"In mancher Beziehung ist H. P. B.'s Buch «Die Geheimlehre» heute überlebt; diese Art, der Ewigen Weisheit näherzukommen, findet bei der modernen Generation wenig oder keinen Anklang. Aber denjenigen unter uns, die es wirklich durchstudierten und seine innere Bedeutung einigermassen verstehen lernten, gab es ein grundsätzliches Wertgefühl für die Wahrheit, wie es kein anderes Buch zu vermitteln scheint. [...] Keines meiner Bücher wäre möglich gewesen, wenn ich nicht vorher der «Geheimlehre» ein so gründliches Studium gewidmet hätte."'' <ref> Alice Bailey: ''Die unvollendete Autobiografie.'' http://laluni.helloyou.ws/netnews/bkgr/cab2700/file2743.html</ref>
Meilen entfernt abgespielt hat, dann ist das so, als ob er sich bis zu
 
dem Schauplatz des Ereignisses ausdehnte. Wenn er einmal in Amerika
*Hans-Dieter Leuenberger schrieb über die Geheimlehre: ''Die [[Tabula Smaragdina]] des [[Hermes Trismegistos]] und die Geheimlehre von Helena Blavatsky können auch als zwei Säulen betrachtet werden, die Träger der westlichen Esoterik sind. Das bedeutet, daß das gesamte westliche esoterische Denken direkt oder indirekt auf eines dieser beiden Werke zurückgeführt werden kann.'' <ref>Hans-Dieter Leuenberger: ''Das ist Esoterik, Eine Einführung in esoterisches Denken und in die esoterische Sprache''. Hermann Bauer, Freiburg 1991. ISBN 3-7626-0621-8. Seite 122</ref>
war, fühlt er sich hinauswachsen bis nach Amerika. Im Ätherleib
 
empfindet der Mensch das Immer-größer-Werden. Im Astralleib fühlt
*Bei der Aufarbeitung von [[Wikipedia:Adolf Hitler|Adolf Hitler]]s persönlicher Bibliothek, fanden US-amerikanische Historiker u.a. auch eine Ausgabe der Geheimlehre. Diese war mit zahlreichen handschriftlichen Randbemerkungen Hitlers versehen und damit Zeichen einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Werk. <ref>Constance Cumbey: ''Die sanfte Verführung''. Schulte und Gerth, Asslar 1987. ISBN 3-87739-390-X. Seite 140
er sich dagegen auf gestückelt in verschiedene einzelne Teile. Er empfindet
</ref>
den astralischen Leib keineswegs als eine räumliche Einheit. Es
 
gibt zum Beispiel Gallwespen, deren Vorder- und Hinterleib nur durch
*[[Wikipedia:Albert Einstein|Albert Einstein]] sagte 1935 über die Geheimlehe: ''It’s a very strange book, and I’ve even told Prof. [[Wikipedia:Werner Heisenberg|Heisenberg]], my fellow physicist, to get a copy and keep it on his desk.  I urged him to dip into it when he’s handicapped by some problem.  The strangeness of this book may relax or possibly inspire him.... For instance, here is something she said which intrigued me, and I’m astonished how much in keeping it is with modern physics.... This is sufficient to show how absurd are the simultaneous admissions of the non-divisibility and elasticity of the atom.  The atom is elastic, ergo, the atom is divisible, and must consist of particles, or of sub-atoms. And these sub-atoms?  They are either non-elastic, and in such case they represent no dynamic importance, or, they are elastic also; and in that case, they, too, are subject to divisibility.  And thus ad infinitum.  But infinite divisibility of atoms resolves matter into simple centers of force, i.e., precludes the possibility of conceiving matter as an objective substance. There are many other significant statements of hers which I find interesting....''<ref>John Algeo, Theosophy and the Zeitgeist: http://www.austheos.org.au/topics/Algeo-Zeitgeist.htm</ref> <br>(Es ist ein sehr merkwürdiges Buch und ich habe gerade meinem Physikerkollegen Prof. [[Wikipedia:Werner Heisenberg|Heisenberg]] gesagt, er soll sich um ein eigenes Exemplar bemühen um es auf seinem Schreibtisch bereit zu halten. Ich drängte ihn, einen Blick in das Buch zu werfen, wenn er durch irgendein Problem behindert wird. Die Eigenartigkeit dieses Buches kann ihn entspannen oder vielleicht anfeuern .... Beispielsweise sagte sie [Blavatsky] hier etwas, das mich faszinierte und ich war erstaunt, wieviel Übereinstimmung hier mit moderner Physik besteht .... Dies zeigt hinlänglich, wie absurd die simultanen Aufnahmen der Nichtteilbarkeit und der Elastizität des Atoms sind. Das Atom ist elastisch, also ist das Atom teilbar und muß aus Partikeln oder Sub-Atomen zusammengesetzt sein. Und diese Sub-Atome? Sie sind entweder nicht elastisch, und in einem solchen Fall stellen sie keinen dynamischen Wert dar, oder, sie sind auch elastisch; und in diesem Fall, sind sie überdies auch abhängig von Teilbarkeit. Und folglich endlos. Aber endlose Teilbarkeit der Atome löst den Gegenstand in einfache Wirkung auf den Schwerpunkt, d.h. es schließt die Möglichkeit des Begreifens der Angelegenheit als objektive Substanz aus. Es gibt viele weitere bedeutende Aussagen von ihr [Blavatsky], die ich interessant finde ....)
einen ganz dünnen Stiel verbunden sind. Das ist ein Beispiel dafür,
 
