Gewinnstreben und Geschichte: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Gewinnstreben''' im volkswirtschaftlichen, nicht im moralischen Sinn, ist der Motor des [[Wirtschaftsleben]]s. Nach [[Rudolf Steiner]] ist der '''Gewinn''' volkswirtschaftlich gesehen dasjenige, was im physikalischen Prozess die [[Wikipedia:Masse|Masse]] ist.
'''Geschichte''' umfasst im weitesten Sinn alles, was im Lauf der [[Zeit]] geschehen ist. Im engeren Sinn wird darunter, im Unterschied zur [[Naturgeschichte]], die [[Menschheitsgeschichte]], also die ''historische'' und [[kultur]]elle [[Entwicklung]] der [[Menschheit]] verstanden.


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{{GZ|Dasjenige, was heute als Geschichte angesehen wird, das ist nicht
[[Datei:GA340 144.gif|thumb|250px|Zeichnung 6]]
viel älter als hundert Jahre. Vorher notierte man Denkwürdigkeiten,
"Nun handelt es sich darum, daß wir, wenn wir irgend bearbeitete
notierte man «Geschichten»; aber was man Weltgeschichte nennt,
Natur oder gegliederte Arbeit im volkswirtschaftlichen Prozeß drinnen
dieses Verfolgen eines Fadens durch die Menschheitsentwickelung,
haben, daß wir dann untersuchen müssen, was gewissermaßen diese
das ist nicht älter als ein bißchen mehr als hundert Jahre.|177|259f}}
volkswirtschaftlichen Elemente in Bewegung, in Zirkulation bringt.
Es ist gestern an einer andern Stelle darauf aufmerksam gemacht worden,
daß man ja in das volkswirtschaftliche Denken hineinbringen
sollte die Arbeit, die im Wirtschaftsprozeß tätig ist, ebenso wie zum
Beispiel der Physiker die Arbeit in sein physikalisches Denken hineinbringt.
Da muß dann gesagt werden: Ja, der Physiker bringt in sein
physikalisches Denken die Arbeit dadurch hinein, daß er eine Formel
sich ausbildet, in der Masse und Geschwindigkeit ist. - Nicht wahr,
Masse aber ist etwas, was wir durch die Waage bestimmen. Wir haben
also eine Möglichkeit, die Masse durch die Waage zu bestimmen.
Ohne daß wir die Masse durch die Waage bestimmen könnten, hätten
wir nichts, was da fortschreitet im physikalischen Arbeitsprozeß. Die
Frage muß für uns entstehen: Ist nun etwas Ähnliches auch vorhanden
im volkswirtschaftlichen Prozeß, so daß die Arbeit den Dingen Wert
erteilt und auch später das geistige Eingreifen wieder den Dingen
Wert erteilt? Ist im volkswirtschaftlichen Prozeß etwas drinnen, das
sich vergleichen läßt gewissermaßen mit dem Gewichte, das irgendein
Gegenstand hat, wenn man bei ihm reden will von physikalischer
Arbeit? Nun, wenn ich einfach schematisch aufzeichne den Fortgang der
volkswirtschaftlichen Einzelprozesse, so zeigt mir das, daß etwas da sein
muß, das die ganze Sache in Bewegung bringt, das gewissermaßen
die volkswirtschaftlichen Elemente
von hier (siehe Zeichnung 6) nach
hier drückt. Und die Sache würde noch bestimmter sein, wenn nicht nur von hier nach hier gedrückt
würde, sondern wenn auch extra von der anderen Seite eine Saugwirkung
stattfinden würde, wenn also das Ganze durch eine im volkswirtschaftlichen
Prozeß befindliche Kraft weitergetrieben würde. Dann
müßte in diesem volkswirtschaftlichen Prozeß etwas da sein, was
weitertreibt.


