Freiheit und Schlangenkraft: Unterschied zwischen den Seiten

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#REDIRECT [[Kundalini]]
Die '''Freiheit''' des [[Mensch]]en, sein '''freier Wille''', liegt nach [[Rudolf Steiner]] darin begründet, dass er die Gesetze seines eigenen Handelns erkennen kann. Ausgangspunkt der Freiheit ist die '''Freiheit der Gedanken''', die sich der [[Mensch]] im reinen, sinnlichkeitsfreien [[Denken]] durch [[moralische Intuition]] erringen und dadurch sein Handeln frei gestalten kann.
 
<div style="margin-left: 20px;">
"Lesen Sie nach in meiner «Philosophie der Freiheit», was für einen großen Wert ich darauf gelegt habe, daß nicht gefragt werde nach der Freiheit des Willens. Der sitzt unten, tief unten im Unbewußten, und es ist ein Unsinn, nach der Freiheit des Willens zu fragen; sondern man kann nur von der Freiheit der Gedanken sprechen. Ich habe das in meiner «Philosophie der Freiheit» wohl auseinandergehalten. Die freien Gedanken müssen dann den Willen impulsieren, dann ist der Mensch frei." {{Lit|{{G|235|046ff}}}}
</div>
 
== Gedankenfreiheit und sittliche Autonomie ==
 
<div style="margin-left: 20px;">
"Es handelt sich dabei darum, daß man die Freiheit entwickelt hat zunächst im Gedanken. Im Gedanken geht der Quell der Freiheit auf. Der Mensch hat einfach ein unmittelbares Bewußtsein davon, daß er im Gedanken ein freies Wesen ist." {{Lit|{{G|235|054}}}}
</div>
 
Die [[Erkenntnis]] der Gesetzmäßigkeiten des eigenen Handelns ist zunächst nur ein Sonderfall des Erkennens überhaupt, doch indem die Erkenntnis sich auf die ''bewußte'' Tätigkeit des [[Ich]]s richtet, liegt diese Gesetzmäßigkeit nicht außerhalb des erkannten Objektes, des Ichs, sondern ist der Inhalt des im lebendigen Tun begriffenen Ich selbst, das diese Gesetze aus sich und der Einsicht in die Gegebenheiten hervorbringt. Erkennender und Erkanntes, [[Subjekt]] und [[Objekt]], 'fallen in eins', werden identisch, und damit beherrschen uns nicht mehr von außen gegebene sittliche Gebote und Gesetze, auch nicht mehr von innen aufgedrungene Handlungsweisen, sondern wir nehmen erstere in unser eigenes [[Wesen]] auf oder wir klären, was uns letztere abverlangen und vollziehen nur das, was wir uns selbst befehlen, d. h. was wir selbst zu bewußten Handlungsmotiven erhoben haben.
 
<div style="margin-left:20px">
"Wahrhaft ''unsere'' Handlungen sind ja doch nur
diejenigen, wo wir, den [[Pflicht]]begriff vollkommen beiseite
setzend, rein unsere Individualität walten lassen." {{Lit|{{G|038|143}}}}
</div>
 
Dadurch wird im Sinne Steiners die [[sittliche Autonomie]] und der [[Ethischer Individualismus|ethische Individualismus]] und eine durchgreifende [[Toleranz]] im Zusammenspiel von Mensch, Gesellschaft und Welt begründet. Voraussetzung dafür ist, dass man das [[Liebe|liebt]], was man aus Einsicht tut, d.h. sich in freier Hingabe mit dem Auszuführenden identifiziert und dabei die sozialen und natürlichen Bedingungen beachtet.  Daraus folgt die [[Grundmaxime der freien Menschen]], die [[Rudolf Steiner]] in seiner [[Philosophie der Freiheit]] so formuliert hat:
<div style="margin-left:20px">
"Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen." {{Lit|{{G|004|166}}}}
</div>
 
Seine Gedanken zur Freiheit hat Rudolf Steiner ausführlich in seinen grundlegenden [[Wikipedia:Philosophie|philosophischen]] Schriften dargestellt, vor allem am Anfang seines öffentlichen schriftstellerischen Wirkens in "[[Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller]]", "[[Wahrheit und Wissenschaft]]" und in "[[Die Philosophie der Freiheit]]" und später, da die Verwirklichung der Freiheitsidee schon eine lange Entwicklung der Bewußtseinskräfte innerhalb der Weltanschauungssysteme und damit des immer universeller werdenden individuellen Denkens in der Menschheit durchgemacht hat, aus der reifen Erfahrung seines jahrzehntelangen Umgangs mit dem in seinen frühen Werken konzipierten Erkenntnisweg in "[[Die Rätsel der Philosophie]]".
 
<div style="margin-left:20px">
"Wer dieses Buch, meine «Philosophie
der Freiheit» studiert, wird allerdings finden, daß ich genötigt
war, nicht von einer Freiheit des Willens zunächst zu
sprechen, sondern von der Freiheit dessen, was im Gedanken,
und zwar in dem sinnlichkeitsfreien Gedanken, im reinen
Gedanken, erlebt wird, in demjenigen Gedanken aber,
der in der menschlichen Seele bewußt als ein sittliches, als
ein moralisches Ideal auftaucht, und der diejenige Stärke erlangt,
die auf den Willen des Menschen motivierend wirken
kann. Wir können von Freiheit des Menschen sprechen,
wenn wir von jenen Handlungen des Menschen sprechen,
die aus seinem freien Denken heraus gestaltet werden, wo
der Mensch durch eine moralische Selbsterziehung dazu
kommt, daß ihn die Instinkte, die Triebe, die Emotionen,
sein Temperament nicht beeinflussen zu einer Handlung,
sondern allein die hingebungsvolle Liebe zu einer Handlung.
In dieser hingebungsvollen Liebe zu einer Handlung kann
sich entwickeln, was aus der idealen Stärke des reinen sittlichen
Gedankens hervorgeht. Das ist eine wirkliche freie
Handlung." {{Lit|{{G|079|128}}}}
</div>
 
=== Freiheit und Intellektualismus ===
 
Im [[Intellektualismus]] erstirbt unser geistiges Wesen, aber gerade dadurch wird uns die Möglichkeit zur Freiheit gegeben. Der [[Intellekt]] ist keine [[Wirklichkeit]], sondern bloßes [[Bild]] und kann uns daher nicht zwingen. Indem wir dieses Bild schöpferisch umgestalten und in  in voller Freiheit in unserem [[Denken]] die sittlichen Impulse gestalten, die unser Handeln leiten, verwirklichen wir damit zugleich unser ureigenstes geistiges Wesen.
 
<div style="margin-left:20px">
"Der Mensch
mußte intellektualistisch werden, damit er frei werden könne. Der
Mensch verliert im Intellektualismus sein geistiges Wesen, denn er kann
vom Intellektualismus nichts durch des Todes Pforte tragen. Aber er
erwirbt hier die Freiheit durch den Intellektualismus, und was er so
in Freiheit erwirbt, das kann er dann durch des Todes Pforte tragen.
 
Der Mensch mag also denken so viel er will auf bloße intellektualistische
Art - nichts davon geht durch des Todes Pforte. Allein wenn
der Mensch das Denken verwendet, um es in freien Handlungen auszuleben,
so geht so viel gewissermaßen als die geistig-seelische Substanz,
die ihn zum Wesen macht und nicht zum bloßen Wissen, mit ihm aus
seinen Freiheitserlebnissen durch des Todes Pforte. Im Denken wird
uns durch den Intellektualismus unser Menschenwesen genommen, um
uns zur Freiheit gelangen zu lassen. Was wir in Freiheit erleben, das
wird uns dann wiederum gegeben als menschliches Wesen. Der Intellektualismus
tötet uns, aber er belebt uns auch. Er läßt uns wieder auferstehen
mit völlig verwandelter Wesenheit, indem er uns zu freien
Menschen macht." {{Lit|{{G|207|170}}}}
</div>
 
=== Schein und Wirklichkeit ===
 
Wir können uns die Freiheit nur deswegen erringen, weil wir während unseres Erdenlebens mit unserem [[Tagesbewusstsein]] in einer Welt des bloßen [[Schein]]s leben.
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn wir unsere Sinne hinausrichten in unsere Weltumgebung zwischen
Geburt und Tod, dann stellt sich uns die Welt als Erscheinung,
als Schein dar [...]
 
