Basilides (Gnostiker) und Platons ungeschriebene Lehre: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Basilides''' ({{ELSalt|Bασιλίδης}}) eigentlich ''Basileides'' (* ca. 85 in Syrien (?); † ca. 145) war ein [[Gnostizismus|Gnostiker]] in [[Wikipedia:Alexandria|Alexandria]].
[[Datei:Athens Plato Academy Archaeological Site 3.jpg|thumb|Die Ausgrabungsstätte der Platonischen Akademie, wo Platons Schüler über die Urprinzipien diskutierten]]
Als '''ungeschriebene Lehre''' bezeichnet man eine dem antiken Philosophen [[Platon]] (428/427–348/347 v. Chr.) zugeschriebene [[Metaphysik|metaphysische]] Lehre. Sie wird in der neueren Forschung '''Prinzipienlehre''' genannt, denn sie handelt von zwei höchsten [[Prinzip]]ien, auf die alles zurückgeführt wird. Die Bezeichnung „ungeschriebene Lehre“ bezieht sich auf die Annahme, dass Platon sein Konzept zwar mündlich dargelegt, aber nie schriftlich fixiert hat.  


== Leben und Lehre ==
Die Glaubwürdigkeit der einschlägigen Quellen ist umstritten. Ihnen zufolge war Platon der Meinung, bestimmte Teile seiner Lehre seien nicht zur Veröffentlichung geeignet. Da diese Lehrinhalte nicht auf allgemeinverständliche Weise schriftlich dargelegt werden könnten, müsse ihre Verbreitung in schriftlich fixierter Form zu Missverständnissen führen. Daher soll sich Platon darauf beschränkt haben, die ungeschriebene Lehre in seiner Philosophenschule, der [[Wikipedia:Platonische Akademie|Akademie]], fortgeschrittenen Schülern zu erläutern. Aus dem mündlichen Unterricht sollen die überlieferten Angaben über den Inhalt stammen.  
Basilides war wahrscheinlich Schüler des [[Menander]], Hauptvertreter der ägyptischen (alexandrinischen) Gnosis und wurde von [[Christentum|Christen]] der ''[[Häresie|Häresiarch]]'' (Herrscher der Irrlehrer) genannt. Er lehrte um 130–140 n. Chr. in Alexandria.  Nach den ''acta archelei''  hatte er vor seiner Ankunft in Alexandria in [[Wikipedia:Perserreich|Persien]] gewirkt. Er war ein fruchtbarer Schriftsteller; zu seinen Werken zählen ein [[Wikipedia:Psalmen|Psalmen]]buch, mehrere Oden, ein Bibelkommentar in 24 Bänden – genannt ''Exegetica'' – und eine Lehrschrift, die (wohl fälschlich) „Evangelium“ genannt wurde. Fast nichts davon ist erhalten.


Von seiner Lehre kennen wir nur Bruchstücke in den ''„Stromateis“'' des [[Clemens von Alexandria]] sowie  zwei Darstellungen, von [[Wikipedia:Irenäus von Lyon|Irenäus von Lyon]] und von [[Wikipedia:Hippolyt von Rom|Hippolytus]] – also nur aus entstellenden Gegenschriften. Irenäus etwa formuliert: „''Basileides dehnt seine Lehre ins Unendliche aus, um den Schein größerer Tiefe und Glaubwürdigkeit zu erwecken.''“<ref>Irenäus von Lyon: ''Gegen die Häretiker'' I,24,3 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel604-2.htm]</ref> Er verarbeitete verschiedene christlich-jüdische, persische und [[Neuplatonismus|neuplatonische]] Überlieferungen zu einem Weltbild von sittlichem Ernst und eindrucksvoller Geschlossenheit. Hippolyt meint: „''Seine Lehre ist die des Aristoteles, des Stagiriten, nicht die Christi.''“<ref>Hippolytus von Rom: ''Widerlegung aller Häresien'' VII, 14 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1768-2.htm]</ref> [[Wikipedia:Eusebius von Cäsarea|Eusebius von Cäsarea]] berichtet in seiner ''«Kirchengeschichte»'' von einem gewissen ''Agrippa Kastor'', der die älteste Schrift gegen Basilides verfasst habe, die aber verloren ist.
Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts haben Philosophiehistoriker den großangelegten Versuch unternommen, die Grundzüge der „ungeschriebenen Lehre“ systematisch zu rekonstruieren. Dieses Vorhaben einer Forschergruppe, die „Tübinger Platonschule“ genannt wird, hat bei vielen Altertumswissenschaftlern Anklang gefunden. Andererseits haben aber auch zahlreiche Forscher Vorbehalte geltend gemacht oder die Rekonstruktion insgesamt verworfen. Manche Kritiker halten die Quellengrundlage der Tübinger Rekonstruktion für unzureichend, andere bestreiten sogar die Existenz einer ungeschriebenen Lehre Platons oder bezweifeln zumindest ihren systematischen Charakter und betrachten sie als ein unausgearbeitetes Konzept. Die intensive und teilweise scharfe Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern des „Tübinger Platonbilds“ wird von beiden Seiten mit großem Nachdruck geführt und von den Befürwortern als [[Paradigmenwechsel]] in der Platonforschung eingestuft.


{{Zitat|Von jenem Menander, den wir bereits weiter oben1 als Nachfolger Simons bezeichnet haben, ging eine doppelzüngige, zweiköpfige, schlangenartige Kraft aus, welche Satorninus aus Antiochien und Basilides aus Alexandrien als Häupter zweier verschiedenartiger Häresien aufstellte. Der eine von ihnen gründete in Syrien, der andere in Ägypten gottlose Ketzerschulen. Wie Irenäus<ref>Gegen die Häres. I 24, 1. 3</ref> mitteilt, trug Satorninus in den meisten Punkten die gleiche falsche Lehre wie Menander vor und dehnte Basilides, tiefe Geheimnisse versprechend, mit Hilfe von selbst erdichteten Wundergeschichten seine gottlosen ketzerischen Erfindungen ins Unendliche aus. Von den zahlreichen Kirchenmännern, die zu jener Zeit für die Wahrheit kämpften und mit Vernunftgründen für die apostolische und kirchliche Lehre eintraten, gaben nunmehr einige in ihren Schriften den späteren Generationen auch Heilmittel gegen diese erwähnten Irrlehren in die Hand. Von diesen ist die treffliche „Widerlegung des Basilides“, von Agrippa Kastor, einem damals hochgeschätzten Schriftsteller, verfaßt<ref>Diese älteste Schrift gegen Basilides ist verloren. Für die Beurteilung der literarischen Tätigkeit des Basilides kommen vor allem noch die meist bei Klemens von Alex. erhaltenen Fragmente seiner Schrift in Betracht.</ref>, auf uns gekommen; dieselbe läßt erkennen, wie schlimm der Betrug jenes Mannes gewesen war. Kastor deckt die Geheimnisse des Basilides auf und teilt hierbei mit, derselbe habe 24 Bücher über das Evangelium geschrieben<ref>Dieselben sind verlorengegangen. Klemens von Alex. betitelt sie {{polytonisch|Ἐξηγητικά}} und bringt mehrere Zitate in Strom. IV 12, 81 ff. Vgl. Zahn, „Gesch. des neutestamentl. Kanons“ I (1888—1889) S. 763—774: „Basilides und die kirchliche Bibel“ ; H. Windisch, „Das Evangelium des Basilides“, in Zeitschrift f. d. neutestamentl. Wiss. 7 (1906) S. 236—246.</ref> und sich selbst Propheten wie Barkabbas und Barkoph und noch einige andere, die gar nicht existiert hätten, erdichtet und ihnen, um auf leicht erregbare Leute Eindruck zu machen, barbarische Namen beigelegt. Auch habe er gelehrt, es sei kein (moralischer) Unterschied zwischen denen, die den Götzen geopfertes Fleisch genießen, und denen, die in Zeiten der Verfolgung leichtsinnig ihren Glauben verleugnen, und habe nach Art der Pythagoreer seinen Anhängern ein fünfjähriges Schweigen auferlegt. Der erwähnte Schriftsteller zählte noch andere ähnliche Lehren des Basilides auf und stellte den Irrtum der genannten Häresie meisterhaft ans Licht.|Eusebius von Cäsarea|Kirchengeschichte IV,7 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel50-6.htm]}}
== Terminologie ==


Die Lehre des Basilides ist [[Emanation|emanatistisch]] mit eindeutiger [[Dualismus|dualistischer]] Grundlage. Basilides ging von der Existenz der beiden alten Prinzipien [[Licht]] und [[Finsternis]] aus. Als diese einander gewahr wurden, wendete sich das Licht ab, das Dunkel jedoch gewann die Herrschaft über die Reflexe des Lichtes, Farben und Schatten; so konnte diese unsere unvollkommene Welt entstehen. Dieser [[Schöpfungsmythos]] ist eine Weiterentwicklung der persischen [[Ahura Mazda|Ahura-Mazda]]-[[Ahriman]]-[[Kosmologie]]. Basilides allerdings arbeitete [[neuplatonismus|neuplatonische]] Elemente ein, insbesondere den Dualismus zwischen [[Geist]] und [[Materie]], [[Seele]] und [[Leib]].
Der Ausdruck „ungeschriebene Lehren“ ({{Polytonisch|ἄγραφα δόγματα}} ''ágrapha dógmata'') zur Bezeichnung von schulinternen Lehrinhalten Platons ist erstmals bei dessen Schüler [[Aristoteles]] bezeugt. In seiner ''[[Physik (Aristoteles)|Physik]]'' schreibt Aristoteles, Platon habe in seinem [[Platonischer Dialog|Dialog]] ''[[Timaios]]'' einen Begriff anders verwendet als „in den sogenannten ungeschriebenen Lehren“.<ref>Aristoteles, ''Physik'' 209b13–15.</ref> Auf diesen antiken Ausdruck greifen die modernen Befürworter der Authentizität der Prinzipienlehre zurück. Aristoteles verwendet hier das Wort „sogenannt“ nicht ironisch, sondern wertneutral.          


Laut Irenäus emanierten zuerst aus der obersten Gottheit, dem „ungewordenen Vater“, (nach der Zahl der Planeten) sieben göttliche Kräfte, davon vier intellektuelle:
In der Forschungsliteratur ist auch von der „esoterischen Lehre“ Platons die Rede. Mit [[Esoterik]] im heute geläufigen Sinn des Wortes hat dies aber nichts zu tun, und es ist auch keine Geheimlehre gemeint. Der Begriff soll nur ausdrücken, dass die ungeschriebene Lehre für einen inneren Kreis von Philosophieschülern bestimmt war, die über die nötigen Vorkenntnisse verfügten und sich bereits mit der [[Exoterik|exoterischen]] [[Ideenlehre]] auseinandergesetzt hatten.<ref>Siehe zu dieser Terminologie Hans-Georg Gadamer: ''Platos ungeschriebene Dialektik''. In: Hans-Georg Gadamer: ''Gesammelte Werke'', Band 6: ''Griechische Philosophie II'', Tübingen 1985, S. 129–153, hier: 130; Thomas Alexander Szlezák: ''Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie'', Berlin 1985, S. 400–405; Detlef Thiel: ''Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie'', München 2006, S. 139f.; Michael Erler: ''Platon'' (= Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 409.</ref>
# der Geist ([[Nous]]),
# der ihn offenbarende [[Logos]],
# die Denkkraft (Phronesis) und
# Weisheit (Sophia),
# dann die Macht,
# die sittliche Vollkommenheit und
# der innere Friede


Sie machen das erste Geisterreich aus. Von diesem sind in allmählich abnehmender Klarheit 364 weitere Geisterreiche, jedes zu sieben „[[Äon|Äonen]]“, hervorgegangen. Die gesamten Geisterreiche werden zusammengefasst in dem Geheimwort [[Abraxas]] oder Abrasax, das den Zahlenwert 365 hat<ref>Das Wort ''Abrasax'' ist eine Folge von sieben [[Wikipedia:Griechisches Alphabet|griechischen Buchstaben]], die für die Wochentage stehen und in der [[Numerologie]] zusammen diesen Zahlenwert ergeben. Mit α = 1, β = 2, ρ = 100, σ = 200 und ξ = 60 ergibt sich nämlich aus {{ELSalt|αβρασαξ}}:
Die modernen Befürworter der Rekonstruierbarkeit der ungeschriebenen Lehre werden manchmal verkürzend und salopp als „Esoteriker“ bezeichnet, die Vertreter von skeptischen Gegenpositionen als „Anti-Esoteriker“.<ref>Beispielsweise bei Konrad Gaiser: ''Platons esoterische Lehre''. In: Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 317–340, hier: 324.</ref> Da die Rekonstruktion in erster Linie von Forschern der [[Eberhard Karls Universität Tübingen|Universität Tübingen]] unternommen und verteidigt wurde, spricht man von den „Tübingern“, der „Tübinger Schule“ oder – zur Unterscheidung von einer theologischen [[Tübinger Schule]] – von der „Tübinger Platonschule“. Das aus der Rekonstruktion resultierende neue Bild von Platons Metaphysik wird „Tübinger [[Paradigma]]“ genannt. Seit die Tübinger Platon-Interpretation in dem Mailänder Gelehrten [[Giovanni Reale]] einen engagierten Fürsprecher gefunden hat, ist auch von der „Tübinger und Mailänder Schule“ die Rede. Reale hat für die Prinzipienlehre die Bezeichnung „[[Protologie]]“ (Lehre vom Ersten) eingeführt, weil sie von den ersten Prinzipien handelt.
:α + β + ρ +  α + σ + α + ξ  =      1 + 2 + 100 + 1 + 200 + 1 + 60 = 365<br>Abraxas prägte auch das Zauberwort Abara-kadabara, heute eher als „[[Abrakadabra]]“ bekannt.</ref>. Die sieben Äonen des untersten Himmelskreises sind die Weltschöpfer. Die ursprüngliche Mischung des Göttlichen mit materiellen Elementen und dadurch auch das Böse war eine Folge dieser Schöpfung, die Scheidung dieser Elemente die Aufgabe der Erlösung.


<div style="margin-left:20px">
== Quellenlage und Indizien ==
"Man wollte mit allen Fasern festhalten an
einem Geistigen, das nicht erfaßt wird von dem Intellektualismus.
Das ist ungefähr der Seelenkampf, den Basilides ausgefochten hat,
der Gnostiker, der sich halten wollte an dasjenige, was sich im
Jahreslaufe offenbaren will. Er sagte sich: Wenn der Mensch sich
ganz überläßt seinem fortfließenden Intellekt, so trennt er sich von
dem göttlich-geistigen Kosmos; er muß sich halten an dasjenige,
was in der Umgebung Hegt, die durch den göttlich-geistigen Kosmos
zustandegekommen ist; er muß sich halten an das, was im
Weltenkreislauf das ehrwürdige Bild des kosmischen Schaffens hat,
also des Wirkens des Göttlichen im Materiellen; er muß sich halten
an das Jahr." {{Lit|{{G|343a|269}}}}
</div>


Darum sandte der „ungewordene Vater“ seinen Erstgeborenen, den Nous, der sich mit [[Jesus von Nazaret|Jesus]], dem vollkommensten Menschen, vereinigte, sich aber nicht selbst kreuzigen ließ, sondern den [[Wikipedia:Simon von Kyrene|Simon von Kyrene]] substituierte und ins [[Pleroma]] zurückkehrte. Man muss daher nicht an den Gekreuzigten, vielmehr an Nous, den ewigen Geist, glauben, der nur scheinbar den Kreuzestod gestorben ist. ([[Doketismus]])
Die Argumentation für das Tübinger Paradigma erfolgt in zwei Schritten. Der erste Schritt besteht in der Präsentation der Belege und Indizien für die Existenz philosophisch relevanter Sonderinhalte von Platons mündlichem Unterricht. Damit soll gezeigt werden, dass [[Platonischer Dialog|Platons Dialoge]], die alle erhalten geblieben sind, nicht seine gesamte Philosophie darstellen, sondern nur deren zur schriftlichen Verbreitung bestimmten Teil. Im zweiten Schritt wird der Quellenbefund für die mutmaßlichen Inhalte der ungeschriebenen Lehre ausgewertet und der Versuch unternommen, ein kohärentes System zu rekonstruieren.  


[[Datei:GA343 Tafel 9.jpg|thumb|400px|Tafel 9]]
=== Argumente für die Existenz einer ungeschriebenen Lehre ===


<div style="margin-left:20px">
Für die Existenz einer ungeschriebenen Lehre werden hauptsächlich folgende Belege angeführt und Argumente vorgebracht:
"Zu allerletzt verfließt der geistige Blick;
* Stellen in der ''[[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]]'' und der ''Physik'' des Aristoteles, insbesondere eine Stelle in der ''Physik'', wo er ausdrücklich auf „sogenannte ungeschriebene Lehren“ Platons Bezug nimmt.<ref>Aristoteles, ''Physik'' 209b13–15.</ref> Hierzu wird geltend gemacht, dass Aristoteles ein langjähriger Schüler Platons und Kenner des Unterrichtsbetriebs in der Akademie war und daher als gut informiert gelten kann.
wenn wir empfinden, gewahr werden, wie der geistige Blick verfließt,
* Der Bericht des [[Wikipedia:Aristoxenos|Aristoxenos]], eines Schülers des Aristoteles, über Platons öffentlichen Vortrag „Über das Gute“.<ref>Aristoxenos, ''Elementa harmonica'' 2,30–31. Text und deutsche Übersetzung bei [[Wikipedia:Heinrich Dörrie|Heinrich Dörrie]], [[Wikipedia:Matthias Baltes|Matthias Baltes]]: ''Der Platonismus in der Antike'', Band 1, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, S. 74–76 (Kommentar S. 278–282).</ref> Wie Aristoxenos mitteilt, pflegte Aristoteles zu erzählen, der Vortrag habe mathematische und astronomische Darlegungen enthalten und Platon habe auch [[das Eine]] – das höchste Prinzip – thematisiert. Die letztere Angabe und der Titel des Vortrags lassen erkennen, dass es um die Prinzipienlehre ging. Nach der Darstellung des Aristoteles stieß der Vortrag bei dem philosophisch unkundigen Publikum auf Unverständnis.   
dann reden wir von dem unbekannten Gott, von dem Gott,
* Platons „Schriftkritik“ in den Dialogen. In mehreren unzweifelhaft echten Dialogen artikuliert Platon seine Skepsis gegenüber der Schrift als Medium des Wissenstransfers und bringt seine Bevorzugung mündlicher Wissensvermittlung zum Ausdruck. Eine ausführliche Erläuterung seiner Position bietet er im Dialog ''[[Phaidros]]''. Dort begründet er die Überlegenheit mündlicher gegenüber schriftlicher Verbreitung philosophischer Lehren mit der weitaus größeren Flexibilität des mündlichen Diskurses, die ein entscheidender Vorteil sei. Der Autor eines Textes könne sich nicht auf den Kenntnisstand und die Bedürfnisse der einzelnen Leser einstellen, er könne weder deren Fragen beantworten noch auf Kritik eingehen. All dies sei nur im Gespräch möglich; dort sei die Sprache lebendig und beseelt. Das Geschriebene sei nur ein Abbild des Gesprochenen. Das Schreiben und Lesen führe nicht nur zu einer Schwächung des Gedächtnisses, sondern sei auch zur Vermittlung von Weisheit ungeeignet; diese könne nur durch mündlichen Unterricht erfolgen. Nützlich seien geschriebene Worte nur als Gedächtnisstütze für diejenigen, die schon Bescheid wissen. Literarische Tätigkeit sei nur Spielerei. Das Wesentliche seien die persönlichen Gespräche mit Schülern, bei denen die Worte auf jeweils individuelle Weise in die Seele geschrieben würden. Nur wer so lehren könne, sei als Philosoph zu betrachten. Wer hingegen nichts „Wertvolleres“ (''timiōtera'') habe als schriftliche Texte, an deren Formulierung er lange gefeilt hat, der sei nur Schriftsteller. Das „Wertvollere“ – die Deutung dieser Stelle ist sehr umstritten – wird als Hinweis auf die ungeschriebene Lehre gedeutet.<ref>Platon, ''Phaidros'' 274b–278e. Siehe dazu Ernst Heitsch: ''Platon: Phaidros. Übersetzung und Kommentar'', Göttingen 1993, S. 188–218 und zur Frage der ''timiotera'' Thomas Alexander Szlezák: ''Zum Kontext der platonischen τιμιώτερα''. In: ''Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft'' Neue Folge 16, 1990, S. 75–85; Thomas Alexander Szlezák: ''Platon lesen'', Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, S. 69–76, 86; Ernst Heitsch: ''ΤΙΜΙΩΤΕΡΑ''. In: Ernst Heitsch: ''Gesammelte Schriften'', Band 3, München 2003, S. 338–347; Hans Joachim Krämer: ''Die grundsätzlichen Fragen der indirekten Platonüberlieferung''. In: Hans-Georg Gadamer, Wolfgang Schadewaldt (Hrsg.): ''Idee und Zahl'', Heidelberg 1968, S. 124–128. Kritik an Heitschs ''Phaidros''-Interpretation übt Hans Krämer: ''Neue Literatur zum neuen Platonbild''. In: ''Allgemeine Zeitschrift für Philosophie'' 14, 1989, S. 59–81, hier: 59–72.</ref>
der in keine Worte und Begriffe zu fassen ist, von dem ersten Äon,
* Die Schriftkritik im [[Siebter Brief (Platon)|Siebten Brief]], dessen Echtheit umstritten ist, aber von der Tübinger Schule angenommen wird. Dort äußert sich Platon – falls er tatsächlich der Verfasser ist – zu seinen nur mündlich vermittelten Lehren (das, „womit es mir ernst ist“). Er stellt nachdrücklich fest, es gebe darüber von ihm keine Schrift und werde auch niemals eine geben, denn dieser Stoff lasse sich keineswegs so wie andere Lerngegenstände mitteilen. Vielmehr entstehe das Verständnis in der Seele aus intensiver gemeinsamer Bemühung und aus dem gemeinsamen Leben. Dies geschehe plötzlich, wie ein übergesprungener Funke ein Licht entzündet. Eine schriftliche Fixierung sei schädlich, denn sie würde nur in den Lesern Illusionen erzeugen: entweder die Verachtung von Unverstandenem oder die Arroganz des Scheinwissens.<ref>Platon, ''Siebter Brief'' 341b–342a. Siehe dazu den Kommentar von Rainer Knab: ''Platons Siebter Brief'', Hildesheim 2006, S. 261–268. Vgl. Hans Joachim Krämer: ''Die grundsätzlichen Fragen der indirekten Platonüberlieferung''. In: Hans-Georg Gadamer, Wolfgang Schadewaldt (Hrsg.): ''Idee und Zahl'', Heidelberg 1968, S. 117–124.</ref>
und aus diesem unbekannten Gotte manifestiert sich, offenbart sich
* Die „Aussparungsstellen“ in den Dialogen. In den Dialogen finden sich zahlreiche Stellen, an denen ein besonders wichtiges Thema zwar angesprochen, aber nicht näher erörtert wird. In manchen Fällen bricht die Diskussion gerade dort ab, wo sie sich dem Kern eines Problems nähert. Dabei geht es um Fragen, die für die Philosophie von grundlegender Bedeutung sind. Die Befürworter des Tübinger Paradigmas deuten die Aussparungsstellen als Hinweise auf Inhalte der ungeschriebenen Lehre, die in den Dialogen nur angedeutet werden können.       
heraus — dieser Begriff der Manifestation, der später die Dinge verunziert,
* Der Umstand, dass eine Unterscheidung zwischen „exoterischem“, zur Verbreitung in weiten Kreisen bestimmtem Wissen und „esoterischem“, nur für den Unterricht in einer Schule geeignetem Stoff nicht ungewöhnlich war. Auch Aristoteles hat eine solche Unterscheidung vorgenommen.<ref>Hans Joachim Krämer: ''Die platonische Akademie und das Problem einer systematischen Interpretation der Philosophie Platons''. In: Konrad Gaiser (Hrsg.): ''Das Platonbild'', Hildesheim 1969, S. 198–230, hier: 208.</ref>
ist bei Basilides noch gar nicht in der gleichen Weise zu
* Die in der Antike verbreitete Auffassung, dass der Gehalt derjenigen Lehren Platons, die mündlicher Mitteilung vorbehalten blieben, wesentlich über das in den Dialogen Dargelegte hinausging.
verstehen, wie wir heute «Manifestation» verstehen, man sollte
* Platons beständiger Versuch, Individuelles auf Allgemeines und Vielheit auf Einheit zurückzuführen. Mit der Ideenlehre reduzierte er die Mannigfaltigkeit der Erscheinungswelt auf die geringere Vielfalt der den Erscheinungen zugrunde liegenden Ideen. Innerhalb des hierarchisch geordneten Ideenreichs ließ er die vielen spezielleren Ideen von den weniger zahlreichen allgemeineren, umfassenden Ideen abhängen. Daraus ergibt sich die Vermutung, dass die Einführung der Ideen nur eine Etappe auf seinem Weg von der maximalen Vielheit zur größtmöglichen Einheit war. Es läge in der Konsequenz seines Denkens, die Zurückführung von Vielheit auf Einheit zum Abschluss zu bringen. Dies müsste in einer unveröffentlichten Theorie von den höchsten Prinzipien geschehen sein.<ref>Michael Erler: ''Platon'', München 2006, S. 162–164; Detlef Thiel: ''Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie'', München 2006, S. 143–148.</ref>
nicht sagen «es manifestiert sich», sondern «es gestaltet sich heraus», ganz individuell sich gestaltend -, aus dem unbekannten
Gotte gestaltet sich dasjenige heraus, was der Nous ist, der auch
bei Anaxagoras auftritt, gewissermaßen die erste Schöpfung des
unbekannten Gottes. Das ist das erste Prinzip, das im Menschen
sein Abbild hat, wenn der Mensch sich seinem Verstand, aber jetzt
nicht dem [intellektuellen] Verstand, sondern dem Ihnen in diesen
Tagen charakterisierten lebendigen Verstand hingegeben hat, den
die Menschen noch hatten innerhalb der griechischen Philosophie
[bis Plato], und den in abgeschwächter Form Aristoteles noch
hatte.


Das, was als das nächste herauskommt, ist der Logos, indem man
=== Die Quellenbasis der Rekonstruktion ===
vom Nous mehr nach unten geht. Im Menschen spricht sich das aus,
indem er Lautendes und Tönendes empfindet. Dann waren in der
Halsgegend Abbilder zu finden von fünf anderen Prinzipien, die wir
jetzt nicht im einzelnen zu charakterisieren brauchen. Damit haben
wir dasjenige, was man nannte den ersten heiligen Tag des Jahres,
der dem Menschen, wenn er ihn im Kosmos lesend erfaßt, das gibt,
was ihn zum Verständnis des menschlichen Kopfes, der menschlichen
Kopforganisation führt.


