Herzdenken und Vita activa: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Herzdenken''' ist eine Fähigkeit, über die die Menschen in alten Zeiten auf ''unbewusste'' Art verfügten. Es war mit einem sicheren [[Wahrheit]]sgefühl verbunden, das zwar noch nicht in klare, bewusste Konturen gefasst werden konnte, aber doch gewisse Einblicke in die höheren, [[Geistige Welt|geistigen Welten]] ermöglichte. Selbst [[Aristoteles]] hat noch das [[Herz]] als das Zentralorgan des [[Denken]]s angesehen. Er hat aber zugleich mit seiner [[Logik]] die sichere Basis für das [[Verstand]]esdenken gelegt, das nicht mehr im Herzen, sondern im [[Kopf]] zentriert ist. Diese Art des Denkens hat seine Blüte in unserem heutigen [[Intellekt]], der aber zunächst nur die [[sinnlich]]en Tatsachen erfassen und in ihrer logischen Ordnung durchschauen kann, und zwar mit vollem, wachen [[Ich-Bewusstsein]]. In Zukunft wird sich eine neue Art des Herzdenkens entwickeln, das mit dem vollwachen Ich-Bewusstsein vereinbar ist, und so auf ganz bewusste und besonnene Weise den Einblick in rein geistige Zusammenhänge erlaubt. Es wird sich wesentlich von unserem gegenwärtigen Verstand unterscheiden, indem es kein [[diskursiv]]es, ableitendes Denken ist, sondern die Wahrheit mit einem Blick überschaut. Dieses neue Herzdenken, das sich nicht auf das physische, sondern auf das von diesem mittlerweile weitgehend losgelöste [[Ätherherz]] stützt, entfaltet sich nicht in einer Kette logisch aneinander gefügter [[Begriff]]e, sondern in innerlich erlebten [[Seele|seelischen]] Sinnbildern, die mit einem Schlag die geistigen Zusammenhänge offenbaren. [[Paulus]] spricht in seinem [[Wikipedia:Brief des Paulus an die Epheser|Brief an die Epheser]] von den ''«erleuchtete[n] Augen des Herzens»'' {{Bibel|Eph|1|18|LUT}}. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende [[Herzensbildung]]. Sie äußert sich zivilisatorisch idealerweise in einer [[Herzenskultur]].
Mit '''Vita activa''' bezeichnet man das aus dem [[Wikipedia:Mönchtum|Mönchtum]] erwachsene christliche Ideal eines Lebens in tätiger [[Nächstenliebe]], eines ''Lebens für andere''. Dies erfordert, dass man die eigenen Bedürfnisse zurückstellt und sich dem Anderen (dem Hilfsbedürftigen, Schwachen, Kranken oder Alten) zuwendet. Zu den Aufgaben der ''Vita activa'' kann auch die [[Predigt]] des [[Evangelium]]s zählen.  


== Die Herzen beginnen, Gedanken zu haben ==
Dieses Ideal der ''Vita activa'' üben noch heutzutage die Mitglieder der tätigen [[Wikipedia:Ordensgemeinschaft|Orden]], die [[Wikipedia:Diakonisse|Diakonisse]]n, die Mitarbeiter der [[Wikipedia:Diakonisches Werk|Diakonie]] und der [[Wikipedia:Deutscher Caritasverband|Caritas]] aus.


Der [[Michael (Erzengel)|Erzengel Michael]] hängt eng mit der Entwicklung des [[Denken]]s zusammen. Er ist der Verwalter der [[Kosmische Intelligenz|kosmischen Intelligenz]]. Seine wesentliche Aufgabe liegt darin, diese kosmische Intelligenz in Form des [[Denken]]s dem [[Mensch]]en zugänglich zu machen. Im letzten Michaelzeitalter vor der Zeitenwende, das etwa vom 6. Jahrhundert v. Chr. bis 200 v. Chr. währte, leitete er den Übergang von der [[Mythologie]] zur [[Philosophie]] ein. Er begründete damit das [[Verstand]]esdenken, das Kopfdenken, das zugleich die Grundlage für das [[Ich-Bewusstsein]] des Menschen schuf. Darin lebt aber ein [[luzifer]]isches Element - der luziferische Drache, den Michael auf die Erde herabgestoßen hat in die Häupter der Menschen.
Die Philosophin [[Wikipedia:Hannah Arendt|Hannah Arendt]] hat [[Wikipedia:1958|1958]] eines ihrer bekanntesten Bücher unter dem Titel „''[[Wikipedia:Vita activa oder vom tätigen Leben|Vita activa oder vom tätigen Leben]]''“ (engl. Original „''The human condition''“) veröffentlicht. Darin analysiert sie die drei [[Arbeit|menschlichen Grundtätigkeiten]] Arbeiten, Herstellen und Handeln, wobei sie bei den [[Philosophie der Antike|Griechen]] und dem Beginn der abendländischen [[Metaphysik]] ansetzt. Dies sei notwendig, um zu verstehen, „was wir eigentlich tun, wenn wir tätig werden“. Sie unterscheidet das [[Arbeit]]en vom [[Produktion|Herstellen]] dadurch, dass das Herstellen ein dauerhaftes Produkt hinterlässt ([[Handwerk]]/[[Kunst]]), wogegen die Ergebnisse der Arbeit sofort wieder verbraucht werden ([[Hauswirtschaft]]/[[Landwirtschaft]]). Handeln dagegen bildet mit der [[Sprache]] eine Einheit und ist nur im sozialen Kontext möglich (v.a. [[Soziales Leben|soziales]] und politisches Handeln).