Wenn aber der Mensch zwischen Geburt und Tod im heutigen Zeitalter
die Welt nicht als Schein wahrnehmen würde, wenn er den Schein
nicht erleben könnte, so könnte er ja nicht frei sein. Die Entwickelung
der Freiheit ist nur möglich in der Welt des Scheines. Ich habe das angedeutet
in meinem Buche «Vom Menschenrätsel», indem ich darauf
hingewiesen habe, daß eigentlich die Welt, die wir erleben, verglichen
werden kann mit den Bildern, die uns aus einem Spiegel heraus anschauen.
Diese Bilder, die uns aus einem Spiegel heraus anschauen, die
können uns nichts aufzwingen; sie sind eben nur Bilder, sie sind Schein.
Und so ist das, was der Mensch als Wahrnehmungswelt hat, auch
Schein.
 
Der Mensch ist ja durchaus nicht etwa ganz nur in den Schein der
Welt eingesponnen. Er ist nur mit seinem Wahrnehmen, das sein waches
Bewußtsein ausfüllt, eingesponnen in eine Scheinwelt. Aber wenn
der Mensch hinblickt auf seine Triebe, auf seine Instinkte, auf seine
Leidenschaften, auf seine Temperamente, auf all das, was heraufwogt
aus dem menschlichen Wesen, ohne daß er es zu klaren Vorstellungen
bringen kann, wenigstens zu wachen Vorstellungen, so ist ja das alles
nicht Schein. Es ist schon Wirklichkeit, aber eine Wirklichkeit, die
dem Menschen nicht vor das gegenwärtige Bewußtsein tritt. Der
Mensch lebt zwischen Geburt und Tod in einer wahren Welt, die er
nicht kennt, die aber niemals dazu angetan ist, ihm wirklich die Freiheit
zu geben. Instinkte, die ihn unfrei machen, kann sie ihm einpflanzen,
innere Notwendigkeiten kann sie hervorbringen, aber nie und
nimmer kann sie den Menschen die Freiheit erleben lassen. Die Freiheit
kann nur erlebt werden innerhalb einer Welt von Bildern, von Schein.
Und wir müssen eben, indem wir aufwachen, in ein Scheinwahrnehmungsleben
eintreten, damit sich da die Freiheit entwickeln kann." {{Lit|{{G|207|172f}}}}
</div>
 
Anders ist es zunächst im [[Leben zwischen Tod und neuer Geburt]]. Da tritt dem Menschen die Wirklichkeit der [[Geistige Welt|geistigen Welt]] entgegen und er wird dadurch von deren [[Notwendigkeit]] gefangengenommen. Was er sich aber im Erdenleben an Freiheit erworben hat, das kann er als sein Eigenwesen durch die Todespforte tragen und in der jenseitigen Welt geltend machen.
 
<div style="margin-left:20px">
"Das Leben im Scheine
ist ihm eigentlich nur gewährt zwischen der Geburt und dem Tode.
Der Mensch kommt heute nicht dazu, zwischen dem Tode und einer
neuen Geburt im Scheine zu leben. Er wird gewissermaßen gefangengenommen
von der Notwendigkeit, wenn er durch den Tod tritt [...]
 
Das ist die Entwickelung, in die der Mensch eingetreten ist mit der
Mitte des 15. Jahrhunderts. Aus dem Schein der Erde sind ihm verschwunden
die göttlich-geistigen Welten. In der Zeit zwischen dem
Tod und einer neuen Geburt nehmen ihn aber diese göttlich-geistigen
Welten so gefangen, daß er seine Selbständigkeit ihnen gegenüber nicht
bewahren kann. Nur, sagte ich, wenn der Mensch hier wirklich Freiheit
entwickelt, das heißt, wenn er seinen ganzen Menschen engagiert
für das Scheinleben, dann ist es ihm möglich, auch sein Eigenwesen
durch die Todespforte zu tragen." {{Lit|{{G|207|174f}}}}
</div>
 
Wirkt das Erleben der nachtodlichen Notwendigkeit zu stark in das nächste Erdenleben hinein, ensteht eine Gefahr, in der die gegenwärtige [[Menschheit]] tatsächlich schwebt:
 
<div style="margin-left:20px">
"Sie kann sich nicht recht einleben in die bloße
Welt der Phänomene, in die Welt des Scheines. Vor allen Dingen mit
dem inneren Leben kann sie sich nicht in diese Welt des Scheines einleben.
Sie will sich der Notwendigkeit, der inneren Notwendigkeit
übergeben, den Instinkten, Trieben, Leidenschaften. Wir sehen ja heute
wenig von dem verwirklicht, was aus der freien Impulsivität des reinen
Denkens hervorgeht. Aber ebensoviel als dem Menschen hier im
Leben zwischen Geburt und Tod mangelt an Freiheit, ebensoviel
kommt mit dem hypnotisierenden Zwange zwischen Tod und neuer
Geburt von Unfreiheit, von Notwendigkeit in der Wahrnehmung über
ihn. So daß dem Menschen die Gefahr droht, daß er durch die Todespforte
schreitet, sein eigenes Wesen nicht mitnehmen kann, aber für
die Wahrnehmungswelt sich nicht einlebt in etwas Freies, sondern in
etwas, was ihn untertauchen läßt in Zwangsverhältnisse, was ihn wie
erstarren macht in der äußeren Welt." {{Lit|{{G|207|178}}}}
</div>
 
== Die Wurzeln der menschlichen Freiheit ==
=== Der «[[Streit am Himmel]]» ===
 
{{Hauptartikel|Streit am Himmel}}
 
In der Übergangszeit von der [[Alte Sonne|alten Sonne]] zum [[Alter Mond|alten Mond]] fand der sogenannte [[Streit am Himmel]] statt. Dabei wurden [[Wesenheit]]en aus der [[Hierarchie]] der [[Dynameis]] ([[Geister der Bewegung]]) gleichsam ''"abkommandiert"'', um als [[Widersacher]] die fortschreitende Entwicklung zu hemmen, aber gerade dadurch einen neuen wesentlichen Evolutionssprung zu bewirken. Diese [[Mächte]] waren an sich noch nicht [[böse]] und hätten auch nicht aus eigenem [[Wille]]n zu hemmenden Kräften werden können. Aber indem sie Sturm liefen gegen die normale Entwicklung und der Evolution dadurch neue Wege eröffneten, wurde sie letzlich auch zu ''Erzeugern des Bösen'', ermöglichten aber gerade dadurch die Freiheit. Sie selbst hatten zwar diese Freiheit noch nicht, aber ein Teil der [[Engel]]wesenheiten, die auf dem alten Mond ihre [[Menschheit]]sstufe, d.h. ihre [[Ich]]-Entwicklung absolvierten, konnte sich durch den hemmenden Einfluss der Dynameis aus dem Willen der Gottheit befreien und eigene Ziele verfolgen. Sie wurden dadurch zu [[luziferisch]]en Geistern.
 
<div style="margin-left:20px">
"So sehen wir, daß in einer gewissen Beziehung erst dadurch, daß
die Mächte abkommandiert wurden, dem Menschen die Möglichkeit
gegeben wurde, aus sich selbst heraus das Ziel zu erreichen, das
selbst die höchsten Seraphim nicht aus sich selbst erreichen können.
Das ist das Wesentliche. Sie können gar nicht anders handeln, die
Seraphim, Cherubim, Throne, als unmittelbar den Impulsen folgen,
die die Gottheit gibt. Die Herrschaften, die ganze zweite Hierarchie
kann auch nicht anders handeln. Von den Mächten war eine Anzahl
abkommandiert; also auch diese Mächte, die sozusagen sich in den
Weg der Entwickelung warfen, konnten nicht anders als den Befehlen
der Gottheit folgen. Auch in dem, was man nennen könnte den
Ursprung des Bösen, auch da vollziehen sie nur den Willen der
Gottheit; indem sie sich zu Dienern des Bösen machen, vollziehen
sie nur den Willen der Gottheit, die durch den Umweg des Bösen
das starke Gute entwickeln will. Und steigen wir jetzt herunter zu
denjenigen Wesenheiten, die wir die Gewalten nennen: Durch sich
selbst hätten sie das nicht erreichen können. Auch sie hätten nicht
böse werden können durch sich selbst; auch nicht die Geister der
Persönlichkeit, auch nicht die Feuergeister. Denn als diese auf der
Sonne Menschen waren, da waren ja die Mächte noch nicht abkommandiert,
da war überhaupt noch keine Möglichkeit vorhanden,
böse zu werden. Die ersten, die die Möglichkeit hatten, böse zu
werden, waren die Engel, denn diese Möglichkeit war erst von der
Mondenentwickelung aus vorhanden. Da, von der Sonne zum
Mond, hat der Streit am Himmel stattgefunden. Ein Teil der Engel
hat nun diese Möglichkeit ausgeschlagen, hat sozusagen sich nicht
verführen lassen durch die Kräfte, die in die Hemmnisse hineinführen
sollten; die blieben bei der alten Natur. So daß wir bis zu den
Engeln herab und noch in einem Teil der Engel solche Wesenheiten
der geistigen Hierarchien vor uns haben, die unbedingt nicht anders
können, als dem göttlichen Willen folgen, bei denen es keine Möglichkeit
gibt, dem göttlichen Willen nicht zu folgen. Das ist das
Wesentliche.
 