Außer diesen Prinzipien finden sich in der menschlichen Organisation
Platon hat die schriftliche Verbreitung angeblicher Inhalte der ungeschriebenen Lehre zwar – falls der Siebte Brief echt ist – scharf missbilligt, doch gab es keine Schweigepflicht der „Eingeweihten“. Der „esoterische“ Charakter der Lehre ist nicht im Sinne einer Geheimhaltungsvorschrift oder eines Aufzeichnungsverbots zu verstehen. Vielmehr fertigten Schüler in der Akademie Aufzeichnungen an, die sie später veröffentlichten oder bei der Abfassung eigener Werke verwerteten.<ref>Siehe dazu Michael Erler: ''Platon'' (= Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 421–425.</ref> Dies spricht für die Rekonstruierbarkeit von Platons nur mündlich dargelegter Lehre anhand der „indirekten Tradition“, der Angaben anderer Autoren.
noch andere Prinzipien, insgesamt 364, das gibt dann 364 + 1
= 365, was äußerlich symbolisch sich schon in den 365 Tagen des
Jahres ausdrückt." {{Lit|{{G|343a|270}}}}
</div>


<div style="margin-left:20px">
Für die Rekonstruktion der ungeschriebenen Lehre sind vor allem folgende Quellen herangezogen worden:
"Wenn
* Die ''Metaphysik'' (Bücher Α, Μ und N) und die ''Physik'' (Buch Δ) des Aristoteles
ich Ihnen ein charakteristisches Merkmal der Gnosis angeben soll in
* Fragmente von Aristoteles’ verlorenen Schriften ''Über das Gute'' und ''Über die Philosophie''
bezug auf das innere menschliche Erleben, so ist es dieses, daß der
*  Die ''Metaphysik'' [[Theophrastos von Eresos|Theophrasts]], eines Schülers des Aristoteles
Gnostiker alles Streben hatte, bis zum Höchsten hinauf mit der
* Zwei Fragmente der verlorenen Schrift ''Über Platon'', die Platons Schüler Hermodoros von Syrakus verfasste<ref>Text und deutsche Übersetzung bei [[Heinrich Dörrie]], [[Matthias Baltes]]: ''Der Platonismus in der Antike'', Band 1, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, S. 82–86, Kommentar S. 296–302. Siehe dazu Heinz Happ: ''Hyle'', Berlin 1971, S. 137–140.</ref> 
Erkenntnis zu dringen, so daß sich sein Blick über den Logos hinauf
* Ein Fragment eines verlorenen Werks von Platons Schüler [[Speusippos]]<ref>Text und deutsche Übersetzung bei Heinrich Dörrie, Matthias Baltes: ''Der Platonismus in der Antike'', Band 1, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, S. 86–89, Kommentar S. 303–305. Siehe dazu Heinz Happ: ''Hyle'', Berlin 1971, S. 142f.</ref>
zu dem Nous erhob. Der Gnostiker sagte: In Christus und im
* Die Schrift ''Adversus mathematicos'' des [[Sextus Empiricus]] (10. Buch). Die dort dargestellten Lehren werden von Sextus allerdings nicht ausdrücklich Platon zugeschrieben, sondern als [[Pythagoreer|pythagoreisch]] bezeichnet. Dass Platon ihr Urheber sei, ist eine nur auf Indizien gestützte [[Hypothese]].<ref>Siehe dazu Heinz Happ: ''Hyle'', Berlin 1971, S. 140–142; Marie-Dominique Richard: ''L’enseignement oral de Platon'', 2. Auflage, Paris 2005, S. 163–168; Konrad Gaiser: ''Quellenkritische Probleme der indirekten Platonüberlieferung''. In: Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 205–263, hier: 240–262; Detlef Thiel: ''Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie'', München 2006, S. 343–348.</ref>
Mysterium von Golgatha erschien der Nous menschlich verkörpert;
* Platons Dialoge ''[[Politeia]]'' und ''[[Parmenides (Platon)|Parmenides]]''. Wenn man Platon aufgrund der indirekten Tradition die Prinzipienlehre zuschreibt, erscheinen manche Äußerungen und Gedankengänge in diesen beiden Dialogen in einem anderen Licht. Die so interpretierten Dialogtexte tragen dann ihrerseits zur schärferen Konturierung des Bildes von der Prinzipienlehre bei. Auch Erörterungen in anderen Dialogen – etwa dem ''[[Philebos]]'' und dem ''[[Timaios]]'' – können dann anders verstanden und in das System des Tübinger Paradigmas eingeordnet werden. Sogar in frühen Dialogen sind Anspielungen auf die Prinzipienlehre vermutet worden.<ref>Jens Halfwassen: ''Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin'', 2. Auflage, Leipzig 2006, S. 31f. und Anm. 73; Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons'', 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 257–313.</ref>
nicht der Logos, der Nous erschien menschlich verkörpert. Das hat
aber, meine lieben Freunde, wenn man es lebendig erfaßt, eine ganz
bestimmte Folge für unser inneres Seelenleben. Wenn man die Dinge
so abstrakt hinstellt, wie sie heute im intellektualistischen Zeitalter
vielfach vor die Leute hingestellt werden, nun ja, dann hört man,
die Menschen der älteren Zeiten hätten nicht von dem Logos gesprochen,
der in Jesus Fleisch geworden ist, sondern von dem
Nous, der in Jesus Fleisch geworden ist. Damit ist die Sache dann
aus, wenn man einen solchen Begriff hingepfahlt hat. Derjenige
aber, der im lebendigen Erleben des Begrifflichen geistig drinnensteht,
der kann nicht anders, indem er einen solchen Seeleninhalt
faßt, als sich plastisch gestaltet das vorzustellen, was fleischgewordener
Nous ist. Fleischgewordener Nous aber kann nicht sprechen,
das kann nicht der Christus sein, kann nicht durch Tod und durch
Auferstehung gehen. Der Christus der Gnostiker, der eigentlich der
Nous ist, konnte nur so weit kommen, daß er sich im Menschen
verkörperte, er konnte aber nicht bis zum Sterben und zur Auferstehung kommen." {{Lit|{{G|343a|271f}}}}
</div>


In dieser von der Finsternis geschaffenen Welt gibt es kein völlig sündenfreies Wesen; selbst Jesus ist nicht frei von Sünde und muss getauft werden. Aus diesem Grunde war für seine Anhänger, die Basilidianer, das Fest der [[Jordan-Taufe]] des Retters die wichtigste Festlichkeit des Jahres (etwa 6. Januar)<ref>[[Wikipedia:Clemens von Alexandria|Clemens von Alexandrien]]: ''Stromateis'' I (XXI) 146,1 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel167-45.htm]</ref>.
== Der mutmaßliche Inhalt ==


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Die Befürworter des Tübinger Paradigmas haben sich anhand der verstreuten Angaben und Indizien in den Quellen intensiv um die Rekonstruktion der Prinzipienlehre bemüht. Sie sehen in dieser Lehre das Kernstück der Philosophie Platons. Obwohl viele wichtige Einzelheiten unbekannt oder strittig sind, zeichnet sich ein relativ geschlossenes Bild ihrer Grundzüge ab.<ref>Übersichtsdarstellungen geben Michael Erler: ''Platon'' (= Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 425–429 und Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 295–340.</ref> Ein wichtiger Aspekt des Tübinger Paradigmas ist die Annahme, dass die ungeschriebene Lehre nicht zusammenhanglos neben der geschriebenen steht, sondern dass zwischen ihnen eine enge und notwendige Verbindung besteht.
"Der Gnostiker wies weg dasjenige, was irgendwie einfließen
wollte aus dem Intellektualistischen, und es ergibt sich ihm das Bild
[des Christus nur] bis zur Abnahme des Kreuzes durch Simon von
Kyrene. Das ist die eine Seite des menschlichen Kampfes, der dazumal
entstanden ist unter dem Einfluß der großen Frage, die ich vor
Sie hingestellt habe. Und was ging aus diesem Ringen hervor? Aus
diesem Ringen ging die andere große Frage hervor, die jetzt für die
christlichen Gnostiker eine Crux wurde. Meine lieben Freunde, indem
die Gnostiker das 365. Göttliche als den Judengott ansahen,
empfanden sie das Väterliche in dem Göttlichen gerade am Ende
dieser Reihe. Wo die Juden ihren Gott verehrten, da empfanden sie
das Väterliche, während sie dasjenige, was später als der Heilige
Geist zum Vorschein kam, empfanden in dem anderen Pole, in dem
Nous. Und daher gaben die Gnostiker auf eine bestimmte christliche
Urfrage der ersten christlichen Jahrhunderte eine Antwort, die
heute gar nicht mehr gewürdigt wird, sie gaben die Antwort: Der
Christus ist ein viel höheres Geschöpf als der Vater, der Christus ist
nicht wesensgleich dem Vater. Der Vater, der seinen äußersten, extremsten
Ausdruck in dem Judengott fand, ist der Schöpfer der
Welt, aber der Schöpfer der Welt war genötigt, aus seinen Untergründen
eine Welt hervorgehen zu lassen, die ganz zur gleichen Zeit
hervorbringt das Gute und das Böse, das Gute und das Schlechte,
die zu gleicher Zeit hervorbringt Gesundheit und Krankheit, die zu
gleicher Zeit hervorbringt das Heilige und das Teuflische. Dieser
Welt, die nicht gemacht war aus Liebe, weil sie das Böse enthält,
stellten die Gnostiker als das höhere Göttliche den Christus entgegen,
der von oben herunter kam, der den Nous in sich trägt, der
diese Welt erlösen kann, die der Schöpfer unerlöst lassen mußte." {{Lit|{{G|343a|272f}}}}
</div>


Basilides Nachfolger war sein Sohn Isidoros. Die zahlreichen Anhänger des Basilides bildeten bis tief ins 4. Jahrhundert hinein in Unterägypten eine Art Geheimorden, bei dem [[Magie|magische]] [[Riten]] und die Kenntnis geheimer Worte eine große Rolle spielten. Sie modifizierten sein Religionssystem unter dem Einfluss [[Stoa|stoischer]] [[Philosophie]] wesentlich und erregten durch ihre (von ihren Gegnern entstellte?) Lehre, dass die Geschichte Jesu nur Schein und die Anbetung der Heidengötter gleichgültig sei, bei ihren christlichen Zeitgenossen vielfach Anstoß.
Sofern das Tübinger Paradigma der authentischen Lehre Platons entspricht, hat er mit der Prinzipienlehre in der Metaphysik einen neuen Weg beschritten. In der Ideenlehre hatte er manche Vorstellungen der [[Eleaten]], einer Richtung der [[Vorsokratiker]], aufgegriffen. Die Prinzipienlehre hingegen bricht mit der Grundüberzeugung der Eleaten, wonach nichts über dem vollkommenen, unwandelbaren Sein steht. Sie ersetzt diese Vorstellung durch das neuartige Konzept einer absoluten [[Transzendenz]], das über das Sein hinausführt. Jenseits der seienden Dinge wird ein schlechthin vollkommener Bereich des „Überseienden“ oder „Seinstranszendenten“ angenommen. Dort soll der Ursprung aller seienden Dinge zu suchen sein. „Seinstranszendent“ nennt man das, was das Sein transzendiert (übersteigt), das heißt: sich auf einer höheren Ebene als die seienden Dinge befindet. In einem solchen Modell ist alles Seiende als solches in gewisser Hinsicht unvollkommen, da der Übergang vom absolut transzendenten Übersein zum Sein bereits eine Einschränkung der ursprünglichen absoluten Vollkommenheit darstellt.


== Irenäus von Lyon ==
=== Die beiden Urprinzipien und ihr Zusammenwirken ===


[[Wikipedia:Irenäus von Lyon|Irenäus von Lyon]] (''Gegen die Häretiker'', Buch 1 24, 1-7) berichtet über die Lehren des [[Basilides]]:
Mit der Ideenlehre führt Platon die sinnlich wahrnehmbare Welt auf vollkommene, unveränderliche [[Idee]]n zurück. Für ihn ist das Reich der „platonischen“ Ideen eine objektiv existierende metaphysische Realität, die unabhängig vom Dasein der Sinnesobjekte besteht. Die Ideen, nicht die Objekte der Sinneserfahrung, stellen die eigentliche Wirklichkeit dar. Sie sind die im eigentlichen Sinne seienden Dinge. Als prägende Muster der einzelnen vergänglichen Sinnesobjekte sind sie die Ursachen von deren Beschaffenheit und verleihen ihnen die Existenz.


{{Zitat|Basilides dehnt seine Lehrmeinung ins Unendliche aus, um den Schein größerer Tiefe und Glaubwürdigkeit zu erwecken. Er lehrt folgendes: Von dem ungezeugten Vater ist zunächst der Nous gezeugt, von diesem der Logos, von dem Logos die Phronesis, von der Phronesis die Sophia und Dynamis, von der Sophia und Dynamis die Kräfte, Mächte und Engel, die er die ersten nennt, und von diesen ist der erste Himmel erschaffen. Von ihnen sind andere Engel abgeleitet und erschaffen, diese machten einen zweiten Himmel ähnlich dem ersten. Von diesen entstanden auf ähnliche Weise durch Ableitung wieder andere, als Abbilder der oberen, und diese machten einen dritten Himmel. Aus dem dritten Himmel entstand der vierte und so fort auf dieselbe Weise immer weitere Fürsten und Engel und 365 Himmel. Nach dieser Himmelszahl hat denn auch das Jahr ebenso viele Tage.|Irenäus|''Gegen die Häretiker'' I,24,3 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel604-2.htm]}}
So wie die Ideenlehre die Existenz und Vielfalt der Erscheinungswelt erklären soll, dient die Prinzipienlehre als einheitliche Erklärung für die Existenz und Vielfalt des Ideenreichs. Die Zusammenfügung der beiden Theorien zielt somit auf ein vereinheitlichtes Modell von allem. Mit der Prinzipienlehre wird die Existenz der Ideen und damit auch diejenige der Sinnesobjekte auf nur zwei Urprinzipien zurückgeführt.<ref>Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons'', 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 199–201; Michael Erler: ''Platon'' (= Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 425; Detlef Thiel: ''Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie'', München 2006, S. 190.</ref>


{{Zitat|Die örtliche Lage der 365 Himmel bestimmen sie ähnlich wie die Mathematiker. Ihre Lehrsätze haben sie übernommen und verwenden sie für die besondere Art ihrer Lehre. Ihr Fürst heißt [[Abraxas]]; der Zahlenwert der Buchstaben dieses Namens beträgt 365.|Irenäus|''Gegen die Häretiker'' I 24,7 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel604-6.htm]}}
Die beiden fundamentalen Urprinzipien sind das Eine als Prinzip der Einheit und Bestimmtheit und die „unbegrenzte“ oder „unbestimmte“ Zweiheit (''ahóristos dyás''). Die unbestimmte Zweiheit soll Platon als „das Große und Kleine“ oder „das Groß-Kleine“ (''to méga kai to mikrón'') beschrieben haben.<ref>Aristoteles, ''Metaphysik'' 987b; vgl. ''Physik'' 209b–210a.</ref> Sie ist das Prinzip der Verminder- und Vermehrbarkeit, des Zweideutigen und Unbestimmten und der Vielheit. Dabei handelt es sich nicht um Unbegrenztheit im Sinne einer räumlichen oder quantitativen Unendlichkeit, sondern die Unbestimmtheit besteht im Fehlen einer Festlegung und damit einer Gestaltung. Mit der Bezeichnung „unbestimmt“ wird die Zweiheit als Urprinzip von der bestimmten Zweiheit – der Zahl Zwei – unterschieden und als meta-mathematisch gekennzeichnet.<ref>Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons'', 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 205–207.</ref>


{{Zitat| Den letzten Himmel, den wir sehen, erfüllen die Engel, welche alles, was in der Welt ist, gemacht haben. Sie haben die Erde und die Völker, die auf der Erde sind, unter sich verteilt. Ihr Anführer ist der Gott der Juden. Da dieser nun seinen Leuten, d. h. den Juden, die andern Völker unterwerfen wollte, erhoben sich die andern Fürsten gegen ihn und durchkreuzten seine Pläne. Deshalb sind auch die andern Völker seinem Volke feindlich gesonnen.<br>
Die Einheit und die unbestimmte Zweiheit sind die Anfangsgründe von allem, denn aus ihrem Zusammenwirken resultiert die Ideenwelt und damit die Gesamtwirklichkeit. Die ganze Mannigfaltigkeit der Sinnesphänomene beruht letztlich auf nur zwei Faktoren. Die formgebende Einheit ist die erzeugende Instanz, die formlose unbestimmte Zweiheit dient der Wirksamkeit der Einheit als Substrat. Ohne das Substrat könnte die Einheit nichts hervorbringen. Alles Sein beruht darauf, dass das Eine auf die unbestimmte Zweiheit einwirkt, indem sie dem Formlosen Grenzen setzt, ihm Form und Merkmale verleiht und damit als [[Individuationsprinzip]] die einzelnen [[Entität]]en in die Existenz bringt. In allem Seienden liegt eine Mischung der beiden Urprinzipien vor.<ref>Heinrich Dörrie, Matthias Baltes: ''Der Platonismus in der Antike'', Band 4, Stuttgart-Bad Cannstatt 1996, S. 154–162 (Quellen mit Übersetzung), 448–458 (Kommentar); Michael Erler: ''Platon'' (= Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 426f.</ref>


Wie aber der ungezeugte und unnennbare Vater ihre Verderbtheit sah, sandte er seinen eingeborenen Nous, der Christus genannt wird, um die, welche an ihn glauben würden, von der Herrschaft jener zu befreien, die die Welt gemacht haben. Er erschien auch ihren Völkern auf Erden als Mensch und vollendete die Kräfte. Aber er hat nicht gelitten, sondern ein gewisser Simon von Cyrene, den man zwang, für ihn das Kreuz zu tragen. Dieser wurde irrtümlich und unwissentlich gekreuzigt, nachdem er von ihm verwandelt war, so daß er für Jesus gehalten wurde. Jesus aber nahm die Gestalt des Simon an und lachte sie aus, indem er dabeistand. Er war ja die unkörperliche Kraft und der Nous des ungezeugten Vaters, deswegen konnte er sich nach Belieben verwandeln und stieg so wieder zu dem hinauf, der ihn gesandt hatte, indem er derer spottete, die ihn nicht halten konnten, und unsichtbar für alle war. Befreit also sind, die dies wissen, von den Schöpferfürsten der Welt. Nicht den Gekreuzigten darf man bekennen, sondern den, der anscheinend gekreuzigt wurde, Jesus hieß und vom Vater gesandt wurde, um durch diese Veranstaltung die Werke derer zu zerstören, die die Welt gemacht haben. Wer also noch den Gekreuzigten bekennt, der ist ein Sklave und unter der Gewalt jener, welche die Körperwelt gemacht haben; die andern aber sind ihrer Macht ledig, sie wissen, wie es der ungezeugte Vater geordnet hat.|Irenäus|''Gegen die Häretiker'' I 24,4 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel604-3.htm]}}
Je nachdem, ob das eine oder das andere Urprinzip überwiegt, herrscht in den Entitäten Ordnung oder Unordnung vor. Je chaotischer etwas ist, desto stärker tritt darin die Präsenz des Zweiheitsprinzips hervor.<ref>Hans Joachim Krämer: ''Arete bei Platon und Aristoteles'', Heidelberg 1959, S. 144f.; Konrad Gaiser: ''Platons ungeschriebene Lehre'', 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 18f.; Michael Erler: ''Platon'', München 2006, S. 167.</ref>


Die [[Erlösung]] betrifft nach Basilides nur die [[Seele]], der Körper muss zerfallen. Von der [[Auferstehung|Auferstehung des Leibes]] kann hier keine Rede sein.
Nach dem Tübinger Paradigma prägt das Konzept der beiden gegensätzlichen Urprinzipien nicht nur die [[Ontologie]], sondern auch die [[Logik]], die [[Ethik]], die [[politische Philosophie]], die [[Kosmologie]], die [[Erkenntnistheorie]] und die [[Seele]]nlehre Platons. In der Ontologie entspricht dem Prinzipiengegensatz der Gegensatz von Sein und Nichtsein; je mehr sich in einem Ding der Einfluss des Zweiheitsprinzips geltend macht, desto geminderter ist sein Sein und desto niedriger daher sein ontologischer Rang. In der Logik steht die Einheit für Identität und Gleichheit, die unbestimmte Zweiheit für Verschiedenheit und Ungleichheit. Der ethischen Einstufung zufolge bedeutet die Einheit „Gutheit“ ''([[Arete|aretḗ]])'', die unbestimmte Zweiheit Schlechtigkeit. Im Staat ist die Einheit der Bürger das, was ihn zum Staat macht und seinen Fortbestand ermöglicht, während die Zweiheit sich als das spaltende, chaotisierende und auflösende Prinzip bemerkbar macht. In der Kosmologie zeigt sich die Einheit in der Ruhe, in der Beständigkeit und Ewigkeit der Welt, aber auch in der Belebtheit des Kosmos und im planmäßigen Handeln des Schöpfergottes ([[Demiurg]]en); die unbestimmte Zweiheit ist dort das Prinzip der Bewegung und Veränderung, insbesondere der Vergänglichkeit und speziell des Todes. Erkenntnistheoretisch steht die Einheit für das philosophische Wissen, das auf Kenntnis der unwandelbaren platonischen Ideen beruht, die unbestimmte Zweiheit für das von den Sinneseindrücken abhängige bloße Meinen. Im Seelenleben entspricht der Einheit die Vernunft, der unbestimmten Zweiheit der Bereich der Triebe und körpergebundenen [[Affekt]]e.<ref>Konrad Gaiser: ''Platons ungeschriebene Lehre'', 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 18f., 73–81; Vittorio Hösle: ''Wahrheit und Geschichte'', Stuttgart-Bad Cannstatt 1984, S. 490–506; Hans Joachim Krämer: ''Arete bei Platon und Aristoteles'', Heidelberg 1959, S. 279f., 287f.</ref>


== Hippolytus von Rom ==
=== Monismus und Dualismus ===


{{Zitat|Als nun nichts existierte, weder Stoff, noch Wesenheit, noch Wesenloses, noch Einfaches, noch Zusammengesetztes, noch Unfaßbares, noch Unfühlbares, weder Mensch, noch Engel, noch Gott, noch überhaupt etwas Benennbares, das man mit dem Gefühl oder dem Verstand wahrnimmt, als vielmehr alles absolut im eigentlichsten Sinne nicht vorhanden war, entschloß sich der nichtexistierende Gott, den Aristoteles „Gedanke des Gedankens“ nennt, Basilides und seine Schule aber den Nichtexistierenden, ohne Gedanken, ohne Empfindung, ohne Ratschluß, ohne Plan, ohne Leidenschaft, ohne Begierde die Welt zu schaffen. Wenn ich „er wollte“ sage, so sage ich es, meint Basilides, der Verständlichmachung wegen, er wollte ohne Wille, ohne Gedanke, ohne Gefühl; unter „die Welt“ verstehe ich nicht jene, die später durch die Ausdehnung und Scheidung entstand und auseinanderging, sondern den Weltsamen. Der Weltsamen enthielt alles in sich, wie das Senfkorn im kleinsten zusammengefaßt alles enthält: die Wurzeln, den Stamm, die Zweige, die unzähligen Blätter und die von der Pflanze hervorzubringenden Samen und alle weiter entstehenden Pflanzen und ihre Samen. So schuf der nichtexistierende Gott eine nichtexistierende Welt aus Nichtexistierendem, indem er ein Samenkorn hervorbrachte, das den Gesamtsamen der Welt in sich hatte.|Hippolytus von Rom|''Widerlegung aller Häresien'' VII 21 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1768-9.htm]}}
Die Annahme zweier Urprinzipien wirft die Frage auf, ob die Prinzipienlehre und damit im Fall ihrer Authentizität Platons gesamte Philosophie [[Monismus|monistisch]] oder [[Dualismus (Ontologie)|dualistisch]] ist. Monistisch ist das Modell, falls dem Gegensatz zwischen der Einheit und der unbestimmten Zweiheit ein einziges Prinzip zugrunde liegt. Dies ist der Fall, wenn das Vielheitsprinzip auf das Einheitsprinzip zurückgeführt und diesem dadurch untergeordnet wird. Eine andere monistische Interpretation der Prinzipienlehre besteht in der Annahme einer übergeordneten Meta-Einheit, die den beiden gegensätzlichen Prinzipien zugrunde liegt und sie vereinigt. Wenn hingegen die unbegrenzte Zweiheit als für sich getrennt bestehendes, von jeglicher Einheit unabhängiges Urprinzip aufgefasst wird, handelt es sich um eine dualistische Lehre.


Aus den Samen erwächst eine dreifache Sohnschaft: der leichte Teil entschwebt sofort nach oben, der schwere Teil erhebt sich mit den Flügen des [[Heiliger Geist|Heiligen Geistes]] und der dritte Teil bleibt erlösungsbedürftig zurück.
Den Angaben der Quellen lässt sich nicht eindeutig entnehmen, wie man sich das Verhältnis der beiden Urprinzipien vorzustellen hat. Klar ist immerhin, dass dem Einen ein höherer Rang zugewiesen wird als der unbestimmten Zweiheit<ref>Christina Schefer: ''Platons unsagbare Erfahrung'', Basel 2001, S. 186f.</ref> und dass nur das Eine als absolut transzendent betrachtet wird. Dies spricht für eine monistische Interpretation der Prinzipienlehre und passt zu Äußerungen Platons in seinen Dialogen, die eine monistische Denkweise erkennen lassen. Im Dialog ''[[Menon]]'' schreibt er, dass alles in der Natur unter sich verwandt sei,<ref>Platon, ''Menon'' 81c–d.</ref> und in der ''[[Politeia]]'' ist zu lesen, dass es einen Ursprung (''[[Arché|archḗ]]'') von allem gebe, den die Vernunft ergreifen könne.<ref>Platon, ''Politeia'' 511b.</ref>


{{Zitat|Es war, so sagt Basilides, im Samen selbst eine dreifache Sohnschaft, dem nichtexistierenden Gott durchaus wesensgleich, aus dem Nichtexistierenden erzeugt. Ein Teil dieser dreifach geteilten Sohnschaft war ganz leicht, der andere schwer, der dritte reinigungsbedürftig. Im Augenblick, als die erste Hervorbringung des Samens durch den nichtexistierenden Gott stattfand, entfloh der ganz feine Teil, stieg eilends mit einer schöpferischen Schnelligkeit von unten nach oben „wie ein Flügel oder ein Gedanke“<ref>Od. 7, 36</ref> und gelangte zum Nichtexistierenden; nach ihm strebt jedes Wesen wegen seiner überaus großen Schönheit und Anmut; aber jedes auf seine Weise. Das allzu Schwere bleibt aber noch im Samen und konnte, obwohl es Nachahmungstrieb hatte, nicht aufsteigen; diese Sohnschaft war viel zu wenig leicht im Gegensatz zu der, die durch sich selbst aufstieg, und blieb unten. Nun versah sich also die allzu schwere Sohnschaft mit solchen Flügeln, wie sie Plato, der Lehrer des Aristoteles, im Phaidros<ref>Phaidros 246 A ff.</ref> der Seele gibt. Basilides nennt sie nicht Flügel, sondern Heiliger Geist; wenn die Sohnschaft ihn angetan hat, übt sie Wohltaten und erhält solche.|Hippolytus von Rom|''Widerlegung aller Häresien'' VII 22 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1768-10.htm]}}
Bei den Befürwortern des Tübinger Paradigmas sind die Meinungen zu dieser Frage geteilt.<ref>Eine Forschungsübersicht bietet Michael Erler: ''Platon'' (= Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 428f.</ref> Nach dem vorherrschenden Lösungsansatz betrachtete Platon zwar die unbestimmte Zweiheit als unentbehrlichen Grundbestandteil der Weltordnung, nahm aber ein allem übergeordnetes Einheitsprinzip an und war daher Monist. Diese Position haben [[Jens Halfwassen]], Detlef Thiel und [[Vittorio Hösle]] ausführlich begründet.<ref>Jens Halfwassen: ''Monismus und Dualismus in Platons Prinzipienlehre''. In: Thomas Alexander Szlezák (Hrsg.): ''Platonisches Philosophieren'', Hildesheim 2001, S. 67–85; Detlef Thiel: ''Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie'', München 2006, S. 197–208; Vittorio Hösle: ''Wahrheit und Geschichte'', Stuttgart-Bad Cannstatt 1984, S. 459–506.</ref> Nach Halfwassens Lösung kann Platons unbestimmte Zweiheit nicht aus dem Einen abgeleitet werden, da sie damit ihren Status als Urprinzip verlöre und weil das absolut transzendente Eine keine latente Vielheit in sich enthalten könne. Die unbestimmte Zweiheit ist aber dem Einen nicht gleichursprünglich und gleichmächtig, sondern von ihm abhängig. Damit erweise sich Platons Philosophie als letztlich monistisch. [[John Niemeyer Findlay]] plädiert ebenfalls nachdrücklich für ein monistisches Verständnis der Prinzipienlehre.<ref>John N. Findlay: ''Plato. The Written and Unwritten Doctrines'', London 1974, S. 322–325.</ref> Für Cornelia de Vogel ist der monistische Aspekt der Lehre der überwiegende.<ref>Cornelia J. de Vogel: ''Rethinking Plato and Platonism'', Leiden 1986, S. 83f., 190–206.</ref> Von einem System mit teils monistischen, teils dualistischen Zügen gehen [[Hans Krämer (Philosoph)|Hans Joachim Krämer]]<ref>Hans Joachim Krämer: ''Der Ursprung der Geistmetaphysik'', 2. Auflage, Amsterdam 1967, S. 329–334; Hans Joachim Krämer: ''Neues zum Streit um Platons Prinzipientheorie''. In: ''[[Philosophische Rundschau]]'' 27, 1980, S. 1–38, hier: 27.</ref> und [[Konrad Gaiser]]<ref>Konrad Gaiser: ''Platons ungeschriebene Lehre'', 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 10, 12f., 200f., 352; Konrad Gaiser: ''Platons esoterische Lehre''. In: Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 317–340, hier: 330f.</ref> aus. Christina Schefer meint, der Prinzipien-Gegensatz sei logisch unaufhebbar und weise daher über sich hinaus. Er verweise auf eine „unsagbare“ intuitive Urerfahrung, die Platon gemacht habe: die Erfahrung des Gottes [[Apollon]] als des gemeinsamen Grundes hinter den beiden Urprinzipien.<ref>Christina Schefer: ''Platons unsagbare Erfahrung'', Basel 2001, S. 57–60.</ref> Auch dieser Ansatz läuft somit auf eine monistische Gesamtkonzeption hinaus.