{{GZ|Diejenige geistige Macht, welche - nachdem die Menschheitsentwickelung
== Siehe auch ==
durchgegangen war durch Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung
* [[Vita contemplativa]]
und die Erdenentwickelung begonnen hatte - das luziferische
Wesen in die menschliche Hauptesbildung einorganisiert hat, das
ist die Michael-Macht. «Und er stieß seine gegnerischen Geister herunter
auf die Erde», das heißt: Durch dieses Herunterwerfen der dem
Michael gegnerischen luziferischen Geister wurde der Mensch zunächst
durchdrungen mit seiner Vernunft, mit dem, was dem menschlichen
Haupte entsprießt.
 
So ist es Michael, der seine Gegner dem Menschen gesandt hat, damit
der Mensch durch die Aufnahme dieses gegnerischen, dieses luziferischen Elementes zunächst seine Vernunft erhalten hat.|194|40f}}
 
In der Folge geriet das ursprünglich noch sehr lebendige Kopfdenken immer stärker unter die Herrschaft [[Ahriman]]s und vertrocknete dadurch zu einem toten, mechanistischen Denken, das heute allgegenwärtig ist und den Menschen von seinen geistigen Wurzeln abschneidet.
 
Heute stehen wie neuerlich in einem [[Michaelzeitalter]]s, das [[1879]] begonnen hat. Dessen zentrale Aufgabe ist es, ein neue Herzdenken zu entwickeln, welches das bloße Kopfdenken ablösen, aber zugleich dessen Früchte weiterentwickeln soll. Das Kopfdenken bildet daher die unverzichtbare Grundlage des zu entwickelnden Herzdenkens. Mit Recht schreibt [[Rudolf Steiner]] daher schon in seiner «[[GA 4|Philosophie der Freiheit]]»: {{"|Der Weg zum Herzen geht durch den Kopf.|{{G|4|25}}}}
 
{{GZ|So notwendig es ist - das ist ja schon betont worden - , daß man
zuerst durch die Schulung eines guten, vernünftigen Denkens hindurchgeht,
wo man erst die Dinge begreifen gelernt hat, bevor man
aufsteigt zu höheren Welten, so notwendig ist es, daß man über dieses
gewöhnliche Denken sich wiederum erhebt zu einem unmittelbaren
Erfassen. Und gerade weil das so notwendig ist, daß man unmittelbar
erfassen lernt in der höheren Welt, muß man auf der andern
Seite jene logische Grundlegung vornehmen. Man muß sie aus
dem Grunde vornehmen, weil man sonst mit seinen Gefühlen und
Empfindungen ganz sicher irren würde. Man ist nicht fähig, in der
höheren Welt zu urteilen, wenn man das gewöhnliche verstandesmäßige
Denken da hinaufträgt; man ist nicht fähig, in der höheren
Welt zu urteilen, wenn man nicht erst in der physischen Welt ausgebildet
hat das verstandesmäßige Denken. Es finden manche Menschen
allerdings vielleicht einen Grund, aus der Eigentümlichkeit des
höheren Denkens, des Herzdenkens heraus, sich der gewöhnlichen
Logik überhaupt ganz zu entschlagen. Sie sagen, da man die gewöhnliche
Logik des physischen Planes doch wieder vergessen müsse, so
brauche man sie ja nicht erst zu lernen. - Dabei wird aber außer acht
gelassen, daß man ein anderer Mensch wird, wenn man das logische
Denken auf dem physischen Plan als Schulung, als Übung durchgemacht
hat. Nicht um mit diesem Denken die höheren Welten zu begreifen,
macht man es durch, sondern um aus sich selber einen anderen
Menschen zu machen. Man erlebt ja auch an dem logischen
Denken etwas. Man erlebt an dem logischen Denken vor allen Dingen
eine Art von Gewissen. Es gibt eine Art logischen Gewissens, und
wenn man dieses ausbildet, dann bekommt man in seiner Seele ein
gewisses Verantwortungsgefühl gegenüber Wahrheit und Unwahrheit,
und ohne dieses Verantwortungsgefühl gegenüber Wahrheit
und Unwahrheit ist nicht viel anzufangen in den höheren Welten.|119|220}}
 
Das neue Herzdenken stützt sich auf die Mitte des Menschen, auf seine Herzregion, die den [[Widersacher]]mächten nicht zugänglich ist, sondern einzig dem [[Christus]], dem [[Makrokosmisches Ich|makrokosmischen Ich]], das weseneins dem [[Wirkliches Ich|wirklichen Ich]] des Menschen ist.
 