wie auch in der physischen Welt zwei zueinandergehörige Teile nur
== Quellen ==
durch eine Verbindung von sehr geringer Ausdehnung zusammengehalten
<references/>
werden. In der astralischen Welt kann es nun vorkommen,
daß sogar überhaupt keine Verbindung zwischen zwei Teilen da ist
und dennoch der eine Teil zum anderen gehört und diese Zugehörigkeit
durchaus empfunden wird. Im Astralleib kann sich der Mensch
an den verschiedensten Orten zugleich befinden. Wenn ein Mensch,
der durch das Kamaloka hindurchgeht, in seinem Erdenleben einmal
einem anderen einen physischen oder seelischen Schmerz zugefügt hat
und im Rückwärtserleben zu diesem Zeitpunkt gelangt, dann fühlt
er sich in dem anderen darin und erlebt dessen Schmerz in seinem
eigenen Astralleibe. Alle Erlebnisse und Taten des vorangegangenen
Erdenlebens werden in diesem Empfindungsspiegel zum zweitenmal
vorgefunden. Das ist auch ein Teil des Kamalokalebens." {{Lit|{{G|096|181f}}}}
</div>


== Literatur ==
== Literatur ==
*Robert Froebe (Übers.): ''Die Geheimlehre''. Theosophisches Verlagshaus, Leipzig 1899 (vollständige 4-bändige Ausgabe als Reprint bei: Edition 3 Masques, Burgh-Haamstede 1998. ISBN 3-927837-59-8)
#Rudolf Steiner: ''Die Verbindung zwischen Lebenden und Toten'', [[GA 168]] (1995), ISBN 3-7274-1680-7 {{Vorträge|168}}
*Hank Troemel (Hrsg.): ''Die Geheimlehre''. Nikol, Hamburg 2005. ISBN 3-937872-04-3 (neueste gekürzte Ausgabe)
#Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), ISBN 3-7274-0961-4 {{Vorträge|096}}
*Helena Petrovna Blavatsky: ''Secret Doctrine Commentary, Stanzas I-IV, Transactions of the Blavatsky Lodge''. Theosophical University Press, Pasadena 1994, ISBN 9781557000286 (Erläuterungen zur Geheimlehre, aus Gesprächen zwischen Blavatsky und Mitgliedern der ''Blavatsky Lodge'')
*Ianthe H. Hoskins (Hrsg.): ''Grundlehren der esoterischen Philosophie''. Adyar-Verlag, Graz 1981. ISBN 3-85005-067-X. (sehr kurzes grundlegendes Lehrbuch mit kommentierten Auszügen der wesentlichsten Teile der Geheimlehre)
 