Der Heilige Geist, der fortan den Duft der Sohnschaft in sich trägt, bildet die Grenze zwischen der oberen und der unteren Welt. Aus der Samenfülle entsteht nun der [[Archon]], der [[Demiurg]]. Da er nicht allein sein wollte, erzeugte er einen Sohn, der besser und weiser war als er selbst, und setzte ihn zu seiner Rechten. Und dieser gab ihm die Kraft und die Gedanken, um die ([[äther]]ische) Schöpfung hervorzubringen, über der der Archon gemeinsam mit seinem Sohn in der «[[Achtheit]]» residiert.
Obwohl die Prinzipienlehre nach der heute vorherrschenden Forschungsmeinung als letztlich monistisches System angelegt ist, hat sie auch einen dualistischen Aspekt. Dieser wird von den Vertretern monistischer Interpretationen nicht bestritten, doch meinen sie, dass er der monistischen Gesamtstruktur untergeordnet ist. Die dualistische Seite des Konzepts besteht darin, dass nicht nur die Einheit, sondern auch die unbestimmte Zweiheit als Urprinzip aufgefasst wird. Diese Ursprünglichkeit der Zweiheit betont Giovanni Reale. Er hält aber den Begriff Dualismus für unpassend und spricht lieber von einer „bipolaren Struktur des Wirklichen“. Dabei berücksichtigt Reale aber auch, dass die beiden Pole nicht gleichgewichtig sind. Er stellt fest, dass die Einheit „der Zweiheit hierarchisch überlegen bleibt“.<ref>Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons'', 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 207f., 309–311.</ref> Gegen jede Ableitung der Zweiheit aus einem übergeordneten Einheitsprinzip und damit für einen konsequenten Dualismus Platons plädieren [[Heinz Happ]],<ref>Heinz Happ: ''Hyle'', Berlin 1971, S. 141–143.</ref> Marie-Dominique Richard<ref>Marie-Dominique Richard: ''L’enseignement oral de Platon'', 2. Auflage, Paris 2005, S. 231f.</ref> und Paul Wilpert.<ref>Paul Wilpert: ''Zwei aristotelische Frühschriften über die Ideenlehre'', Regensburg 1949, S. 173–174.</ref> Sie glauben, dass ein ursprünglicher Dualismus Platons später monistisch umgedeutet worden sei.    


{{Zitat|Es erfolgte also der erste und zweite Aufstieg der Sohnschaft, und der Heilige Geist blieb, wie gesagt, als Firmament zwischen der Oberwelt und der Welt zurück. — Das Sein wird nämlich von Basilides in zwei Haupt- und Grundteile geteilt; der eine heißt Welt, der andere Oberwelt; was aber zwischen der Welt und der Oberwelt liegt, heißt der dazwischen liegende Geist, der eben der Heilige Geist ist und der den zurückgebliebenen Duft der Sohnschaft in sich trägt. Da nun das Firmament existierte, das über dem Himmel sich befindet, ward vom kosmischen Samen und der Samenfülle des Haufens der große Archon<ref>Herrscher</ref> erzeugt und trat heraus, das Haupt der Welt, von unsagbarer Schönheit, Größe und Kraft... Und da er sich für den Herrn und Gebieter und weisen Baumeister hielt, wandte er sich der Weltschöpfung im einzelnen zu. Als erstes beschloß er, nicht allein zu sein, und erzeugte aus den unter ihm gelegenen Dingen einen Sohn, der weit besser und weiser als er selbst war. Das alles hatte der nichtexistierende Gott vorherbestimmt, als er die Samenfülle hervorbrachte. Beim Anblick des Sohnes faßte den großen Archon Bewunderung, Liebe und Erstaunen; so schön erschien ihm der Sohn; und er setzte ihn zu seiner Rechten<ref>vgl. {{B|Ps|109|1}}</ref>. Das ist die von den Basilidianern angeführte Achtzahl; dort hat der große Archon seinen Sitz. Der Demiurgos, der große Weise, hat also die ganze himmlische Schöpfung, d. i. die ätherische, erstellt; Kraft und Gedanken hierzu gab ihm sein Sohn, der viel weiser ist als der Demiurg selbst.|Hippolytus von Rom|''Widerlegung aller Häresien'' VII 23 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1768-11.htm]}}
Wenn die Prinzipienlehre authentisch und ihre monistische Deutung richtig ist, erhält Platons Metaphysik einen Charakter, der stark an die [[Neuplatonismus|neuplatonischen]] Modelle aus der [[Römische Kaiserzeit|römischen Kaiserzeit]] erinnert. In diesem Fall ist das neuplatonische Verständnis seiner Philosophie in einem zentralen Bereich historisch richtig. Dann ist der Neuplatonismus weniger neuartig, als er ohne die Prinzipienlehre erschiene. Vertreter des Tübinger Paradigmas weisen auf diese Konsequenz hin. Sie sehen in [[Plotin]], dem Begründer des Neuplatonismus, den konsequenten Fortsetzer einer von Platon selbst begründeten Denkrichtung. Plotins metaphysisches System sei in seinen Grundzügen schon der Generation von Platons Schülern vertraut gewesen. Dies entspricht Plotins eigener Sichtweise, denn er betrachtete sich nicht als Neuerer, sondern als getreuen Ausleger der Lehre Platons.<ref>Detlef Thiel: ''Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie'', München 2006, S. 197f. und Anm. 64; Jens Halfwassen: ''Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin'', 2. Auflage, Leipzig 2006, S. 17–33, 183–210.</ref>


Wie die [[Entelechie]] den [[Körper]], so leitet der Sohn den Archon. Nachdem alles [[Äther]]isch bis hinab zur [[Mondsphäre]] von dem Sohn geordnet worden war, steigt aus der Samenfülle ein weiterer Archon auf, geringer als der erste, aber größer als alles, was unter ihm lag - mit Ausnahme des dritten der oben erwähnten drei Söhne, der hier zurückgeblieben war. Auch er schuf sich einen Sohn, der klüger und weiser war als er selbst. Der Wohnort ist die «[[Siebenzahl]]» und in diesem Raum befindet sich auch die «Samenfülle»<ref>Hippolytus von Rom: ''Widerlegung aller Häresien'' VII 24 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1768-12.htm]</ref> und in dieser die dritte Sohnschaft, ''„die zum Wohltatenspenden und Wohltatenempfangen im Samen zurückgelassen worden war“''<ref>VII 25 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1768-13.htm]</ref>.
=== Das Gute in der ungeschriebenen Lehre ===


{{Zitat|Der Archon der Siebenzahl ist's, der zu Moses sprach: „Ich bin der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, und den Namen Gottes habe ich ihnen nicht kund getan“<ref>{{B|Ex|6|2-3}}</ref> — so soll nach ihnen geschrieben stehen —, d. h. (den Namen) des unaussprechlichen Gottes, der Achtzahl, des Archon. Alle Propheten vor dem Erlöser haben ihre Offenbarung von jenem.|Hippolytus von Rom|''Widerlegung aller Häresien'' VII 25 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1768-13.htm]}}
Ein wichtiges Forschungsproblem ist die umstrittene Frage nach der Stellung der [[Das Gute|Idee des Guten]] in dem metaphysischen System, das sich aus der Kombination von Ideenlehre und rekonstruierter Prinzipienlehre ergibt. Die Klärung dieser Frage hängt davon ab, wie man den Status deutet, den Platon der Idee des Guten im Rahmen der Ideenlehre zugedacht hat. In der ''Politeia'' grenzt er sie scharf von den übrigen Ideen ab. Er weist ihr eine einzigartige Vorrangstellung zu, denn nach seiner Überzeugung verdanken alle anderen Ideen ihr Sein dieser einen Idee. Somit sind sie ihr ontologisch untergeordnet.<ref>Eine Zusammenfassung einschlägiger Aussagen in der ''Politeia'' bietet Thomas Alexander Szlezák: ''Die Idee des Guten in Platons Politeia'', Sankt Augustin 2003, S. 111f. Übersichten über die Positionen in der Forschungskontroverse bieten Rafael Ferber: ''Ist die Idee des Guten nicht transzendent oder ist sie es doch? Nochmals Platons ΕΠΕΚΕΙΝΑ ΤΗΣ ΟΥΣΙΑΣ''. In: Damir Barbarić (Hrsg.): ''Platon über das Gute und die Gerechtigkeit'', Würzburg 2005, S. 149–174, hier: 149–156 und Michael Erler: ''Platon'' (= Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 402–404.</ref>   


== Anmerkungen ==
Den Ausgangspunkt der Forschungskontroverse bildet das umstrittene Verständnis des griechischen Begriffs [[Ousia]] – wörtlich „Seiendheit“ –, der gewöhnlich mit „Sein“ oder „Wesen“ wiedergegeben wird. In der ''Politeia'' ist zu lesen, das Gute sei „nicht die Ousia“, sondern „jenseits der Ousia“ und übertreffe sie an Ursprünglichkeit<ref>Griechisch ''presbeía'' „Altersvorrang“, auch mit „Würde“ übersetzt.</ref> und Macht.<ref>Platon, ''Politeia'' 509b.</ref> Wenn hier nur das Wesen gemeint ist oder wenn die Stelle frei ausgelegt wird, lässt sich die Idee des Guten innerhalb des Ideenbereichs, des Bereichs der seienden Dinge, verorten. In diesem Fall kommt ihr keine absolute Transzendenz zu. Sie ist dann nicht seinstranszendent oder überseiend, sondern nimmt nur unter den seienden Dingen eine Vorrangstellung ein.<ref>Abgelehnt wird die Seinstranszendenz der Idee des Guten u. a. von Theodor Ebert: ''Meinung und Wissen in der Philosophie Platons'', Berlin 1974, S. 169–173, Matthias Baltes: ''Is the Idea of the Good in Plato’s Republic Beyond Being?'' In: Matthias Baltes: ''Dianoemata. Kleine Schriften zu Platon und zum Platonismus'', Stuttgart 1999, S. 351–371 und Luc Brisson: ''L’approche traditionelle de Platon par H.F. Cherniss''. In: Giovanni Reale, Samuel Scolnicov (Hrsg.): ''New Images of Plato'', Sankt Augustin 2002, S. 85–97.</ref> Nach dieser Interpretation ist sie nicht Gegenstand der Prinzipienlehre, sondern nur der Ideenlehre. Wenn hingegen mit Ousia das Sein gemeint ist und die Stelle wörtlich ausgelegt wird, ist „jenseits der Ousia“ im Sinne von Seinstranszendenz zu verstehen.<ref>Eine zusammenfassende Darstellung dieser Position bietet Thomas Alexander Szlezák: ''Die Idee des Guten in Platons Politeia'', Sankt Augustin 2003, S. 67f. Vgl. Rafael Ferber: ''Ist die Idee des Guten nicht transzendent oder ist sie es doch? Nochmals Platons ΕΠΕΚΕΙΝΑ ΤΗΣ ΟΥΣΙΑΣ''. In: Damir Barbarić (Hrsg.): ''Platon über das Gute und die Gerechtigkeit'', Würzburg 2005, S. 149–174, hier: 154–160 und Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons'', 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 275–281.</ref> Dieser Deutung zufolge hat Platon die Idee des Guten als absolut transzendent betrachtet. Dann muss sie in den Bereich, mit dem sich die Prinzipienlehre befasst, eingeordnet werden.
 
Falls Platon die Idee des Guten als seinstranszendent aufgefasst hat, stellt sich das Problem ihres Verhältnisses zum Einen. Die meisten Verfechter der Existenz der ungeschriebenen Lehre meinen, dass das Eine und die Idee des Guten für Platon identisch waren. Ihrer Argumentation zufolge ergibt sich die Identität daraus, dass es im Bereich der absoluten Transzendenz keine Bestimmungen und damit auch keine Unterscheidung zweier Prinzipien geben kann. Außerdem berufen sich die Vertreter der Identitätshypothese auf Angaben des Aristoteles.<ref>Jens Halfwassen: ''Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin'', 2. Auflage, Leipzig 2006, S. 21–23 und S. 221 Anm. 4; Thomas Alexander Szlezák: ''Die Idee des Guten in Platons Politeia'', Sankt Augustin 2003, S. 70f.; Hans Krämer: ''Die Idee des Guten. Sonnen- und Liniengleichnis (Buch VI 504a–511e)''. In: [[Otfried Höffe]] (Hrsg.): ''Platon: Politeia'', 3. Auflage, Berlin 2011, S. 135–153, hier: 142–145; Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons'', 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 258–280; Konrad Gaiser: ''Plato’s enigmatic lecture ‚On the Good’''. In: Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 265–294, hier: 265–268.</ref> Eine abweichende Meinung vertritt [[Rafael Ferber]]; er geht zwar von der Existenz einer ungeschriebenen Lehre aus, deren Gegenstand das Gute gewesen sei, aber lehnt die Gleichsetzung des Guten mit dem Einen ab.<ref>Rafael Ferber: ''Platos Idee des Guten'', 2., erweiterte Auflage, Sankt Augustin 1989, S. 76–78.</ref>
 
=== Die idealen Zahlen ===
 
Dem Bericht des Aristoxenos über Platons Vortrag „Über das Gute“ ist zu entnehmen, dass Ausführungen über die Zahlenlehre einen wesentlichen Teil der Argumentation ausmachten.<ref>Aristoxenos, ''Elementa harmonica'' 30.</ref> Diese Thematik hat demnach in der ungeschriebenen Lehre eine wichtige Rolle gespielt. Es handelt sich dabei nicht um Mathematik, sondern um eine Philosophie der Zahlen. Platon unterscheidet zwischen den mathematischen Zahlen und metaphysischen „idealen“ (eidetischen) Zahlen. Im Gegensatz zu mathematischen Zahlen lassen sich metaphysische keinen arithmetischen Operationen unterziehen. Beispielsweise ist, wenn es um ideale Zahlen geht, mit der Zwei nicht die Zahl 2, sondern das Wesen der Zweiheit gemeint.<ref>Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons'', 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 211, 219–221; Detlef Thiel: ''Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie'', München 2006, S. 210f.; Hans Joachim Krämer: ''Arete bei Platon und Aristoteles'', Heidelberg 1959, S. 250f.</ref>
 
Die idealen Zahlen nehmen eine Mittelstellung zwischen den Urprinzipien und den Ideen ein. Sie stellen die ersten Entitäten dar, die aus den Urprinzipien hervorgehen. Das Hervorgehen ist – wie bei allen metaphysischen Erzeugungen – nicht zeitlich als Ereignis, sondern nur im Sinne einer ontologischen Abhängigkeit zu verstehen. Beispielsweise entsteht aus dem Zusammenwirken des Einen – des bestimmenden Faktors – und der unbestimmten Zweiheit – des Vielheitsprinzips – die Zweiheit im Bereich der idealen Zahlen. Diese ist als Produkt der beiden gegensätzlichen Urprinzipien von beiden geprägt: Sie ist die bestimmte Zweiheit. Ihre Bestimmtheit zeigt sich darin, dass sie das Verhältnis zwischen einem bestimmten Übertreffenden (dem Doppelten) und einem bestimmten Übertroffenen (dem Halben) ausdrückt. Sie ist keine Zahl, sondern eine Beziehung zwischen zwei Größen, von denen die eine das Doppelte der anderen ausmacht.<ref>Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons'', 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 212f.; Rafael Ferber: ''Platos Idee des Guten'', 2., erweiterte Auflage, Sankt Augustin 1989, S. 162–206; Konrad Gaiser: ''Platons ungeschriebene Lehre'', 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 117–123.</ref>
 
Indem das Eine als bestimmender Faktor auf die unbestimmte Zweiheit, die in der Prinzipienlehre „das Große und Kleine“ genannt wird, einwirkt, eliminiert es deren Unbestimmtheit, die jedes Verhältnis zwischen Großem und Kleinem, Übertreffendem und Übertroffenem einschließt. So erzeugt das Eine durch Bestimmung der unbestimmten Vielheit die bestimmten Größenverhältnisse, die in der Prinzipienlehre als ideale Zahlen aufgefasst werden. Es entsteht die bestimmte Zweiheit, die je nach Betrachtungsperspektive als Doppeltheit oder Halbheit erscheint. Ebenso werden auch die übrigen idealen Zahlen aus den Urprinzipien abgeleitet. In den idealen Zahlen ist die Raumstruktur angelegt, aus ihnen ergeben sich die Dimensionen des Räumlichen. Wesentliche Einzelheiten dieser überzeitlichen „Entstehungsvorgänge“ sind aber nicht überliefert; wie man sie sich vorzustellen hat, wird in der Forschung kontrovers diskutiert.<ref>Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons'', 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 211–218. Zu den Einzelheiten siehe Detlef Thiel: ''Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie'', München 2006, S. 212–217, 221–225. Vgl. Rafael Ferber: ''Platos Idee des Guten'', 2., erweiterte Auflage, Sankt Augustin 1989, S. 206–208; Konrad Gaiser: ''Platons ungeschriebene Lehre'', 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 81–88; Hans Joachim Krämer: ''Arete bei Platon und Aristoteles'', Heidelberg 1959, S. 251–256, 261–265; [[Julia Annas]]: ''Aristotle’s Metaphysics. Books M and N'', Oxford 1976, S. 42–62.</ref> 
 
=== Erkenntnistheoretische Aspekte ===
 
Aussagen über das höchste Prinzip zählte Platon zum Zuständigkeitsbereich des [[Dialektik]]ers, des methodisch folgernden Philosophen. Somit hat er die Prinzipienlehre – falls er ihr Urheber ist – auf diskursivem Weg entwickelt und argumentativ begründet. Dabei ergab sich für ihn, dass ein höchstes Prinzip notwendig sei; er hat das Eine indirekt aus dessen Wirkungen erschlossen. Ob oder inwieweit er außerdem einen unmittelbaren Zugang zum absolut transzendenten Bereich der ursprünglichen Einheit für möglich gehalten oder gar für sich in Anspruch genommen hat, ist in der Forschung umstritten. Es stellt sich die Frage, ob sich im Rahmen seiner Lehre aus der Seinstranszendenz eine Erkenntnistranszendenz ergeben musste oder ob er das höchste Prinzip zumindest theoretisch für erkennbar hielt.<ref>Eine Übersicht über die einschlägigen Forschungsdebatten bietet Michael Erler: ''Platon'' (= Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 370–372.</ref>
 
Auf diskursivem Weg konnte Platon nur bis zur Einsicht gelangen, dass das höchste Prinzip zwar ein Erfordernis seiner Metaphysik ist, dass dem absolut Transzendenten aber mit den Mitteln des Verstandes –  der Dialektik – nicht beizukommen ist. Somit blieb ihm für ein Erfassen des Einen – und des Guten, falls er dieses mit dem Einen gleichsetzte – nur die Möglichkeit eines intuitiven Zugangs.<ref>Konrad Gaiser: ''Platons ungeschriebene Lehre'', 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 4f.; Konrad Gaiser: ''Platons esoterische Lehre''. In: Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 317–340, hier: 331–335.</ref> Strittig ist, ob er diesen Weg tatsächlich beschritten hat. Wenn er es getan hat, bedeutete dies, auf den Anspruch zu verzichten, im philosophischen Diskurs über jeden Erkenntnisschritt Rechenschaft ablegen zu können. Hinsichtlich der Idee des Guten schließt [[Michael Erler]] aus Äußerungen in der ''Politeia'', dass Platon sie für intuitiv erkennbar gehalten hat.<ref>Michael Erler: ''Platon'' (= Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 370–372.</ref> Gegen eine eigenständige Rolle der Intuition im Erkenntnisprozess wenden sich hingegen u. a. [[Peter Stemmer]],<ref>Peter Stemmer: ''Platons Dialektik. Die frühen und mittleren Dialoge'', Berlin 1992, S. 214–225; S. 220 Anm. 116 Aufzählung weiterer Gegner der Intuitionshypothese.</ref> [[Kurt von Fritz]]<ref>Kurt von Fritz: ''Beiträge zu Aristoteles'', Berlin 1984, S. 56f.</ref> und Jürgen Villers.<ref>Jürgen Villers: ''Das Paradigma des Alphabets. Platon und die Schriftbedingtheit der Philosophie'', Würzburg 2005, S. 231–233.</ref> [[Jens Halfwassen]] meint, dass die Intuition zwar als ein unmittelbares Erfassen durch nichtsinnliche Anschauung für die Erkenntnis der Ideenwelt eine zentrale Rolle spiele, das höchste Prinzip aber erkenntnistranszendent sei. Das Eine sei für Platon zwar das Prinzip der Erkennbarkeit und der Erkenntniskraft, es selbst aber bleibe jeder Erkenntnis und Sagbarkeit entzogen.<ref>Jens Halfwassen: ''Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin'', 2. Auflage, Leipzig 2006, S. 224–234, 247–262, 400–404.</ref> Auch Christina Schefer geht davon aus, dass Platon sowohl in der geschriebenen als auch in der ungeschriebenen Lehre einen wie auch immer gearteten philosophischen Zugang zum absolut Transzendenten ausgeschlossen hat. Nach ihrer Hypothese hat Platon diesen Zugang aber auf einem anderen Weg gefunden: in einer „unsagbaren“ religiösen Erfahrung, der [[Theophanie]] des Gottes [[Apollon]].<ref>Christina Schefer: ''Platons unsagbare Erfahrung'', Basel 2001, S. 60ff.</ref> Sie trägt Indizien für ihre Ansicht vor, wonach im Zentrum von Platons Weltbild weder die Ideenlehre noch die Prinzipienlehre gestanden habe, sondern die Apollon-Erfahrung, die keinen Lehrinhalt begründete. Das Tübinger Paradigma sei zwar tatsächlich ein wichtiger Bestandteil von Platons Philosophie, aber die Prinzipienlehre führe in [[Aporie]]n (Ausweglosigkeiten), in eine [[Paradoxon|Paradoxie]] und damit in eine Sackgasse.<ref>Christina Schefer: ''Platons unsagbare Erfahrung'', Basel 2001, S. 5–62.</ref> Platons Äußerungen sei jedoch zu entnehmen, dass er einen Ausweg gefunden habe, der über die Prinzipienlehre hinausführe. In dieser Platon-Deutung erhält somit auch die ungeschriebene Lehre den Charakter von etwas Vorläufigem.<ref>Anderer Meinung ist hierzu Hans Joachim Krämer: ''Arete bei Platon und Aristoteles'', Heidelberg 1959, S. 464f.</ref>
 
Hinsichtlich der Gewissheit, mit der Platon die Prinzipienlehre für wahr hielt, gehen in der Forschung die Meinungen weit auseinander. Die Tübinger Schule unterstellt ihm einen erkenntnistheoretischen Optimismus. Besonders weit geht dabei Hans Krämer. Er ist der Ansicht, Platon habe für sich selbst mit dem höchsten möglichen Gewissheitsgrad den Anspruch auf eine Erkenntnis der Wahrheit dieser Lehre erhoben, sei also bezüglich der ungeschriebenen Lehre „Dogmatiker“ gewesen. Andere Forscher, darunter insbesondere Rafael Ferber, vertreten die Gegenposition, wonach die ungeschriebene Lehre für Platon nur eine möglicherweise irrige Hypothese war.<ref>Rafael Ferber: ''Hat Plato in der „ungeschriebenen Lehre“ eine „dogmatische Metaphysik und Systematik“ vertreten?'' In: ''Méthexis'' 6, 1993, S. 37–54; Christopher Gill: ''Platonic Dialectic and the Truth-Status of the Unwritten Doctrines''. In: ''Méthexis'' 6, 1993, S. 55–72.</ref> Konrad Gaiser meint, Platon habe die ungeschriebene Lehre zusammenhängend formuliert und als in sich geschlossene Konzeption vorgetragen, aber nicht als „Summe von dogmatisch feststehenden, doktrinär vertretenen, autoritär verkündeten Lehrsätzen“, sondern als kritisch überprüfbares, verbesserungsfähiges, auf ständige Weiterentwicklung angelegtes Modell.<ref>Konrad Gaiser: ''Prinzipientheorie bei Platon''. In: Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 295–315, hier: 295f.</ref>     
 
Wesentlich ist für Platon die Verknüpfung der Erkenntnistheorie mit der Ethik. Er betont, dass der Zugang zu den mündlich vermittelten Einsichten nur jenen Seelen offenstehe, welche die charakterlichen Voraussetzungen erfüllten. Der Philosoph, der mündlichen Unterricht erteile, habe jeweils zu prüfen, ob beim Schüler die erforderliche charakterliche Disposition vorhanden sei. Es gehe nicht um ein Begreifen mit dem Intellekt; vielmehr werde die Einsicht als Frucht langwieriger Bemühungen von der gesamten Seele erworben. Zwischen der Seele, der etwas vermittelt werden soll, und dem, was ihr zu vermitteln ist, müsse eine innere Verwandtschaft bestehen.<ref>Christina Schefer: ''Platons unsagbare Erfahrung'', Basel 2001, S. 49–56.</ref>
 
== Die Datierungsfrage und die historische Einordnung ==
 
Umstritten ist, wann Platon seinen öffentlichen Vortrag über das Gute gehalten hat.<ref>Eine Übersicht über die gegensätzlichen Positionen bietet Marie-Dominique Richard: ''L’enseignement oral de Platon'', 2. Auflage, Paris 2005, S. 72–76.</ref> Für die Befürworter des Tübinger Paradigmas hängt damit die Frage zusammen, ob die ungeschriebene Lehre zu Platons Spätwerk gehört oder schon relativ früh ausgearbeitet wurde. Bei der Beantwortung dieser Frage spielt auch der Gegensatz zwischen „Unitariern“ und „Revisionisten“ eine Rolle. Während die Unitarier meinen, Platon habe in der Metaphysik durchgängig eine kohärente Position vertreten, unterscheiden die Revisionisten verschiedene Entwicklungsphasen seines Denkens und nehmen an, dass er durch auftauchende Probleme genötigt worden sei, seine Auffassung gravierend zu ändern.
 