{{GZ|Menschen, die im vorangehenden Erdenleben in inspiriertem
Gedankenwesen gestanden haben, also Michaeldiener
waren, fühlten sich, am Ende des neunzehnten Jahrhunderts wieder ins Erdenleben gekommen, zu solcher
freiwilligen Michaelgemeinschaft gedrängt. Sie betrachteten
ihren alten Gedankeninspirator nunmehr als den Weiser
im höheren Gedankenwesen.
 
Wer auf solche Dinge zu achten versteht, der konnte wissen,
welch ein Umschwung im letzten Drittel des neunzehnten
Jahrhunderts sich mit Bezug auf das Gedankenleben
der Menschen vollzogen hat. Vorher konnte der
Mensch nur fühlen, wie aus seinem Wesen heraus die Gedanken
sich formten; von dem angedeuteten Zeitabschnitt
an kann er sich über sein Wesen erheben; er kann den Sinn
ins Geistige lenken; da tritt ihm Michael entgegen, und
der erweist sich als altverwandt mit allem Gedankenweben.
Der befreit die Gedanken aus dem Bereich des Kopfes; er
macht ihnen den Weg zum Herzen frei; er löst die Begeisterung
aus dem Gemüte los, so daß der Mensch in seelischer
Hingabe leben kann an alles, was sich im Gedankenlicht
erfahren läßt. Das Michaelzeitalter ist angebrochen.
Die Herzen beginnen, Gedanken zu haben; die Begeisterung
entströmt nicht mehr bloß mystischem Dunkel, sondern
gedankengetragener Seelenklarheit. Dies verstehen,
heißt, Michael in sein Gemüt aufnehmen. Gedanken, die
heute nach dem Erfassen des Geistigen trachten, müssen
Herzen entstammen, die für Michael als den feurigen Gedankenfürsten
des Weltalls schlagen.|26|61f}}
 
Um das Kopfdenken zum Herzdenken weiterzuentwickeln, muss das rechte Gleichgewicht zwischen den luziferischen und ahrimanischen Kräften hergestellt werden. Dazu ist die [[Christuskraft]] notwendig.
 
{{GZ|Wir Menschen stehen mit unserem Seelenleben wirklich so, daß dieses
Seelenleben wie ein Waagebalken ist, der das Gleichgewicht zunächst
suchen muß zwischen dem luziferischen Element auf der einen Seite,
dem ahrimanischen Element auf der anderen Seite. Nur daß das luzifferische Element in unserem hellen Kopfe liegt, das ahrimanische Element
unten liegt in der Weisheit, die unseren Willen durchzieht. Dazwischen müssen wir das Gleichgewicht suchen in etwas, was eigentlich
zunächst uns nicht als von etwas durchzogen erscheint.
 
[[Datei:GA194 079.gif|center|300px|Zeichnung aus GA 194, S. 79]]
 
Wie kommt Weisheit in diesen mittleren Teil des Menschen hinein?
So wie der Mensch zunächst in der Welt steht, wird er seinem Kopfe
nach von Luzifer gehalten, wird er seiner Stoffwechsel-Weisheit nach,
der Gliedmaßen-Weisheit nach von Ahriman gehalten. Aber dem Herzen
nach - denn dasjenige, was da als der mittlere Zustand des Bewußtseins
geschildert ist, das ist ebenso abhängig von unserer Herzorganisation
mit dem menschlichen Rhythmus, lesen Sie darüber nach in meinem
Buche «Von Seelenrätseln», wie unsere Intellektualität mit dem Kopfe
zusammenhängt —, in diese Sphäre unseres Daseins muß nach und nach
eine ebenso große Ordnung hineinkommen, wie sie in die Kopfweisheit
durch die Kopflogik hineingekommen ist, wie sie in alles dasjenige, was
wir auf ahrimanische Weise wissen, durch die Mathematik, Geometrie,
überhaupt durch diese äußerlich rationelle Naturbeobachtung kommt.
Wodurch kommt in diesen mittleren Teil unseres Menschenwesens die
innere Logik, die innere Weisheit, Orientierungsfähigkeit hinein? Durch
den Christus-Impuls, durch dasjenige, was in die Erdenkultur übergegangen
ist durch das Mysterium von Golgatha.
 