Und nun kommen wir zu zwei Kategorien von Wesenheiten: Erstens
denjenigen Engeln, die sich hineingestürzt haben in das, was
die Mächte während des Streites am Himmel angerichtet haben. Das
waren solche Wesenheiten, die wir eben wegen ihrer weiteren Taten
die luziferischen Wesenheiten nennen. Diese Wesenheiten haben sich
dann herangemacht an den menschlichen Astralleib während der
Erdenentwickelung und dem Menschen die Möglichkeit des Bösen
gegeben, aber damit auch die Möglichkeit, aus eigener freier Kraft
sich zu entwickeln. So daß wir innerhalb der ganzen Stufenfolge der
Hierarchien nur bei einem Teil der Engel und beim Menschen die
Möglichkeit der Freiheit haben. Sozusagen mitten in der Reihe der
Engel beginnt die Möglichkeit der Freiheit; im Menschen ist sie aber
doch erst in der richtigen Weise ausgebildet. Als der Mensch die
Erde betrat, hat er allerdings zunächst verfallen müssen der großen
Gewalt der luziferischen Geister. Sie durchdrangen den Astralleib
des Menschen mit ihren Kräften, und das Ich wurde dadurch einbezogen
in diese Kräfte; so daß wir während der lemurischen und atlantischen
Entwickelung, und auch nachher noch, das Ich wie in einer
Wolke haben, wie in eine Wolke gehüllt, die herbeigeführt worden
ist durch die Einflüsse Luzifers. Der Mensch ist nur dadurch bewahrt
worden vor der Überwältigung durch die ihn herabziehenden Kräfte,
daß frühere Wesenheiten ihn überschattet haben, daß die Engel, die
oben geblieben waren, und die Erzengel oben, in besonderen Individuen
sich verkörpert und ihn geführt haben. Und das geschah bis
in jene Zeit hinein, wo etwas ganz Besonderes eintrat, wo eine Wesenheit,
welche bis dahin nur verbunden war mit dem Sonnendasein,
so weit gekommen war, daß sie jetzt nicht nur, wie frühere Wesenheiten
der höheren Welten, in den physischen Leib, Ätherleib und
Astralleib des Menschen hineintreten konnte, sondern daß sie eindringen
konnte in den Menschen bis in das Ich." {{Lit|{{G|110|166f}}}}
</div>
 
=== Christus und das Mysterium von Golgatha ===
Die luziferischen Geister ermöglichten es dem [[Mensch]]en, während der [[Erdentwicklung]] die Freiheit zu erlangen, nämlich die Freiheit, sich aus dem Willen der Gottheit zu befreien. Das ist aber nur die eine, die negative Seite der Freiheit. Der Mensch wäre dadurch allerdings den luziferischen Mächten verfallen, die in seinem [[Astralleib]] wirkten. Das konnte nur dadurch verhindert werden, dass sich der [[Christus]] selbst auf Erden inkarnierte. Der Christus wirkt unmittelbar durch das Ich des Menschen, aber er entäußert sich dabei jeglichen Machtanspruchs und ermöglicht es dadurch dem Menschen, sich aus freiem Entschluss zum Geistigen zu erheben. Erst dadurch wird die volle Freiheit verwirklicht.
 
<div style="margin-left:20px">
"... diese
Tat ist eine solche, daß sie auf keinen Menschen anders wirkt, als
wenn er sich selbst dazu entschließt, sie auf sich wirken zu lassen,
das heißt, wenn sie mit dem absolut freien Charakter seines individuellen
Ich vereinbar ist. Denn nicht genügt es, daß der Christus
anwesend wird im menschlichen Astralleib, sondern der Christus
muß, wenn er wirklich verstanden werden soll, im menschlichen Ich
anwesend werden. Und das Ich muß sich frei entschließen, den Christus
aufzunehmen. Das ist es, worauf es ankommt. Aber gerade
dadurch nimmt dieses menschliche Ich, wenn es sich mit dem Christus
verbindet, eine Realität in sich auf, eine göttliche Kraft, nicht
bloß eine Lehre. Daher kann hundertmal bewiesen werden, daß alle
Lehren des Christentums schon zu finden sind da oder dort; aber
darauf kommt es nicht an, sondern darauf, daß das Wesentliche im
Christentum die Tat ist, die nur durch eine freiwillige Erhebung
in die höheren Welten zum eigenen Besitz werden kann. Dadurch
also nimmt der Mensch die Christus-Kraft auf, daß er sie freiwillig
aufnimmt, und keiner kann sie aufnehmen, der sie nicht freiwillig
aufnimmt. Dies ist aber dem Menschen nur dadurch möglich geworden,
daß der Christus auf der Erde Mensch geworden ist, daß er
berufen war, auf der Erde Mensch zu werden." {{Lit|{{G|110|170}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Hätte der Gott, der mit dem Namen des
Vatergottes bezeichnet wird, es einst nicht zugelassen, daß die luziferischen
Einflüsse an den Menschen herankommen konnten, so hätte
der Mensch nicht die freie Ich-Anlage entwickelt. Mit dem luziferischen
Einfluß wurde die Anlage zum freien Ich entwickelt. Das
mußte zugelassen werden vom Vatergott. Nachdem aber das Ich —
um der Freiheit willen — in die Materie verstrickt werden mußte,
mußte nun, um von dem Verstricktsein in die Materie wieder befreit
zu werden, die ganze Liebe des Sohnes zu der Tat von Golgatha
führen. Dadurch allein ist Freiheit des Menschen, vollständige
menschliche Würde erst möglich geworden. Daß wir freie Wesen sein
können, das verdanken wir einer göttlichen Liebestat. So dürfen wir
uns als Menschen fühlen wie freie Wesen, dürfen aber nie vergessen,
daß wir diese Freiheit verdanken der Liebestat des Gottes. Wenn wir
so denken, wird schon der Gedanke in die Mitte unseres Fühlens
rücken: Du kannst zur menschlichen Würde kommen; nur eines darfst
du nicht vergessen, daß du das, was du bist, dem verdankst, der dir
wieder zurückgebracht hat dein menschliches Urbild durch die Erlösung
auf Golgatha! — Den Freiheitsgedanken sollten die Menschen
 
[[Datei:GA131_229.gif|center|500px|Mysterium von Golgatha]]
 
nicht ergreifen können ohne den Erlösungsgedanken des Christus.
Dann allein ist der Freiheitsgedanke ein berechtigter. Wenn wir frei
sein wollen, müssen wir das Opfer bringen, unsere Freiheit dem
Christus zu verdanken! Dann erst können wir sie wirklich wahrnehmen." {{Lit|{{G|131|228f}}}}
</div>
 
== Entwicklung zur Freiheit ==
 
Freiheit ist dem Menschen nicht von Anfang an gegeben, sondern er muss sie selbsttätig entwickeln, indem er sich zum reinen sinnlichkeitsfreien Denken erhebt und in diesem die [[moralische Intuition]] erlebt.
 
<div style="margin-left:20px">
"Man fragt: Ist der Mensch frei oder ist er
nicht frei? Ist der Mensch ein freies Wesen, das mit wirklicher Verantwortung
aus seiner Seele heraus die Entschlüsse fassen kann, oder ist er
eingespannt in eine natürliche oder geistige Notwendigkeit wie ein
Naturwesen? So hat man gefragt, ich möchte sagen, durch Jahrtausende,
und so fragt man noch. Diese Frage schon ist der große Irrtum.
 