== Weblinks ==
* Geheimlehre von Blavatsky Online: [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/theosophie/Blavatsky_Geheimlehre_I.pdf Band I (PDF, 3,6 Mb)] und [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/theosophie/Blavatsky_Geheimlehre_II.pdf Band II (PDF, 4,8 Mb)]
*[http://www.secretdoctrine.net The Secret Doctrine]
*[http://www.blavatsky.net/blavatsky/secret_doctrine/secret_doctrine.htm The Secret Doctrine (Englisch)]
*[http://www.theosophy.de/biblio.htm Die Geheimlehre in Deutsch] Band Eins und Zwei der Geheimlehre in deutscher Sprache online
*[http://www.geheimlehre.de Über die Gründerin der Theosophischen Gesellschaft und ihr Hauptwerk "Die Geheimlehre"]
*[http://nsl-forum.com/lager/u0692Adyar_GL_3.pdf Kritik an der aktuellen gekürzten Neuübersetzung der Geheimlehre von Hank Troemel] (PDF, 348 kb)


[[Kategorie:Theosophie|Geheimlehre]]
{{GA}}


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Tod]]

Version vom 24. Juli 2011, 09:03 Uhr

Aus anthroposophischer Sicht stellt sich das Todeserlebnis so dar: Der Tod löscht das Leben, dem eine eigenständige feinstoffliche, ätherische Realität zukommt, nicht aus, aber es trennt sich endgültig vom physischen Körper, worauf dieser unausweichlich dem Verfall anheim gegeben wird. Im Todesmoment steigern sich die Todesprozesse, die uns schon während unseres ganzen Erdenlebens die Grundlage für unser Bewusstsein geben, in ungeheurem Maße. Im Moment des Todes leuchtet das Bewusstsein derart hell auf, wie wir es während unseres Erdenlebens niemals erfahren können. Immer wieder berichten Menschen, die bereits an die Schwelle des Todes gekommen sind, aber noch einmal zurückgeholt werden konnten, aus ihrer Nahtod-Erfahrung von diesem strahlenden Lichterlebnis, das entsteht, wenn die ganzen Lebenskräfte aus dem physischen Körper herausgeschleudert werden und ihren gewaltigen Widerhall in der Seele erregen. Das Bewusstsein, das mit dem Tod erwacht, ist ungleich stärker, reicher und wirklichkeitsgesättigter als unser irdisches waches Tagesbewusstsein. So stark ist dieses im Tod aufstrahlende Bewusstseinslicht, dass es dem Toten sein ganzes weiteres Dasein erhellt. So intensiv und blendend ist dieses Seelenlicht, dass der Tote darin zunächst gar keine Einzelheiten unterscheiden kann, und nur indem es sich allmählich abdämpft, werden einzelne Details wahrnehmbar.

Für das Selbstbewusstsein nach dem Tod ist das Todeserlebnis von entscheidender Bedeutung:

"Würden wir beim Durchgang durch die Todespforte dieses Erlebnis nicht haben können, das wir wissentlich mitmachen, das Weggehen unseres physischen Leibes, so würden wir nach dem Tode niemals ein Ich-Bewußtsein entfalten können! Das Ich-Bewußtsein nach dem Tode wird angeregt durch dieses Erleben des Hinweggehens des physischen Leibes. Für den Toten ist es von größter Bedeutung: Ich sehe meinen physischen Leib von mir hinwegschwinden. - Und das andere: Ich sehe aus diesem Ereignis heraus in mir selber die Empfindung erwachsen: Ich bin ein Ich. - Man kann das paradoxe Wort aussprechen: Könnten wir unseren Tod nicht erleben von der anderen Seite, würden wir nach dem Tode nicht ein Ich-Bewußtsein haben können. - So wahr die Menschenseele, wenn sie durch die Geburt oder auch schon durch die Empfängnis ins Dasein tritt, sich nach und nach dem Gebrauche des physischen Apparates anpaßt und dadurch das Ich-Bewußtsein im Leibe gewinnt, so wahr gewinnt das Menschenwesen das Ich-Bewußtsein nach dem Tode von der anderen Seite des Daseins dadurch, daß es das Abfallen des physischen Leibes von dem Gesamtmenschen erlebt." (Lit.: GA 168, S. 13f)