Es gibt eine geisteswissenschaftliche Anatomie, die uns zeigt, was
Kopfkultur ist, die uns zeigt, was Stoffwechselkultur ist, die uns auch
zeigt, was diejenige Organisationssphäre ist, die zwischen beiden darinnenliegt,
und was diese braucht. Es gehört zu unserem Menschenwesen
die Durchdringung mit dem Christus-Impuls.|194|79f}}
 
=== Michael und Christus ===
 
Damit die [[Erkenntnis]] vom [[Ich]] ganz bewusst ergriffen werden kann, muss sich über die [[Verstandesseele]] hinaus noch die [[Bewusstseinsseele]] und damit das [[Intellekt|intellektuelle]] Selbstdenken entfalten. Dieses arbeitet nicht mit den Naturätherkräften, sondern mit jenen völlig neu durch die Tätigkeit des Ichs geschaffenen [[Herzätherkräfte]]n, die durch die [[Ätherisation des Blutes]] im [[Herz]]en entstehen und in den [[Kopf]] hinaufstrahlen. Dazu musste aber das [[Geozentrisches Weltbild|ptolemäische System]] zunächst dem [[Kopernikanisches Weltbild|kopernikanischen System]] weichen, dass ganz abstrakt die [[Sonne]] in den Mittelpunkt rückt. Die geistigen [[Inspiration]]en werden ausgelöscht und weichen zunächst einer bloß äußerlichen Berechnung. Gerade dadurch wird aber die [[Freiheit]] im Denken erobert. Und nur wie ein abstrakter Meilenzeiger steht nun die Sonne im Mittelpunkt als noch unverstandener Hinweis auf die sonnenhaften '''Herz-Michael-Christuskräfte'''. Nur mit diesem freien Denken kann sich der Michael-Impuls verbinden. Davon hatten die späteren Lehrer der [[Schule von Chartres]], namentlich [[Bernardus Sylvestris]] und [[Alanus ab Insulis]], bereits eine deutliche Vorahnung. [[Rudolf Steiner]] hat darauf sehr klar hingewiesen. Erst durch die Vereinigung des intellektuellen Selbstdenkens mit der inspirierten Gedankenwahrnehmung der geistigen Außenwelt, also des [[Aristoteles|aristotelischen]] und des [[platon]]ischen Elements, kann das eigenständige [[Geistselbst]] entfaltet werden. Dazu beizutragen, ist wesentliche Aufgabe der [[Anthroposophie]].
 
Michael gibt die rechte Orientierung zum [[Erkenntnis|Erkennen]] und [[Handeln]] in der äußeren Welt. Der Weg zu [[Christus]] kann nur im Inneren gefunden werden und führt zur Erkenntnis der eigenen übersinnlichen Wesenheit des Menschen.
 
{{GZ|Der Christus ist seit dem Mysterium von Golgatha
der Menschenseele erreichbar. Und deren Beziehung zu
ihm braucht nicht eine unbestimmte, dunkel-gefühls-mystische
zu bleiben; sie kann eine völlig konkrete, menschlich
tief und klar zu erlebende werden.
Dann aber strömt aus dem Zusammenleben mit Christus
in die Menschenseele herüber, was diese wissen soll über
ihre eigene übersinnliche Wesenheit. Die Glaubens-Offenbarung
muß dann so empfunden werden, daß in sie die lebendige
Christus-Erfahrung fortwährend einströmt. Es
wird das Leben dadurch durchchristet werden können, daß
in Christus das Wesen empfunden wird, welches der Menschenseele
die Anschauung ihrer eigenen Übersinnlichkeit
gibt.
 
So werden nebeneinanderstehen können: Michael-Erlebnis
und Christus-Erlebnis. Durch Michael wird der
Mensch gegenüber der äußeren Natur in der rechten Art
ins Übersinnliche den Weg finden. Naturanschauung wird,
ohne in sich selbst verfälscht zu werden, sich neben eine
geistgemäße Anschauung von der Welt und vom Menschen,
sofern er ein Weltwesen ist, hinstellen können.
 
Durch die rechte Stellung zu Christus wird der Mensch
dasjenige, was er sonst nur als traditionelle Glaubens-Offenbarung
empfangen könnte, im lebendigen Verkehr der
Seele mit Christus erfahren. Die innere Welt des seelischen
Erlebens wird als eine geistdurchleuchtete erlebt werden
können wie die äußere Welt der Natur als eine geistgetragene.|26|104}}
 
== Herzdenken und reines Denken ==
 
Das Herzdenken ist zugleich ein sinnlichkeitsfreies, d.h. [[reines Denken]]:
 
