Sozinianismus

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Faustus Socinus.

Der Sozinianismus (Socianismus, Sozianismus) ist eine antitrinitarische Bewegung, die den Glaubenssatz, dass der auferstandende Mensch Jesus Christus Mensch und Gott zugleich sein könne, für widervernünftig hält. Sie breitete sich im 16. und 17. Jahrhundert in Europa aus und wurde nach ihren bedeutendsten Vertretern, dem italienischen Antitrinitarier Lelio Sozzini und seinem Neffen Fausto Sozzini, benannt.

Lehre

Der Sozinianismus zeichnet sich aus durch einen Kampf gegen das Trinitätsdogma und Ablehnung der Lehre von Präexistenz und Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und damit auch einer lediglich symbolischen Deutung des Abendmahls, durch rationalistische Bibelauslegung, humanistische Toleranz und Zurückweisung aller christlichen Konfessionen. In diesem Sinne kann er als Vorläufer des Deismus und des Rationalismus angesehen werden. Die Ablehnung der Feudalhierarchie, der die Idee von der Gleichheit aller Menschen gegenübergestellt wurde, sowie die Verurteilung des Krieges, verbunden mit der Ablehnung des Kriegsdienstes, gehen auf den Einfluss des Täufertums und der mährischen Täufer zurück. Deren urchristliche Ideale fanden zeitweise bei den nichtadeligen Schichten Einfluss, die die wesentliche soziale Grundlage des Sozinianismus ausmachten.

Geschichte

Das Zentrum des Sozinianismus war die polnische Stadt Raków, wo sich die sogenannten Polnischen Brüder 1564 von der Reformierten Kirche in Polen als Ecclesia minor abspalteten. Die Ausbreitung sozinianischen Ideengutes in vielen europäischen Ländern wurde durch die Anfang des 17. Jahrhunderts im Zuge des Erstarkens der katholischen Gegenreformation auch in Polen einsetzende Verfolgung und Vertreibung der Sozinianer gefördert. Raków wurde 1638 von der Gegenreformation zerstört. 1659 wurden die Sozinianer des Landes verwiesen. Einige entgingen der Ausweisung, indem sie pro forma zum Protestantismus übertraten. Nach einem Religionsgespräch mit den Jesuiten verließen auch die letzten Polen.[1]

In England waren es besonders John Biddle (1615–1662), Isaac Newton und John Locke, in Frankreich Voltaire, die sich mit ihren Lehren auseinandersetzten, wodurch diese Einfluss auf die frühe Periode der Aufklärung gewannen. In der Unitarischen Kirche von Siebenbürgen, in den unitarischen Kirchen von England und den USA leben die sozinianischen Ideen bis ins 18. Jahrhundert fort (siehe auch Unitarismus (Religion)). Unter rationalistischem Einfluss lehnten weite Teile des Unitarismus im Laufe des 19. Jahrhunderts auch Jungfrauengeburt, Wunder und die Inspiration der Bibel ab.

Seit 1848 vertreten neben den wenigen christlichen Unitariern vor allem die international mit etwa 60.000 Anhängern verbreiteten Christadelphians eine sozinianische Theologie.[2] Ab 1930 gab es verschiedene Versuche, die polnischen Brüder in Polen neu zu beleben, doch fanden sich nur wenige Anhängern. In Ländern wie Siebenbürgen und Großbritannien bestehen jedoch bis heute noch christlich-unitarische Kirchen.

Siehe auch

Literatur

  • Kestutis Daugirdas: Die Anfänge des Sozinianismus: Genese und Eindringen des historisch-ethischen Religionsmodells in den universitären Diskurs der Evangelischen in Europa. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-647-10142-2.
  • Fritz Mauthner: Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande., 4 Bände, zuletzt hrsg. von Ludger Lütkehaus, Alibri, Aschaffenburg 2011, Digitalisate (ohne OCR) der Erstauflage in der französischen Nationalbibliothek; Band 1: Einleitung. Teufelsfurcht und Aufklärung im sogenannten Mittelalter (Digitalisat), 1920; Kap. 31, Abschnitt 18–21: Die Reformation in Italien, Der Socinianismus, Die Socinianer in Polen, Gegenreformation.[3]
  • Christoph Schmidt: Pilger, Popen und Propheten: Eine Religionsgeschichte Osteuropas, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2014, ISBN 978-3-657-77265-0, S. 127–177: 7. Von West nach Ost: Die Täufer und 8. Zwischen Ost und West: Die Unierte Kirche.
  • Friedrich Trechsel: Michael Servet und seine Vorgänger: nach Quellen und Urkunden geschichtlich dargestellt. Die protestantischen Antitrinitarier vor Faustus Socin, Band 1, Verlag K. Winter, Heidelberg 1839 (Originale in Lausanne & Harvard University; digitalisiert 2008).
  • Friedrich Trechsel: Lelio Sozini und die Antitrinitarier seiner Zeit: nach Quellen und Urkunden geschichtlich dargestellt. Die protestantischen Antitrinitarier vor Faustus Socin, Band 2, Verlag K. Winter, Heidelberg 1844.
  • Siegfried Wollgast: Der Sozinianismus und die deutsche Frühaufklärung. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 21, 2002, S. 397–445.
  • derselbe: Morphologie schlesischer Religiosität in der frühen Neuzeit: Sozinianismus und Täufertum. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 22, 2003, S. 419–448.
  • Paul Wrzecionko (Hg.): Reformation und Frühaufklärung in Polen: Studien über den Sozinianismus und seinen Einfluss auf das westeuropäische Denken im 17. Jahrhundert, Band 14 von Monographienreihe, Kirche im Osten, Vandenhoeck & Ruprecht, 1977, ISBN 978-3-525-56431-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Georg Wilhelm Theodor Fischer: Versuch einer Geschichte der Reformation in Polen. Grätz 1855, S. 380–382.
  2. Alan Eyre: The little ecclesia in Poland.
  3. Im Volltext im Projekt Gutenberg: Fritz Mauthner: Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande.
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