Actus purus

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Actus Purus (lat. „reiner Akt“) ist ein Ausdruck der scholastischen Philosophie für die absolute Vollkommenheit Gottes. Nur Gott selbst ist vollkommene reine Wirklichkeit jenseits von Raum und Zeit und verleiht allen materiellen und immateriellen Dingen und Wesen ihr Sein.

Allgemeines

Anders als Gott haben geschaffene Wesen stets auch nicht realisierte Möglichkeiten, sowohl bezüglich ihrer Unvollkommenheiten wie ihrer Vollkommenheiten. Nur Gott ist zur gleichen Zeit alles, was er sein kann, unendlich wirklich und unendlich vollkommen. Er ist kein Werdender, wie nach mancher pantheistischen Auffassung, die Gott mit der sich entwickelnden Schöpfung gleichsetzt, aber auch kein ewig und unveränderlich Seiender, sondern ein Über-Seiender, denn er steht über allem Sein. Sein unendliches Potential entfaltet sich nicht schrittweise nach und nach, sondern ist immer schon restlos verwirklich. Er ist die vollkommene Ewigkeit ohne Anfang und ohne Ende. Nur für ihn gilt im vollsten Sinn: „Ich bin, der ich bin“ (2. Mos 3,14 LUT). Seine Eigenschaften und seine Handlungen sind identisch mit seinem Wesen, und zu seinem Wesen (Wie-Sein) gehört unablösbar seine Existenz (Da-Sein).

In Geschöpfen geht die Möglichkeit der Wirklichkeit voraus; bevor eine Vollkommenheit verwirklicht wird, muss ihre Verwirklichung möglich sein. Absolut betrachtet hingegen gilt das Umgekehrte: Die Wirklichkeit geht der Möglichkeit voraus. Denn um Veränderung zu erfahren, muss ein Ding bearbeitet, d.h. in einen neuen Zustand versetzt werden. Veränderung und Potentialität setzen also das Dasein in actu voraus. Dieses Dasein, sofern noch mit Potentialität vermischt, setzt eine ihm vorhergehende Wirklichkeit voraus - und so weiter, bis der Actus purus, die Wirklichkeit ohne einen Rest von bloßer Möglichkeit, erreicht ist.

Das Konzept des actus purus wird im Sinne der reinen Form schon bei Aristoteles entwickelt.[1] „Actus“ ist das lateinische Wort für ἐνέργεια, energeia. In der Metaphysik XII 7, 1072b ff. kennzeichnet Aristoteles den unbewegten Beweger als reine energeia. Demgegenüber ist die prima materia (griech. ὕλη πρώτη hyle prote oder πρώτη ὕλη prote hyle; lat. erste Materie), die jungfräuliche Ursubstanz, von der auch die Alchemisten sprechen, reine Potenz.

In der Hochscholastik wird die Akt-Potenz-Lehre der aristotelische Metaphysik rezipiert und von Thomas von Aquin modifiziert. Für Thomas besteht nämlich folgende Schwierigkeit: Wenn alle geschaffenen Wesen aus einer Verbindung von Akt und Potenz entstehen, dann scheint die Schöpfung eine bereits vorhandene Potentialität vorauszusetzen, so wie die Vase, die der Künstler formt, den Ton voraussetzt, aus dem sie geschaffen wird. Das kann aber im christlichen Sinn einer Schöpfung aus dem Nichts (lat. creatio ex nihilo nicht sein. Gott muss also auch über die Fähigkeit verfügen, die zu formende Potenz - in diesem Fall den Ton, der sich formen lässt - hervorzubringen. Diese Fähigkeit ist die aktive Potenz - im Gegensatz zur passiven Potenz des Tons, der sich formen lässt. Die aktive Potenz ist aber zugleich reiner Akt. In Anwendung auf Gott führt dies zu dessen Kennzeichnung als actus purus ohne jeglichen Anteil an (passiver) Potentialität:

„Deus est actus purus, non habens aliquid de potentialitate“

Thomas von Aquin, Summa theologica I q. 3 art. 2 resp.[2]

Nikolaus von Kues bezeichnet Gott als "actus purissimum".[3].

Nach Leibniz ist Gott absolute Tätigkeit und zugleich actus purus.[3]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Aristoteles: Metaphysik., XI 7, 1072b ff. nach Regenbogen, Arnim, Uwe Meyer: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Meiner, Hamburg 2005: actus purus.
  2. So die Wiedergabe in Wörterbüchern, genauer: "Respondeo dicendum quod impossibile est in Deo esse materiam. Primo quidem, quia materia est id quod est in potentia. Ostensum est autem quod Deus est purus actus, non habens aliquid de potentialitate. Unde impossibile est quod Deus sit compositus ex materia et forma.", vgl. etwa http://www.corpusthomisticum.org/sth1003.html#28338 bzw. http://www.unifr.ch/bkv/summa/kapitel4-2.htm (Lateinisch/Deutsch)
  3. 3,0 3,1 actus purus. In: Apel, Ludz: Philosophisches Wörterbuch. 6. Aufl. de Gruyter, Berlin/New York 1976.


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