{{GZ|Der Mensch hat ja im gewöhnlichen Leben das Gefühl, daß er mit dem Kopf denkt. Natürlich ist das nur ein bildlicher Ausdruck, man denkt mit den geistigen Organen, die dem Gehirn zugrunde liegen; aber es versteht jeder, was es heißt, mit dem Kopf denken. Ein ganz anderes Gefühl hat man gegenüber jenem Denken, das dann eintritt, wenn man ein wenig weitergekommen ist auf dem Weg der Entwickelung, den wir charakterisiert haben. Man hat wirklich das Gefühl, als ob das, was sonst im Kopf lokalisiert ist, jetzt im Herzen lokalisiert wäre. Es ist allerdings nicht das physische Herz, welches denkt, sondern jenes Organ, das sich als geistiges Organ in der Nähe des Herzens ausbildet, die sogenannte zwölfblätterige Lotosblume. Sie wird eine Art Denkorgan; und dieses Denken, das da auftritt, das unterscheidet sich von dem gewöhnlichen Denken sehr stark. Beim gewöhnlichen Denken weiß jeder, daß er Überlegung anwenden muß, um zu einer Wahrheit zu kommen. Man muß gehen von Begriff zu Begriff. Man geht von einem Punkt aus, geht dann logisch weiter zu anderen Punkten, und das, wozu man kommt im Lauf der Zeit, indem man logische Erwägungen anstellt, nennt man Wahrheit, Erkenntnis. Das ist eine durch gewöhnliches Denken errungene Erkenntnis. Anders ist das, wenn man die Wahrheit erkennen will gegenüber dem, was beschrieben worden ist als reale, als wirkliche Sinnbilder. Diese wirklichen Sinnbilder hat man vor sich wie äußere Gegenstände, aber das Denken über diese Sinnbilder kann nicht mit dem gewöhnlichen Kopfdenken verwechselt werden. Denn ob etwas wahr oder falsch ist, ob man dieses oder jenes zu sagen hat über ein Ding oder eine Tatsache der höheren Welten, dazu sind nicht Überlegungen notwendig wie beim gewöhnlichen Denken, sondern das ergibt sich unmittelbar. Sobald man die Bilder vor sich hat, weiß man, was man sich selber und anderen darüber zu sagen hat. Dieses Unmittelbare, das ist das Charakteristische des Herzdenkens.|119|218f}}
 
Das gewöhnliche Kopfdenken ist passiv; um mit dem Herzen denken zu können, muss man aktiv werden und das Denken mit dem [[Wille]]n durchdringen:
 
{{GZ|In dem, was ich anthroposophische Geisteswissenschaft nenne, schon
in meinem Vorwort zu der «[[GA 4|Philosophie der Freiheit]]», tritt Ihnen etwas
entgegen, was Sie nicht erfassen können, wenn Sie sich nur jenem passiven
Denken hingeben, das man heute besonders liebt, jenem gottverlassenen
Denken, dem sich die meisten Menschen hingeben, und das
schon im vorigen Leben gottverlassen war; sondern Sie können es nur
erfassen, wenn Sie in Freiheit den inneren Impuls entwickeln, Aktivität
in das Denken hineinzubringen. Sie kommen eben mit demjenigen,
was in der Geisteswissenschaft lebt, nicht mit, wenn nicht jener Funke,
jener Blitz hineinschlägt, durch den das Denken voller Aktivität wird.
Durch diese Aktivität müssen wir uns auch wieder die Göttlichkeit des
Denkens erobern.
 
Da ist die anthroposophische Literatur und macht Anspruch darauf,
daß man aktiv denken soll. Die meisten können nur passiv denken
und meinen, aktiv zu denken sei nicht möglich. Es läßt sich dabei weder
schlafen noch intellektualistisch träumen. Man muß mit, man muß das
Denken in Bewegung setzen; in dem Augenblicke, wo man das tut,
kommt man mit. Da hört auf dasjenige, was ich modernes Hellsehen
nennen möchte, etwas Wunderbares zu sein. Daß das immer noch als
etwas besonders Wunderbares erscheint, kommt daher, daß die Menschen
noch nicht die Energie entwickeln wollen, Aktivität in das Denken
hineinzutragen [...]
 
Viele von
Ihnen haben das Denken verachten gelernt, weil es Ihnen nur als passives
Denken entgegengetreten ist. Das gilt aber nur vom Kopfdenken,
bei dem das Herz des Menschen nicht dabei ist. Aber versuchen Sie es
einmal mit einem aktiven Denken, dann werden Sie sehen, wie dabei
das Herz engagiert wird. Am intensivsten kommt der Mensch unserer
Epoche in die geistige Welt hinein, wenn es ihm gelingt, das aktive
Denken zu entwickeln. Denn durch das aktive Denken kommen wir
dazu, in den Gedanken wiederum herzhafte Kräfte zu haben.
 
Wenn Sie nicht den Geist auf dem Gedankenwege suchen, der herzhaft gegangen werden muß, obwohl das schwer ist, wenn Sie nicht auf
diesem Wege das Geistesleben suchen, das von Urbeginn durch die
Menschheit geflossen ist, so sind Sie wie der Säugling, der glaubt, sich
aus sich selbst heraus ernähren zu können und nicht aus der Mutterbrust.
Nur dann kommen Sie zu einer inhaltsvollen Bewegung, wenn
Sie das Geheimnis finden, eine solche Aktivität in Ihrem Inneren zu
entwickeln, daß sie Sie saugen läßt aus dem Weltendasein wiederum
wirkliche Geistesnahrung, wirklichen geistigen Trank. Das aber ist
zunächst ein Willensproblem, ein gefühlsmäßig zu erlebendes Willensproblem.
Ungeheuer viel hängt heute ab von dem guten Willen, von
dem energischen Willen, und kein Theoretisches wird dasjenige lösen,
was wir heute suchen, sondern einzig und allein der mutige Wille, der
starke Wille wird die Lösung bringen.|217|125ff}}
 