Man kann so nicht fragen, sondern die Frage nach der Freiheit ist
eine Frage der menschlichen Entwicklung, einer solchen menschlichen
Entwicklung, daß der Mensch im Laufe seines Jugendlebens oder vielleicht
seines späteren Lebens Kräfte in sich entwickelt, die er nicht einfach
von Natur aus hat. Man kann gar nicht fragen: Ist der Mensch frei ?
Von Natur aus ist er es nicht, aber er kann sich immer mehr und mehr
frei machen, indem er Kräfte erweckt, die in ihm schlummern und die
die Natur nicht erweckt. Der Mensch kann immer freier und freier werden.
Man kann nicht fragen: Ist der Mensch frei oder unfrei, sondern
nur: Gibt es für den Menschen einen Weg zur Erringung der Freiheit?
Und diesen Weg gibt es. Wie gesagt, vor dreißig Jahren versuchte ich
zu zeigen: Wenn der Mensch dazu aufrückt, ein inneres Leben in sich
zu entwickeln, so daß er die sittlichen Impulse für seine Handlungen in
reinen Gedanken erfaßt, kann er wirklich Gedankenimpulse, nicht bloß
instinktive Emotionen seinen Handlungen zugrunde legen, - Gedanken,
die in die äußere Wirklichkeit so untertauchen wie der Liebende
in das geliebte Wesen. Dann nähert sich der Mensch seiner Freiheit. Die
Freiheit ist ebenso ein Kind des Gedankens, der in geistiger [[Hellsicht]]igkeit
erfaßt wird - nicht unter einem äußeren Zwang -, wie sie ein Kind
der wahren hingebungsvollen Liebe ist, der Liebe zum Objekt des
Handelns. Wonach das deutsche Geistesleben in ''Schiller'' strebte, als er
sich ''Kant'' gegenüberstellte und etwas ahnte von einem solchen Freiheitsbegriff,
das ziemt uns, in der Gegenwart weiter auszubilden. Da
aber stellte sich mir heraus, daß man nur sprechen kann von demjenigen,
was den sittlichen Handlungen zugrunde liegt - wenn es auch bei
den Menschen unbewußt bleibt, vorhanden ist es doch - ; und daß man
das nennen muß Intuition. Und so sprach ich in meiner «Philosophie
der Freiheit» von einer moralischen Intuition.
 
Damit aber war auch der Ausgangspunkt gegeben für alles, was ich
später auf dem Gebiet der Geisteswissenschaft zu leisten versuchte.
Glauben Sie nicht, daß ich heute über diese Dinge in einer unbescheidenen
Weise denke. Ich weiß sehr gut, daß diese «Philosophie der Freiheit
», die ich vor mehr als dreißig Jahren als junger Mensch konzipiert
habe, gewissermaßen alle Kinderkrankheiten desjenigen Gedankenlebens
hat, das im Laufe des 19. Jahrhunderts heraufgezogen ist. Aber
ich weiß auch, daß aus diesem Geistesleben heraus das entsprossen ist,
was eine Hinaufleitung des Gedankenlebens in das wirklich Geistige
ist. So daß ich mir sagen kann: Wenn sich der Mensch zu den sittlichen
Impulsen in moralischer Intuition erhebt und ein wirklich freies Wesen
darstellt, dann ist er bereits, wenn ich das verpönte Wort gebrauchen
darf, mit Bezug auf seine sittlichen Intuitionen «[[hellsehen]]d». In dem,
was über alles Sinnliche hinausliegt, liegen die Antriebe alles Sittlichen.
Im Grunde genommen sind die wirklich sittlichen Gebote Ergebnisse
menschlichen Hellsehens. Daher war ein gerader Weg von jener «Philosophie
der Freiheit» zu dem, was ich heute als Geisteswissenschaft
meine. Freiheit entsprießt im Menschen nur, wenn der Mensch sich
entwickelt. Er kann sich aber weiter entwickeln, so daß er dasjenige,
was schon der Freiheit zugrunde liegt, auch dazu treibt, daß er unabhängig
wird von allem Sinnlichen und sich frei in die Gebiete des Geistes
erhebt.
 
So hängt Freiheit mit der Entwicklung des menschlichen Denkens
zusammen. Freiheit ist im Grunde genommen immer Gedankenfreiheit ..." {{Lit|{{G|333|107ff}}}}
</div>
 
== Freiheit und Karma ==
 
Im [[Leben zwischen Tod und neuer Geburt]] legt der [[Mensch]] seinen Schicksalskern, sein [[Karma]], in der [[Mondensphäre]] ab, über die er durch die Nachwirkung des [[Christus]]-Impulses hinausschreitet und sich aus der Sternensphäre die nötigen Kräfte holt, um sich beim Herabstieg zu einem neuen Erdenleben durch eine ''freie Geistestat'' diesen Schicksalskern so wieder einzuverleiben, dass er dadurch in ''selbständiger'' Weise sein Schicksal mit seiner geistig fortschreitenden Wesenheit in Zusammenhang bringt. Diese Möglichkeit besteht allerdings erst seit dem [[Mysterium von Golgatha]]. Das irdische Nachbild dieser im kosmischen Dasein vollbrachten ''freien'' Tat ist das Freiheitsgefühl während des Erdendlebens.
 
<div style="margin-left:20px">
"Die Initiierten, welche Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha
waren, oder die in den darauf folgenden Jahrhunderten bis zum 3. und
4. Jahrhundert lebten, konnten zu ihren Bekennern sagen: Die Form,
die der menschliche physische Organismus im Erdenleben annimmt,
die bildet immer mehr und mehr das Ich aus. Aber der Mensch verliert
die Kraft, in jene Region einzutreten, in der das hohe Sonnenwesen
oben sein Führer sein könnte in den geistigen Sternenregionen. Daher
ist Christus heruntergestiegen auf die Erde, hat das Mysterium von
Golgatha vollbracht. Und die Kraft, welche der Menschenseele dadurch
wird, daß sie eine Gefühlsverbindung mit dem Mysterium von Golgatha
hat, diese Kraft wirkt nach dem Tode nach und entreißt die Seele
dem Schicksals-Wesenskern und der Mondensphäre, und unter der
Nachwirkung des Christus bildet die Seele ihren künftigen physischen
Organismus mit den anderen Wesen der Sternenwelt aus und findet
dann wiederum den Schicksalskern, in den die Tendenz hineingelegt
wird zur Schicksalsbildung der kommenden Erdenleben. Was die Menschenseele
als Kraft aus dem Christus-Impuls aufgenommen hat, das
befähigt sie wiederum, in der richtigen Weise durch das Geisterland
durchzugehen und den Schicksalskern in der richtigen Weise aufzunehmen.
 
Derjenige, der heute aus der Initiationswissenschaft heraus redet,
muß dazu noch das folgende sagen: Ja, es ist der Christus-Impuls, der
über den Tod hinaus nachwirkt, unter dessen Einfluß der Mensch sich
der Mondensphäre entringt, in die Sternen-Sonnensphäre eindringt und
dort aus den Impulsen, die ihm die Wesen der Sternenwelt geben, arbeiten
kann an der Herausgestaltung des physischen Organismus seines
nächsten Erdenlebens. Aber er entringt sich der Mondensphäre durch
die Kräfte, die er in seinem Ich aufgespeichert hat durch die Hinneigung
zu dem Christus-Wesen und zu dem Mysterium von Golgatha. Er
entringt sich der Mondensphäre in einer solchen Art, daß er nun auch
in der Sternensphäre so arbeiten kann, daß er, wenn er wieder zur
Mondensphäre zurückkehrt und ihm sein Schicksalskern begegnet, in
einer freien Weise als eine freie Geistestat sich diesen Schicksalskern
eingliedert, weil er sich sagen muß: Die Weltentwickelung kann nur in
der richtigen Weise verfließen, wenn der Mensch sich diesen seinen
Schicksalskern eingliedert und dasjenige, was er als sein Schicksal zubereitet
hat, auch in ausgleichenden künftigen Erdenleben wiederum zurechtbringt.
 