In der älteren Forschung herrschte die Auffassung, „Über das Gute“ sei eine „Altersvorlesung“ gewesen, die Platon an seinem Lebensende gehalten habe. Die Entstehung der ungeschriebenen Lehre wurde meist in die späte Phase seiner philosophischen Aktivität gesetzt. In der neueren Forschung mehren sich jedoch die Stimmen für eine Frühdatierung der ungeschriebenen Lehre. Dies kommt dem Ansatz der Unitarier entgegen. Ob schon frühe Dialoge Anspielungen auf die ungeschriebene Lehre enthalten, ist umstritten.<ref>Siehe zur Forschungsgeschichte Michael Erler: ''Platon'' (= Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 419f.</ref> 
 
Der herkömmlichen Einordnung des öffentlichen Vortrags als Altersvorlesung widerspricht Hans Krämer energisch. Er meint, der Vortrag sei in der Frühzeit von Platons Lehrtätigkeit gehalten worden. Außerdem sei „Über das Gute“ nicht nur eine einmalige öffentliche Vorlesung gewesen. Vielmehr handle es sich um eine Vortragsreihe, von der nur der erste, einführende Vortrag versuchsweise vor einem breiteren, unvorbereiteten Publikum gehalten worden sei. Nach dem Fehlschlag des öffentlichen Auftritts habe Platon die Konsequenz gezogen, diesen Stoff nur noch Philosophieschülern zu unterbreiten. Die Vorträge über das Gute mit Diskussion hätten eine Gesprächsreihe gebildet, mit der Platon jahrzehntelang regelmäßig seinen Schülern die ungeschriebene Lehre zu erläutern und plausibel zu machen versucht habe. Dies habe er bereits zur Zeit seiner ersten Sizilienreise (um 389/388) getan, also schon vor der Gründung der Akademie.<ref>Hans Joachim Krämer: ''Arete bei Platon und Aristoteles'', Heidelberg 1959, S. 20–24, 404–411, 444. Später hat Krämer diese Auffassung bekräftigt; siehe seine Aufsätze ''Neues zum Streit um Platons Prinzipientheorie''. In: ''Philosophische Rundschau'' 27, 1980, S. 16–18 Anm. 33, ''Aristoxenos über Platons ΠΕΡΙ ΤΑΓΑΘΟΥ''. In: ''[[Hermes (Zeitschrift)|Hermes]]'' 94, 1966, S. 111–112 und ''Die grundsätzlichen Fragen der indirekten Platonüberlieferung''. In: Hans-Georg Gadamer, Wolfgang Schadewaldt (Hrsg.): ''Idee und Zahl'', Heidelberg 1968, S. 112–115. Anderer Meinung ist [[Philip Merlan]]: ''War Platons Vorlesung „Das Gute“ einmalig?'' In: ''Hermes'' 96, 1968, S. 705–709. Vgl. Margherita Isnardi Parente: ''La akroasis di Platone''. In: ''[[Museum Helveticum]]'' 46, 1989, S. 146–162 und Margherita Isnardi Parente: ''L’eredità di Platone nell’accademia antica'', Milano 1989, S. 34–36.</ref> 
 
Von den Philosophiehistorikern, die den öffentlichen Vortrag spät datieren, sind verschiedene zeitliche Eingrenzungen vorgeschlagen worden: der Zeitraum 359/355 ([[Karl-Heinz Ilting]]),<ref>Karl-Heinz Ilting: ''Platons ‚Ungeschriebene Lehren’: der Vortrag ‚über das Gute’''. In: ''Phronesis'' 13, 1968, S. 1–31, hier: 5, 30.</ref> der Zeitraum 360/358 ([[Hermann Schmitz (Philosoph)|Hermann Schmitz]]),<ref>Hermann Schmitz: ''Die Ideenlehre des Aristoteles'', Band 2: ''Platon und Aristoteles'', Bonn 1985, S. 312–314, 339f.</ref> um 352 (Detlef Thiel)<ref>Detlef Thiel: ''Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie'', München 2006, S. 180f.</ref> und die Zeit zwischen [[Dion von Syrakus|Dions]] Tod 354 und Platons Tod 348/347 (Konrad Gaiser). Gaiser betont dabei, dass er seine Spätdatierung des öffentlichen Vortrags nicht mit der Annahme verbindet, die ungeschriebene Lehre sei spät entstanden. Vielmehr sei diese Lehre schon früh in der Akademie Unterrichtsstoff gewesen, wohl bereits zur Zeit von Platons Schulgründung.<ref>Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 280–282, 290, 304, 311. Gaisers Datierung wird mit weiteren Argumenten unterstützt von Walter Eder: ''Die ungeschriebene Lehre Platons: Zur Datierung des platonischen Vortrags „Über das Gute“''. In: Hansjörg Kalcyk u.a. (Hrsg.): ''Studien zur Alten Geschichte'', Bd. 1, Rom 1986, S. 207–235, hier: 222–235.</ref>
 
Unklar ist, warum Platon anspruchsvolle Inhalte der ungeschriebenen Lehre öffentlich vor einem philosophisch ungebildeten Publikum vortrug, bei denen er – wie nicht anders zu erwarten – auf Unverständnis stieß. Gaiser vermutet, dass er vor die Öffentlichkeit trat, um verzerrten Darstellungen der ungeschriebenen Lehre entgegenzutreten und damals kursierende Gerüchte zu entkräften, denen zufolge die Akademie ein Hort staatsfeindlicher Umtriebe war.<ref>Konrad Gaiser: ''Plato’s enigmatic lecture ‚On the Good’''. In: Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 265–294, hier: 282–291. Zustimmung findet Gaiser bei Detlef Thiel: ''Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie'', München 2006, S. 174–181.</ref>
 
== Rezeption ==
=== Nachwirkung bis zum Beginn der Moderne ===
 
In der Generation von Platons Schülern war die Erinnerung an seinen mündlichen, von manchen Schülern aufgezeichneten Unterricht noch lebendig. Sie beeinflusste das heute großenteils verlorene philosophische Schrifttum dieser Zeit. Auf entschiedenen Widerspruch stieß die ungeschriebene Lehre bei Aristoteles, der sich in zwei nur fragmentarisch erhaltenen Abhandlungen – ''Über das Gute''  (drei Bücher) und ''Über die Philosophie'' – mit ihr auseinandersetzte und unter anderem auch in seinen Werken ''Metaphysik'' und ''Physik'' auf das Thema einging. Auch Aristoteles’ Schüler Theophrast befasste sich in seiner ''Metaphysik'' damit.<ref>Siehe aber zur Schwierigkeit der Interpretation von Theophrasts Darstellung Margherita Isnardi Parente: ''Théophraste, Metaphysica 6 a 23 ss.'' In: ''Phronesis'' 16, 1971, S. 49–64. Vgl. Marie-Dominique Richard: ''L’enseignement oral de Platon'', 2. Auflage, Paris 2005, S. 103–105, 152–158.</ref> 
 
Als sich in der Epoche des [[Hellenismus]] der [[Skeptizismus]] in der Akademie durchsetzte, konnte prinzipientheoretisches Lehrgut – soweit es noch bekannt war – kaum noch Interesse finden. Diese Ausrichtung des Interesses änderte sich zwar in der Zeit des [[Mittelplatonismus]] und des Neuplatonismus, doch war den damaligen Philosophen anscheinend von der Prinzipienlehre nicht viel mehr bekannt als den modernen Gelehrten.<ref>Konrad Gaiser: ''Prinzipientheorie bei Platon''. In: Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 295–315, hier: 297f.</ref>   
 
Nach der Wiederentdeckung der im [[Mittelalter]] verschollenen Originaltexte Platons in der [[Renaissance]] dominierte in der [[Frühe Neuzeit|Frühen Neuzeit]] ein vom Neuplatonismus geprägtes Bild der Metaphysik Platons, zu dem auch die aus Aristoteles’ Darstellung bekannten Grundzüge der Prinzipienlehre gehörten. Zum Vorherrschen der neuplatonischen Platon-Interpretation hatte insbesondere der [[Renaissance-Humanismus|Humanist]] [[Marsilio Ficino]] (1433–1499) mit seinen Übersetzungen und kommentierenden Schriften beigetragen. Noch der einflussreiche populärwissenschaftliche Schriftsteller und Platon-Übersetzer [[Thomas Taylor (Schriftsteller)|Thomas Taylor]] (1758–1835) ordnete sich in diese Tradition der Platondeutung ein. Zwar wurde das neuplatonische Paradigma im 18. Jahrhundert zunehmend als problematisch eingeschätzt, doch gelang es nicht, es durch eine konsistente Alternative zu ersetzen.<ref>Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons'', 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 65f.</ref> Die Existenz der ungeschriebenen Lehre wurde weiterhin akzeptiert; [[Wilhelm Gottlieb Tennemann]] stellte in seiner 1792–95 erschienenen Untersuchung ''System der Platonischen Philosophie'' fest, Platon habe nie beabsichtigt, seine Philosophie vollständig schriftlich darzustellen.     
 
=== 19. Jahrhundert ===
 
Im 19. Jahrhundert begann eine bis heute anhaltende Forschungsdiskussion um die Frage, ob es tatsächlich eine ungeschriebene Lehre gab, die gegenüber den Dialogen einen philosophischen Überschuss aufweist.
 
[[Datei:Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher.jpg|miniatur|Friedrich Schleiermacher]]
Nachdem bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts das neuplatonische Paradigma vorgeherrscht hatte, führte [[Friedrich Schleiermacher]] mit der 1804 publizierten Einleitung zu seiner Platonübersetzung<ref>Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher: ''Über die Philosophie Platons'', hrsg. und eingeleitet von Peter M. Steiner, Hamburg 1996, S. 21–119.</ref> eine radikale Wende herbei, deren Folgen bis in die Gegenwart spürbar sind. Schleiermacher war der Überzeugung, der gesamte Gehalt von Platons Philosophie sei in den Dialogen enthalten. Eine inhaltlich darüber hinausgehende mündliche Lehre habe es nicht gegeben. Nach Schleiermachers Verständnis ist die Dialogform kein literarischer Zusatz zur platonischen Philosophie, sondern Form und Inhalt sind untrennbar verbunden; das platonische Philosophieren ist seiner Natur nach ausschließlich dialogisch darstellbar. Damit ist eine ungeschriebene Lehre mit philosophisch relevanten Sonderinhalten ausgeschlossen.<ref>Siehe dazu Thomas Alexander Szlezák: ''Schleiermachers „Einleitung“ zur Platon-Übersetzung von 1804''. In: ''[[Antike und Abendland]]'' 43, 1997, S. 46–62.</ref> 
 
Schleiermachers Auffassung fand bald breite Zustimmung und setzte sich durch.<ref>[[Gyburg Uhlmann|Gyburg Radke]]: ''Das Lächeln des Parmenides'', Berlin 2006, S. 1–5.</ref> Zu ihren vielen Befürwortern zählte [[Eduard Zeller]], ein führender Philosophiehistoriker des 19. Jahrhunderts, der in seinem nachhaltig einflussreichen Handbuch ''Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung'' Argumente gegen die „angebliche Geheimlehre“ vorbrachte.
 
Zwar stieß Schleiermachers strikte Ablehnung einer mündlichen Lehre von Anfang an auch auf Widerspruch, doch blieben die Kritiker vereinzelt. 1808 teilte der später berühmte [[Gräzistik|Gräzist]] [[August Boeckh]] in einer Rezension von Schleiermachers Platonübersetzung mit, dass ihn die Argumente gegen die ungeschriebene Lehre nicht überzeugen. Es gebe eine große Wahrscheinlichkeit, dass Platon „ein Esoterisches hatte“, Lehren, über die er sich in seinen Schriften nicht unverhohlen äußerte, sondern nur in dunklen Winken; „was er hier nicht bis zur höchsten Spitze hinaufgeführt hatte, diesem setzte er im mündlichen Unterrichte den Gipfel und den Schlussstein auf“.<ref>August Boeckh: ''Kritik der Uebersetzung des Platon von Schleiermacher''. In: August Boeckh: ''Gesammelte kleine Schriften'', Band 7, Leipzig 1872, S. 1–38, hier: 6f.</ref> [[Christian August Brandis]] sammelte und kommentierte die Quellenaussagen zur ungeschriebenen Lehre,<ref>Christian August Brandis: ''Diatribe academica de perditis Aristotelis libris de ideis et de bono sive philosophia'', Bonn 1823.</ref> [[Friedrich Adolf Trendelenburg]] und [[Christian Hermann Weisse]] wiesen in ihren Untersuchungen auf die Bedeutung dieser Überlieferung hin.<ref>Friedrich Adolf Trendelenburg: ''Platonis de ideis et numeris doctrina ex Aristotele illustrata'', Leipzig 1826; Christian Hermann Weisse: ''De Platonis et Aristotelis in constituendis summis philosophiae principiis differentia'', Leipzig 1828.</ref> Auch [[Karl Friedrich Hermann]] wandte sich in einer 1849 publizierten Untersuchung über Platons schriftstellerische Motive gegen Schleiermachers These, indem er die Ansicht vertrat, Platon habe den Kern seiner Lehre in den Schriften nur angedeutet und auf direkte Weise nur mündlich dargelegt.<ref>Karl-Friedrich Hermann: ''Über Platos schriftstellerische Motive''. In: Konrad Gaiser (Hrsg.): ''Das Platonbild'', Hildesheim 1969, S. 33–57 (Nachdruck).</ref>
 
=== 20. und 21. Jahrhundert ===
 
Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war in der Platonforschung die „antiesoterische“ Richtung die eindeutig vorherrschende. Allerdings nahmen schon vor der Jahrhundertmitte einige Forscher an, dass es eine nur mündlich vermittelte Lehre Platons gegeben hat. Zu ihnen zählten [[John Burnet (Philologe)|John Burnet]], [[Julius Stenzel]], [[Alfred Edward Taylor]], Léon Robin, Paul Wilpert und [[Heinrich Gomperz]]. Seit 1959 konkurriert das detailliert ausgearbeitete „Tübinger Paradigma“ mit der „antiesoterischen“ Interpretation. 
 
'''Harold Cherniss'''
 
Im 20. Jahrhundert war der profilierteste Vertreter der „antiesoterischen“ Richtung [[Harold Cherniss]]. Er bezog schon ab 1942 Stellung, also vor der Erarbeitung und Veröffentlichung des Tübinger Paradigmas. Sein Hauptanliegen war die Entkräftung der Glaubwürdigkeit von Aristoteles’ Angaben, die er auf dessen antiplatonische Haltung und auf Missverständnisse zurückführte. Cherniss meinte, Aristoteles gebe im Rahmen seiner Polemik gegen Platon dessen Auffassung verfälschend wieder und widerspreche sich dabei selbst. Er bestritt rundweg einen inhaltlichen Überschuss von Platons mündlichen Lehren gegenüber den Dialogen. Moderne Hypothesen über den philosophischen Unterricht in der Akademie seien haltlose Spekulationen. Es bestehe ein grundlegender Widerspruch zwischen der Ideenlehre der Dialoge und den Angaben des Aristoteles. Platon habe durchgängig die Ideenlehre vertreten und es gebe kein plausibles Argument für die Annahme, dass er sie durch den angeblichen Inhalt einer ungeschriebenen Lehre fundamental modifiziert habe. Der Siebte Brief komme als Quelle nicht in Betracht, da er unecht sei.<ref>Die Publikationen, in denen Cherniss seine Position darlegt, sind ''Die ältere Akademie. Ein historisches Rätsel und seine Lösung'', Heidelberg 1966 (Übersetzung von: ''The Riddle of the Early Academy'', Berkeley 1945; enthält drei Vorträge von 1942) und ''Aristotle’s Criticism of Plato and the Academy'', Bd. 1, Baltimore 1944. Eingehende Kritik an Cherniss’ Position übt Hans Joachim Krämer: ''Arete bei Platon und Aristoteles'', Heidelberg 1959, S. 380–447. Kritisch äußert sich auch Cornelia J. de Vogel: ''Probleme der späteren Philosophie Platons''. In: Jürgen Wippern (Hrsg.): ''Das Problem der ungeschriebenen Lehre Platons'', Darmstadt 1972, S. 41–87.</ref>           
 
'''Die antisystematische Interpretation von Platons Philosophie'''
 
Im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert ist es zu einer Radikalisierung von Schleiermachers „dialogischem“ Ansatz gekommen. Zahlreiche Forscher haben sich für eine „antisystematische“ Interpretationsweise ausgesprochen, die auch als „Dialogtheorie“ bekannt ist. Diese Richtung verwirft jede Art von „dogmatischer“ Platondeutung und insbesondere die Möglichkeit einer „esoterischen“ ungeschriebenen Lehre. Sie wendet sich grundsätzlich gegen die Annahme, Platon habe eine bestimmte systematische Lehre besessen und als Wahrheit verkündet. Die antisystematischen Ansätze stimmen darin überein, dass das Wesentliche am platonischen Philosophieren nicht die Durchsetzung einzelner, für wahr befundener inhaltlicher Positionen sei, sondern die gemeinsame dialogische Reflexion und speziell die Erprobung von Analysemethoden. Dieses Philosophieren sei – was schon Schleiermacher betont hatte – durch seine Prozesshaftigkeit charakterisiert, deren Dynamik den Leser zum Weiterdenken anrege. Es ziele nicht auf dogmatisch fixierte endgültige Wahrheiten, sondern bestehe in einem nie zum Abschluss kommenden Fragen und Antworten. Diese Weiterentwicklung von Schleiermachers Dialogtheorie kehrte sich schließlich gegen ihn selbst: Ihm wurde vorgeworfen, aus den Dialogen zu Unrecht eine systematische Philosophie herausgelesen zu haben.<ref>Zur Nachwirkung von Schleiermachers Sichtweise siehe Gyburg Radke: ''Das Lächeln des Parmenides'', Berlin 2006, S. 1–62. Eine Zusammenfassung der Kernpunkte der modernen Dialogtheorie gibt Thomas Alexander Szlezák: ''Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie'', Berlin 1985, S. 332–336 (und Kritik daran S. 337–375).</ref>
 
Einen Widerspruch zwischen Platons prinzipieller Schriftkritik und der Annahme, er habe seine gesamte Philosophie schriftlich der Öffentlichkeit mitgeteilt, sehen die Befürworter der antisystematischen Interpretation nicht. Sie meinen, die Schriftkritik beziehe sich nur auf Lehrschriften. Da die Dialoge keine Lehrschriften sind, sondern den Stoff in der Gestalt fiktiver Gespräche darbieten, seien sie nicht von der Schriftkritik betroffen.<ref>Franco Ferrari: ''Les doctrines non écrites''. In: Richard Goulet (Hrsg.): ''Dictionnaire des philosophes antiques'', Band 5, Teil 1 (= V a), Paris 2012, S. 648–661, hier: 658. Vgl. Hans Joachim Krämer: ''Retraktationen zum Problem des esoterischen Platon''. In: ''Museum Helveticum'' 21, 1964, S. 137–167, hier: 148f.; Thomas Alexander Szlezák: ''Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie'', Berlin 1985, S. 342–347, 376–400; Konrad Gaiser: ''Schriftlichkeit und Mündlichkeit''. In: Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 29–41, hier: 31–39.</ref>
 
'''Die Entstehung und Verbreitung des Tübinger Paradigmas'''
 
Bis in die fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts stand die Frage, ob man aus den Quellenzeugnissen auf die tatsächliche Existenz einer ungeschriebenen Lehre schließen darf, im Mittelpunkt der Diskussion. Seit die Tübinger Schule ihr neues Paradigma vorgetragen hat, dreht sich die lebhafte und kontroverse Debatte überdies um die Tübinger Hypothese, wonach die ungeschriebene Lehre in ihren Grundzügen rekonstruierbar ist und die Rekonstruktion den Kern von Platons Philosophie erschließt.
 
Das Tübinger Paradigma wurde erstmals von Hans Joachim Krämer formuliert und eingehend begründet. Er veröffentlichte seine Ergebnisse 1959 in einer umgearbeiteten Fassung seiner von [[Wolfgang Schadewaldt]] betreuten Dissertation von 1957.<ref>Hans Joachim Krämer: ''Arete bei Platon und Aristoteles'', Heidelberg 1959, S. 380–486.</ref> 1963 habilitierte sich Konrad Gaiser, der ebenso wie Krämer ein Schüler Schadewaldts war, in Tübingen mit einer umfangreichen Monographie über die ungeschriebene Lehre.<ref>Konrad Gaiser: ''Platons ungeschriebene Lehre'', Stuttgart 1963, 2. Auflage mit neuem Nachwort Stuttgart 1968.</ref> In der Folgezeit erläuterten und verteidigten die beiden Tübinger Gelehrten das Paradigma in einer Reihe von Publikationen.<ref>Die wichtigsten einschlägigen Arbeiten Krämers sind aufgelistet bei Jens Halfwassen: ''Monismus und Dualismus in Platons Prinzipienlehre''. In: ''Bochumer philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter'' 2, 1997, S. 1–21, hier: S. 1f. Anm. 1. Mehrere Aufsätze Gaisers sind zusammengestellt in dem Band Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004.</ref>
 
[[Datei:Szlezák.jpg|miniatur|hochkant|Thomas A. Szlezák, ein profilierter Vertreter der Tübinger Schule]]
Weitere namhafte Vertreter des Paradigmas sind [[Thomas Alexander Szlezák]], der von 1990 bis 2006 ebenfalls in Tübingen lehrte und sich insbesondere mit der Schriftkritik und den Aussparungsstellen befasst hat,<ref>Thomas Alexander Szlezák: ''Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie'', Berlin 1985, S. 327–410; Thomas Alexander Szlezák: ''Zur üblichen Abneigung gegen die agrapha dogmata''. In: ''Méthexis'' 6, 1993, S. 155–174; Thomas Alexander Szlezák: ''Die Idee des Guten in Platons Politeia'', Sankt Augustin 2003, S. 5–14, 133–146; Thomas Alexander Szlezák: ''Platon lesen'', Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, S. 27–30, 42–48, 56–105, 148–155.</ref> der Heidelberger Philosophiehistoriker [[Jens Halfwassen]], der vor allem die Geschichte der Prinzipienlehre vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum Neuplatonismus erforscht hat, und [[Vittorio Hösle]].<ref>Vittorio Hösle: ''Wahrheit und Geschichte'', Stuttgart-Bad Cannstatt 1984, S. 374–392.</ref> Zustimmung zum Tübinger Platonbild kam etwa von [[Michael Erler]],<ref>Michael Erler: ''Platon'', München 2006, S. 162–171.</ref> Jürgen Wippern,<ref>Jürgen Wippern: ''Einleitung''. In: Jürgen Wippern (Hrsg.): ''Das Problem der ungeschriebenen Lehre Platons'', Darmstadt 1972, S. VII–XLVIII.</ref> [[Karl Albert (Philosoph)|Karl Albert]],<ref>Karl Albert: ''Platon und die Philosophie des Altertums'', Teil 1, Dettelbach 1998, S. 380–398.</ref> [[Heinz Happ]],<ref>Heinz Happ: ''Hyle'', Berlin 1971, S. 85–94, 136–143.</ref> [[Willy Theiler]],<ref>Willy Theiler: ''Untersuchungen zur antiken Literatur'', Berlin 1970, S. 460–483, hier: 462f.</ref> [[Klaus Oehler]],<ref>Klaus Oehler: ''Die neue Situation der Platonforschung''. In: Thomas Alexander Szlezák (Hrsg.): ''Platonisches Philosophieren'', Hildesheim 2001, S. 31–46; Klaus Oehler: ''Der entmythologisierte Platon''. In: ''[[Zeitschrift für philosophische Forschung]]'' 19, 1965, S. 393–420.</ref> [[Hermann Steinthal]],<ref>Hermann Steinthal: ''Ungeschriebene Lehre''. In: [[Christian Schäfer (Philosoph)|Christian Schäfer]] (Hrsg.): ''Platon-Lexikon'', Darmstadt 2007, S. 291–296. Steinthal hält es aber nicht für wahrscheinlich, dass man den Inhalt der ungeschriebenen Lehre „in feststehenden Lehrsätzen mit mehr oder weniger dürren Worten wiedergeben kann“; sie sei nichts Endgültiges gewesen, sondern habe Unfertigkeiten enthalten; siehe Hermann Steinthal: ''Zur Form der mündlich-persönlichen Lehre Platons''. In: ''Grazer Beiträge'' 23, 2000, S. 59–70, hier: 68f. Vgl. Hermann Steinthal: ''Sieben Erwägungen zur Ungeschriebenen Lehre Platons''. In: ''[[Gymnasium (Zeitschrift)|Gymnasium]]'' 111, 2004, S. 359–379.</ref> [[John Niemeyer Findlay]],<ref>John N. Findlay: ''Plato. The Written and Unwritten Doctrines'', London 1974, S. 6f., 19–23, 80, 350f., 455–473.</ref> Marie-Dominique Richard,<ref>Marie-Dominique Richard: ''L’enseignement oral de Platon'', 2. Auflage, Paris 2005, S. 235–242.</ref> [[Herwig Görgemanns]],<ref>Herwig Görgemanns: ''Platon'', Heidelberg 1994, S. 113–119.</ref> [[Walter Eder]],<ref>Walter Eder: ''Die ungeschriebene Lehre Platons: Zur Datierung des platonischen Vortrags „Über das Gute“''. In: Hansjörg Kalcyk u.a. (Hrsg.): ''Studien zur Alten Geschichte'', Bd. 1, Rom 1986, S. 207–235, hier: 209.</ref> [[Josef Seifert]],<ref>Siehe Seiferts Nachwort in Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons'', 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 541–558, hier: 558.</ref> Joachim Söder,<ref>Joachim Söder: ''Zu Platons Werken''. In: [[Christoph Horn]] u. a. (Hrsg.): ''Platon-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung'', Stuttgart 2009, S. 19–59, hier: 29f.</ref> [[Carl Friedrich von Weizsäcker]],<ref>Carl Friedrich von Weizsäcker: ''Der Garten des Menschlichen'', 2. Auflage, München 1977, S. 337; Carl Friedrich von Weizsäcker: ''Platon. Ein Versuch''. In: [[Enno Rudolph]] (Hrsg.): ''Polis und Kosmos. Naturphilosophie und politische Philosophie bei Platon'', Darmstadt 1996, S. 123–143, hier: 123f., 127f.</ref> Detlef Thiel<ref>Detlef Thiel: ''Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie'', München 2006, S. 137–225.</ref> und – mit einem neuen, weitergehenden Ansatz – Christina Schefer,<ref>Christina Schefer: ''Platons unsagbare Erfahrung'', Basel 2001, S. 2–4, 10–14, 225.</ref> mit Vorbehalt auch von Cornelia J. de Vogel,<ref>Cornelia J. de Vogel: ''Rethinking Plato and Platonism'', Leiden 1986, S. 190–206.</ref> Rafael Ferber,<ref>Rafael Ferber: ''Warum hat Platon die „ungeschriebene Lehre“ nicht geschrieben?'', 2. Auflage, München 2007 (mit Forschungsbericht S. 80–84).</ref> [[John M. Dillon]],<ref>John M. Dillon: ''The Heirs of Plato'', Oxford 2003, S. VII, 1, 16–22.</ref> Jürgen Villers,<ref>Jürgen Villers: ''Das Paradigma des Alphabets. Platon und die Schriftbedingtheit der Philosophie'', Würzburg 2005, S. 215–250. Villers sieht in der Prinzipienlehre eine mit innerer Widersprüchlichkeit behaftete und daher nicht systematisierbare Arbeitshypothese Platons.</ref> Christopher Gill,<ref>Christopher Gill: ''Platonic Dialectic and the Truth-Status of the Unwritten Doctrines''. In: ''Méthexis'' 6, 1993, S. 55–72.</ref> Enrico Berti<ref>Enrico Berti: ''Über das Verhältnis von literarischem Werk und ungeschriebener Lehre bei Platon in der Sicht der neueren Forschung''. In: Jürgen Wippern (Hrsg.): ''Das Problem der ungeschriebenen Lehre Platons'', Darmstadt 1972, S. 88–94; Enrico Berti: ''Eine neue Rekonstruktion der ungeschriebenen Lehre Platons''. In: Jürgen Wippern (Hrsg.): ''Das Problem der ungeschriebenen Lehre Platons'', Darmstadt 1972, S. 240–258; Enrico Berti: ''Nuovi studi aristotelici'', Bd. 2: ''Fisica, antropologia e metafisica'', Brescia 2005, S. 539–551.</ref> und [[Hans-Georg Gadamer]].<ref>Hans-Georg Gadamer: ''Dialektik und Sophistik im siebenten platonischen Brief''. In: Hans-Georg Gadamer: ''Gesammelte Werke'', Band 6: ''Griechische Philosophie II'', Tübingen 1985, S. 90–115, hier: 111–113; Hans-Georg Gadamer: ''Platos ungeschriebene Dialektik''. In: Hans-Georg Gadamer: ''Gesammelte Werke'', Band 6: ''Griechische Philosophie II'', Tübingen 1985, S. 11–13, 28. Vgl. Giuseppe Girgenti (Hrsg.): ''Platone tra oralità e scrittura. Un dialogo di Hans-Georg Gadamer con la Scuola di Tubinga e Milano e altri studiosi (Tubinga, 3 settembre 1996)'', Milano 2001, S. 9–15.</ref> Da der Mailänder Philosophiehistoriker Giovanni Reale in einer eingehenden Untersuchung das Tübinger Paradigma weiterentwickelt hat, spricht man heute auch von einer „Tübinger und Mailänder Schule“.<ref>Rafael Ferber: ''Warum hat Platon die „ungeschriebene Lehre“ nicht geschrieben?'', 2. Auflage, München 2007, S. 81; Michael Erler: ''Platon'' (= Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 409. Giovanni Reales einschlägiges Hauptwerk ''Per una nuova interpretazione di Platone'' liegt auch in deutscher Sprache vor: ''Zu einer neuen Interpretation Platons. Eine Auslegung der Metaphysik der großen Dialoge im Lichte der „ungeschriebenen Lehren“'', 2. Auflage, Paderborn 2000.</ref> In Italien haben sich auch Maurizio Migliori<ref>Maurizio Migliori: ''Dialettica e Verità'', Milano 1990, S. 69–90. Vgl. Giovanni Reale (Hrsg.): ''Autotestimonianze e rimandi dei dialoghi di Platone alle „dottrine non scritte“'', Milano 2008, S. 252–254.</ref> und Giancarlo Movia<ref>Giancarlo Movia: ''Apparenze, essere e verità'', Milano 1991, S. 43, 60f.</ref> für die Authentizität der ungeschriebenen Lehre ausgesprochen. Nachdrücklich tritt Reales Schülerin Patrizia Bonagura für das Tübinger Paradigma ein.<ref>Patrizia Bonagura: ''Exterioridad e interioridad. La tensión filosófico-educativa de algunas páginas platónicas'', Pamplona 1991, S. 33–54.</ref>
 
'''Die Kritik am Tübinger Paradigma'''
 