{{GZ|Wenn ich in meiner «Philosophie der
Freiheit» vom reinen Denken spreche, so war diese Bezeichnung für die
damaligen Kulturverhältnisse schon deplaciert; denn Eduard von Hartmann
sagte mir einmal: «Das gibt es gar nicht; man kann nur an Hand
der äußeren Anschauung denken!» Ich konnte ihm darauf nur antworten:
«Man muß es probieren; man wird es dann schon lernen und
zuletzt auch wirklich können.» - Nehmen Sie also an, Sie könnten Gedanken
im reinen Gedankenflusse haben. Dann beginnt für Sie der
Moment, wo Sie das Denken bis zu einem Punkte geführt haben, an
dem es gar nicht mehr Denken genannt zu werden braucht. Es ist im
Handumdrehen - sagen wir im Denkumdrehen - etwas anderes geworden.
Es ist nämlich dieses mit Recht «reines Denken» genannte Denken
reiner Wille geworden; es ist durch und durch Wollen. Sind Sie im Seelischen
so weit gekommen, daß Sie das Denken befreit haben von der
äußeren Anschauung, dann ist es damit zugleich reiner Wille geworden.
Sie schweben, wenn ich so sagen darf, mit Ihrem Seelischen im reinen
Gedankenverlauf. Dieser reine Gedankenverlauf ist ein Willensverlauf.
Damit aber beginnt das reine Denken, ja sogar die Anstrengung nach
seiner Ausübung, nicht nur eine Denkübung zu sein, sondern eine Willensübung,
und zwar eine solche, die bis in das Zentrum des Menschen
eingreift. Denn Sie werden die merkwürdige Beobachtung machen:
Erst jetzt können Sie davon sprechen, daß das Denken, wie man es im
gewöhnlichen Leben hat, eine Kopftätigkeit ist. Sie haben ja vorher gar
kein Recht, davon zu sprechen, daß das Denken eine Kopftätigkeit ist,
denn das wissen Sie nur äußerlich aus der Physiologie, Anatomie und
so weiter. Aber jetzt spüren Sie innerlich, daß Sie nicht mehr so hoch
oben denken, sondern daß Sie beginnen, mit der Brust zu denken. Sie
verweben tatsächlich Ihr Denken mit dem Atmungsprozesse. Sie regen
damit an, was die Jogaübungen künstlich angestrebt haben. Sie merken,
indem das Denken immer mehr und mehr eine Willensbetätigung
wird, daß es sich zuerst der Menschenbrust und dann dem ganzen Menschenkörper
entringt. Es ist, als ob Sie aus der letzten Zellfaser Ihrer
großen Zehe dieses Denken hervorziehen würden. Und wenn Sie mit
innerlichem Anteile so etwas studieren, was mit allen Unvollkommenheiten
in die Welt getreten ist - ich will nicht meine «Philosophie der
Freiheit» verteidigen - , wenn Sie so etwas auf sich wirken lassen und
fühlen, was dieses reine Denken ist, so fühlen Sie, daß ein neuer innerer
Mensch in Ihnen geboren ist, der aus dem Geiste heraus Willensentfaltung
bringen kann.|217|148f}}
 
Das Herzdenken kann sich nur entwickeln, wenn wir zugleich lernen beweglich zu denken. Man darf nicht auf dem eigenen persönlichen Standpunkt beharren, sondern muss versuchen, sich mit seinem Denken in andere [[Wesenheit]]en hineinzuversetzen:
 
{{GZ|Das ist etwas, was man sich notwendig erwerben muß: aus sich herausgehen zu können, sozusagen mit den Augen eines andern, von einem anderen Standpunkte aus sehen zu können. Dann erst ergibt sich das, was wirklich zur umfassenden Wahrheit führt. Das ist so, wie wenn man einen Rosenstrauch nicht nur von einer Seite ansieht, sondern sich einmal hierhin, einmal woanders hinstellt und ihn von allen Seiten ansieht oder photographisch aufnimmt. Dadurch schult man sich, um in die Möglichkeit zu kommen, dasjenige auch wirklich zu haben, was man haben muß, sobald man in die höheren Welten hinaufkommt. In der physischen Welt kann man sich so etwas angewöhnen. In den höheren Welten wirkt es verwirrend, wenn man mit einem persönlichen Standpunkt hineinkommt. Man hat dann sofort ein Trugbild statt der Wahrheit vor sich, weil man seine eigene persönliche Meinung hineinträgt.
 