Nun, was ist das, was da weitertreibt? Ich habe es Ihnen gerade vorhin
{{GGZ|Früher hat man
gezeigt, daß fortwährend gewisse Kräfte entstehen, sowohl beim
Denkwürdigkeiten beschrieben. Nicht wahr, man bezeichnet es
Käufer wie beim Verkäufer; bei jedem, der mit dem anderen etwas zu
auch nicht als Geschichte, wenn jemand seine sogenannte Familiengeschichte
tun hat im volkswirtschaftlichen Prozeß, gar nicht im moralischen
aufschreibt. Sogar das Wort «Geschichte» ist gar nicht
Sinn, sondern im rein volkswirtschaftlichen Sinn, entsteht Vorteil und
alt. In andern Sprachen als in der deutschen Sprache ist das Wort
Gewinn. So daß es keine Stelle im volkswirtschaftlichen Prozeß gibt,
überhaupt nicht vorhanden, denn «Historie» hat einen ganz andern
wo nicht von Vorteil und Gewinn gesprochen werden muß. Und
ursprünglichen Zusammenhang. Früher sagte man in der Einzahl
dieser Gewinn, der ist nicht etwas bloß Abstraktes; dieser Gewinn, an
«das Geschieht», «das Geschieht der Apostel» zum Beispiel, das ist
dem hängt das unmittelbare wirtschaftliche Begehren des Menschen
das, was «geschieht». Und dann hat man die Mehrzahl gebildet: «die
und muß daran hängen. Ob der Betreffende Käufer oder Verkäufer ist,
Geschichte», was eigentlich nichts anderes ist als die Mehrzahl von
es hängt sein wirtschaftliches Begehren an diesem Gewinn, an diesem
«das Geschieht»; heute muß man sagen «die Geschichten». Aber
Vorteil. Und dieses Hängen an diesem Vorteil ist dasjenige, was
«die Geschichte» bedeuteten in der Schweiz noch vor hundertfünfzig
eigentlich den ganzen volkswirtschaftlichen Prozeß hervorbringt, was
Jahren die Mehrzahl von «das Geschieht», und das hat sich dann
die Kraft in ihm ist. Es ist dasjenige, was beim physikalischen Arbeitsprozeß
übertragen, indem man den Artikel geändert hat in «die Geschichte»
die Masse darstellt." {{Lit|{{G|340|144}}}}
- Singular - der Plural ist also später zum weiblichen Singular geworden.
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Dadurch ist das Wort Geschichte entstanden. Das können
Sie aus der Wortgeschichte verfolgen.
 
Einen Sinn wird der Begriff der Geschichte erst erhalten, wenn
geistige Impulse aufgefaßt werden. Da kann man sprechen von dem,
was wirklich geschieht, da kann man innerhalb gewisser Grenzen
sprechen von dem, was da hinter den Kulissen vorgeht. Die Grenzen
sind dadurch gegeben, daß man die Sache vergleicht mit dem, was
auch in der äußeren, physischen Welt ist. Man kann sagen, wie der
zukünftige Sonnenstand, sagen wir im nächsten Sommer sein wird,
aber nicht, wie das Wetter bis in alle Einzelheiten hinein sein wird,
das kann man nicht. So treten natürlich auch in der geistigen Welt
Dinge auf, die sich so wie das zukünftige Wetter zum zukünftigen
Sonnenstand verhalten. Aber im allgemeinen wird man etwas wissen
können über den Gang der Menschheitsentwickelung nur aus den
geistigen Impulsen heraus. Die Geschichte ist also embryonal, ist
heute noch nicht das, was sie sein soll, kann erst etwas werden, wenn
sie ihren hundertjährigen Bestand überleitet in die Betrachtung des
geistigen Lebens, das hinter dem äußeren Geschehen in der Menschheit
sich abspielt.|177|261f}}
 
== Geschichtliche Symptomatologie ==
 
{{Hauptartikel|Geschichtliche Symptomatologie}}
 
Um die tieferen Beweggründe des historischen Geschehens erfassen zu können, hat [[Rudolf Steiner]] eine [[geschichtliche Symptomatologie]] gefordert.
 
{{GZ|Man muß, wenn man Geschichte studiert, einen Sinn dafür haben, Symptomatologie zu treiben, das heißt, vieles von dem, was heute als Geschichte genommen wird, nur als Symptom aufzufassen für manches, was viel tiefer dahinterliegt, was wirklich die geistige Strömung ist, die diese Symptome nur trägt. Und so kommt dasjenige, was in den Tiefen der Menschheitsentwicklung ist, tatsächlich auch symptomatisch in diesen oder jenen Zeitkrankheiten zum Vorschein.|73a|240}}
 
Sehr ausführlich anhand vieler Beispiele hat Rudolf Steiner zu diesem Thema in seinen Vorträgen über «[[GA 185|Geschichtliche Symptomatologie]]» gesprochen.


== Literatur ==
== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Nationalökonomischer Kurs'', [[GA 340]] (2002), ISBN 3-7274-3400-7 {{Vorträge|340}}
 
#Rudolf Steiner: ''Fachwissenschaften und Anthroposophie'', [[GA 73a]] (2005), ISBN 3-7274-0735-2 {{Vorträge|073a}}
#Rudolf Steiner: ''Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis'', [[GA 177]] (1999), ISBN 3-7274-1771-4 {{Vorträge|177}}
#Rudolf Steiner: ''Geschichtliche Symptomatologie'', [[GA 185]] (1982), ISBN 3-7274-1850-8 {{Vorträge|185}}
#Rudolf Steiner: ''Die Weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung und als Grundlage der Erkenntnis des Menschengeistes'', [[GA 233]] (1991), ISBN 3-7274-2331-5 {{Vorträge|233}}
# Joachim Stiller: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_grundriss12_geschichtsphilosophiex.pdf Geschichtsphilosophie] PDF
 


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Soziales Leben]] [[Kategorie:Wirtschaft]]
== Weblinks ==
 
* [https://www.youtube.com/watch?v=Y-kuhfP6zlk Dietmar Hübner: Philosophie der Geschcihte] Einzelvorlesung an der Leibniz-Universität Hannover
 
[[Kategorie:Geschichte]] [[Kategorie:Menschheit]] [[Kategorie:Menschheitsentwicklung]]

Version vom 22. Juli 2017, 08:54 Uhr

Geschichte umfasst im weitesten Sinn alles, was im Lauf der Zeit geschehen ist. Im engeren Sinn wird darunter, im Unterschied zur Naturgeschichte, die Menschheitsgeschichte, also die historische und kulturelle Entwicklung der Menschheit verstanden.