Unterschiedliche skeptische Gegenpositionen haben besonders im englischsprachigen, aber auch im deutschsprachigen Raum Resonanz gefunden.<ref>Einige dieser Positionen sind zusammenfassend dargestellt bei Marie-Dominique Richard: ''L’enseignement oral de Platon'', 2. Auflage, Paris 2005, S. 30–35. Zu den englischsprachigen „Antiesoterikern“ siehe Thomas Alexander Szlezák: ''Schleiermachers „Einleitung“ zur Platon-Übersetzung von 1804''. In: ''Antike und Abendland'' 43, 1997, S. 46–62, hier: 61f.</ref> In den USA haben [[Gregory Vlastos]] und Reginald E. Allen gegen die Tübinger Platondeutung Stellung genommen,<ref>Gregory Vlastos: ''Platonic Studies'', 2. Auflage, Princeton 1981, S. 379–403; Reginald E. Allen: ''Plato’s Parmenides'', Oxford 1983, S. 272.</ref> in Italien Franco Trabattoni<ref>Franco Trabattoni: ''Scrivere nell’anima'', Firenze 1994.</ref> und Francesco Fronterotta.<ref>Francesco Fronterotta: ''Une énigme platonicienne: La question des doctrines non-écrites''. In: ''Revue de philosophie ancienne'' 11, 1993, S. 115–157.</ref> In Frankreich hat dem Tübinger Paradigma Luc Brisson<ref>Luc Brisson: ''Premises, Consequences, and Legacy of an Esotericist Interpretation of Plato''. In: ''Ancient Philosophy'' 15, 1995, S. 117–134; Luc Brisson: ''Lectures de Platon'', Paris 2000, S. 43–110.</ref> widersprochen, in Schweden Eugène Napoléon Tigerstedt.<ref>Eugène Napoléon Tigerstedt: ''Interpreting Plato'', Stockholm 1977, S. 63–91. Eine Gegenargumentation bietet Hans Krämer: ''Neues zum Streit um Platons Prinzipientheorie''. In: ''Philosophische Rundschau'' 27, 1980, S. 1–38, hier: 14–22.</ref>  Zu den deutschsprachigen Kritikern zählen [[Theodor Ebert (Philosoph)|Theodor Ebert]],<ref>Theodor Ebert: ''Meinung und Wissen in der Philosophie Platons'', Berlin 1974, S. 2–4.</ref> [[Ernst Heitsch]],<ref>Ernst Heitsch: ''ΤΙΜΙΩΤΕΡΑ''. In: Ernst Heitsch: ''Gesammelte Schriften'', Band 3, München 2003, S. 338–347.</ref> Fritz-Peter Hager<ref>Fritz-Peter Hager: ''Zur philosophischen Problematik der sogenannten ungeschriebenen Lehre Platos''. In: ''Studia philosophica'' 24, 1964, S. 90–117. Hager hält die Prinzipienlehre für unvereinbar mit Platons in den Dialogen dargestellter Philosophie. Eine Gegenargumentation bietet Hans Joachim Krämer: ''Die grundsätzlichen Fragen der indirekten Platonüberlieferung''. In: Hans-Georg Gadamer, Wolfgang Schadewaldt (Hrsg.): ''Idee und Zahl'', Heidelberg 1968, S. 107f. Anm. 9.</ref> und [[Günther Patzig]].<ref>Günther Patzig: ''Platons politische Ethik''. In: Günther Patzig: ''Gesammelte Schriften'', Band 3, Göttingen 1996, S. 32–54, hier: S. 36 Anm. 3. Vgl. die Kritik von Hans Krämer: ''Kritische Bemerkungen zu den jüngsten Äußerungen von W. Wieland und G. Patzig über Platons ungeschriebene Lehre''. In: ''Rivista di Filosofia neo-scolastica'' 74, 1982, S. 579–592, hier: 586–592.</ref>
 
Eine radikal skeptische Position lautet, Platon habe mündlich nichts gelehrt, was nicht in den Dialogen steht. Gemäßigte Skeptiker gehen zwar von einer ungeschriebenen Lehre aus, kritisieren aber die Tübinger Rekonstruktion als spekulativ, unzureichend begründet und zu weitreichend.<ref>Dies ist beispielsweise die Meinung von [[Michael Bordt]]; siehe Michael Bordt: ''Platon'', Freiburg 1999, S. 51–53.</ref> Manche Kritiker des Tübinger Paradigmas bestreiten zwar nicht die Authentizität der Prinzipienlehre, sehen aber in ihr einen späten Einfall Platons, den er nicht systematisch ausgearbeitet und nicht in seine frühere Philosophie integriert habe. Sie meinen, es handle sich bei der Prinzipienlehre nicht um den Kern von Platons Philosophie, sondern nur um ein unausgereiftes Konzept aus der Endphase seiner philosophischen Aktivität. Er habe dieses Konzept als Hypothese eingeführt, aber nicht mit der Metaphysik seiner Dialoge zu einem stimmigen Ganzen verbunden. Zu den Vertretern dieser Deutung gehören [[Dorothea Frede]],<ref>Dorothea Frede: ''Platon: Philebos. Übersetzung und Kommentar'', Göttingen 1997, S. 403–417. Sie bestreitet insbesondere, dass Platon die Ableitbarkeit der gesamten Wirklichkeit aus den zwei Urprinzipien behauptete; siehe Dorothea Frede: ''Die wundersame Wandelbarkeit der antiken Philosophie in der Gegenwart''. In: [[Ernst-Richard Schwinge]] (Hrsg.): ''Die Wissenschaften vom Altertum am Ende des 2. Jahrtausends n. Chr.'', Stuttgart 1995, S. 9–40, hier: 28–33.</ref> [[Karl-Heinz Ilting]]<ref>Karl-Heinz Ilting: ''Platons ‚Ungeschriebene Lehren’: der Vortrag ‚über das Gute’''. In: ''Phronesis'' 13, 1968, S. 1–31, hier: 5, 29.</ref> und Holger Thesleff.<ref>Holger Thesleff: ''Platonic Patterns'', Las Vegas 2009, S. 486–488.</ref> Ähnlich urteilen Andreas Graeser, der die ungeschriebene Lehre auf „schulinterne Diskussionsbeiträge“ reduziert,<ref>Andreas Graeser: ''Die Philosophie der Antike 2: Sophistik und Sokratik, Plato und Aristoteles'', 2. Auflage, München 1993, S. 130–132. Kritik an einzelnen Argumenten Krämers übt Graeser in dem seinem Lehrer Harold Cherniss gewidmeten Aufsatz ''Kritische Retraktationen zur esoterischen Platon-Interpretation''. In: ''Archiv für Geschichte der Philosophie'' 56, 1974, S. 71–87.</ref> und [[Jürgen Mittelstraß]], der „ein vorsichtiges Fragen und hypothetische Beantwortungsvorschläge“ Platons annimmt.<ref>Jürgen Mittelstraß: ''Ontologia more geometrico demonstrata''. In: ''Philosophische Rundschau'' 14, 1967, S. 27–40, hier: 39.</ref> Rafael Ferber meint, Platon habe die Prinzipienlehre unter anderem auch deswegen nicht schriftlich fixiert, weil er sie nicht als Wissen, sondern als bloße Meinung betrachtet habe.<ref>Rafael Ferber: ''Warum hat Platon die „ungeschriebene Lehre“ nicht geschrieben?'', 2. Auflage, München 2007, S. 19–27, 92–94. Vgl. Thomas Alexander Szlezák: ''Die Idee des Guten in Platons Politeia'', Sankt Augustin 2003, S. 135–146.</ref> [[Margherita Isnardi Parente]] bestreitet nicht die Möglichkeit einer ungeschriebenen Lehre, schätzt aber die Überlieferung als unzuverlässig ein und hält das Tübinger Paradigma für unvereinbar mit der Philosophie der Dialoge, in denen die authentische Auffassung Platons zu finden sei. Die Darstellung des Aristoteles beziehe sich auf eine nicht von Platon selbst, sondern von Akademieangehörigen stammende Systematisierung platonischen Gedankenguts.<ref>Margherita Isnardi Parente: ''Il problema della „dottrina non scritta“ di Platone''. In: ''La Parola del Passato'' 41, 1986, S. 5–30; Margherita Isnardi Parente: ''Platone e il problema degli ágrapha''. In: ''Méthexis'' 6, 1993, S. 73–93; Margherita Isnardi Parente: ''L’eredità di Platone nell’accademia antica'', Milano 1989, S. 31–48. Kritisch äußert sich zu Isnardi Parentes Position Hans Krämer: ''Neues zum Streit um Platons Prinzipientheorie''. In: ''Philosophische Rundschau'' 27, 1980, S. 1–38, hier: 4–6.</ref> Auch Franco Ferrari führt die Systematisierung nicht auf Platon zurück.<ref>Franco Ferrari: ''Les doctrines non écrites''. In: Richard Goulet (Hrsg.): ''Dictionnaire des philosophes antiques'', Band 5, Teil 1 (= V a), Paris 2012, S. 648–661, hier: 660.</ref> [[Wolfgang Kullmann]] lehnt die Authentizität der Zweiprinzipienlehre nicht ab, sieht aber einen fundamentalen Widerspruch zwischen ihr und der Philosophie Platons in den Dialogen.<ref>Wolfgang Kullmann: ''Platons Schriftkritik''. In: ''Hermes'' 119, 1991, S. 1–21, hier: 19–21.</ref> [[Wolfgang Wieland (Philosoph)|Wolfgang Wieland]] geht von der Rekonstruierbarkeit der ungeschriebenen Lehre aus, stuft ihre philosophische Relevanz aber sehr niedrig ein und meint, es könne sich nicht um den Kern von Platons Lehre handeln.<ref>Wolfgang Wieland: ''Platon und die Formen des Wissens'', 2. Auflage, Göttingen 1999, S. 40–50, 328–330, 340. Ähnlich beurteilen die philosophische Relevanz Jürgen Mittelstraß: ''Platon''. In: Otfried Höffe (Hrsg.): ''Klassiker der Philosophie'', Bd. 1, München 1981, S. 38–62, hier: 59f. und Philip Merlan: ''Bemerkungen zum neuen Platobild''. In: ''Archiv für Geschichte der Philosophie'' 51, 1969, S. 111–126, hier: 123–126. Kritik an Wielands Auffassung übt aus der Sicht der „Tübinger“ Hans Krämer: ''Kritische Bemerkungen zu den jüngsten Äußerungen von W. Wieland und G. Patzig über Platons ungeschriebene Lehre''. In: ''Rivista di Filosofia neo-scolastica'' 74, 1982, S. 579–592, hier: 579–585.</ref> [[Franz von Kutschera]] hält die Existenz einer ungeschriebenen Prinzipientheorie Platons für kaum ernstlich bestreitbar, meint aber, die indirekte Überlieferung bewege sich philosophisch auf so niedrigem Niveau, dass ein sinnvoller Rekonstruktionsversuch von den Dialogen ausgehen müsse.<ref>Franz von Kutschera: ''Platons Philosophie'', Band 3, Paderborn 2002, S. 149–171, 202–206.</ref> Domenico Pesce bejaht die Existenz einer ungeschriebenen Lehre, deren Gegenstand das Gute gewesen sei, verwirft aber deren Rekonstruktion durch die Tübinger Schule und insbesondere die Annahme, dass Platon die Wirklichkeit für bipolar gehalten habe.<ref>Domenico Pesce: ''Il Platone di Tubinga'', Brescia 1990, S. 20, 46–49.</ref>         


<references/>
Eine auffällige Begleiterscheinung der teils mit großer Schärfe geführten Auseinandersetzungen um das Tübinger Paradigma ist, dass Vertreter beider Seiten der jeweiligen Gegenseite eine weltanschauliche Voreingenommenheit unterstellt haben.<ref>Solche Vorwürfe sind vor allem von den „Tübingern“ erhoben worden; zu ihrer Sichtweise siehe Thomas Alexander Szlezák: ''Zur üblichen Abneigung gegen die agrapha dogmata''. In: ''Méthexis'' 6, 1993, S. 155–174; Thomas Alexander Szlezák: ''Methodische Bemerkungen zur Diskussion um die mündliche Philosophie Platons''. In: ''Philotheos'' 5, 2005, S. 174–190; Hans Krämer: ''Altes und neues Platonbild''. In: ''Méthexis'' 6, 1993, S. 95–114, hier: 112–114. Weltanschauliche Befangenheit der „Tübinger“ vermutet Francesco Fronterotta: ''Une énigme platonicienne: La question des doctrines non-écrites''. In: ''Revue de philosophie ancienne'' 11, 1993, S. 115–157, hier: 156f.</ref> Zu diesem Aspekt der Debatte bemerkt Konrad Gaiser: „In diesem Streit spielen, wohl auf beiden Seiten, eigene, moderne Vorstellungen von dem, was vorbildliche Philosophie ist, unbewusst mit; und deswegen ist auf eine Einigung in diesem Streit kaum zu hoffen.“<ref>Konrad Gaiser: ''Prinzipientheorie bei Platon''. In: Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften'', Sankt Augustin 2004, S. 295–315, hier: 299.</ref>


== Literatur ==
== Quellen ==


* Frank Bahr: ''„Als aber das Gebot kam“ (Röm 7,9b). Funktion und Wirkung des Gesetzes in der Römer 7-Deutung vor Origenes' Römerbriefkommentar.'', 2001, ISBN 3-89825-302-3 [http://www.dissertation.de/index.php3?active_document=buch.php3&buch=3607 kostenpflichtige Online-Ressource], Seiten 119-177.
* Margherita Isnardi Parente (Hrsg.): ''Testimonia Platonica'' (= ''Atti della Accademia Nazionale dei Lincei, Classe di scienze morali, storiche e filologiche, Memorie'', Reihe 9, Band 8 Heft 4 und Band 10 Heft 1). Rom 1997–1998 (kritische Ausgabe mit italienischer Übersetzung und Kommentar)
* Winrich Alfried Löhr: ''Basilides und seine Schule. Eine Studie zur Theologie- und Kirchengeschichte des zweiten Jahrhunderts.'' Tübingen: Mohr, 1996, ISBN 3-16-146300-5
** Heft 1: ''Le testimonianze di Aristotele'', 1997
* [[Wikipedia:Ekkehard Mühlenberg|Ekkehard Mühlenberg]]: „Basilides“. In: [[Wikipedia:Theologische Realenzyklopädie|TRE]] Bd. 5, S. 296-301 [http://books.google.com/books?ie=UTF-8&hl=de&vid=ISBN3110077396&id=sak1XiO4CRcC&vq=Basilides&dq=Basilides&lpg=PA297&pg=PA296&sig=7SGCS38Q8w5c4RqnswQ5-x7qz6Q Google-Booksearch]
** Heft 2: ''Testimonianze di età ellenistica e di età imperiale'', 1998
* {{BBKL|b/basilides_g|band=1|spalte=404|autor=Friedrich Wilhelm Bautz|artikel=Basilides}}
* Giovanni Reale (Hrsg.): ''Autotestimonianze e rimandi dei dialoghi di Platone alle „dottrine non scritte“''. Bompiani, Milano 2008, ISBN 978-88-452-6027-8 (Zusammenstellung einschlägiger Texte Platons mit italienischer Übersetzung und ausführlicher Einleitung, in der Reale auch auf Kritik an seiner Position eingeht)
* Rudolf Steiner: ''Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II'', [[GA 343a]] (1993), ISBN 3-7274-3430-9 {{Vorträge|343a}}


{{GA}}
== Literatur ==
'''Übersichtsdarstellungen'''
* [[Wikipedia:Michael Erler|Michael Erler]]: ''Platon'' (= [[Wikipedia:Hellmut Flasha|r]] (Hrsg.): ''[[Wikipedia:Grundriss der Geschichte der Philosophie|Grundriss der Geschichte der Philosophie]]. Die Philosophie der Antike'', Band 2/2), Basel 2007, S. 406–429, 703–707
* Franco Ferrari: ''Les doctrines non écrites''. In: Richard Goulet (Hrsg.): ''Dictionnaire des philosophes antiques'', Band 5, Teil 1 (= V a), CNRS Éditions, Paris 2012, ISBN 978-2-271-07335-8, S. 648–661 
* [[Wikipedia:Konrad Gaiser|Konrad Gaiser]]: ''Platons esoterische Lehre''. In: Konrad Gaiser: ''Gesammelte Schriften''. Academia Verlag, Sankt Augustin 2004, ISBN 3-89665-188-9, S. 317–340
* [[Wikipedia:Jens Halfwassen|Jens Halfwassen]]: ''Platons Metaphysik des Einen''. In: Marcel van Ackeren (Hrsg.): ''Platon verstehen. Themen und Perspektiven''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17442-9, S. 263–278
'''Untersuchungen'''
* [[Wikipedia:Rafael Ferber|Rafael Ferber]]: ''Warum hat Platon die „ungeschriebene Lehre“ nicht geschrieben?'' 2. Auflage, Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55824-5
* Konrad Gaiser: ''Platons ungeschriebene Lehre. Studien zur systematischen und geschichtlichen Begründung der Wissenschaften in der Platonischen Schule.'' 3. Auflage, Klett-Cotta, Stuttgart 1998, ISBN 3-608-91911-2 (enthält S. 441–557 eine Zusammenstellung von Quellentexten)
* Jens Halfwassen: ''Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin.'' 2., erweiterte Auflage, Saur, München und Leipzig 2006, ISBN 3-598-73055-1
* [[Wikipedia:Hans Krämer (Philosoph)|Hans Joachim Krämer]]: ''Arete bei Platon und Aristoteles. Zum Wesen und zur Geschichte der platonischen Ontologie''. Winter, Heidelberg 1959 (grundlegende Untersuchung, aber teilweise überholter Forschungsstand)
* Hans Joachim Krämer: ''Platone e i fondamenti della metafisica. Saggio sulla teoria dei principi e sulle dottrine non scritte di Platone''. 6. Auflage, Vita e Pensiero, Milano 2001, ISBN 88-343-0731-3 (besser verwendbar als die sehr mangelhafte englische Übersetzung: ''Plato and the Foundations of Metaphysics. A Work on the Theory of the Principles and Unwritten Doctrines of Plato with a Collection of the Fundamental Documents''. State University of New York Press, Albany 1990, ISBN 0-7914-0434-X)
* Giovanni Reale: ''Zu einer neuen Interpretation Platons. Eine Auslegung der Metaphysik der großen Dialoge im Lichte der „ungeschriebenen Lehren“''. 2., erweiterte Auflage, Schöningh, Paderborn 2000, ISBN 3-506-77052-7 (allgemeinverständliche Darstellung, daher als Einführung geeignet)
* Marie-Dominique Richard: ''L’enseignement oral de Platon. Une nouvelle interprétation du platonisme''. 2., überarbeitete Auflage, Les Éditions du Cerf, Paris 2005, ISBN 2-204-07999-5 (enthält S. 243–381 eine Zusammenstellung der Quellentexte ohne kritischen Apparat mit französischer Übersetzung)


== Weblinks ==
== Weblinks ==


* {{DNB-Portal|118943219|NAME=Basilides}}
* [http://www.nd.edu/~plato/plato2issue/Szlezak.htm Vortrag] von Thomas Alexander Szlezák: ''Friedrich Schleiermacher und das Platonbild des 19. und 20. Jahrhunderts''


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== Anmerkungen ==
 
<references />
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{{Personendaten
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Version vom 18. Januar 2017, 21:34 Uhr

Die Ausgrabungsstätte der Platonischen Akademie, wo Platons Schüler über die Urprinzipien diskutierten

Als ungeschriebene Lehre bezeichnet man eine dem antiken Philosophen Platon (428/427–348/347 v. Chr.) zugeschriebene metaphysische Lehre. Sie wird in der neueren Forschung Prinzipienlehre genannt, denn sie handelt von zwei höchsten Prinzipien, auf die alles zurückgeführt wird. Die Bezeichnung „ungeschriebene Lehre“ bezieht sich auf die Annahme, dass Platon sein Konzept zwar mündlich dargelegt, aber nie schriftlich fixiert hat.

Die Glaubwürdigkeit der einschlägigen Quellen ist umstritten. Ihnen zufolge war Platon der Meinung, bestimmte Teile seiner Lehre seien nicht zur Veröffentlichung geeignet. Da diese Lehrinhalte nicht auf allgemeinverständliche Weise schriftlich dargelegt werden könnten, müsse ihre Verbreitung in schriftlich fixierter Form zu Missverständnissen führen. Daher soll sich Platon darauf beschränkt haben, die ungeschriebene Lehre in seiner Philosophenschule, der Akademie, fortgeschrittenen Schülern zu erläutern. Aus dem mündlichen Unterricht sollen die überlieferten Angaben über den Inhalt stammen.

Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts haben Philosophiehistoriker den großangelegten Versuch unternommen, die Grundzüge der „ungeschriebenen Lehre“ systematisch zu rekonstruieren. Dieses Vorhaben einer Forschergruppe, die „Tübinger Platonschule“ genannt wird, hat bei vielen Altertumswissenschaftlern Anklang gefunden. Andererseits haben aber auch zahlreiche Forscher Vorbehalte geltend gemacht oder die Rekonstruktion insgesamt verworfen. Manche Kritiker halten die Quellengrundlage der Tübinger Rekonstruktion für unzureichend, andere bestreiten sogar die Existenz einer ungeschriebenen Lehre Platons oder bezweifeln zumindest ihren systematischen Charakter und betrachten sie als ein unausgearbeitetes Konzept. Die intensive und teilweise scharfe Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern des „Tübinger Platonbilds“ wird von beiden Seiten mit großem Nachdruck geführt und von den Befürwortern als Paradigmenwechsel in der Platonforschung eingestuft.

Terminologie

Der Ausdruck „ungeschriebene Lehren“ (ἄγραφα δόγματα ágrapha dógmata) zur Bezeichnung von schulinternen Lehrinhalten Platons ist erstmals bei dessen Schüler Aristoteles bezeugt. In seiner Physik schreibt Aristoteles, Platon habe in seinem Dialog Timaios einen Begriff anders verwendet als „in den sogenannten ungeschriebenen Lehren“.[1] Auf diesen antiken Ausdruck greifen die modernen Befürworter der Authentizität der Prinzipienlehre zurück. Aristoteles verwendet hier das Wort „sogenannt“ nicht ironisch, sondern wertneutral.

In der Forschungsliteratur ist auch von der „esoterischen Lehre“ Platons die Rede. Mit Esoterik im heute geläufigen Sinn des Wortes hat dies aber nichts zu tun, und es ist auch keine Geheimlehre gemeint. Der Begriff soll nur ausdrücken, dass die ungeschriebene Lehre für einen inneren Kreis von Philosophieschülern bestimmt war, die über die nötigen Vorkenntnisse verfügten und sich bereits mit der exoterischen Ideenlehre auseinandergesetzt hatten.[2]

Die modernen Befürworter der Rekonstruierbarkeit der ungeschriebenen Lehre werden manchmal verkürzend und salopp als „Esoteriker“ bezeichnet, die Vertreter von skeptischen Gegenpositionen als „Anti-Esoteriker“.[3] Da die Rekonstruktion in erster Linie von Forschern der Universität Tübingen unternommen und verteidigt wurde, spricht man von den „Tübingern“, der „Tübinger Schule“ oder – zur Unterscheidung von einer theologischen Tübinger Schule – von der „Tübinger Platonschule“. Das aus der Rekonstruktion resultierende neue Bild von Platons Metaphysik wird „Tübinger Paradigma“ genannt. Seit die Tübinger Platon-Interpretation in dem Mailänder Gelehrten Giovanni Reale einen engagierten Fürsprecher gefunden hat, ist auch von der „Tübinger und Mailänder Schule“ die Rede. Reale hat für die Prinzipienlehre die Bezeichnung „Protologie“ (Lehre vom Ersten) eingeführt, weil sie von den ersten Prinzipien handelt.

Quellenlage und Indizien

Die Argumentation für das Tübinger Paradigma erfolgt in zwei Schritten. Der erste Schritt besteht in der Präsentation der Belege und Indizien für die Existenz philosophisch relevanter Sonderinhalte von Platons mündlichem Unterricht. Damit soll gezeigt werden, dass Platons Dialoge, die alle erhalten geblieben sind, nicht seine gesamte Philosophie darstellen, sondern nur deren zur schriftlichen Verbreitung bestimmten Teil. Im zweiten Schritt wird der Quellenbefund für die mutmaßlichen Inhalte der ungeschriebenen Lehre ausgewertet und der Versuch unternommen, ein kohärentes System zu rekonstruieren.

Argumente für die Existenz einer ungeschriebenen Lehre

Für die Existenz einer ungeschriebenen Lehre werden hauptsächlich folgende Belege angeführt und Argumente vorgebracht:

  • Stellen in der Metaphysik und der Physik des Aristoteles, insbesondere eine Stelle in der Physik, wo er ausdrücklich auf „sogenannte ungeschriebene Lehren“ Platons Bezug nimmt.[4] Hierzu wird geltend gemacht, dass Aristoteles ein langjähriger Schüler Platons und Kenner des Unterrichtsbetriebs in der Akademie war und daher als gut informiert gelten kann.
  • Der Bericht des Aristoxenos, eines Schülers des Aristoteles, über Platons öffentlichen Vortrag „Über das Gute“.[5] Wie Aristoxenos mitteilt, pflegte Aristoteles zu erzählen, der Vortrag habe mathematische und astronomische Darlegungen enthalten und Platon habe auch das Eine – das höchste Prinzip – thematisiert. Die letztere Angabe und der Titel des Vortrags lassen erkennen, dass es um die Prinzipienlehre ging. Nach der Darstellung des Aristoteles stieß der Vortrag bei dem philosophisch unkundigen Publikum auf Unverständnis.
  • Platons „Schriftkritik“ in den Dialogen. In mehreren unzweifelhaft echten Dialogen artikuliert Platon seine Skepsis gegenüber der Schrift als Medium des Wissenstransfers und bringt seine Bevorzugung mündlicher Wissensvermittlung zum Ausdruck. Eine ausführliche Erläuterung seiner Position bietet er im Dialog Phaidros. Dort begründet er die Überlegenheit mündlicher gegenüber schriftlicher Verbreitung philosophischer Lehren mit der weitaus größeren Flexibilität des mündlichen Diskurses, die ein entscheidender Vorteil sei. Der Autor eines Textes könne sich nicht auf den Kenntnisstand und die Bedürfnisse der einzelnen Leser einstellen, er könne weder deren Fragen beantworten noch auf Kritik eingehen. All dies sei nur im Gespräch möglich; dort sei die Sprache lebendig und beseelt. Das Geschriebene sei nur ein Abbild des Gesprochenen. Das Schreiben und Lesen führe nicht nur zu einer Schwächung des Gedächtnisses, sondern sei auch zur Vermittlung von Weisheit ungeeignet; diese könne nur durch mündlichen Unterricht erfolgen. Nützlich seien geschriebene Worte nur als Gedächtnisstütze für diejenigen, die schon Bescheid wissen. Literarische Tätigkeit sei nur Spielerei. Das Wesentliche seien die persönlichen Gespräche mit Schülern, bei denen die Worte auf jeweils individuelle Weise in die Seele geschrieben würden. Nur wer so lehren könne, sei als Philosoph zu betrachten. Wer hingegen nichts „Wertvolleres“ (timiōtera) habe als schriftliche Texte, an deren Formulierung er lange gefeilt hat, der sei nur Schriftsteller. Das „Wertvollere“ – die Deutung dieser Stelle ist sehr umstritten – wird als Hinweis auf die ungeschriebene Lehre gedeutet.[6]
  • Die Schriftkritik im Siebten Brief, dessen Echtheit umstritten ist, aber von der Tübinger Schule angenommen wird. Dort äußert sich Platon – falls er tatsächlich der Verfasser ist – zu seinen nur mündlich vermittelten Lehren (das, „womit es mir ernst ist“). Er stellt nachdrücklich fest, es gebe darüber von ihm keine Schrift und werde auch niemals eine geben, denn dieser Stoff lasse sich keineswegs so wie andere Lerngegenstände mitteilen. Vielmehr entstehe das Verständnis in der Seele aus intensiver gemeinsamer Bemühung und aus dem gemeinsamen Leben. Dies geschehe plötzlich, wie ein übergesprungener Funke ein Licht entzündet. Eine schriftliche Fixierung sei schädlich, denn sie würde nur in den Lesern Illusionen erzeugen: entweder die Verachtung von Unverstandenem oder die Arroganz des Scheinwissens.[7]
  • Die „Aussparungsstellen“ in den Dialogen. In den Dialogen finden sich zahlreiche Stellen, an denen ein besonders wichtiges Thema zwar angesprochen, aber nicht näher erörtert wird. In manchen Fällen bricht die Diskussion gerade dort ab, wo sie sich dem Kern eines Problems nähert. Dabei geht es um Fragen, die für die Philosophie von grundlegender Bedeutung sind. Die Befürworter des Tübinger Paradigmas deuten die Aussparungsstellen als Hinweise auf Inhalte der ungeschriebenen Lehre, die in den Dialogen nur angedeutet werden können.
  • Der Umstand, dass eine Unterscheidung zwischen „exoterischem“, zur Verbreitung in weiten Kreisen bestimmtem Wissen und „esoterischem“, nur für den Unterricht in einer Schule geeignetem Stoff nicht ungewöhnlich war. Auch Aristoteles hat eine solche Unterscheidung vorgenommen.[8]
  • Die in der Antike verbreitete Auffassung, dass der Gehalt derjenigen Lehren Platons, die mündlicher Mitteilung vorbehalten blieben, wesentlich über das in den Dialogen Dargelegte hinausging.
  • Platons beständiger Versuch, Individuelles auf Allgemeines und Vielheit auf Einheit zurückzuführen. Mit der Ideenlehre reduzierte er die Mannigfaltigkeit der Erscheinungswelt auf die geringere Vielfalt der den Erscheinungen zugrunde liegenden Ideen. Innerhalb des hierarchisch geordneten Ideenreichs ließ er die vielen spezielleren Ideen von den weniger zahlreichen allgemeineren, umfassenden Ideen abhängen. Daraus ergibt sich die Vermutung, dass die Einführung der Ideen nur eine Etappe auf seinem Weg von der maximalen Vielheit zur größtmöglichen Einheit war. Es läge in der Konsequenz seines Denkens, die Zurückführung von Vielheit auf Einheit zum Abschluss zu bringen. Dies müsste in einer unveröffentlichten Theorie von den höchsten Prinzipien geschehen sein.[9]

Die Quellenbasis der Rekonstruktion

Platon hat die schriftliche Verbreitung angeblicher Inhalte der ungeschriebenen Lehre zwar – falls der Siebte Brief echt ist – scharf missbilligt, doch gab es keine Schweigepflicht der „Eingeweihten“. Der „esoterische“ Charakter der Lehre ist nicht im Sinne einer Geheimhaltungsvorschrift oder eines Aufzeichnungsverbots zu verstehen. Vielmehr fertigten Schüler in der Akademie Aufzeichnungen an, die sie später veröffentlichten oder bei der Abfassung eigener Werke verwerteten.[10] Dies spricht für die Rekonstruierbarkeit von Platons nur mündlich dargelegter Lehre anhand der „indirekten Tradition“, der Angaben anderer Autoren.