Um zum Denken des Herzens zu kommen, müssen wir die Kraft haben, aus uns herauszugehen, wirklich uns selber ganz fremd zu werden und von außen auf uns zurückzublicken. Wer im normalen Bewußtsein ist, der steht an einem bestimmten Platz und weiß, wenn er sagt: Das bin ich! -, dann meint er die Summe dessen, was er glaubt, was er vertritt. Wer aber in die höheren Welten hinaufsteigt, muß seine gewöhnliche Persönlichkeit an ihrem Platze stehenlassen können, er muß aus sich selber herausgehen können, auf sich zurückschauen und mit demselben Gefühl zu sich selber sagen können: Das bist du! - Das frühere Ich muß ganz im richtigen Sinne ein Du werden. So wie man zu einem anderen «du» sagt, so muß man zu sich selber «du» sagen können. Das darf keine Theorie sein, sondern muß ein Erlebnis werden. Daß dies durch Schulung zu erreichen ist, haben wir schon gesehen. Es gehört gar nicht so viel dazu, man muß verhältnismäßig einfache Dinge tun; dann erwirbt man sich das Recht, mit dem Herzen denken zu dürfen. Die wahren Darstellungen von den höheren Welten gehen aus solchem Herzdenken hervor. Auch wenn es äußerlich oft so aussieht, als ob sie logische Erörterungen wären, nichts ist in den Darstellungen, die wirklich aus den höheren Welten heruntergetragen werden, darin, was nicht mit dem Herzen gedacht wäre. Was da geschildert wird vom Gesichtspunkt der Geisteswissenschaft, ist ein mit dem Herzen Erlebtes. Derjenige, der schildern muß, was er mit dem Herzen erlebt, der muß es allerdings umgießen in solche Gedankenformen, daß es für die anderen Menschen verständlich ist.
 
Das ist der Unterschied von wirklicher Geisteswissenschaft und demjenigen, was subjektiv erlebte Mystik ist. Subjektiv erlebte Mystik kann ein jeder für sich haben; die schließt sich innerhalb der Persönlichkeit ab, die läßt sich nicht einem andern mitteilen, geht einen andern im Grund genommen auch nichts an. Dasjenige aber, was echte, wahre Mystik ist, ist entstanden aus der Möglichkeit, Imaginationen zu haben, Eindrücke in den höheren Welten zu haben und diese Eindrücke klassifizieren, ordnen zu können mit dem Denken des Herzens, so wie man die Dinge der physischen Welt mit dem Verstand ordnet.
 
Damit ist allerdings das andere verknüpft, daß an den Wahrheiten, die aus den höheren Welten gegeben sind, in der Tat etwas hängt wie Herzblut, daß sie die Färbung haben von dem Denken des Herzens. Mögen sie sich abstrakt ausnehmen und noch so sehr in Gedankenformen gegossen sein, es hängt an ihnen Herzblut, denn sie sind unmittelbar aus der Seele erlebt. Von dem Momente an, wo das Denken des Herzens ausgebildet ist, weiß der Mensch, der in die imaginative Welt kommt: Das, was du vor dir hast und was aussieht wie eine Vision, ist keine Vision, sondern ist Ausdruck eines Geistig-Seelischen, das dahintersteht, ebenso wie die rote Farbe der Rose hier der äußere Ausdruck ist für die materielle Rose. Der geistig Schauende richtet das geistige Auge in die imaginative Welt, er hat den Eindruck des Blauen oder Violetten, oder er hört irgendeinen Ton, oder er hat ein Gefühl von Wärme oder Kälte -, er weiß durch sein Denken des Herzens, daß das nicht bloße Einbildung, nicht bloße Vision ist, sondern Ausdruck eines geistig-seelischen Wesens, wie das Rot der Rose der Ausdruck der materiellen Rose ist. - So lebt man sich in die Wesenheiten hinein; man muß aus sich herausgehen und sich mit den Wesenheiten selber verbinden. Daher ist alles Forschen in der geistigen Welt zu gleicher Zeit mit der Hingabe der eigenen Persönlichkeit verknüpft, in einem viel höheren Grad, als das bei den äußeren Erlebnissen der Fall ist. Man wird intensiver mitgenommen, man steckt ja in den Dingen selber drinnen. Was sie Gutes und Böses, Schönes und Häßliches, Wahres und Falsches haben, muß man in den Wesenheiten erleben. Wo andere Menschen in der physischen Welt einen Irrtum gleichgültig ansehen, muß der Geistesforscher in der imaginativen Welt den Irrtum nicht nur anschauen, er muß ihn mit Schmerz durchleben. Er muß das Häßliche, das Abscheuliche nicht nur anschauen, ob es ihm nichts tut, sondern er muß es innerlich miterleben. Durch die geschilderte Schulung, die der heutigen Menschheit besonders angemessen ist, kommt er dazu, das Gute, das Wahre, das Schöne, aber auch das Böse, das Häßliche, den Irrtum mitzuerleben, ohne davon gefangengenommen zu werden oder sich zu verlieren, denn das durch richtige Vorbereitung erworbene Denken des Herzens führt dazu, daß er durch das unmittelbare Gefühl unterscheiden kann.|119|231ff}}
 
Um das, was jemand mit dem Herzdenken erlebt hat, mitteilen zu können, muss man es allerdings in die logische Verstandessprache übersetzen. Das ist sehr schwierig und immer nur bruchstückhaft möglich:
 