Nachdem mit dem Tod der physische Leib abgelegt wurde, lebt der Tote zunächst in seinen drei höheren, nur übersinnlich erfahrbaren Wesensgliedern weiter. Das sind: der Ätherleib, der Seelenleib und das Ich. Da wir nun nicht mehr mit dem physischen Leib verbunden sind, verändert sich das Bewusstsein zwangsläufig ganz entscheidend. Alles das, was wir durch die physischen Sinnesorgane während des Erdenlebens wahrnehmen konnten, verschwindet bald. Ebenso die abstrakten Gedanken, die auf das physische Werkzeug des Gehirns angewiesen sind. Das heißt aber nicht weniger, als dass das meiste, was wir auf Erden im wachen Tagesbewusstsein erleben konnten, für uns sehr bald nicht mehr greifbar ist. Nur eine ganze kurze Zeit lang können gelegentlich die Sinneswahrnehmung und das abstrakte Denken aufrechterhalten werden, da es ja im Grunde nicht die physischen Organe sind, die wahrnehmen, sondern letztlich das selbstbewusste Ich, das mit Hilfe des Seelenleibes und des Ätherleibes durch die Sinnesorgane in Kontakt mit der Außenwelt kommt. Die physischen Organe prägen dem Ätherleib und dem Seelenleib nur ganz spezifische Gewohnheiten auf, wie sie für die sinnliche Wahrnehmung nötig sind. Solange der Ätherleib und der Seelenleib diese Gewohnheiten beibehalten, ist eine eingeschränkte sinnliche Wahrnehmung noch möglich. Es entstehen dann Erlebnisse, wie sie gelegentlich von Menschen geschildert werden, die nahe an den Tod herangekommen sind und später berichten, wie sie sich dann außerhalb ihres physischen Körpers wiedergefunden haben, sich dabei als über ihm schwebend empfanden und auf ihn herabblicken konnten und auch bewusst miterlebten, was Ärzte und Retter sprachen und taten, um sie wieder ins Leben zurückzurufen. Derartige außerkörperliche Erfahrungen sind gar nicht so selten. Auch ohne in unmittelbare Todesnähe zu kommen, treten sie gelegentlich spontan auf. Sie beruhen stets darauf, dass sich die drei höheren Wesensglieder zumindest teilweise vom physischen Körper lösen, aber noch die der physischen Welt angemessenen Gewohnheiten beibehalten.

Was uns zunächst bleibt, wenn die äußere Wahrnehmung und das Verstandesdenken schließlich vollständig dahinschwinden, ist der Blick in bzw. auf den eigenen Ätherleib. Er ist es, der das blendende Bewusstseinslicht in der Seele erregt, wenn er sich dem physischen Körper entreißt. Unser Bewusstsein, wie wir es uns auf Erden erworben haben, ist zunächst viel zu schwach um diese blendende Fülle zu bewältigen. Der allergrößte Teil der Bildekräftetätigkeit war ja während des irdischen Lebens der beständigen Erhaltung und Regeneration des physischen Leibes zugewendet und blieb uns deshalb völlig unbewusst; nur ein sehr, sehr geringer Teil der Lebenskräfte wurde in das seelische Erleben zurückgespiegelt, und nur diesen Teil vermag der Tote zunächst bewusst zu erfassen. Was also ist der Inhalt dieses Bewusstseins? Sinneswahrnehmung und Verstandesdenken sind es nicht mehr – dafür aber die Erinnerungen an das, was wir wahrgenommen und gedacht haben! Der Ätherleib ist nämlich der eigentliche Träger des Gedächtnises. Während unseres Erdenlebens können wir uns an viele Dinge, die wir erlebt haben, nur sehr schwach erinnern, an manche gar nicht mehr. Nach dem Tod leuchtet das Gedächtnis mit ungeheurer Stärke auf und zeigt uns das vergangene irdische Leben als lückenloses Lebenspanorama. Alle Erlebnisse, die wir hatten, stehen gleichzeitig und ganz deutlich vor unserem Seelenblick. Alles, was wir längst vergessen glaubten, erleben wir nun noch einmal, aber mit der nüchternen Distanz eines neutralen Beobachters, was daran liegt, dass sich der Ätherleib bereits vom Seelenleib zu lösen beginnt und gleichsam von außen angeschaut wird, was während des wachen Erdenlebens niemals der Fall ist. Die Zeit spielt hier keine Rolle mehr. Ähnliche Phänomene kennt man ja auch aus dem Traumleben, wo sich innerhalb von Sekundenbruchteilen ein ganzes gewaltiges Traumdrama entrollen kann.