Für die Rekonstruktion der ungeschriebenen Lehre sind vor allem folgende Quellen herangezogen worden:

  • Die Metaphysik (Bücher Α, Μ und N) und die Physik (Buch Δ) des Aristoteles
  • Fragmente von Aristoteles’ verlorenen Schriften Über das Gute und Über die Philosophie
  • Die Metaphysik Theophrasts, eines Schülers des Aristoteles
  • Zwei Fragmente der verlorenen Schrift Über Platon, die Platons Schüler Hermodoros von Syrakus verfasste[11]
  • Ein Fragment eines verlorenen Werks von Platons Schüler Speusippos[12]
  • Die Schrift Adversus mathematicos des Sextus Empiricus (10. Buch). Die dort dargestellten Lehren werden von Sextus allerdings nicht ausdrücklich Platon zugeschrieben, sondern als pythagoreisch bezeichnet. Dass Platon ihr Urheber sei, ist eine nur auf Indizien gestützte Hypothese.[13]
  • Platons Dialoge Politeia und Parmenides. Wenn man Platon aufgrund der indirekten Tradition die Prinzipienlehre zuschreibt, erscheinen manche Äußerungen und Gedankengänge in diesen beiden Dialogen in einem anderen Licht. Die so interpretierten Dialogtexte tragen dann ihrerseits zur schärferen Konturierung des Bildes von der Prinzipienlehre bei. Auch Erörterungen in anderen Dialogen – etwa dem Philebos und dem Timaios – können dann anders verstanden und in das System des Tübinger Paradigmas eingeordnet werden. Sogar in frühen Dialogen sind Anspielungen auf die Prinzipienlehre vermutet worden.[14]

Der mutmaßliche Inhalt

Die Befürworter des Tübinger Paradigmas haben sich anhand der verstreuten Angaben und Indizien in den Quellen intensiv um die Rekonstruktion der Prinzipienlehre bemüht. Sie sehen in dieser Lehre das Kernstück der Philosophie Platons. Obwohl viele wichtige Einzelheiten unbekannt oder strittig sind, zeichnet sich ein relativ geschlossenes Bild ihrer Grundzüge ab.[15] Ein wichtiger Aspekt des Tübinger Paradigmas ist die Annahme, dass die ungeschriebene Lehre nicht zusammenhanglos neben der geschriebenen steht, sondern dass zwischen ihnen eine enge und notwendige Verbindung besteht.

Sofern das Tübinger Paradigma der authentischen Lehre Platons entspricht, hat er mit der Prinzipienlehre in der Metaphysik einen neuen Weg beschritten. In der Ideenlehre hatte er manche Vorstellungen der Eleaten, einer Richtung der Vorsokratiker, aufgegriffen. Die Prinzipienlehre hingegen bricht mit der Grundüberzeugung der Eleaten, wonach nichts über dem vollkommenen, unwandelbaren Sein steht. Sie ersetzt diese Vorstellung durch das neuartige Konzept einer absoluten Transzendenz, das über das Sein hinausführt. Jenseits der seienden Dinge wird ein schlechthin vollkommener Bereich des „Überseienden“ oder „Seinstranszendenten“ angenommen. Dort soll der Ursprung aller seienden Dinge zu suchen sein. „Seinstranszendent“ nennt man das, was das Sein transzendiert (übersteigt), das heißt: sich auf einer höheren Ebene als die seienden Dinge befindet. In einem solchen Modell ist alles Seiende als solches in gewisser Hinsicht unvollkommen, da der Übergang vom absolut transzendenten Übersein zum Sein bereits eine Einschränkung der ursprünglichen absoluten Vollkommenheit darstellt.

Die beiden Urprinzipien und ihr Zusammenwirken

Mit der Ideenlehre führt Platon die sinnlich wahrnehmbare Welt auf vollkommene, unveränderliche Ideen zurück. Für ihn ist das Reich der „platonischen“ Ideen eine objektiv existierende metaphysische Realität, die unabhängig vom Dasein der Sinnesobjekte besteht. Die Ideen, nicht die Objekte der Sinneserfahrung, stellen die eigentliche Wirklichkeit dar. Sie sind die im eigentlichen Sinne seienden Dinge. Als prägende Muster der einzelnen vergänglichen Sinnesobjekte sind sie die Ursachen von deren Beschaffenheit und verleihen ihnen die Existenz.

So wie die Ideenlehre die Existenz und Vielfalt der Erscheinungswelt erklären soll, dient die Prinzipienlehre als einheitliche Erklärung für die Existenz und Vielfalt des Ideenreichs. Die Zusammenfügung der beiden Theorien zielt somit auf ein vereinheitlichtes Modell von allem. Mit der Prinzipienlehre wird die Existenz der Ideen und damit auch diejenige der Sinnesobjekte auf nur zwei Urprinzipien zurückgeführt.[16]

Die beiden fundamentalen Urprinzipien sind das Eine als Prinzip der Einheit und Bestimmtheit und die „unbegrenzte“ oder „unbestimmte“ Zweiheit (ahóristos dyás). Die unbestimmte Zweiheit soll Platon als „das Große und Kleine“ oder „das Groß-Kleine“ (to méga kai to mikrón) beschrieben haben.[17] Sie ist das Prinzip der Verminder- und Vermehrbarkeit, des Zweideutigen und Unbestimmten und der Vielheit. Dabei handelt es sich nicht um Unbegrenztheit im Sinne einer räumlichen oder quantitativen Unendlichkeit, sondern die Unbestimmtheit besteht im Fehlen einer Festlegung und damit einer Gestaltung. Mit der Bezeichnung „unbestimmt“ wird die Zweiheit als Urprinzip von der bestimmten Zweiheit – der Zahl Zwei – unterschieden und als meta-mathematisch gekennzeichnet.[18]

Die Einheit und die unbestimmte Zweiheit sind die Anfangsgründe von allem, denn aus ihrem Zusammenwirken resultiert die Ideenwelt und damit die Gesamtwirklichkeit. Die ganze Mannigfaltigkeit der Sinnesphänomene beruht letztlich auf nur zwei Faktoren. Die formgebende Einheit ist die erzeugende Instanz, die formlose unbestimmte Zweiheit dient der Wirksamkeit der Einheit als Substrat. Ohne das Substrat könnte die Einheit nichts hervorbringen. Alles Sein beruht darauf, dass das Eine auf die unbestimmte Zweiheit einwirkt, indem sie dem Formlosen Grenzen setzt, ihm Form und Merkmale verleiht und damit als Individuationsprinzip die einzelnen Entitäten in die Existenz bringt. In allem Seienden liegt eine Mischung der beiden Urprinzipien vor.[19]

Je nachdem, ob das eine oder das andere Urprinzip überwiegt, herrscht in den Entitäten Ordnung oder Unordnung vor. Je chaotischer etwas ist, desto stärker tritt darin die Präsenz des Zweiheitsprinzips hervor.[20]

Nach dem Tübinger Paradigma prägt das Konzept der beiden gegensätzlichen Urprinzipien nicht nur die Ontologie, sondern auch die Logik, die Ethik, die politische Philosophie, die Kosmologie, die Erkenntnistheorie und die Seelenlehre Platons. In der Ontologie entspricht dem Prinzipiengegensatz der Gegensatz von Sein und Nichtsein; je mehr sich in einem Ding der Einfluss des Zweiheitsprinzips geltend macht, desto geminderter ist sein Sein und desto niedriger daher sein ontologischer Rang. In der Logik steht die Einheit für Identität und Gleichheit, die unbestimmte Zweiheit für Verschiedenheit und Ungleichheit. Der ethischen Einstufung zufolge bedeutet die Einheit „Gutheit“ (aretḗ), die unbestimmte Zweiheit Schlechtigkeit. Im Staat ist die Einheit der Bürger das, was ihn zum Staat macht und seinen Fortbestand ermöglicht, während die Zweiheit sich als das spaltende, chaotisierende und auflösende Prinzip bemerkbar macht. In der Kosmologie zeigt sich die Einheit in der Ruhe, in der Beständigkeit und Ewigkeit der Welt, aber auch in der Belebtheit des Kosmos und im planmäßigen Handeln des Schöpfergottes (Demiurgen); die unbestimmte Zweiheit ist dort das Prinzip der Bewegung und Veränderung, insbesondere der Vergänglichkeit und speziell des Todes. Erkenntnistheoretisch steht die Einheit für das philosophische Wissen, das auf Kenntnis der unwandelbaren platonischen Ideen beruht, die unbestimmte Zweiheit für das von den Sinneseindrücken abhängige bloße Meinen. Im Seelenleben entspricht der Einheit die Vernunft, der unbestimmten Zweiheit der Bereich der Triebe und körpergebundenen Affekte.[21]

Monismus und Dualismus

Die Annahme zweier Urprinzipien wirft die Frage auf, ob die Prinzipienlehre und damit im Fall ihrer Authentizität Platons gesamte Philosophie monistisch oder dualistisch ist. Monistisch ist das Modell, falls dem Gegensatz zwischen der Einheit und der unbestimmten Zweiheit ein einziges Prinzip zugrunde liegt. Dies ist der Fall, wenn das Vielheitsprinzip auf das Einheitsprinzip zurückgeführt und diesem dadurch untergeordnet wird. Eine andere monistische Interpretation der Prinzipienlehre besteht in der Annahme einer übergeordneten Meta-Einheit, die den beiden gegensätzlichen Prinzipien zugrunde liegt und sie vereinigt. Wenn hingegen die unbegrenzte Zweiheit als für sich getrennt bestehendes, von jeglicher Einheit unabhängiges Urprinzip aufgefasst wird, handelt es sich um eine dualistische Lehre.

Den Angaben der Quellen lässt sich nicht eindeutig entnehmen, wie man sich das Verhältnis der beiden Urprinzipien vorzustellen hat. Klar ist immerhin, dass dem Einen ein höherer Rang zugewiesen wird als der unbestimmten Zweiheit[22] und dass nur das Eine als absolut transzendent betrachtet wird. Dies spricht für eine monistische Interpretation der Prinzipienlehre und passt zu Äußerungen Platons in seinen Dialogen, die eine monistische Denkweise erkennen lassen. Im Dialog Menon schreibt er, dass alles in der Natur unter sich verwandt sei,[23] und in der Politeia ist zu lesen, dass es einen Ursprung (archḗ) von allem gebe, den die Vernunft ergreifen könne.[24]

Bei den Befürwortern des Tübinger Paradigmas sind die Meinungen zu dieser Frage geteilt.[25] Nach dem vorherrschenden Lösungsansatz betrachtete Platon zwar die unbestimmte Zweiheit als unentbehrlichen Grundbestandteil der Weltordnung, nahm aber ein allem übergeordnetes Einheitsprinzip an und war daher Monist. Diese Position haben Jens Halfwassen, Detlef Thiel und Vittorio Hösle ausführlich begründet.[26] Nach Halfwassens Lösung kann Platons unbestimmte Zweiheit nicht aus dem Einen abgeleitet werden, da sie damit ihren Status als Urprinzip verlöre und weil das absolut transzendente Eine keine latente Vielheit in sich enthalten könne. Die unbestimmte Zweiheit ist aber dem Einen nicht gleichursprünglich und gleichmächtig, sondern von ihm abhängig. Damit erweise sich Platons Philosophie als letztlich monistisch. John Niemeyer Findlay plädiert ebenfalls nachdrücklich für ein monistisches Verständnis der Prinzipienlehre.[27] Für Cornelia de Vogel ist der monistische Aspekt der Lehre der überwiegende.[28] Von einem System mit teils monistischen, teils dualistischen Zügen gehen Hans Joachim Krämer[29] und Konrad Gaiser[30] aus. Christina Schefer meint, der Prinzipien-Gegensatz sei logisch unaufhebbar und weise daher über sich hinaus. Er verweise auf eine „unsagbare“ intuitive Urerfahrung, die Platon gemacht habe: die Erfahrung des Gottes Apollon als des gemeinsamen Grundes hinter den beiden Urprinzipien.[31] Auch dieser Ansatz läuft somit auf eine monistische Gesamtkonzeption hinaus.

Obwohl die Prinzipienlehre nach der heute vorherrschenden Forschungsmeinung als letztlich monistisches System angelegt ist, hat sie auch einen dualistischen Aspekt. Dieser wird von den Vertretern monistischer Interpretationen nicht bestritten, doch meinen sie, dass er der monistischen Gesamtstruktur untergeordnet ist. Die dualistische Seite des Konzepts besteht darin, dass nicht nur die Einheit, sondern auch die unbestimmte Zweiheit als Urprinzip aufgefasst wird. Diese Ursprünglichkeit der Zweiheit betont Giovanni Reale. Er hält aber den Begriff Dualismus für unpassend und spricht lieber von einer „bipolaren Struktur des Wirklichen“. Dabei berücksichtigt Reale aber auch, dass die beiden Pole nicht gleichgewichtig sind. Er stellt fest, dass die Einheit „der Zweiheit hierarchisch überlegen bleibt“.[32] Gegen jede Ableitung der Zweiheit aus einem übergeordneten Einheitsprinzip und damit für einen konsequenten Dualismus Platons plädieren Heinz Happ,[33] Marie-Dominique Richard[34] und Paul Wilpert.[35] Sie glauben, dass ein ursprünglicher Dualismus Platons später monistisch umgedeutet worden sei.

Wenn die Prinzipienlehre authentisch und ihre monistische Deutung richtig ist, erhält Platons Metaphysik einen Charakter, der stark an die neuplatonischen Modelle aus der römischen Kaiserzeit erinnert. In diesem Fall ist das neuplatonische Verständnis seiner Philosophie in einem zentralen Bereich historisch richtig. Dann ist der Neuplatonismus weniger neuartig, als er ohne die Prinzipienlehre erschiene. Vertreter des Tübinger Paradigmas weisen auf diese Konsequenz hin. Sie sehen in Plotin, dem Begründer des Neuplatonismus, den konsequenten Fortsetzer einer von Platon selbst begründeten Denkrichtung. Plotins metaphysisches System sei in seinen Grundzügen schon der Generation von Platons Schülern vertraut gewesen. Dies entspricht Plotins eigener Sichtweise, denn er betrachtete sich nicht als Neuerer, sondern als getreuen Ausleger der Lehre Platons.[36]

Das Gute in der ungeschriebenen Lehre

Ein wichtiges Forschungsproblem ist die umstrittene Frage nach der Stellung der Idee des Guten in dem metaphysischen System, das sich aus der Kombination von Ideenlehre und rekonstruierter Prinzipienlehre ergibt. Die Klärung dieser Frage hängt davon ab, wie man den Status deutet, den Platon der Idee des Guten im Rahmen der Ideenlehre zugedacht hat. In der Politeia grenzt er sie scharf von den übrigen Ideen ab. Er weist ihr eine einzigartige Vorrangstellung zu, denn nach seiner Überzeugung verdanken alle anderen Ideen ihr Sein dieser einen Idee. Somit sind sie ihr ontologisch untergeordnet.[37]

Den Ausgangspunkt der Forschungskontroverse bildet das umstrittene Verständnis des griechischen Begriffs Ousia – wörtlich „Seiendheit“ –, der gewöhnlich mit „Sein“ oder „Wesen“ wiedergegeben wird. In der Politeia ist zu lesen, das Gute sei „nicht die Ousia“, sondern „jenseits der Ousia“ und übertreffe sie an Ursprünglichkeit[38] und Macht.[39] Wenn hier nur das Wesen gemeint ist oder wenn die Stelle frei ausgelegt wird, lässt sich die Idee des Guten innerhalb des Ideenbereichs, des Bereichs der seienden Dinge, verorten. In diesem Fall kommt ihr keine absolute Transzendenz zu. Sie ist dann nicht seinstranszendent oder überseiend, sondern nimmt nur unter den seienden Dingen eine Vorrangstellung ein.[40] Nach dieser Interpretation ist sie nicht Gegenstand der Prinzipienlehre, sondern nur der Ideenlehre. Wenn hingegen mit Ousia das Sein gemeint ist und die Stelle wörtlich ausgelegt wird, ist „jenseits der Ousia“ im Sinne von Seinstranszendenz zu verstehen.[41] Dieser Deutung zufolge hat Platon die Idee des Guten als absolut transzendent betrachtet. Dann muss sie in den Bereich, mit dem sich die Prinzipienlehre befasst, eingeordnet werden.

Falls Platon die Idee des Guten als seinstranszendent aufgefasst hat, stellt sich das Problem ihres Verhältnisses zum Einen. Die meisten Verfechter der Existenz der ungeschriebenen Lehre meinen, dass das Eine und die Idee des Guten für Platon identisch waren. Ihrer Argumentation zufolge ergibt sich die Identität daraus, dass es im Bereich der absoluten Transzendenz keine Bestimmungen und damit auch keine Unterscheidung zweier Prinzipien geben kann. Außerdem berufen sich die Vertreter der Identitätshypothese auf Angaben des Aristoteles.[42] Eine abweichende Meinung vertritt Rafael Ferber; er geht zwar von der Existenz einer ungeschriebenen Lehre aus, deren Gegenstand das Gute gewesen sei, aber lehnt die Gleichsetzung des Guten mit dem Einen ab.[43]

Die idealen Zahlen

Dem Bericht des Aristoxenos über Platons Vortrag „Über das Gute“ ist zu entnehmen, dass Ausführungen über die Zahlenlehre einen wesentlichen Teil der Argumentation ausmachten.[44] Diese Thematik hat demnach in der ungeschriebenen Lehre eine wichtige Rolle gespielt. Es handelt sich dabei nicht um Mathematik, sondern um eine Philosophie der Zahlen. Platon unterscheidet zwischen den mathematischen Zahlen und metaphysischen „idealen“ (eidetischen) Zahlen. Im Gegensatz zu mathematischen Zahlen lassen sich metaphysische keinen arithmetischen Operationen unterziehen. Beispielsweise ist, wenn es um ideale Zahlen geht, mit der Zwei nicht die Zahl 2, sondern das Wesen der Zweiheit gemeint.[45]

Die idealen Zahlen nehmen eine Mittelstellung zwischen den Urprinzipien und den Ideen ein. Sie stellen die ersten Entitäten dar, die aus den Urprinzipien hervorgehen. Das Hervorgehen ist – wie bei allen metaphysischen Erzeugungen – nicht zeitlich als Ereignis, sondern nur im Sinne einer ontologischen Abhängigkeit zu verstehen. Beispielsweise entsteht aus dem Zusammenwirken des Einen – des bestimmenden Faktors – und der unbestimmten Zweiheit – des Vielheitsprinzips – die Zweiheit im Bereich der idealen Zahlen. Diese ist als Produkt der beiden gegensätzlichen Urprinzipien von beiden geprägt: Sie ist die bestimmte Zweiheit. Ihre Bestimmtheit zeigt sich darin, dass sie das Verhältnis zwischen einem bestimmten Übertreffenden (dem Doppelten) und einem bestimmten Übertroffenen (dem Halben) ausdrückt. Sie ist keine Zahl, sondern eine Beziehung zwischen zwei Größen, von denen die eine das Doppelte der anderen ausmacht.[46]

Indem das Eine als bestimmender Faktor auf die unbestimmte Zweiheit, die in der Prinzipienlehre „das Große und Kleine“ genannt wird, einwirkt, eliminiert es deren Unbestimmtheit, die jedes Verhältnis zwischen Großem und Kleinem, Übertreffendem und Übertroffenem einschließt. So erzeugt das Eine durch Bestimmung der unbestimmten Vielheit die bestimmten Größenverhältnisse, die in der Prinzipienlehre als ideale Zahlen aufgefasst werden. Es entsteht die bestimmte Zweiheit, die je nach Betrachtungsperspektive als Doppeltheit oder Halbheit erscheint. Ebenso werden auch die übrigen idealen Zahlen aus den Urprinzipien abgeleitet. In den idealen Zahlen ist die Raumstruktur angelegt, aus ihnen ergeben sich die Dimensionen des Räumlichen. Wesentliche Einzelheiten dieser überzeitlichen „Entstehungsvorgänge“ sind aber nicht überliefert; wie man sie sich vorzustellen hat, wird in der Forschung kontrovers diskutiert.[47]

Erkenntnistheoretische Aspekte

Aussagen über das höchste Prinzip zählte Platon zum Zuständigkeitsbereich des Dialektikers, des methodisch folgernden Philosophen. Somit hat er die Prinzipienlehre – falls er ihr Urheber ist – auf diskursivem Weg entwickelt und argumentativ begründet. Dabei ergab sich für ihn, dass ein höchstes Prinzip notwendig sei; er hat das Eine indirekt aus dessen Wirkungen erschlossen. Ob oder inwieweit er außerdem einen unmittelbaren Zugang zum absolut transzendenten Bereich der ursprünglichen Einheit für möglich gehalten oder gar für sich in Anspruch genommen hat, ist in der Forschung umstritten. Es stellt sich die Frage, ob sich im Rahmen seiner Lehre aus der Seinstranszendenz eine Erkenntnistranszendenz ergeben musste oder ob er das höchste Prinzip zumindest theoretisch für erkennbar hielt.[48]

Auf diskursivem Weg konnte Platon nur bis zur Einsicht gelangen, dass das höchste Prinzip zwar ein Erfordernis seiner Metaphysik ist, dass dem absolut Transzendenten aber mit den Mitteln des Verstandes – der Dialektik – nicht beizukommen ist. Somit blieb ihm für ein Erfassen des Einen – und des Guten, falls er dieses mit dem Einen gleichsetzte – nur die Möglichkeit eines intuitiven Zugangs.[49] Strittig ist, ob er diesen Weg tatsächlich beschritten hat. Wenn er es getan hat, bedeutete dies, auf den Anspruch zu verzichten, im philosophischen Diskurs über jeden Erkenntnisschritt Rechenschaft ablegen zu können. Hinsichtlich der Idee des Guten schließt Michael Erler aus Äußerungen in der Politeia, dass Platon sie für intuitiv erkennbar gehalten hat.[50] Gegen eine eigenständige Rolle der Intuition im Erkenntnisprozess wenden sich hingegen u. a. Peter Stemmer,[51] Kurt von Fritz[52] und Jürgen Villers.[53] Jens Halfwassen meint, dass die Intuition zwar als ein unmittelbares Erfassen durch nichtsinnliche Anschauung für die Erkenntnis der Ideenwelt eine zentrale Rolle spiele, das höchste Prinzip aber erkenntnistranszendent sei. Das Eine sei für Platon zwar das Prinzip der Erkennbarkeit und der Erkenntniskraft, es selbst aber bleibe jeder Erkenntnis und Sagbarkeit entzogen.[54] Auch Christina Schefer geht davon aus, dass Platon sowohl in der geschriebenen als auch in der ungeschriebenen Lehre einen wie auch immer gearteten philosophischen Zugang zum absolut Transzendenten ausgeschlossen hat. Nach ihrer Hypothese hat Platon diesen Zugang aber auf einem anderen Weg gefunden: in einer „unsagbaren“ religiösen Erfahrung, der Theophanie des Gottes Apollon.[55] Sie trägt Indizien für ihre Ansicht vor, wonach im Zentrum von Platons Weltbild weder die Ideenlehre noch die Prinzipienlehre gestanden habe, sondern die Apollon-Erfahrung, die keinen Lehrinhalt begründete. Das Tübinger Paradigma sei zwar tatsächlich ein wichtiger Bestandteil von Platons Philosophie, aber die Prinzipienlehre führe in Aporien (Ausweglosigkeiten), in eine Paradoxie und damit in eine Sackgasse.[56] Platons Äußerungen sei jedoch zu entnehmen, dass er einen Ausweg gefunden habe, der über die Prinzipienlehre hinausführe. In dieser Platon-Deutung erhält somit auch die ungeschriebene Lehre den Charakter von etwas Vorläufigem.[57]

Hinsichtlich der Gewissheit, mit der Platon die Prinzipienlehre für wahr hielt, gehen in der Forschung die Meinungen weit auseinander. Die Tübinger Schule unterstellt ihm einen erkenntnistheoretischen Optimismus. Besonders weit geht dabei Hans Krämer. Er ist der Ansicht, Platon habe für sich selbst mit dem höchsten möglichen Gewissheitsgrad den Anspruch auf eine Erkenntnis der Wahrheit dieser Lehre erhoben, sei also bezüglich der ungeschriebenen Lehre „Dogmatiker“ gewesen. Andere Forscher, darunter insbesondere Rafael Ferber, vertreten die Gegenposition, wonach die ungeschriebene Lehre für Platon nur eine möglicherweise irrige Hypothese war.[58] Konrad Gaiser meint, Platon habe die ungeschriebene Lehre zusammenhängend formuliert und als in sich geschlossene Konzeption vorgetragen, aber nicht als „Summe von dogmatisch feststehenden, doktrinär vertretenen, autoritär verkündeten Lehrsätzen“, sondern als kritisch überprüfbares, verbesserungsfähiges, auf ständige Weiterentwicklung angelegtes Modell.[59]

Wesentlich ist für Platon die Verknüpfung der Erkenntnistheorie mit der Ethik. Er betont, dass der Zugang zu den mündlich vermittelten Einsichten nur jenen Seelen offenstehe, welche die charakterlichen Voraussetzungen erfüllten. Der Philosoph, der mündlichen Unterricht erteile, habe jeweils zu prüfen, ob beim Schüler die erforderliche charakterliche Disposition vorhanden sei. Es gehe nicht um ein Begreifen mit dem Intellekt; vielmehr werde die Einsicht als Frucht langwieriger Bemühungen von der gesamten Seele erworben. Zwischen der Seele, der etwas vermittelt werden soll, und dem, was ihr zu vermitteln ist, müsse eine innere Verwandtschaft bestehen.[60]

Die Datierungsfrage und die historische Einordnung

Umstritten ist, wann Platon seinen öffentlichen Vortrag über das Gute gehalten hat.[61] Für die Befürworter des Tübinger Paradigmas hängt damit die Frage zusammen, ob die ungeschriebene Lehre zu Platons Spätwerk gehört oder schon relativ früh ausgearbeitet wurde. Bei der Beantwortung dieser Frage spielt auch der Gegensatz zwischen „Unitariern“ und „Revisionisten“ eine Rolle. Während die Unitarier meinen, Platon habe in der Metaphysik durchgängig eine kohärente Position vertreten, unterscheiden die Revisionisten verschiedene Entwicklungsphasen seines Denkens und nehmen an, dass er durch auftauchende Probleme genötigt worden sei, seine Auffassung gravierend zu ändern.