Das ist das Wesentliche im Neu-Erleben des nachtodlichen Mondensphären-
Erlebens, daß es da im kosmischen Dasein einen Augenblick
gibt, wo der Mensch in selbständiger Weise sein Schicksal, sein Karma,
mit seiner fortschreitenden Wesenheit in Zusammenhang bringt. Und
das irdische Abbild dieser im Überirdischen vollbrachten Tat im nachherigen
irdischen Leben ist die menschliche Freiheit, das Freiheitsgefühl
während des Erdendaseins. Das richtige Verstehen der Schicksalsidee
und ihr Verfolgen bis in die geistigen Welten hinauf begründet nicht
eine Determinationsphilosophie, sondern eine wirkliche Philosophie
der Freiheit, wie ich sie in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
in meinem Buche «Philosophie der Freiheit» zu geben hatte." {{Lit|{{G|215|177f}}}}
</div>
 
Taten, die aus der [[Vollheit|vollen]] Freiheit des [[Mensch]]en gesetzt werden, sind nicht durch das [[Karma]] bedingt:
 
<div style="margin-left:20px">
"Nur solche Handlungen sind frei, bei denen der Mensch gar nicht auf Grund der Vergangenheit
arbeiten würde, sondern bei denen er nur dem gegenübersteht, was durch die
kombinierende und produktive Tätigkeit seiner Vernunft an Handlungen in die Welt hineinkommen
kann. Solche Handlungen nennt man im Okkultismus: Aus dem Nichts heraus
schaffen. Alle anderen Handlungen sind aus dem Karma heraus geschaffen." {{Lit|{{G|093a|123}}}}
</div>
 
Was der Mensch in [[Vollheit|voller]] Freiheit tut, schafft auch kein neues [[Karma]]. Im [[Okkultismus]] wird das auch als das Handeln aus dem [[Nirvana]] bezeichnet. Solange allerdings der Mensch das Karma aus seinen früheren [[Inkarnation]]en nicht [[Vollständigkeit|vollständig]] ausgeglichen hat, kann er nicht in [[Vollkommenheit|vollkommener]] Freiheit leben - ein Teil seiner Taten wird notwendig durch die Vergangenheit (Bedingungen sowie Nebenwirkungen) - neues Karma begründend - bestimmt sein, d. h. [[allmählich freies Handeln zu realisieren]] ist heutzutage und in der Zukunft ein großes, ideales Ziel der menschlichen Evolution.
 
<div style="margin-left:20px">
"Frei wird der
Mensch in dem einen physischen Erdenleben, wo er den Gedanken
als solchen entwickelt, wo der Gedanke seine plastizierende
Kraft verliert, die er noch in dem Ätherleib hat, und
wo er als reiner Gedanke in dem im Leben befindlichen Bewußtsein
entwickelt ist. Ich war daher genötigt, etwas sehr
Gewagtes in dieser «Philosophie der Freiheit» dazumal im
Beginn der neunziger Jahre darzustellen. Ich hatte die moralischen
Impulse als sittliche Ideale darzustellen und mußte
sagen: die kommen dem Menschen nicht aus der physischen
Welt, die kommen dem Menschen nicht aus der Natur, die
kommen dem Menschen durch eine Intuition. Und ich
sprach dazumal von «moralischer Phantasie». Und warum
das? Ich sagte dazumal in meiner «Philosophie der Freiheit»:
Aus der Geisteswelt heraus strömen in den Menschen, aber
zunächst nur als Bilder, diese sittlichen Motive ein. Er empfängt
sie als [[Intuition]] aus der geistigen Welt.
 
Aber man gelangt auf diese Weise, ich möchte sagen, zu
dem anderen Pol dessen, was man hier in der physischen
Welt erlebt. Sieht man mit gesundem Menschenverstand und
mit wissenschaftlicher Schulung in die natürliche Daseinswelt
hinaus, dann entdeckt man überall Notwendigkeit.
Sieht man hinein in die Welt der moralischen Impulse, dann
entdeckt man die Freiheit, aber die Freiheit zunächst im bloßen
Gedanken, im reinen Denken, in denkerischer Intuition.
Und man weiß zunächst nicht, wie sich Kräfte hineinbegeben
in den Willen, denn man sieht diese sittlichen Intuitionen
unbewußt. Man hat auf der einen Seite die Natur, der man
angehört, indem man handelt, und man hat auf der anderen
Seite sein sittliches Erleben, und es entschwindet einem für
diese sittlichen Intuitionen, wenn man nichts anderes hat zunächst
als die Naturwissenschaft, die Möglichkeit, diesen
sittlichen Intuitionen Realität zuzuschreiben, weltschöpferische
Kräfte zuzuschreiben. Man erlebt gewissermaßen die
Natur in ihrer ganzen derben Dichtigkeit, in ihrer Notwendigkeit.
Man erlebt die Freiheit, aber man erlebt sie in den
fein gewobenen, bis zur Bildhaftigkeit herabgetriebenen Gedankenimpulsen,
von denen man weiß, weil sie eben der Natur
nicht angehören können, weil sie sich in freier Tätigkeit
erleben, und das habe ich in meiner «Philosophie der Freiheit» angedeutet, daß sie aus der geistigen Welt kommen.
 
Aber es muß sich nun etwas einschieben zwischen diese
Intuitionen, die durchaus bildhaft, unreal sind, die nur durch
das sittliche Leben real werden, und dem, was man als gegenständliches
Erkennen für die Naturordnung hat. Und da
schieben sich ein die [[Imagination]] und die [[Inspiration]], die auf
die Weise entstehen, wie ich das geschildert habe. Und dann
wird die Intuition auch etwas anderes. Dann verdichtet sich
gewissermaßen das, was einem zuerst nur im reinen Denken
entgegengetreten ist, zu einer geistigen Realität. Man lernt in
dieser nach der Imagination und Inspiration neu errungenen
Intuition jetzt nicht sein gegenwärtiges Ich erkennen, sondern
dasjenige Ich, das durch wiederholte Erdenleben hindurchgeht,
und das unser Schicksal durch diese wiederholten
Erdenleben in der Weise hindurchträgt, wie ich es dargestellt
habe. Wir sind unfrei, indem wir die wiederholten Erdenleben
durchleben und ein Schicksal dadurch gestaltet haben.
Aber wir können stets in dieses Schicksalsgewebe die freien
Handlungen einverweben in den einzelnen Erdenleben. Gerade
dadurch, daß wir in bildhaften Intuitionen die sittlichen
Impulse erleben - nicht als Realitäten, sondern als etwas, zu
dem wir uns frei bekennen können -, können wir die Freiheit
im einzelnen Erdenleben in das Schicksalsgewebe einverweben.
Und so werden wir dadurch, daß wir durch das Schicksal
von Erdenleben zu Erdenleben getragen werden, nicht
unfreier, als wir etwa werden, wenn wir uns durch ein Schiff
von Europa nach Amerika tragen lassen. Da sind wir durch
den Entschluß, den wir hier in Europa fassen, allerdings in
unserer Zukunft bestimmt. Aber wir sind jederzeit in gewissen
Grenzen freie Wesen, und solange wir drüben in Amerika
sind, können wir uns frei bewegen. So tragen wir das
Schicksal von Erdenleben zu Erdenleben. Aber in die Tatsachenwelt,
die wir so in wiederholten Erdenleben erfahren,
kann hineingestellt werden, was aus der Freiheit im einzelnen
Erdenleben quillt.
 
Und so sieht man gerade, daß derjenige, der mit dem Freiheitsproblem
ringt, der das Problem der Freiheit gelöst sieht
durch das Anschauen der zunächst nur in moralischer Phantasie
erfaßbaren, aber aus der geistigen Welt in die physische
Welt des Menschen hereinstrebenden sittlichen Ideen, daß,
wer in dieser Weise sich ein Verständnis für die Freiheit erwirbt,
gerade dadurch sich vorbereitet hat zum Verständnis
für das Schicksalsgemäße, das wie eine Art von Notwendigkeit
in das menschliche Leben eingreift." {{Lit|{{G|079|129ff}}}}
</div>
 
== Freiheit und Determinismus ==
Für das Verhältnis des Menschen in seiner Freiheit zum Karma gilt die Beachtung der beiden Doppelströme der Zeit<ref>Wenn eine Erklärung durch angebliches altes Karma nicht stimmig ist, bietet sich die Erklärung vorweggenommenes "neues" Karma: "Die Ursache liegt in der Zukunft" (Joseph Beuys) an. Siehe dazu: http://www.ursache-zukunft.net/fileadmin/ursache-zukunft/Ursache_Zukunft.pdf</ref>, die Lebenssituationen sind dann entweder durch altes Karma, durch Freiheit, oder durch neues (künftiges) [[Karma]] bestimmt. Es sind im Hinblick auf den naturwissenschaftlichen Determinismus klare Positionen von seiten der herrschenden Wissenschaft bezogen worden: Diese angebliche Freiheit des Menschen wäre nur eine Illusion, es gäbe sie nicht wirklich (herrschende Auffassung, es gibt auch Gegenauffassungen).
 