Man wird das Ganze noch besser verstehen, wenn man sich vor Augen hält, wie das Gedächtnis des auf Erden verkörperten Menschen eigentlich funktioniert. Was immer die Seele augenblicklich erlebt, lebt der Ätherleib sehr stark mit - denn im Wachzustand sind Ätherleib und Seelenleib ganz stark mit einander verbunden - und bewahrt es als dynamische innere Lebenstätigkeit auf. Diese durch das seelische Erleben erregte Lebenstätigkeit greift sehr bald auf den physischen Körper über und prägt diesem entsprechende Spuren ein. Damit diese Spuren auch ein Leben lang erhalten bleiben, muss sie der Ätherleib beständig regenerieren. Der Ätherleib nimmt also das seelische Erleben auf, setzt es in eine entsprechende Lebenstätigkeit um und gräbt diese dem Körper ein. Damit wird aber das, was wir seelisch erlebt haben, zunächst in die Tiefe des physischen Organismus hinein „vergessen“. Denn wenn sich die Bildekräftetätigkeit ganz dem Körper zuwendet, kann sie keine seelischen Bilder mehr erregen. Das entspricht auch durchaus unserer alltäglichen Erfahrung, denn wir tragen das, was wir einmal erlebt haben nicht ununterbrochen im Bewusstsein, und es ist, wie mancher Prüfling schmerzlich bemerken muss, oft sehr mühevoll, Erlerntes wieder ins Bewusstsein heraufzuheben. In der frühesten Kindheit verbindet sich das, was wir erleben, am aller stärksten mit dem physischen Leib. Nur flüchtige Reflexe spiegeln sich in der Seele wider und fast alles gerinnt zu körperlichen Strukturen. Alles, was wir als kleines Kind wahrnehmen, prägt sich dem Organismus so stark ein, dass wir uns später niemals daran erinnern können. Was wir als Baby nahezu bewusstlos wahrnehmen, gestaltet so überhaupt erst die Feinstruktur des Gehirns aus. Relativ leicht erinnern können wir uns nur an das, was wir mit dem voll erwachten Ichbewusstsein erlebt haben. Die dadurch gebildeten Gedächtnisspuren graben sich dem Organismus nur sehr oberflächlich ein. Die traumartigen Erlebnisse des Seelenleibes heften sich schon wesentlich stärker an den physischen Leib und können darum nur sehr viel schwerer wieder dem Dunkel des Vergessens entrissen werden. Deswegen können wir uns auch an die meisten nächtlichen Träume nur sehr wenig erinnern. Erst nach dem Tod werden uns die Erfahrungen des Seelenleibes lückenlos zugänglich. Tatsächlich ist das, was wir mittels des Seelenleibes erleben, sehr viel reicher als das, was wir mit dem vollen Selbstbewusstsein begleiten. Unser Selbstbewusstsein ist eben noch sehr schwach ausgebildet. Das nachtodliche Lebenspanorama zeigt uns daher vor allem jene Erfahrungen, deren wir uns auf Erden gar nicht so recht bewusst geworden sind, oder die wir gewaltsam in die tieferen Bewusstseinsschichten verdrängt haben. Das Lebenspanorama, das sich nach dem Tod unserem Seelenblick zeigt, unterscheidet sich daher doch sehr wesentlich von unserem irdischen Erinnerungsvermögen.