„Dasjenige, was heute als Geschichte angesehen wird, das ist nicht viel älter als hundert Jahre. Vorher notierte man Denkwürdigkeiten, notierte man «Geschichten»; aber was man Weltgeschichte nennt, dieses Verfolgen eines Fadens durch die Menschheitsentwickelung, das ist nicht älter als ein bißchen mehr als hundert Jahre.“ (Lit.:GA 177, S. 259f)

„Früher hat man Denkwürdigkeiten beschrieben. Nicht wahr, man bezeichnet es auch nicht als Geschichte, wenn jemand seine sogenannte Familiengeschichte aufschreibt. Sogar das Wort «Geschichte» ist gar nicht alt. In andern Sprachen als in der deutschen Sprache ist das Wort überhaupt nicht vorhanden, denn «Historie» hat einen ganz andern ursprünglichen Zusammenhang. Früher sagte man in der Einzahl «das Geschieht», «das Geschieht der Apostel» zum Beispiel, das ist das, was «geschieht». Und dann hat man die Mehrzahl gebildet: «die Geschichte», was eigentlich nichts anderes ist als die Mehrzahl von «das Geschieht»; heute muß man sagen «die Geschichten». Aber «die Geschichte» bedeuteten in der Schweiz noch vor hundertfünfzig Jahren die Mehrzahl von «das Geschieht», und das hat sich dann übertragen, indem man den Artikel geändert hat in «die Geschichte» - Singular - der Plural ist also später zum weiblichen Singular geworden. Dadurch ist das Wort Geschichte entstanden. Das können Sie aus der Wortgeschichte verfolgen.

Einen Sinn wird der Begriff der Geschichte erst erhalten, wenn geistige Impulse aufgefaßt werden. Da kann man sprechen von dem, was wirklich geschieht, da kann man innerhalb gewisser Grenzen sprechen von dem, was da hinter den Kulissen vorgeht. Die Grenzen sind dadurch gegeben, daß man die Sache vergleicht mit dem, was auch in der äußeren, physischen Welt ist. Man kann sagen, wie der zukünftige Sonnenstand, sagen wir im nächsten Sommer sein wird, aber nicht, wie das Wetter bis in alle Einzelheiten hinein sein wird, das kann man nicht. So treten natürlich auch in der geistigen Welt Dinge auf, die sich so wie das zukünftige Wetter zum zukünftigen Sonnenstand verhalten. Aber im allgemeinen wird man etwas wissen können über den Gang der Menschheitsentwickelung nur aus den geistigen Impulsen heraus. Die Geschichte ist also embryonal, ist heute noch nicht das, was sie sein soll, kann erst etwas werden, wenn sie ihren hundertjährigen Bestand überleitet in die Betrachtung des geistigen Lebens, das hinter dem äußeren Geschehen in der Menschheit sich abspielt.“ (S. 261f)

Geschichtliche Symptomatologie

Um die tieferen Beweggründe des historischen Geschehens erfassen zu können, hat Rudolf Steiner eine geschichtliche Symptomatologie gefordert.

„Man muß, wenn man Geschichte studiert, einen Sinn dafür haben, Symptomatologie zu treiben, das heißt, vieles von dem, was heute als Geschichte genommen wird, nur als Symptom aufzufassen für manches, was viel tiefer dahinterliegt, was wirklich die geistige Strömung ist, die diese Symptome nur trägt. Und so kommt dasjenige, was in den Tiefen der Menschheitsentwicklung ist, tatsächlich auch symptomatisch in diesen oder jenen Zeitkrankheiten zum Vorschein.“ (Lit.:GA 73a, S. 240)

Sehr ausführlich anhand vieler Beispiele hat Rudolf Steiner zu diesem Thema in seinen Vorträgen über «Geschichtliche Symptomatologie» gesprochen.

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Fachwissenschaften und Anthroposophie, GA 73a (2005), ISBN 3-7274-0735-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis, GA 177 (1999), ISBN 3-7274-1771-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Geschichtliche Symptomatologie, GA 185 (1982), ISBN 3-7274-1850-8 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Die Weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung und als Grundlage der Erkenntnis des Menschengeistes, GA 233 (1991), ISBN 3-7274-2331-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  5. Joachim Stiller: Geschichtsphilosophie PDF


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