In der älteren Forschung herrschte die Auffassung, „Über das Gute“ sei eine „Altersvorlesung“ gewesen, die Platon an seinem Lebensende gehalten habe. Die Entstehung der ungeschriebenen Lehre wurde meist in die späte Phase seiner philosophischen Aktivität gesetzt. In der neueren Forschung mehren sich jedoch die Stimmen für eine Frühdatierung der ungeschriebenen Lehre. Dies kommt dem Ansatz der Unitarier entgegen. Ob schon frühe Dialoge Anspielungen auf die ungeschriebene Lehre enthalten, ist umstritten.[62]

Der herkömmlichen Einordnung des öffentlichen Vortrags als Altersvorlesung widerspricht Hans Krämer energisch. Er meint, der Vortrag sei in der Frühzeit von Platons Lehrtätigkeit gehalten worden. Außerdem sei „Über das Gute“ nicht nur eine einmalige öffentliche Vorlesung gewesen. Vielmehr handle es sich um eine Vortragsreihe, von der nur der erste, einführende Vortrag versuchsweise vor einem breiteren, unvorbereiteten Publikum gehalten worden sei. Nach dem Fehlschlag des öffentlichen Auftritts habe Platon die Konsequenz gezogen, diesen Stoff nur noch Philosophieschülern zu unterbreiten. Die Vorträge über das Gute mit Diskussion hätten eine Gesprächsreihe gebildet, mit der Platon jahrzehntelang regelmäßig seinen Schülern die ungeschriebene Lehre zu erläutern und plausibel zu machen versucht habe. Dies habe er bereits zur Zeit seiner ersten Sizilienreise (um 389/388) getan, also schon vor der Gründung der Akademie.[63]

Von den Philosophiehistorikern, die den öffentlichen Vortrag spät datieren, sind verschiedene zeitliche Eingrenzungen vorgeschlagen worden: der Zeitraum 359/355 (Karl-Heinz Ilting),[64] der Zeitraum 360/358 (Hermann Schmitz),[65] um 352 (Detlef Thiel)[66] und die Zeit zwischen Dions Tod 354 und Platons Tod 348/347 (Konrad Gaiser). Gaiser betont dabei, dass er seine Spätdatierung des öffentlichen Vortrags nicht mit der Annahme verbindet, die ungeschriebene Lehre sei spät entstanden. Vielmehr sei diese Lehre schon früh in der Akademie Unterrichtsstoff gewesen, wohl bereits zur Zeit von Platons Schulgründung.[67]

Unklar ist, warum Platon anspruchsvolle Inhalte der ungeschriebenen Lehre öffentlich vor einem philosophisch ungebildeten Publikum vortrug, bei denen er – wie nicht anders zu erwarten – auf Unverständnis stieß. Gaiser vermutet, dass er vor die Öffentlichkeit trat, um verzerrten Darstellungen der ungeschriebenen Lehre entgegenzutreten und damals kursierende Gerüchte zu entkräften, denen zufolge die Akademie ein Hort staatsfeindlicher Umtriebe war.[68]

Rezeption

Nachwirkung bis zum Beginn der Moderne

In der Generation von Platons Schülern war die Erinnerung an seinen mündlichen, von manchen Schülern aufgezeichneten Unterricht noch lebendig. Sie beeinflusste das heute großenteils verlorene philosophische Schrifttum dieser Zeit. Auf entschiedenen Widerspruch stieß die ungeschriebene Lehre bei Aristoteles, der sich in zwei nur fragmentarisch erhaltenen Abhandlungen – Über das Gute (drei Bücher) und Über die Philosophie – mit ihr auseinandersetzte und unter anderem auch in seinen Werken Metaphysik und Physik auf das Thema einging. Auch Aristoteles’ Schüler Theophrast befasste sich in seiner Metaphysik damit.[69]

Als sich in der Epoche des Hellenismus der Skeptizismus in der Akademie durchsetzte, konnte prinzipientheoretisches Lehrgut – soweit es noch bekannt war – kaum noch Interesse finden. Diese Ausrichtung des Interesses änderte sich zwar in der Zeit des Mittelplatonismus und des Neuplatonismus, doch war den damaligen Philosophen anscheinend von der Prinzipienlehre nicht viel mehr bekannt als den modernen Gelehrten.[70]

Nach der Wiederentdeckung der im Mittelalter verschollenen Originaltexte Platons in der Renaissance dominierte in der Frühen Neuzeit ein vom Neuplatonismus geprägtes Bild der Metaphysik Platons, zu dem auch die aus Aristoteles’ Darstellung bekannten Grundzüge der Prinzipienlehre gehörten. Zum Vorherrschen der neuplatonischen Platon-Interpretation hatte insbesondere der Humanist Marsilio Ficino (1433–1499) mit seinen Übersetzungen und kommentierenden Schriften beigetragen. Noch der einflussreiche populärwissenschaftliche Schriftsteller und Platon-Übersetzer Thomas Taylor (1758–1835) ordnete sich in diese Tradition der Platondeutung ein. Zwar wurde das neuplatonische Paradigma im 18. Jahrhundert zunehmend als problematisch eingeschätzt, doch gelang es nicht, es durch eine konsistente Alternative zu ersetzen.[71] Die Existenz der ungeschriebenen Lehre wurde weiterhin akzeptiert; Wilhelm Gottlieb Tennemann stellte in seiner 1792–95 erschienenen Untersuchung System der Platonischen Philosophie fest, Platon habe nie beabsichtigt, seine Philosophie vollständig schriftlich darzustellen.

19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert begann eine bis heute anhaltende Forschungsdiskussion um die Frage, ob es tatsächlich eine ungeschriebene Lehre gab, die gegenüber den Dialogen einen philosophischen Überschuss aufweist.

Friedrich Schleiermacher

Nachdem bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts das neuplatonische Paradigma vorgeherrscht hatte, führte Friedrich Schleiermacher mit der 1804 publizierten Einleitung zu seiner Platonübersetzung[72] eine radikale Wende herbei, deren Folgen bis in die Gegenwart spürbar sind. Schleiermacher war der Überzeugung, der gesamte Gehalt von Platons Philosophie sei in den Dialogen enthalten. Eine inhaltlich darüber hinausgehende mündliche Lehre habe es nicht gegeben. Nach Schleiermachers Verständnis ist die Dialogform kein literarischer Zusatz zur platonischen Philosophie, sondern Form und Inhalt sind untrennbar verbunden; das platonische Philosophieren ist seiner Natur nach ausschließlich dialogisch darstellbar. Damit ist eine ungeschriebene Lehre mit philosophisch relevanten Sonderinhalten ausgeschlossen.[73]

Schleiermachers Auffassung fand bald breite Zustimmung und setzte sich durch.[74] Zu ihren vielen Befürwortern zählte Eduard Zeller, ein führender Philosophiehistoriker des 19. Jahrhunderts, der in seinem nachhaltig einflussreichen Handbuch Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung Argumente gegen die „angebliche Geheimlehre“ vorbrachte.

Zwar stieß Schleiermachers strikte Ablehnung einer mündlichen Lehre von Anfang an auch auf Widerspruch, doch blieben die Kritiker vereinzelt. 1808 teilte der später berühmte Gräzist August Boeckh in einer Rezension von Schleiermachers Platonübersetzung mit, dass ihn die Argumente gegen die ungeschriebene Lehre nicht überzeugen. Es gebe eine große Wahrscheinlichkeit, dass Platon „ein Esoterisches hatte“, Lehren, über die er sich in seinen Schriften nicht unverhohlen äußerte, sondern nur in dunklen Winken; „was er hier nicht bis zur höchsten Spitze hinaufgeführt hatte, diesem setzte er im mündlichen Unterrichte den Gipfel und den Schlussstein auf“.[75] Christian August Brandis sammelte und kommentierte die Quellenaussagen zur ungeschriebenen Lehre,[76] Friedrich Adolf Trendelenburg und Christian Hermann Weisse wiesen in ihren Untersuchungen auf die Bedeutung dieser Überlieferung hin.[77] Auch Karl Friedrich Hermann wandte sich in einer 1849 publizierten Untersuchung über Platons schriftstellerische Motive gegen Schleiermachers These, indem er die Ansicht vertrat, Platon habe den Kern seiner Lehre in den Schriften nur angedeutet und auf direkte Weise nur mündlich dargelegt.[78]

20. und 21. Jahrhundert

Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war in der Platonforschung die „antiesoterische“ Richtung die eindeutig vorherrschende. Allerdings nahmen schon vor der Jahrhundertmitte einige Forscher an, dass es eine nur mündlich vermittelte Lehre Platons gegeben hat. Zu ihnen zählten John Burnet, Julius Stenzel, Alfred Edward Taylor, Léon Robin, Paul Wilpert und Heinrich Gomperz. Seit 1959 konkurriert das detailliert ausgearbeitete „Tübinger Paradigma“ mit der „antiesoterischen“ Interpretation.

Harold Cherniss

Im 20. Jahrhundert war der profilierteste Vertreter der „antiesoterischen“ Richtung Harold Cherniss. Er bezog schon ab 1942 Stellung, also vor der Erarbeitung und Veröffentlichung des Tübinger Paradigmas. Sein Hauptanliegen war die Entkräftung der Glaubwürdigkeit von Aristoteles’ Angaben, die er auf dessen antiplatonische Haltung und auf Missverständnisse zurückführte. Cherniss meinte, Aristoteles gebe im Rahmen seiner Polemik gegen Platon dessen Auffassung verfälschend wieder und widerspreche sich dabei selbst. Er bestritt rundweg einen inhaltlichen Überschuss von Platons mündlichen Lehren gegenüber den Dialogen. Moderne Hypothesen über den philosophischen Unterricht in der Akademie seien haltlose Spekulationen. Es bestehe ein grundlegender Widerspruch zwischen der Ideenlehre der Dialoge und den Angaben des Aristoteles. Platon habe durchgängig die Ideenlehre vertreten und es gebe kein plausibles Argument für die Annahme, dass er sie durch den angeblichen Inhalt einer ungeschriebenen Lehre fundamental modifiziert habe. Der Siebte Brief komme als Quelle nicht in Betracht, da er unecht sei.[79]

Die antisystematische Interpretation von Platons Philosophie

Im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert ist es zu einer Radikalisierung von Schleiermachers „dialogischem“ Ansatz gekommen. Zahlreiche Forscher haben sich für eine „antisystematische“ Interpretationsweise ausgesprochen, die auch als „Dialogtheorie“ bekannt ist. Diese Richtung verwirft jede Art von „dogmatischer“ Platondeutung und insbesondere die Möglichkeit einer „esoterischen“ ungeschriebenen Lehre. Sie wendet sich grundsätzlich gegen die Annahme, Platon habe eine bestimmte systematische Lehre besessen und als Wahrheit verkündet. Die antisystematischen Ansätze stimmen darin überein, dass das Wesentliche am platonischen Philosophieren nicht die Durchsetzung einzelner, für wahr befundener inhaltlicher Positionen sei, sondern die gemeinsame dialogische Reflexion und speziell die Erprobung von Analysemethoden. Dieses Philosophieren sei – was schon Schleiermacher betont hatte – durch seine Prozesshaftigkeit charakterisiert, deren Dynamik den Leser zum Weiterdenken anrege. Es ziele nicht auf dogmatisch fixierte endgültige Wahrheiten, sondern bestehe in einem nie zum Abschluss kommenden Fragen und Antworten. Diese Weiterentwicklung von Schleiermachers Dialogtheorie kehrte sich schließlich gegen ihn selbst: Ihm wurde vorgeworfen, aus den Dialogen zu Unrecht eine systematische Philosophie herausgelesen zu haben.[80]

Einen Widerspruch zwischen Platons prinzipieller Schriftkritik und der Annahme, er habe seine gesamte Philosophie schriftlich der Öffentlichkeit mitgeteilt, sehen die Befürworter der antisystematischen Interpretation nicht. Sie meinen, die Schriftkritik beziehe sich nur auf Lehrschriften. Da die Dialoge keine Lehrschriften sind, sondern den Stoff in der Gestalt fiktiver Gespräche darbieten, seien sie nicht von der Schriftkritik betroffen.[81]

Die Entstehung und Verbreitung des Tübinger Paradigmas

Bis in die fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts stand die Frage, ob man aus den Quellenzeugnissen auf die tatsächliche Existenz einer ungeschriebenen Lehre schließen darf, im Mittelpunkt der Diskussion. Seit die Tübinger Schule ihr neues Paradigma vorgetragen hat, dreht sich die lebhafte und kontroverse Debatte überdies um die Tübinger Hypothese, wonach die ungeschriebene Lehre in ihren Grundzügen rekonstruierbar ist und die Rekonstruktion den Kern von Platons Philosophie erschließt.

Das Tübinger Paradigma wurde erstmals von Hans Joachim Krämer formuliert und eingehend begründet. Er veröffentlichte seine Ergebnisse 1959 in einer umgearbeiteten Fassung seiner von Wolfgang Schadewaldt betreuten Dissertation von 1957.[82] 1963 habilitierte sich Konrad Gaiser, der ebenso wie Krämer ein Schüler Schadewaldts war, in Tübingen mit einer umfangreichen Monographie über die ungeschriebene Lehre.[83] In der Folgezeit erläuterten und verteidigten die beiden Tübinger Gelehrten das Paradigma in einer Reihe von Publikationen.[84]

Thomas A. Szlezák, ein profilierter Vertreter der Tübinger Schule

Weitere namhafte Vertreter des Paradigmas sind Thomas Alexander Szlezák, der von 1990 bis 2006 ebenfalls in Tübingen lehrte und sich insbesondere mit der Schriftkritik und den Aussparungsstellen befasst hat,[85] der Heidelberger Philosophiehistoriker Jens Halfwassen, der vor allem die Geschichte der Prinzipienlehre vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum Neuplatonismus erforscht hat, und Vittorio Hösle.[86] Zustimmung zum Tübinger Platonbild kam etwa von Michael Erler,[87] Jürgen Wippern,[88] Karl Albert,[89] Heinz Happ,[90] Willy Theiler,[91] Klaus Oehler,[92] Hermann Steinthal,[93] John Niemeyer Findlay,[94] Marie-Dominique Richard,[95] Herwig Görgemanns,[96] Walter Eder,[97] Josef Seifert,[98] Joachim Söder,[99] Carl Friedrich von Weizsäcker,[100] Detlef Thiel[101] und – mit einem neuen, weitergehenden Ansatz – Christina Schefer,[102] mit Vorbehalt auch von Cornelia J. de Vogel,[103] Rafael Ferber,[104] John M. Dillon,[105] Jürgen Villers,[106] Christopher Gill,[107] Enrico Berti[108] und Hans-Georg Gadamer.[109] Da der Mailänder Philosophiehistoriker Giovanni Reale in einer eingehenden Untersuchung das Tübinger Paradigma weiterentwickelt hat, spricht man heute auch von einer „Tübinger und Mailänder Schule“.[110] In Italien haben sich auch Maurizio Migliori[111] und Giancarlo Movia[112] für die Authentizität der ungeschriebenen Lehre ausgesprochen. Nachdrücklich tritt Reales Schülerin Patrizia Bonagura für das Tübinger Paradigma ein.[113]

Die Kritik am Tübinger Paradigma

Unterschiedliche skeptische Gegenpositionen haben besonders im englischsprachigen, aber auch im deutschsprachigen Raum Resonanz gefunden.[114] In den USA haben Gregory Vlastos und Reginald E. Allen gegen die Tübinger Platondeutung Stellung genommen,[115] in Italien Franco Trabattoni[116] und Francesco Fronterotta.[117] In Frankreich hat dem Tübinger Paradigma Luc Brisson[118] widersprochen, in Schweden Eugène Napoléon Tigerstedt.[119] Zu den deutschsprachigen Kritikern zählen Theodor Ebert,[120] Ernst Heitsch,[121] Fritz-Peter Hager[122] und Günther Patzig.[123]

Eine radikal skeptische Position lautet, Platon habe mündlich nichts gelehrt, was nicht in den Dialogen steht. Gemäßigte Skeptiker gehen zwar von einer ungeschriebenen Lehre aus, kritisieren aber die Tübinger Rekonstruktion als spekulativ, unzureichend begründet und zu weitreichend.[124] Manche Kritiker des Tübinger Paradigmas bestreiten zwar nicht die Authentizität der Prinzipienlehre, sehen aber in ihr einen späten Einfall Platons, den er nicht systematisch ausgearbeitet und nicht in seine frühere Philosophie integriert habe. Sie meinen, es handle sich bei der Prinzipienlehre nicht um den Kern von Platons Philosophie, sondern nur um ein unausgereiftes Konzept aus der Endphase seiner philosophischen Aktivität. Er habe dieses Konzept als Hypothese eingeführt, aber nicht mit der Metaphysik seiner Dialoge zu einem stimmigen Ganzen verbunden. Zu den Vertretern dieser Deutung gehören Dorothea Frede,[125] Karl-Heinz Ilting[126] und Holger Thesleff.[127] Ähnlich urteilen Andreas Graeser, der die ungeschriebene Lehre auf „schulinterne Diskussionsbeiträge“ reduziert,[128] und Jürgen Mittelstraß, der „ein vorsichtiges Fragen und hypothetische Beantwortungsvorschläge“ Platons annimmt.[129] Rafael Ferber meint, Platon habe die Prinzipienlehre unter anderem auch deswegen nicht schriftlich fixiert, weil er sie nicht als Wissen, sondern als bloße Meinung betrachtet habe.[130] Margherita Isnardi Parente bestreitet nicht die Möglichkeit einer ungeschriebenen Lehre, schätzt aber die Überlieferung als unzuverlässig ein und hält das Tübinger Paradigma für unvereinbar mit der Philosophie der Dialoge, in denen die authentische Auffassung Platons zu finden sei. Die Darstellung des Aristoteles beziehe sich auf eine nicht von Platon selbst, sondern von Akademieangehörigen stammende Systematisierung platonischen Gedankenguts.[131] Auch Franco Ferrari führt die Systematisierung nicht auf Platon zurück.[132] Wolfgang Kullmann lehnt die Authentizität der Zweiprinzipienlehre nicht ab, sieht aber einen fundamentalen Widerspruch zwischen ihr und der Philosophie Platons in den Dialogen.[133] Wolfgang Wieland geht von der Rekonstruierbarkeit der ungeschriebenen Lehre aus, stuft ihre philosophische Relevanz aber sehr niedrig ein und meint, es könne sich nicht um den Kern von Platons Lehre handeln.[134] Franz von Kutschera hält die Existenz einer ungeschriebenen Prinzipientheorie Platons für kaum ernstlich bestreitbar, meint aber, die indirekte Überlieferung bewege sich philosophisch auf so niedrigem Niveau, dass ein sinnvoller Rekonstruktionsversuch von den Dialogen ausgehen müsse.[135] Domenico Pesce bejaht die Existenz einer ungeschriebenen Lehre, deren Gegenstand das Gute gewesen sei, verwirft aber deren Rekonstruktion durch die Tübinger Schule und insbesondere die Annahme, dass Platon die Wirklichkeit für bipolar gehalten habe.[136]

Eine auffällige Begleiterscheinung der teils mit großer Schärfe geführten Auseinandersetzungen um das Tübinger Paradigma ist, dass Vertreter beider Seiten der jeweiligen Gegenseite eine weltanschauliche Voreingenommenheit unterstellt haben.[137] Zu diesem Aspekt der Debatte bemerkt Konrad Gaiser: „In diesem Streit spielen, wohl auf beiden Seiten, eigene, moderne Vorstellungen von dem, was vorbildliche Philosophie ist, unbewusst mit; und deswegen ist auf eine Einigung in diesem Streit kaum zu hoffen.“[138]

Quellen

  • Margherita Isnardi Parente (Hrsg.): Testimonia Platonica (= Atti della Accademia Nazionale dei Lincei, Classe di scienze morali, storiche e filologiche, Memorie, Reihe 9, Band 8 Heft 4 und Band 10 Heft 1). Rom 1997–1998 (kritische Ausgabe mit italienischer Übersetzung und Kommentar)
    • Heft 1: Le testimonianze di Aristotele, 1997
    • Heft 2: Testimonianze di età ellenistica e di età imperiale, 1998
  • Giovanni Reale (Hrsg.): Autotestimonianze e rimandi dei dialoghi di Platone alle „dottrine non scritte“. Bompiani, Milano 2008, ISBN 978-88-452-6027-8 (Zusammenstellung einschlägiger Texte Platons mit italienischer Übersetzung und ausführlicher Einleitung, in der Reale auch auf Kritik an seiner Position eingeht)

Literatur

Übersichtsdarstellungen

  • Michael Erler: Platon (= r (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 406–429, 703–707
  • Franco Ferrari: Les doctrines non écrites. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Band 5, Teil 1 (= V a), CNRS Éditions, Paris 2012, ISBN 978-2-271-07335-8, S. 648–661
  • Konrad Gaiser: Platons esoterische Lehre. In: Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften. Academia Verlag, Sankt Augustin 2004, ISBN 3-89665-188-9, S. 317–340
  • Jens Halfwassen: Platons Metaphysik des Einen. In: Marcel van Ackeren (Hrsg.): Platon verstehen. Themen und Perspektiven. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17442-9, S. 263–278

Untersuchungen

  • Rafael Ferber: Warum hat Platon die „ungeschriebene Lehre“ nicht geschrieben? 2. Auflage, Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55824-5
  • Konrad Gaiser: Platons ungeschriebene Lehre. Studien zur systematischen und geschichtlichen Begründung der Wissenschaften in der Platonischen Schule. 3. Auflage, Klett-Cotta, Stuttgart 1998, ISBN 3-608-91911-2 (enthält S. 441–557 eine Zusammenstellung von Quellentexten)
  • Jens Halfwassen: Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin. 2., erweiterte Auflage, Saur, München und Leipzig 2006, ISBN 3-598-73055-1
  • Hans Joachim Krämer: Arete bei Platon und Aristoteles. Zum Wesen und zur Geschichte der platonischen Ontologie. Winter, Heidelberg 1959 (grundlegende Untersuchung, aber teilweise überholter Forschungsstand)
  • Hans Joachim Krämer: Platone e i fondamenti della metafisica. Saggio sulla teoria dei principi e sulle dottrine non scritte di Platone. 6. Auflage, Vita e Pensiero, Milano 2001, ISBN 88-343-0731-3 (besser verwendbar als die sehr mangelhafte englische Übersetzung: Plato and the Foundations of Metaphysics. A Work on the Theory of the Principles and Unwritten Doctrines of Plato with a Collection of the Fundamental Documents. State University of New York Press, Albany 1990, ISBN 0-7914-0434-X)
  • Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons. Eine Auslegung der Metaphysik der großen Dialoge im Lichte der „ungeschriebenen Lehren“. 2., erweiterte Auflage, Schöningh, Paderborn 2000, ISBN 3-506-77052-7 (allgemeinverständliche Darstellung, daher als Einführung geeignet)
  • Marie-Dominique Richard: L’enseignement oral de Platon. Une nouvelle interprétation du platonisme. 2., überarbeitete Auflage, Les Éditions du Cerf, Paris 2005, ISBN 2-204-07999-5 (enthält S. 243–381 eine Zusammenstellung der Quellentexte ohne kritischen Apparat mit französischer Übersetzung)

Weblinks

  • Vortrag von Thomas Alexander Szlezák: Friedrich Schleiermacher und das Platonbild des 19. und 20. Jahrhunderts