Was geschieht also, wenn wir uns an etwas erinnern? Erinnern heißt, dass wir die ätherischen Bildekräfte, welche die physischen Gedächtnisspuren beständig regenerieren, vom Körper abziehen und in das seelische Erleben zurückleiten. Die physischen Gedächtnisspuren beginnen sich dadurch aufzulösen, und nur wenn wir das Erinnerte wieder aus dem Bewusstsein entlassen, kann sie der Ätherleib dem physischen Körper neuerlich, vielleicht in modifizierter Form wieder einprägen. Es wäre also wahrscheinlich nicht sehr gesund, wenn wir uns an die frühesten Kindheitserlebnisse erinnern würden, denn dann könnte die Feinstruktur unseres Gehirns sehr leicht beschädigt werden. Erleben, Vergessen und Erinnern stellen einen wichtigen Lebenszyklus dar, durch den unser physischer Leib immer wieder nach Maßgabe unserer Lebenserfahrungen ganz leise umgestaltet und diesen angepasst wird. Bei den Tieren ist dieser Lebenszyklus beinahe ausschließlich auf eine kurze, sehr frühe Lebensepoche beschränkt. Beim Menschen ist diese Fähigkeit am stärksten in der frühen Kindheit ausgeprägt; mit zunehmendem Alter beginnt sich der Ätherleib bereits ganz vorsichtig vom physischen Leib zu trennen. Es fällt uns dann immer schwerer, Gedächtnisspuren unserem Organismus einzugraben, dafür tauchen aber plötzlich Jugenderlebnis wieder auf, an die man sich während des ganzen Lebens davor nicht erinnern konnte. Dieses Phänomen findet man bei älteren Menschen ja sehr häufig.

Solange wir auf Erden leben, sind die ätherischen Bildekräfte sehr stark dem physischen Leib zugewendet und verhindern dessen Zerfall. Nach dem Tod, wenn der physische Leib wegfällt, folgen sie ihrer inneren kosmischen Lichtnatur und gliedern sich dem kosmischen Geschehen ein. Schon wenige Tage nach dem Tod beginnt sich der Ätherleib normalerweise aufzulösen, wodurch auch das Lebenspanorama allmählich verblasst, gleichsam dünn und durchsichtig wird und nun anderen Erlebnissen Platz macht, die viel inniger mit unserem inneren Seelenwesen verbunden sind als dieser nüchterne Gesamtüberblick über die äußeren Geschehnisse des vergangenen Erdenlebens.

Der Tote tritt dann in jenen Bereich über, der in der geisteswisenschaftlichen Terminologie als Kamaloka, in der christlich-abendländischen Ausdrucksweise als Fegefeuer bezeichnet wird.

"Gleichzeitig mit dem Erinnerungsbilde empfindet der Mensch, daß er immer größer und größer wird. Die Bilder, die ihn umgeben, welche die Bilder des vergangenen Lebens sind, vergrößern sich ebenfalls. Indem der Mensch sich noch im Ätherleib befindet, wächst er sozusagen in seine Umgebung hinein. Wenn der im Ätherleib befindliche Mensch ein Ereignis erlebt hat, das sich fünfzig Meilen entfernt abgespielt hat, dann ist das so, als ob er sich bis zu dem Schauplatz des Ereignisses ausdehnte. Wenn er einmal in Amerika war, fühlt er sich hinauswachsen bis nach Amerika. Im Ätherleib empfindet der Mensch das Immer-größer-Werden. Im Astralleib fühlt er sich dagegen auf gestückelt in verschiedene einzelne Teile. Er empfindet den astralischen Leib keineswegs als eine räumliche Einheit. Es gibt zum Beispiel Gallwespen, deren Vorder- und Hinterleib nur durch einen ganz dünnen Stiel verbunden sind. Das ist ein Beispiel dafür, wie auch in der physischen Welt zwei zueinandergehörige Teile nur durch eine Verbindung von sehr geringer Ausdehnung zusammengehalten werden. In der astralischen Welt kann es nun vorkommen, daß sogar überhaupt keine Verbindung zwischen zwei Teilen da ist und dennoch der eine Teil zum anderen gehört und diese Zugehörigkeit durchaus empfunden wird. Im Astralleib kann sich der Mensch an den verschiedensten Orten zugleich befinden. Wenn ein Mensch, der durch das Kamaloka hindurchgeht, in seinem Erdenleben einmal einem anderen einen physischen oder seelischen Schmerz zugefügt hat und im Rückwärtserleben zu diesem Zeitpunkt gelangt, dann fühlt er sich in dem anderen darin und erlebt dessen Schmerz in seinem eigenen Astralleibe. Alle Erlebnisse und Taten des vorangegangenen Erdenlebens werden in diesem Empfindungsspiegel zum zweitenmal vorgefunden. Das ist auch ein Teil des Kamalokalebens." (Lit.: GA 096, S. 181f)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Die Verbindung zwischen Lebenden und Toten, GA 168 (1995), ISBN 3-7274-1680-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft, GA 96 (1989), ISBN 3-7274-0961-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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