Zu beachten ist auch der Gegenstrom der [[Zeit]] in der Evolution.<ref>Christoph J. Hueck: "Evolution im Doppelstrom der Zeit", Vlg. am Goetheanum, Dornach 2012</ref>
 
In der Argumentation, das fällt unter die [[Philosophie des Geistes]], spielt eine wichtige Rolle, daß eine Willensregung physiologisch zeitlich schon früher gemessen werden kann, als sie dann im Bewußtsein als ein "Ich will" relevant wird. Diese durchaus plausible Begründung berücksichtigt freilich nicht, daß ja der menschliche Wille etwas anderes sei, als das Bewußtsein von einem menschlichen Willen, insbesondere freiem Willen.
 
Allerdings kann dieser Wille, wenn er als ein freier soll gelten, nur ein ''bewußter'' freier Wille sein. Bewußtsein, das nach der physiologischen Gehirnforschung später kommt, als die motorische Handlungsabsicht.
 
Nur die Befragung des ''zeitlichen'' Charakters von Wollen, und der physiologischen Manifestation des Wollens kann da auf eine Lösung hinweisen.
 
<div style="margin-left:20px">
"Sehen Sie sich die gebräuchlichen Lehrbücher durch,
so werden Sie finden: Dahin kommen diese Leute, den Denkapparat
aufzuzeigen und alles Denken und Vorstellen in Verbindung zu bringen mit den mechanischen Vorgängen im Gehirn und Nervensystem;
aber sie müssen ableugnen Gefühl und Wille. Gefühl und Wille kann
nicht erklärt werden durch körperliche Vorgänge. Daher wird dies
einfach ausgeschaltet. Und Sie können heute, wenn Sie die Bücher
aufschlagen, überall finden: Die Menschen haben zwar aus ihren Vorurteilen auch einen Willen angenommen und ein Gefühl angenommen,
aber das ist eigentlich ein Nichts, das ist gar nicht vorhanden.
Also macht der Naturforscher gerade halt vor Gefühl und Wille.
Indem wir nun wissen, daß sich die Gedanken mit unserem Ätherleib
von uns absondern, erklärt sich uns, daß dieses Abgesonderte, das mit
unserem Ätherleib aus uns herausgeht, auch hier auf der Erde an unserem Äußeren arbeitet, den Denkapparat sich erst herrichtet, und
wenn der Denkapparat geformt ist, dann kommt das Denken mit Hilfe
des vom Denken selbst geformten Denkapparates. Gefühl und Wille
bleiben uns im Astralleib und im Ich. Die tragen wir in die geistige
Welt. Nicht eine Wissenschaft zwingt zum Materialismus, im Gegenteil, die wirkliche heutige Wissenschaft rechtfertigt überall unsere
Geisteswissenschaft. Der heutige Materialismus ist durchaus abhängig
davon, daß die Leute keinen Trieb haben zu dem geistigen Leben, daß
sie keinen Sinn haben wollen für geistiges Leben. Auch das Verständnis brauchte nicht zu fehlen. Denn wirklich, wenn man sich einläßt auf
das, was der Geistesforscher aus der geistigen Welt heraus zu geben
vermag selbst für solche Kapitel, wie wir sie heute vor unsere Seele
haben treten lassen für das Leben zwischen dem Tod und einer neuen
Geburt: verstanden werden kann es schon, man braucht nur ein feineres, subtileres Verständnis, als das grobe Verständnis ist, das der heutige Mensch für die äußere Welt vielfach anwenden will. Aber wir
leben auch in einer Zeit, in der eben der Materialismus zu seiner
Hochflut gekommen ist." {{Lit|{{G|168|56}}}}</div>
 
Der unsterbliche Teil des Menschen ist sein Willens-Gefühlswesen, daher entstammt alle nichtdeterminierte Freiheit, dem Höheren Ich, insoweit es sich durch Wille und Gefühl in Entschluß- und Gedankenform realisieren kann.<ref>Vgl. [[GA 25]] und [[GA 168]]</ref>
 
== Freiheit und Liebe ==
 
Dass Freiheit und [[Liebe]] untrennbar miteinander verbunden sind, hat Rudolf Steiner schon in seinen [[Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften]] ([[GA 1]], 1884-1897) ganz entschieden betont:
 
<div style="margin-left:20px">
"Wir wissen
daß die Ideenwelt die unendliche Vollkommenheit selbst
ist; wir wissen, daß mit ihr die Antriebe unseres Handelns
in uns liegen; und wir müssen demzufolge nur ein solches
Handeln als ethisch gelten lassen, bei dem die Tat nur aus
der in uns liegenden Idee derselben fließt. Der Mensch vollbringt
von diesem Gesichtspunkte aus nur deshalb eine
Handlung, weil deren Wirklichkeit für ihn Bedürfnis ist.
Er handelt, weil ein innerer (eigener) Drang, nicht eine
äußere Macht, ihn treibt. Das Objekt seines Handelns, sobald
er sich einen Begriff davon macht, erfüllt ihn so, daß
er es zu verwirklichen strebt. In dem Bedürfnis nach Verwirklichung
einer Idee, in dem Drange nach der Ausgestaltung
einer Absicht soll auch der einzige Antrieb unseres
Handelns sein. In der Idee soll sich alles ausleben, was uns
zum Tun drängt. Wir handeln dann nicht aus Pflicht, wir
handeln nicht einem Triebe folgend, wir handeln aus ''Liebe zu dem Objekt'', auf das unsere Handlung sich erstrecken
soll. Das Objekt, indem wir es vorstellen, ruft in uns den
Drang nach einer ihm angemessenen Handlung hervor. Ein
solches Handeln ist allein ein freies. Denn müßte zu dem
Interesse, das wir an dem Objekt nehmen, noch ein zweiter
anderweitiger Anlaß kommen, dann wollten wir nicht dieses
Objekt um seiner selbst willen, wir wollten ein ''anderes''
und vollbrächten ''dieses'', was wir ''nicht'' wollen; wir vollführten
eine Handlung ''gegen'' unseren Willen. Das wäre
etwa beim Handeln aus ''[[Egoismus]]'' der Fall. Da nehmen wir
an der Handlung selbst kein Interesse; sie ist uns nicht Bedürfnis,
wohl aber der Nutzen, den sie uns bringt. Dann
aber empfinden wir es auch zugleich als Zwang, daß wir
jene Handlung, nur dieses Zweckes willen, vollbringen
müssen. Sie selbst ist uns nicht Bedürfnis; denn wir unterließen
sie, wenn sie den Nutzen nicht im Gefolge hätte.
Eine Handlung aber, die wir nicht um ihrer selbst willen
vollbringen, ist eine unfreie. ''Der Egoismus handelt unfrei.''
Unfrei handelt überhaupt jeder Mensch, der eine Handlung
aus einem Anlaß vollbringt, der nicht aus dem objektiven
Inhalt der Handlung selbst folgt. Eine Handlung um ihrer
selbst willen ausführen, heißt aus ''Liebe'' handeln. ''Nur derjenige, den die Liebe zum Tun, die Hingabe an die Objektivität leitet, handelt wahrhaft frei.'' Wer dieser selbstlosen
Hingabe nicht fähig ist, wird seine Tätigkeit nie als eine
''freie'' ansehen können." {{Lit|{{G|001|202f}}}}
</div>
 
Solange wir uns mit unserem [[Denken]] an die Aussenwelt hingegeben, müssen wir deren Gesetzmäßigkeiten folgen und sind daher, insofern wir uns dadurch in unseren Handlungen leiten lassen, unfrei. Frei werden wir, wenn wir, völlig losgelöst von der Aussenwelt, Gedanken im rein inneren geistigen Erleben fassen und mit unserem Willen durchstrahlen. Das reine, d.h. sinnlichkeitsfreie Denken ist zugleich als reiner [[schöpferisch]]er Wille tätig.
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn wir Gedanken von der äußeren
physisch-sinnlichen Welt aufnehmen - und wir können ja nur solche
aufnehmen zwischen Geburt und Tod - , dann werden wir dadurch,
wie Sie leicht einsehen können, unfrei, denn wir werden hingegeben an
die Zusammenhänge der äußeren Welt; wir müssen dann so denken, wie
es uns die äußere Welt vorschreibt, insofern wir nur den Gedankeninhalt
ins Auge fassen; erst in der inneren Verarbeitung werden wir frei.
 