Anmerkungen

  1. Aristoteles, Physik 209b13–15.
  2. Siehe zu dieser Terminologie Hans-Georg Gadamer: Platos ungeschriebene Dialektik. In: Hans-Georg Gadamer: Gesammelte Werke, Band 6: Griechische Philosophie II, Tübingen 1985, S. 129–153, hier: 130; Thomas Alexander Szlezák: Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie, Berlin 1985, S. 400–405; Detlef Thiel: Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie, München 2006, S. 139f.; Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 409.
  3. Beispielsweise bei Konrad Gaiser: Platons esoterische Lehre. In: Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 317–340, hier: 324.
  4. Aristoteles, Physik 209b13–15.
  5. Aristoxenos, Elementa harmonica 2,30–31. Text und deutsche Übersetzung bei Heinrich Dörrie, Matthias Baltes: Der Platonismus in der Antike, Band 1, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, S. 74–76 (Kommentar S. 278–282).
  6. Platon, Phaidros 274b–278e. Siehe dazu Ernst Heitsch: Platon: Phaidros. Übersetzung und Kommentar, Göttingen 1993, S. 188–218 und zur Frage der timiotera Thomas Alexander Szlezák: Zum Kontext der platonischen τιμιώτερα. In: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft Neue Folge 16, 1990, S. 75–85; Thomas Alexander Szlezák: Platon lesen, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, S. 69–76, 86; Ernst Heitsch: ΤΙΜΙΩΤΕΡΑ. In: Ernst Heitsch: Gesammelte Schriften, Band 3, München 2003, S. 338–347; Hans Joachim Krämer: Die grundsätzlichen Fragen der indirekten Platonüberlieferung. In: Hans-Georg Gadamer, Wolfgang Schadewaldt (Hrsg.): Idee und Zahl, Heidelberg 1968, S. 124–128. Kritik an Heitschs Phaidros-Interpretation übt Hans Krämer: Neue Literatur zum neuen Platonbild. In: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie 14, 1989, S. 59–81, hier: 59–72.
  7. Platon, Siebter Brief 341b–342a. Siehe dazu den Kommentar von Rainer Knab: Platons Siebter Brief, Hildesheim 2006, S. 261–268. Vgl. Hans Joachim Krämer: Die grundsätzlichen Fragen der indirekten Platonüberlieferung. In: Hans-Georg Gadamer, Wolfgang Schadewaldt (Hrsg.): Idee und Zahl, Heidelberg 1968, S. 117–124.
  8. Hans Joachim Krämer: Die platonische Akademie und das Problem einer systematischen Interpretation der Philosophie Platons. In: Konrad Gaiser (Hrsg.): Das Platonbild, Hildesheim 1969, S. 198–230, hier: 208.
  9. Michael Erler: Platon, München 2006, S. 162–164; Detlef Thiel: Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie, München 2006, S. 143–148.
  10. Siehe dazu Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 421–425.
  11. Text und deutsche Übersetzung bei Heinrich Dörrie, Matthias Baltes: Der Platonismus in der Antike, Band 1, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, S. 82–86, Kommentar S. 296–302. Siehe dazu Heinz Happ: Hyle, Berlin 1971, S. 137–140.
  12. Text und deutsche Übersetzung bei Heinrich Dörrie, Matthias Baltes: Der Platonismus in der Antike, Band 1, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, S. 86–89, Kommentar S. 303–305. Siehe dazu Heinz Happ: Hyle, Berlin 1971, S. 142f.
  13. Siehe dazu Heinz Happ: Hyle, Berlin 1971, S. 140–142; Marie-Dominique Richard: L’enseignement oral de Platon, 2. Auflage, Paris 2005, S. 163–168; Konrad Gaiser: Quellenkritische Probleme der indirekten Platonüberlieferung. In: Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 205–263, hier: 240–262; Detlef Thiel: Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie, München 2006, S. 343–348.
  14. Jens Halfwassen: Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin, 2. Auflage, Leipzig 2006, S. 31f. und Anm. 73; Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons, 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 257–313.
  15. Übersichtsdarstellungen geben Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 425–429 und Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 295–340.
  16. Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons, 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 199–201; Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 425; Detlef Thiel: Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie, München 2006, S. 190.
  17. Aristoteles, Metaphysik 987b; vgl. Physik 209b–210a.
  18. Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons, 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 205–207.
  19. Heinrich Dörrie, Matthias Baltes: Der Platonismus in der Antike, Band 4, Stuttgart-Bad Cannstatt 1996, S. 154–162 (Quellen mit Übersetzung), 448–458 (Kommentar); Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 426f.
  20. Hans Joachim Krämer: Arete bei Platon und Aristoteles, Heidelberg 1959, S. 144f.; Konrad Gaiser: Platons ungeschriebene Lehre, 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 18f.; Michael Erler: Platon, München 2006, S. 167.
  21. Konrad Gaiser: Platons ungeschriebene Lehre, 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 18f., 73–81; Vittorio Hösle: Wahrheit und Geschichte, Stuttgart-Bad Cannstatt 1984, S. 490–506; Hans Joachim Krämer: Arete bei Platon und Aristoteles, Heidelberg 1959, S. 279f., 287f.
  22. Christina Schefer: Platons unsagbare Erfahrung, Basel 2001, S. 186f.
  23. Platon, Menon 81c–d.
  24. Platon, Politeia 511b.
  25. Eine Forschungsübersicht bietet Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 428f.
  26. Jens Halfwassen: Monismus und Dualismus in Platons Prinzipienlehre. In: Thomas Alexander Szlezák (Hrsg.): Platonisches Philosophieren, Hildesheim 2001, S. 67–85; Detlef Thiel: Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie, München 2006, S. 197–208; Vittorio Hösle: Wahrheit und Geschichte, Stuttgart-Bad Cannstatt 1984, S. 459–506.
  27. John N. Findlay: Plato. The Written and Unwritten Doctrines, London 1974, S. 322–325.
  28. Cornelia J. de Vogel: Rethinking Plato and Platonism, Leiden 1986, S. 83f., 190–206.
  29. Hans Joachim Krämer: Der Ursprung der Geistmetaphysik, 2. Auflage, Amsterdam 1967, S. 329–334; Hans Joachim Krämer: Neues zum Streit um Platons Prinzipientheorie. In: Philosophische Rundschau 27, 1980, S. 1–38, hier: 27.
  30. Konrad Gaiser: Platons ungeschriebene Lehre, 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 10, 12f., 200f., 352; Konrad Gaiser: Platons esoterische Lehre. In: Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 317–340, hier: 330f.
  31. Christina Schefer: Platons unsagbare Erfahrung, Basel 2001, S. 57–60.
  32. Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons, 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 207f., 309–311.
  33. Heinz Happ: Hyle, Berlin 1971, S. 141–143.
  34. Marie-Dominique Richard: L’enseignement oral de Platon, 2. Auflage, Paris 2005, S. 231f.
  35. Paul Wilpert: Zwei aristotelische Frühschriften über die Ideenlehre, Regensburg 1949, S. 173–174.
  36. Detlef Thiel: Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie, München 2006, S. 197f. und Anm. 64; Jens Halfwassen: Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin, 2. Auflage, Leipzig 2006, S. 17–33, 183–210.
  37. Eine Zusammenfassung einschlägiger Aussagen in der Politeia bietet Thomas Alexander Szlezák: Die Idee des Guten in Platons Politeia, Sankt Augustin 2003, S. 111f. Übersichten über die Positionen in der Forschungskontroverse bieten Rafael Ferber: Ist die Idee des Guten nicht transzendent oder ist sie es doch? Nochmals Platons ΕΠΕΚΕΙΝΑ ΤΗΣ ΟΥΣΙΑΣ. In: Damir Barbarić (Hrsg.): Platon über das Gute und die Gerechtigkeit, Würzburg 2005, S. 149–174, hier: 149–156 und Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 402–404.
  38. Griechisch presbeía „Altersvorrang“, auch mit „Würde“ übersetzt.
  39. Platon, Politeia 509b.
  40. Abgelehnt wird die Seinstranszendenz der Idee des Guten u. a. von Theodor Ebert: Meinung und Wissen in der Philosophie Platons, Berlin 1974, S. 169–173, Matthias Baltes: Is the Idea of the Good in Plato’s Republic Beyond Being? In: Matthias Baltes: Dianoemata. Kleine Schriften zu Platon und zum Platonismus, Stuttgart 1999, S. 351–371 und Luc Brisson: L’approche traditionelle de Platon par H.F. Cherniss. In: Giovanni Reale, Samuel Scolnicov (Hrsg.): New Images of Plato, Sankt Augustin 2002, S. 85–97.
  41. Eine zusammenfassende Darstellung dieser Position bietet Thomas Alexander Szlezák: Die Idee des Guten in Platons Politeia, Sankt Augustin 2003, S. 67f. Vgl. Rafael Ferber: Ist die Idee des Guten nicht transzendent oder ist sie es doch? Nochmals Platons ΕΠΕΚΕΙΝΑ ΤΗΣ ΟΥΣΙΑΣ. In: Damir Barbarić (Hrsg.): Platon über das Gute und die Gerechtigkeit, Würzburg 2005, S. 149–174, hier: 154–160 und Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons, 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 275–281.
  42. Jens Halfwassen: Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin, 2. Auflage, Leipzig 2006, S. 21–23 und S. 221 Anm. 4; Thomas Alexander Szlezák: Die Idee des Guten in Platons Politeia, Sankt Augustin 2003, S. 70f.; Hans Krämer: Die Idee des Guten. Sonnen- und Liniengleichnis (Buch VI 504a–511e). In: Otfried Höffe (Hrsg.): Platon: Politeia, 3. Auflage, Berlin 2011, S. 135–153, hier: 142–145; Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons, 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 258–280; Konrad Gaiser: Plato’s enigmatic lecture ‚On the Good’. In: Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 265–294, hier: 265–268.
  43. Rafael Ferber: Platos Idee des Guten, 2., erweiterte Auflage, Sankt Augustin 1989, S. 76–78.
  44. Aristoxenos, Elementa harmonica 30.
  45. Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons, 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 211, 219–221; Detlef Thiel: Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie, München 2006, S. 210f.; Hans Joachim Krämer: Arete bei Platon und Aristoteles, Heidelberg 1959, S. 250f.
  46. Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons, 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 212f.; Rafael Ferber: Platos Idee des Guten, 2., erweiterte Auflage, Sankt Augustin 1989, S. 162–206; Konrad Gaiser: Platons ungeschriebene Lehre, 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 117–123.
  47. Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons, 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 211–218. Zu den Einzelheiten siehe Detlef Thiel: Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie, München 2006, S. 212–217, 221–225. Vgl. Rafael Ferber: Platos Idee des Guten, 2., erweiterte Auflage, Sankt Augustin 1989, S. 206–208; Konrad Gaiser: Platons ungeschriebene Lehre, 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 81–88; Hans Joachim Krämer: Arete bei Platon und Aristoteles, Heidelberg 1959, S. 251–256, 261–265; Julia Annas: Aristotle’s Metaphysics. Books M and N, Oxford 1976, S. 42–62.
  48. Eine Übersicht über die einschlägigen Forschungsdebatten bietet Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 370–372.
  49. Konrad Gaiser: Platons ungeschriebene Lehre, 3. Auflage, Stuttgart 1998, S. 4f.; Konrad Gaiser: Platons esoterische Lehre. In: Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 317–340, hier: 331–335.
  50. Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 370–372.
  51. Peter Stemmer: Platons Dialektik. Die frühen und mittleren Dialoge, Berlin 1992, S. 214–225; S. 220 Anm. 116 Aufzählung weiterer Gegner der Intuitionshypothese.
  52. Kurt von Fritz: Beiträge zu Aristoteles, Berlin 1984, S. 56f.
  53. Jürgen Villers: Das Paradigma des Alphabets. Platon und die Schriftbedingtheit der Philosophie, Würzburg 2005, S. 231–233.
  54. Jens Halfwassen: Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin, 2. Auflage, Leipzig 2006, S. 224–234, 247–262, 400–404.
  55. Christina Schefer: Platons unsagbare Erfahrung, Basel 2001, S. 60ff.
  56. Christina Schefer: Platons unsagbare Erfahrung, Basel 2001, S. 5–62.
  57. Anderer Meinung ist hierzu Hans Joachim Krämer: Arete bei Platon und Aristoteles, Heidelberg 1959, S. 464f.
  58. Rafael Ferber: Hat Plato in der „ungeschriebenen Lehre“ eine „dogmatische Metaphysik und Systematik“ vertreten? In: Méthexis 6, 1993, S. 37–54; Christopher Gill: Platonic Dialectic and the Truth-Status of the Unwritten Doctrines. In: Méthexis 6, 1993, S. 55–72.
  59. Konrad Gaiser: Prinzipientheorie bei Platon. In: Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 295–315, hier: 295f.
  60. Christina Schefer: Platons unsagbare Erfahrung, Basel 2001, S. 49–56.
  61. Eine Übersicht über die gegensätzlichen Positionen bietet Marie-Dominique Richard: L’enseignement oral de Platon, 2. Auflage, Paris 2005, S. 72–76.
  62. Siehe zur Forschungsgeschichte Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 419f.
  63. Hans Joachim Krämer: Arete bei Platon und Aristoteles, Heidelberg 1959, S. 20–24, 404–411, 444. Später hat Krämer diese Auffassung bekräftigt; siehe seine Aufsätze Neues zum Streit um Platons Prinzipientheorie. In: Philosophische Rundschau 27, 1980, S. 16–18 Anm. 33, Aristoxenos über Platons ΠΕΡΙ ΤΑΓΑΘΟΥ. In: Hermes 94, 1966, S. 111–112 und Die grundsätzlichen Fragen der indirekten Platonüberlieferung. In: Hans-Georg Gadamer, Wolfgang Schadewaldt (Hrsg.): Idee und Zahl, Heidelberg 1968, S. 112–115. Anderer Meinung ist Philip Merlan: War Platons Vorlesung „Das Gute“ einmalig? In: Hermes 96, 1968, S. 705–709. Vgl. Margherita Isnardi Parente: La akroasis di Platone. In: Museum Helveticum 46, 1989, S. 146–162 und Margherita Isnardi Parente: L’eredità di Platone nell’accademia antica, Milano 1989, S. 34–36.
  64. Karl-Heinz Ilting: Platons ‚Ungeschriebene Lehren’: der Vortrag ‚über das Gute’. In: Phronesis 13, 1968, S. 1–31, hier: 5, 30.
  65. Hermann Schmitz: Die Ideenlehre des Aristoteles, Band 2: Platon und Aristoteles, Bonn 1985, S. 312–314, 339f.
  66. Detlef Thiel: Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie, München 2006, S. 180f.
  67. Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 280–282, 290, 304, 311. Gaisers Datierung wird mit weiteren Argumenten unterstützt von Walter Eder: Die ungeschriebene Lehre Platons: Zur Datierung des platonischen Vortrags „Über das Gute“. In: Hansjörg Kalcyk u.a. (Hrsg.): Studien zur Alten Geschichte, Bd. 1, Rom 1986, S. 207–235, hier: 222–235.
  68. Konrad Gaiser: Plato’s enigmatic lecture ‚On the Good’. In: Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 265–294, hier: 282–291. Zustimmung findet Gaiser bei Detlef Thiel: Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie, München 2006, S. 174–181.
  69. Siehe aber zur Schwierigkeit der Interpretation von Theophrasts Darstellung Margherita Isnardi Parente: Théophraste, Metaphysica 6 a 23 ss. In: Phronesis 16, 1971, S. 49–64. Vgl. Marie-Dominique Richard: L’enseignement oral de Platon, 2. Auflage, Paris 2005, S. 103–105, 152–158.
  70. Konrad Gaiser: Prinzipientheorie bei Platon. In: Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 295–315, hier: 297f.
  71. Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons, 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 65f.
  72. Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher: Über die Philosophie Platons, hrsg. und eingeleitet von Peter M. Steiner, Hamburg 1996, S. 21–119.
  73. Siehe dazu Thomas Alexander Szlezák: Schleiermachers „Einleitung“ zur Platon-Übersetzung von 1804. In: Antike und Abendland 43, 1997, S. 46–62.
  74. Gyburg Radke: Das Lächeln des Parmenides, Berlin 2006, S. 1–5.
  75. August Boeckh: Kritik der Uebersetzung des Platon von Schleiermacher. In: August Boeckh: Gesammelte kleine Schriften, Band 7, Leipzig 1872, S. 1–38, hier: 6f.
  76. Christian August Brandis: Diatribe academica de perditis Aristotelis libris de ideis et de bono sive philosophia, Bonn 1823.
  77. Friedrich Adolf Trendelenburg: Platonis de ideis et numeris doctrina ex Aristotele illustrata, Leipzig 1826; Christian Hermann Weisse: De Platonis et Aristotelis in constituendis summis philosophiae principiis differentia, Leipzig 1828.
  78. Karl-Friedrich Hermann: Über Platos schriftstellerische Motive. In: Konrad Gaiser (Hrsg.): Das Platonbild, Hildesheim 1969, S. 33–57 (Nachdruck).
  79. Die Publikationen, in denen Cherniss seine Position darlegt, sind Die ältere Akademie. Ein historisches Rätsel und seine Lösung, Heidelberg 1966 (Übersetzung von: The Riddle of the Early Academy, Berkeley 1945; enthält drei Vorträge von 1942) und Aristotle’s Criticism of Plato and the Academy, Bd. 1, Baltimore 1944. Eingehende Kritik an Cherniss’ Position übt Hans Joachim Krämer: Arete bei Platon und Aristoteles, Heidelberg 1959, S. 380–447. Kritisch äußert sich auch Cornelia J. de Vogel: Probleme der späteren Philosophie Platons. In: Jürgen Wippern (Hrsg.): Das Problem der ungeschriebenen Lehre Platons, Darmstadt 1972, S. 41–87.
  80. Zur Nachwirkung von Schleiermachers Sichtweise siehe Gyburg Radke: Das Lächeln des Parmenides, Berlin 2006, S. 1–62. Eine Zusammenfassung der Kernpunkte der modernen Dialogtheorie gibt Thomas Alexander Szlezák: Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie, Berlin 1985, S. 332–336 (und Kritik daran S. 337–375).
  81. Franco Ferrari: Les doctrines non écrites. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Band 5, Teil 1 (= V a), Paris 2012, S. 648–661, hier: 658. Vgl. Hans Joachim Krämer: Retraktationen zum Problem des esoterischen Platon. In: Museum Helveticum 21, 1964, S. 137–167, hier: 148f.; Thomas Alexander Szlezák: Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie, Berlin 1985, S. 342–347, 376–400; Konrad Gaiser: Schriftlichkeit und Mündlichkeit. In: Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 29–41, hier: 31–39.
  82. Hans Joachim Krämer: Arete bei Platon und Aristoteles, Heidelberg 1959, S. 380–486.
  83. Konrad Gaiser: Platons ungeschriebene Lehre, Stuttgart 1963, 2. Auflage mit neuem Nachwort Stuttgart 1968.
  84. Die wichtigsten einschlägigen Arbeiten Krämers sind aufgelistet bei Jens Halfwassen: Monismus und Dualismus in Platons Prinzipienlehre. In: Bochumer philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 2, 1997, S. 1–21, hier: S. 1f. Anm. 1. Mehrere Aufsätze Gaisers sind zusammengestellt in dem Band Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004.
  85. Thomas Alexander Szlezák: Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie, Berlin 1985, S. 327–410; Thomas Alexander Szlezák: Zur üblichen Abneigung gegen die agrapha dogmata. In: Méthexis 6, 1993, S. 155–174; Thomas Alexander Szlezák: Die Idee des Guten in Platons Politeia, Sankt Augustin 2003, S. 5–14, 133–146; Thomas Alexander Szlezák: Platon lesen, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, S. 27–30, 42–48, 56–105, 148–155.
  86. Vittorio Hösle: Wahrheit und Geschichte, Stuttgart-Bad Cannstatt 1984, S. 374–392.
  87. Michael Erler: Platon, München 2006, S. 162–171.
  88. Jürgen Wippern: Einleitung. In: Jürgen Wippern (Hrsg.): Das Problem der ungeschriebenen Lehre Platons, Darmstadt 1972, S. VII–XLVIII.
  89. Karl Albert: Platon und die Philosophie des Altertums, Teil 1, Dettelbach 1998, S. 380–398.
  90. Heinz Happ: Hyle, Berlin 1971, S. 85–94, 136–143.
  91. Willy Theiler: Untersuchungen zur antiken Literatur, Berlin 1970, S. 460–483, hier: 462f.
  92. Klaus Oehler: Die neue Situation der Platonforschung. In: Thomas Alexander Szlezák (Hrsg.): Platonisches Philosophieren, Hildesheim 2001, S. 31–46; Klaus Oehler: Der entmythologisierte Platon. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 19, 1965, S. 393–420.
  93. Hermann Steinthal: Ungeschriebene Lehre. In: Christian Schäfer (Hrsg.): Platon-Lexikon, Darmstadt 2007, S. 291–296. Steinthal hält es aber nicht für wahrscheinlich, dass man den Inhalt der ungeschriebenen Lehre „in feststehenden Lehrsätzen mit mehr oder weniger dürren Worten wiedergeben kann“; sie sei nichts Endgültiges gewesen, sondern habe Unfertigkeiten enthalten; siehe Hermann Steinthal: Zur Form der mündlich-persönlichen Lehre Platons. In: Grazer Beiträge 23, 2000, S. 59–70, hier: 68f. Vgl. Hermann Steinthal: Sieben Erwägungen zur Ungeschriebenen Lehre Platons. In: Gymnasium 111, 2004, S. 359–379.
  94. John N. Findlay: Plato. The Written and Unwritten Doctrines, London 1974, S. 6f., 19–23, 80, 350f., 455–473.
  95. Marie-Dominique Richard: L’enseignement oral de Platon, 2. Auflage, Paris 2005, S. 235–242.
  96. Herwig Görgemanns: Platon, Heidelberg 1994, S. 113–119.
  97. Walter Eder: Die ungeschriebene Lehre Platons: Zur Datierung des platonischen Vortrags „Über das Gute“. In: Hansjörg Kalcyk u.a. (Hrsg.): Studien zur Alten Geschichte, Bd. 1, Rom 1986, S. 207–235, hier: 209.
  98. Siehe Seiferts Nachwort in Giovanni Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons, 2. Auflage, Paderborn 2000, S. 541–558, hier: 558.
  99. Joachim Söder: Zu Platons Werken. In: Christoph Horn u. a. (Hrsg.): Platon-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 2009, S. 19–59, hier: 29f.
  100. Carl Friedrich von Weizsäcker: Der Garten des Menschlichen, 2. Auflage, München 1977, S. 337; Carl Friedrich von Weizsäcker: Platon. Ein Versuch. In: Enno Rudolph (Hrsg.): Polis und Kosmos. Naturphilosophie und politische Philosophie bei Platon, Darmstadt 1996, S. 123–143, hier: 123f., 127f.
  101. Detlef Thiel: Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie, München 2006, S. 137–225.
  102. Christina Schefer: Platons unsagbare Erfahrung, Basel 2001, S. 2–4, 10–14, 225.
  103. Cornelia J. de Vogel: Rethinking Plato and Platonism, Leiden 1986, S. 190–206.
  104. Rafael Ferber: Warum hat Platon die „ungeschriebene Lehre“ nicht geschrieben?, 2. Auflage, München 2007 (mit Forschungsbericht S. 80–84).
  105. John M. Dillon: The Heirs of Plato, Oxford 2003, S. VII, 1, 16–22.
  106. Jürgen Villers: Das Paradigma des Alphabets. Platon und die Schriftbedingtheit der Philosophie, Würzburg 2005, S. 215–250. Villers sieht in der Prinzipienlehre eine mit innerer Widersprüchlichkeit behaftete und daher nicht systematisierbare Arbeitshypothese Platons.
  107. Christopher Gill: Platonic Dialectic and the Truth-Status of the Unwritten Doctrines. In: Méthexis 6, 1993, S. 55–72.
  108. Enrico Berti: Über das Verhältnis von literarischem Werk und ungeschriebener Lehre bei Platon in der Sicht der neueren Forschung. In: Jürgen Wippern (Hrsg.): Das Problem der ungeschriebenen Lehre Platons, Darmstadt 1972, S. 88–94; Enrico Berti: Eine neue Rekonstruktion der ungeschriebenen Lehre Platons. In: Jürgen Wippern (Hrsg.): Das Problem der ungeschriebenen Lehre Platons, Darmstadt 1972, S. 240–258; Enrico Berti: Nuovi studi aristotelici, Bd. 2: Fisica, antropologia e metafisica, Brescia 2005, S. 539–551.
  109. Hans-Georg Gadamer: Dialektik und Sophistik im siebenten platonischen Brief. In: Hans-Georg Gadamer: Gesammelte Werke, Band 6: Griechische Philosophie II, Tübingen 1985, S. 90–115, hier: 111–113; Hans-Georg Gadamer: Platos ungeschriebene Dialektik. In: Hans-Georg Gadamer: Gesammelte Werke, Band 6: Griechische Philosophie II, Tübingen 1985, S. 11–13, 28. Vgl. Giuseppe Girgenti (Hrsg.): Platone tra oralità e scrittura. Un dialogo di Hans-Georg Gadamer con la Scuola di Tubinga e Milano e altri studiosi (Tubinga, 3 settembre 1996), Milano 2001, S. 9–15.
  110. Rafael Ferber: Warum hat Platon die „ungeschriebene Lehre“ nicht geschrieben?, 2. Auflage, München 2007, S. 81; Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2), Basel 2007, S. 409. Giovanni Reales einschlägiges Hauptwerk Per una nuova interpretazione di Platone liegt auch in deutscher Sprache vor: Zu einer neuen Interpretation Platons. Eine Auslegung der Metaphysik der großen Dialoge im Lichte der „ungeschriebenen Lehren“, 2. Auflage, Paderborn 2000.
  111. Maurizio Migliori: Dialettica e Verità, Milano 1990, S. 69–90. Vgl. Giovanni Reale (Hrsg.): Autotestimonianze e rimandi dei dialoghi di Platone alle „dottrine non scritte“, Milano 2008, S. 252–254.
  112. Giancarlo Movia: Apparenze, essere e verità, Milano 1991, S. 43, 60f.
  113. Patrizia Bonagura: Exterioridad e interioridad. La tensión filosófico-educativa de algunas páginas platónicas, Pamplona 1991, S. 33–54.
  114. Einige dieser Positionen sind zusammenfassend dargestellt bei Marie-Dominique Richard: L’enseignement oral de Platon, 2. Auflage, Paris 2005, S. 30–35. Zu den englischsprachigen „Antiesoterikern“ siehe Thomas Alexander Szlezák: Schleiermachers „Einleitung“ zur Platon-Übersetzung von 1804. In: Antike und Abendland 43, 1997, S. 46–62, hier: 61f.
  115. Gregory Vlastos: Platonic Studies, 2. Auflage, Princeton 1981, S. 379–403; Reginald E. Allen: Plato’s Parmenides, Oxford 1983, S. 272.
  116. Franco Trabattoni: Scrivere nell’anima, Firenze 1994.
  117. Francesco Fronterotta: Une énigme platonicienne: La question des doctrines non-écrites. In: Revue de philosophie ancienne 11, 1993, S. 115–157.
  118. Luc Brisson: Premises, Consequences, and Legacy of an Esotericist Interpretation of Plato. In: Ancient Philosophy 15, 1995, S. 117–134; Luc Brisson: Lectures de Platon, Paris 2000, S. 43–110.
  119. Eugène Napoléon Tigerstedt: Interpreting Plato, Stockholm 1977, S. 63–91. Eine Gegenargumentation bietet Hans Krämer: Neues zum Streit um Platons Prinzipientheorie. In: Philosophische Rundschau 27, 1980, S. 1–38, hier: 14–22.
  120. Theodor Ebert: Meinung und Wissen in der Philosophie Platons, Berlin 1974, S. 2–4.
  121. Ernst Heitsch: ΤΙΜΙΩΤΕΡΑ. In: Ernst Heitsch: Gesammelte Schriften, Band 3, München 2003, S. 338–347.
  122. Fritz-Peter Hager: Zur philosophischen Problematik der sogenannten ungeschriebenen Lehre Platos. In: Studia philosophica 24, 1964, S. 90–117. Hager hält die Prinzipienlehre für unvereinbar mit Platons in den Dialogen dargestellter Philosophie. Eine Gegenargumentation bietet Hans Joachim Krämer: Die grundsätzlichen Fragen der indirekten Platonüberlieferung. In: Hans-Georg Gadamer, Wolfgang Schadewaldt (Hrsg.): Idee und Zahl, Heidelberg 1968, S. 107f. Anm. 9.
  123. Günther Patzig: Platons politische Ethik. In: Günther Patzig: Gesammelte Schriften, Band 3, Göttingen 1996, S. 32–54, hier: S. 36 Anm. 3. Vgl. die Kritik von Hans Krämer: Kritische Bemerkungen zu den jüngsten Äußerungen von W. Wieland und G. Patzig über Platons ungeschriebene Lehre. In: Rivista di Filosofia neo-scolastica 74, 1982, S. 579–592, hier: 586–592.
  124. Dies ist beispielsweise die Meinung von Michael Bordt; siehe Michael Bordt: Platon, Freiburg 1999, S. 51–53.
  125. Dorothea Frede: Platon: Philebos. Übersetzung und Kommentar, Göttingen 1997, S. 403–417. Sie bestreitet insbesondere, dass Platon die Ableitbarkeit der gesamten Wirklichkeit aus den zwei Urprinzipien behauptete; siehe Dorothea Frede: Die wundersame Wandelbarkeit der antiken Philosophie in der Gegenwart. In: Ernst-Richard Schwinge (Hrsg.): Die Wissenschaften vom Altertum am Ende des 2. Jahrtausends n. Chr., Stuttgart 1995, S. 9–40, hier: 28–33.
  126. Karl-Heinz Ilting: Platons ‚Ungeschriebene Lehren’: der Vortrag ‚über das Gute’. In: Phronesis 13, 1968, S. 1–31, hier: 5, 29.
  127. Holger Thesleff: Platonic Patterns, Las Vegas 2009, S. 486–488.
  128. Andreas Graeser: Die Philosophie der Antike 2: Sophistik und Sokratik, Plato und Aristoteles, 2. Auflage, München 1993, S. 130–132. Kritik an einzelnen Argumenten Krämers übt Graeser in dem seinem Lehrer Harold Cherniss gewidmeten Aufsatz Kritische Retraktationen zur esoterischen Platon-Interpretation. In: Archiv für Geschichte der Philosophie 56, 1974, S. 71–87.
  129. Jürgen Mittelstraß: Ontologia more geometrico demonstrata. In: Philosophische Rundschau 14, 1967, S. 27–40, hier: 39.
  130. Rafael Ferber: Warum hat Platon die „ungeschriebene Lehre“ nicht geschrieben?, 2. Auflage, München 2007, S. 19–27, 92–94. Vgl. Thomas Alexander Szlezák: Die Idee des Guten in Platons Politeia, Sankt Augustin 2003, S. 135–146.
  131. Margherita Isnardi Parente: Il problema della „dottrina non scritta“ di Platone. In: La Parola del Passato 41, 1986, S. 5–30; Margherita Isnardi Parente: Platone e il problema degli ágrapha. In: Méthexis 6, 1993, S. 73–93; Margherita Isnardi Parente: L’eredità di Platone nell’accademia antica, Milano 1989, S. 31–48. Kritisch äußert sich zu Isnardi Parentes Position Hans Krämer: Neues zum Streit um Platons Prinzipientheorie. In: Philosophische Rundschau 27, 1980, S. 1–38, hier: 4–6.
  132. Franco Ferrari: Les doctrines non écrites. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Band 5, Teil 1 (= V a), Paris 2012, S. 648–661, hier: 660.
  133. Wolfgang Kullmann: Platons Schriftkritik. In: Hermes 119, 1991, S. 1–21, hier: 19–21.
  134. Wolfgang Wieland: Platon und die Formen des Wissens, 2. Auflage, Göttingen 1999, S. 40–50, 328–330, 340. Ähnlich beurteilen die philosophische Relevanz Jürgen Mittelstraß: Platon. In: Otfried Höffe (Hrsg.): Klassiker der Philosophie, Bd. 1, München 1981, S. 38–62, hier: 59f. und Philip Merlan: Bemerkungen zum neuen Platobild. In: Archiv für Geschichte der Philosophie 51, 1969, S. 111–126, hier: 123–126. Kritik an Wielands Auffassung übt aus der Sicht der „Tübinger“ Hans Krämer: Kritische Bemerkungen zu den jüngsten Äußerungen von W. Wieland und G. Patzig über Platons ungeschriebene Lehre. In: Rivista di Filosofia neo-scolastica 74, 1982, S. 579–592, hier: 579–585.
  135. Franz von Kutschera: Platons Philosophie, Band 3, Paderborn 2002, S. 149–171, 202–206.
  136. Domenico Pesce: Il Platone di Tubinga, Brescia 1990, S. 20, 46–49.
  137. Solche Vorwürfe sind vor allem von den „Tübingern“ erhoben worden; zu ihrer Sichtweise siehe Thomas Alexander Szlezák: Zur üblichen Abneigung gegen die agrapha dogmata. In: Méthexis 6, 1993, S. 155–174; Thomas Alexander Szlezák: Methodische Bemerkungen zur Diskussion um die mündliche Philosophie Platons. In: Philotheos 5, 2005, S. 174–190; Hans Krämer: Altes und neues Platonbild. In: Méthexis 6, 1993, S. 95–114, hier: 112–114. Weltanschauliche Befangenheit der „Tübinger“ vermutet Francesco Fronterotta: Une énigme platonicienne: La question des doctrines non-écrites. In: Revue de philosophie ancienne 11, 1993, S. 115–157, hier: 156f.
  138. Konrad Gaiser: Prinzipientheorie bei Platon. In: Konrad Gaiser: Gesammelte Schriften, Sankt Augustin 2004, S. 295–315, hier: 299.


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