Nun gibt es eine Möglichkeit, ganz frei zu werden, frei zu werden
in seinem inneren Leben, wenn man den Gedankeninhalt, insofern er
von außen kommt, möglichst ausschließt, immer mehr und mehr ausschließt,
und das Willenselement, das im Urteilen, im Schlüsseziehen
unsere Gedanken durchstrahlt, in besondere Regsamkeit versetzt. Dadurch
aber wird unser Denken in denjenigen Zustand versetzt, den
ich in meiner «Philosophie der Freiheit» genannt habe das reine Denken.
Wir denken, aber im Denken lebt nur Wille. Ich habe das besonders
scharf betont in der Neuauflage der «Philosophie der Freiheit
» 1918. Dasjenige, was da in uns lebt, lebt in der Sphäre des Denkens.
Aber wenn es reines Denken geworden ist, ist es eigentlich ebensogut
als reiner Wille anzusprechen. So daß wir aufsteigen dazu, uns
vom Denken zum Willen zu erheben, wenn wir innerlich frei werden,
daß wir gewissermaßen unser Denken so reif machen, daß es ganz
und gar durchstrahlt wird vom Willen, nicht mehr von außen aufnimmt,
sondern eben im Willen lebt. Gerade dadurch aber, daß wir
immer mehr und mehr den Willen im Denken stärken, bereiten wir
uns vor für das, was ich in der «Philosophie der Freiheit» die moralische
Phantasie genannt habe, was aber aufsteigt zu den moralischen Intuitionen,
die dann unseren gedankegewordenen Willen oder willegewordenen
Gedanken durchstrahlen, durchsetzen. Auf diese Weise
heben wir uns heraus aus der physisch-sinnlichen Notwendigkeit,
durchstrahlen uns mit dem, was uns eigen ist und bereiten uns vor für
die moralische Intuition. Und auf solchen moralischen Intuitionen beruht
doch alles das, was den Menschen von der geistigen Welt aus
zunächst erfüllen kann. Es lebt also auf dasjenige, was Freiheit ist,
dann, wenn wir gerade in unserem Denken immer mächtiger und
mächtiger werden lassen den Willen." {{Lit|{{G|202|201f}}}}
</div>
 
Damit wird aber zugleich der Wille mit den in voller Freiheit bewusst aus dem [[Geist]] geschöpften Gedanken durchstrahlt. Was so aus dem Geist geschöpft wird, fließt in voller Hingabe durch unsere Handlungen in die Aussenwelt, denn es liegt notwendig im Wesen des Geistes, sich zu verschenken - das ist aber nichts anderes als reine [[Liebe]]. Geist ''ist'' Liebe in ihrer vollkommensten Form.
 
<div style="margin-left:20px">
"Sie sehen, wir werden immer innerlicher und innerlicher, indem wir
unsere Eigenkraft als Wille in das Denken hineinschicken, das Denken
gewissermaßen ganz vom Willen durchstrahlen lassen. Wir bringen
den Willen in das Denken hinein und gelangen dadurch zur Freiheit.
Wir gelangen dazu, indem wir immer mehr und mehr unser Handeln
ausbilden, in dieses Handeln die Gedanken hineinzutragen. Wir durchstrahlen
unser Handeln, das ja aus unserem Willen hervorgeht, mit unseren
Gedanken. Auf der einen Seite, nach innen, leben wir ein Gedankenleben:
das durchstrahlen wir mit dem Willen und finden so die
Freiheit. Auf der anderen Seite, nach außen, fließen unsere Handlungen
von uns aus dem Willen heraus; wir durchsetzen sie mit unseren Gedanken.
 
[[Datei:GA202_204.gif|center|400px|Freiheit und Liebe, Tafel 19 (GA 202, S 204)]]
 
Aber wodurch werden denn unsere Handlungen immer ausgebildeter?
Wodurch, wenn wir den allerdings anzufechtenden Ausdruck
gebrauchen wollen, kommen wir denn zu einem immer vollkommeneren
Handeln? - Wir kommen zu einem immer vollkommeneren Handeln
eigentlich dadurch, daß wir diejenige Kraft in uns ausbilden,
die man nicht anders nennen kann als Hingabe an die Außenwelt. Je
mehr unsere Hingabe an die Außenwelt wächst, desto mehr regt uns
diese Außenwelt an zum Handeln. Dadurch aber gerade, daß wir den
Weg finden, um hingegeben zu sein an die Außenwelt, gelangen wir
dazu, dasjenige, was in unserem Handeln liegt, mit Gedanken zu durchdringen.
Was ist Hingabe an die Außenwelt? Hingabe an die Außenwelt,
die uns durchdringt, die unser Handeln mit den Gedanken durchdringt,
ist nichts anderes als Liebe.
 
Geradeso wie wir zur Freiheit kommen durch die Durchstrahlung
des Gedankenlebens mit dem Willen, so kommen wir zur Liebe durch
die Durchsetzung des Willenslebens mit Gedanken. Wir entwickeln
in unserem Handeln Liebe dadurch, daß wir die Gedanken hineinstrahlen
lassen in das Willensgemäße; wir entwickeln in unserem Denken
Freiheit dadurch, daß wir das Willensgemäße hineinstrahlen lassen
in die Gedanken. Und da wir als Mensch eine Ganzheit, eine Totalität
sind, so wird, wenn wir dazu kommen, in dem Gedankenleben die
Freiheit und in dem Willensleben die Liebe zu finden, in unserem
Handeln die Freiheit, in unserem Denken die Liebe mitwirken. Sie
durchstrahlen einander, und wir vollziehen ein Handeln, ein gedankenvolles
Handeln in Liebe, ein willensdurchsetztes Denken, aus dem
wiederum das Handlungsgemäße in Freiheit entspringt." {{Lit|{{G|202|203ff}}}}
</div>
 
[[Schiller]] sagt zu dem Thema: "Lieben heißt in Freiheit setzen."
 
<div style="margin-left:20px">
"Im Spannungsfeld zwischen Geist und Materie und im Bewußtsein der Grenzen seiner Existenz ist der Mensch verkörperte Freiheitsfähigkeit. Der Lebensstrom aus der Vergangenheit verwandelt sich in ihm in das ''Licht'' der Erkenntnis, der Gestaltungsstrom aus der Zukunft in die ''Liebe'' der hingebungsvollen Tat. - Eine in diesem Sinne aufgefasste Liebe kann nur aus Freiheit erwachsen." (Lit.: Christoph J. Hueck, S. 211)
</div>
 
Wahre Liebe ist nur aus Freiheit möglich. Der Auftrag Christi: Liebet einander, ist ein Gebot, aber ein Gebot an den "Freien Menschen", zu dem sich die allgemeine Menschheit erst noch hinentwickeln muß. Dieses Wechselverhältnis von Freiheit und Liebe wurde thematisiert, im Rahmen der Diskussion über die [[Prädestination]]slehre etc.
 
Was Schiller sagte, gilt wohl auch umgekehrt: Frei sein ist lieben.
 
== Freiheit und Wählen ==
Unter bestimmten Gesichtspunkten ist auch die Freiheit der [[Wahl]] zu erörtern. Ist dies nur ein besonderer Aspekt von Freiheit, oder wäre Freiheit wesentlich Wahlfreiheit?
 
Wenn der Mensch sich vor die Alternative gestellt sieht: "Friß oder stirb Vogel", wie es ein Sprichwort sagt: Wo ist da die Freiheit?
Denen, die sich nicht dem Willen Gottes einfügen, wird Vernichtung angedroht, und sogar ewiges Höllenfeuer. Wo ist da Freiheit?
 
Ein Mensch, der sich nicht dem Willen Gottes fügt, wird in Zukunft vernichtet (resp. gebraten auf ewig im Höllenfeuer) werden, so die kolportierte Aussage, an deren Wahrheit wohl Zweifel erlaubt sein mögen, denn die Aussage widerspricht sowohl der Freiheit, als auch der Liebe  - aus Gottes Wollen.
 
"So heißt es im ‚Katechismus der Katholischen Kirche’, dass für bestimmte Vergehen die Todsünde  gelte, während für andere Sünden die Entsühnung durch die Beichte möglich sei.
Nehmen wir also einmal an, es sei so, dass eine Todsünde existiere, das jemand daran schuldig geworden sei und sein Weg nun unweigerlich in die ewige Hölle und Verdammnis führe müsse.
Nehmen wir an dies sei ein Mörder, der nun im Gefängnis sitzt.
Die Göttliche Gnade ist für ihn verwirkt, sie ist ihm mithin nicht mehr erreichbar.
Mit welcher Perspektive soll dieser Mensch aber seiner Entlassung entgegenschreiten. Soll er sich sagen es nutzt ohnehin nichts, also will ich mich auch nicht bessern und weitermorden, sobald mir wieder Gelegenheit dazu gegeben wird.
Dieser Ansatz ist auch aus der Gefängnisseelsorge heraus völlig verfehlt: Todsünden kann und darf es nicht geben, so lange der Mensch noch lern- und besserungsfähig ist.
Die Erklärung einer Tat als Todsünde stellt eine deterministische Prognose dar.
Eine deterministische Prognose ist nichts weiter, als ein Glauben an die zukünftige
Wirklichkeitsangemessenheit der jeweils vorangestellten Hypothese.
Durch die streng deterministische Prognose wird aber jeder Freiheit für alle Zukunft der Boden entzogen, es wird ein Konstanzprinzip menschlichen Handelns aufgestellt, welches aber im Ergebnis bedeutete nicht mehr (neu) lernen zu können.
Künftige Lernfähigkeit lässt sich aber für keinen Menschen ausschließen.
„Damit ist auf dem Wege eines argumentum a contrario bewiesen, dass das Konstanzprinzip im Rahmen menschlichen Handelns nicht gelten kann: Würde es gelten, so bedeutete dies, das man nicht lernen kann – dass man lernen könne, dass man nicht lernen kann, kann man aber nicht behaupten, ohne sich selbst schon widersprochen zu haben.“<ref>H.-H. Hoppe, "Kritik der kausalwissenschaftlichen Sozialforschung", Opladen 1983, S. 10ff</ref> 
Wurde nicht auch Faust durch unglückliche Umstände zum Schuldigen und wird ihm
am Sterbebett, da Faust bereut, nicht dennoch alle Schuld erlassen?
Man sieht ganz klar auch Goethes Attacke auf allzu simplizistische kirchliche Moralvorstellungen: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erretten“  .
Unterstrichen wird so bei Goethe das alles überragende Freiheitsmoment des Menschen selbst noch im letzten Augenblick vor dem Tod. Analoge Stellen gibt es auch im Neuen Testament: Lukas 23,43 und Johannes 8,11.
 
Es wird klar: ohne eine völlige Handlungsfreiheit zu Gut und Böse (siehe auch die Paradiesmythe) bestünde keine echte (Wahl-)Freiheit zwischen gut und böse.
Dies, also ist das Gute des Bösen, dass es menschliche Wahlfreiheit durch sein
(Negativ-)Angebot erst ermöglicht." (Lit.: Michael Heinen-Anders, Dem Teufel auf der Spur, S. 12 - 13).
 
== Verschiedene begriffliche Unterscheidungen ==
 
=== Wahlfreiheit und Gestaltungsfreiheit ===
Von der Wahlfreiheit kann man die Gestaltungsfreiheit unterscheiden. Die Gestaltungsfreiheit geht über das Wählen ([[wikipedia:Urteil des  Paris|Wahl des Paris]]) zwischen Alternativen hinaus, insofern es keine bestimmten, vorgegebenen Alternativen gibt, sondern diese erst aus dem Wollen hervorgehen. Wenn der Künstler den Meißel an den Gipsblock ansetzt, ist zwar jeder Hieb gewählt, aber aus einer Unendlichkeit von Alternativen, die lediglich durch die Idee des zu Schaffenden bestimmt sind, und den Eigentümlichkeiten des Materials. Der Normalmensch unterscheidet sich vom Künstler da nur durch die geringere Vollkommenheit in der Klarheit der auszuführenden Idee und der Materialkenntnis, der Beherrschung der Werkzeuge usw.
 
=== Selbstgestaltung ===
Im Unterschied zur Wahlfreiheit gibt es die Freiheit, man selbst zu sein (Autonomie). Diese ist schon den Tieren eigen. Ein Tier ist frei, wenn es sich in seinem Wesen, wie es ist, frei ausleben kann, in einer entsprechenden Umgebung. (Dies findet z.B. bei der artgerechten Tierhaltung Berücksichtigung.) Beim Menschen kommt die Freiheit hinzu, selbst sein Wesen zu bestimmen, er hat die Freiheit, sich zu gestalten. Es ist dies analog zum künstlerischen Schaffen zu denken<ref>Vgl. [[Herbert Witzenmann]] Die Philosophie der Freiheit als Grundlage künstlerischen Schaffens</ref>. Die Weltgegensätze wie die zwischen Begriff und Wahrnehmung, Geist und Materie, sowie auch Gut und Böse (insofern der Mensch ein sittliches Wesen ist), sind insofern nur die Voraussetzungen für diese Freiheit des Menschen, sich selbst in seiner Gestalt zu bestimmen, - welche aber in der Zukunft letztlich doch völlig in das Gute integriert sein muß. Man sieht heute eine solche Vielfalt von möglichen Gestalten in der Flora und Fauna.
 
== Die Freiheit in Zitaten der Welt ==
"Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,
daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern
und verstehe die Freiheit
aufzubrechen, wohin er will." (Hölderlin)
 
"Nicht das Gute, das ich will, tue ich, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so bin ich eben nicht selbst Subjekt meines Handelns, sondern die meinem Wesen einwohnende Macht der Sünde." (Paulus, Röm. 7, 19, Übersetzung Emil Bock)
 
== Siehe auch ==
[[wikipedia:Freiheit|Freiheit]]
 
[[wikipedia:Willensfreiheit|Willensfreiheit]]
 
[[Sittliche Autonomie]]
 
[[wikipedia:Autonomie|Autonomie]]
 
==Einzelnachweise ==
<references/>
 
== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften'', [[GA 1]] (1987), ISBN 3-7274-0011-0; '''Tb 649''', ISBN 978-3-7274-6490-4 {{Schriften|001}}
#Rudolf Steiner: ''Die Philosophie der Freiheit'', [[GA 4]] (1978)
#Rudolf Steiner: ''Die Rätsel der Philosophie'', [[GA 18]] (1985)
#Rudolf Steiner: ''Briefe Band I: 1881 – 1890'', [[GA 38]] (1985), ISBN 3-7274-0380-2 {{Briefe|038}}
#Rudolf Steiner: ''Die Wirklichkeit der höheren Welten'', [[GA 79]] (1988), ISBN 3-7274-0790-5 {{Vorträge|079}}
#Rudolf Steiner: ''Grundelemente der Esoterik'', [[GA 93a]] (1987)
#Rudolf Steiner: ''Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt'', [[GA 110]] (1991), ISBN 3-7274-1100-7 {{Vorträge|110}}
#Rudolf Steiner: ''Von Jesus zu Christus'', [[GA 131]] (1988), ISBN 3-7274-1310-7 {{Vorträge|131}}
#Rudolf Steiner: ''Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physischen des Menschen'', [[GA 202]] (1993), ISBN 3-7274-2020-0 {{Vorträge|202}}
#Rudolf Steiner: ''Anthroposophie als Kosmosophie – Erster Teil'', [[GA 207]] (1990), ISBN 3-7274-2070-7 {{Vorträge|207}}
#Rudolf Steiner: ''Die Philosophie, Kosmologie und Religion in der Anthroposophie'', [[GA 215]] (1980), ISBN 3-7274-2152-5 {{Vorträge|215}}
#Rudolf Steiner: ''Gedankenfreiheit und soziale Kräfte'', [[GA 333]] (1985), ISBN 3-7274-3330-2 {{Vorträge|333}}
#Rudolf Steiner: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Erster Band'', [[GA 235]] (1994), ISBN 3-7274-2350-1 {{Vorträge|235}}
#Rudolf Steiner: ''Die Verbindung zwischen Lebenden und Toten'', [[GA 168]], Dornach 1995
#Christoph J. Hueck: ''Evolution im Doppelstrom der Zeit'', Vlg. am Goetheanum, Dornach 2012
#Michael Heinen-Anders: ''Dem Teufel auf der Spur...'', BOD, Norderstedt 2012
 
{{GA}}
 
[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Ethik]][[Kategorie:Soziales Leben]][[Kategorie:Geistesleben]]

Aktuelle Version vom 8. Februar 2011, 08:24 Uhr

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