{{GZ|Wer aus dieser geistigen Welt heraus schildert, muß die Sprache des logischen Denkens benutzen. Wenn man dasjenige, was in der geistigen Welt erlebt wird, umgießen will in logische Gedanken, dann fühlt man etwa so, wie wenn man an einen Hügel herantritt, der eine wunderbare Konfiguration von Felsbildungen zeigt, und daraus Steine ausbrechen muß, weil man sie braucht, um Häuser für die Menschen zu bauen. So fühlt man, wenn man die Erlebnisse in der geistigen Welt umformen muß in logische Gedanken des Verstandes. So wie ein Mensch in der gewöhnlichen Welt das, was er in der Seele erlebt, in Worten aussprechen muß, wenn er es anderen Menschen mitteilen will - und wie man nicht verwechseln darf die Worte mit den Gedanken -, so muß der Geistesforscher, wenn er das mit dem Herzen Erlebte mitteilen will, es kleiden in die Sprache des logischen Denkens. Logisches Denken ist nicht die Sache selber, logisches Denken ist nur die Sprache, in der der Geistesforscher mitteilt, was er in den geistigen Welten erlebt hat. Wer sich an der logischen Gedankenform stößt und nicht fühlt, daß mehr dahinterliegt, der ist in derselben Lage wie ein Zuhörer, der nur die Worte eines Redners hört und nicht die darin eingekleideten Gedanken aufnimmt. Das kann die Schuld desjenigen sein, der spricht, wenn jemand angebliche geisteswissenschaftliche Wahrheiten in solche Gedanken kleidet, daß der Zuhörer darin keine Wahrheiten und Erkenntnisse des Herzens findet. Es braucht aber nicht so zu sein, es kann auch die Schuld dessen sein, der zuhört, wenn er nur den Schall der Worte hört und nicht in der Lage ist, zu den dahinter-liegenden Gedanken zu dringen.
Aus dieser Forschung des Herzens heraus kann nur das der Menschheit mitgeteilt werden, was in klar formulierte logische Gedanken umgegossen werden kann. Was nicht in logische Gedanken umgegossen werden kann, das ist nicht reif, der Menschheit mitgeteilt zu werden. Das ist der Probierstein, daß es in klare Worte, in klar formulierbare Gedanken umgegossen werden kann, die scharfe Konturen haben. So müssen wir uns gewöhnen, auch wenn wir die tiefsten Wahrheiten des Herzens hören, sie in Gedankenformen zu vernehmen und hinter diesen Formen auf den Inhalt zu schauen.|119|233f}}
 
In ferner Zukunft wird das Herz das Gehirn ganz als Erkenntnisorgan ablösen:
 
{{GZ|In der Zukunft wird der Mensch in einem viel intimeren Zusammenhange mit der Weltgesetzlichkeit stehen als gegenwärtig. Und der Geheimschüler nimmt diese Intimität in der Entwickelung voraus. Der Kopf mit dem Gehirn ist nur ein Übergangsorgan der Erkenntnis. Das Organ, welches die eigentlich tiefen und zugleich machtvollen Blicke in die Welt tun wird, hat seine Anlage in dem gegenwärtigen Herzen. Aber wohlgemerkt: die Anlage zu diesem Organ ist im heutigen Herzen: um Erkenntnisorgan zu werden, muß sich das Herz noch in der mannigfaltigsten Weise umbilden. Aber dieses Herz ist der Quell und Born zur Menschheitsstufe der Zukunft. Die Erkenntnis wird dann, wenn das Herz ihr Organ sein wird, warm und innig sein, wie heute nur die Gefühle der Liebe und des Mitleids sind. Aber diese Gefühle werden aus der Dumpfheit und Dunkelheit, in der sie heute nur tasten, sich zu der Helligkeit und Klarheit hindurchringen, welche heute erst die feinsten, logischen Begriffe des Kopfes haben.|267|90}}
 
== Kopfwissen und Herzwissen ==
 
{{Siehe auch|Kopfwissen}}
 
{{GZ|Es ist wirklich so, daß der Mensch während seiner
Jugendzeit gewisse Begriffe, gewisse Vorstellungen aufnimmt, die er
lernt; aber er lernt sie eben da nur. Sie sind dann Kopfwissen. Das
übrige Leben, das langsamer verläuft, ist dazu bestimmt, das Kopfwissen
umzuwandeln allmählich in Herzwissen - ich nenne jetzt den
andern Menschen nicht den Kopfmenschen, ich nenne ihn den Herzensmenschen
-, umzuwandeln das Kopfwissen in Herzenswissen, in
Wissen, an dem der ganze Mensch beteiligt ist, nicht nur der Kopf.
Um das Kopfwissen in Herzenswissen umzuwandeln, brauchen wir
viel länger, als um uns das Kopfwissen anzueignen. Um uns das Kopfwissen
anzueignen - wenn es schon ein ganz besonders gescheites
Wissen ist, braucht man heute die Zeit bis in die Zwanziger jähre hinein.
Nicht wahr, dann wird man ein ganz gescheiter Mensch, akademisch
ganz gescheiter Mensch, aber um dieses Wissen wirklich mit
dem ganzen Menschen zu vereinigen, muß man beweglich bleiben
sein Leben hindurch. Und man braucht, um das Kopfwissen in
Herzenswissen umzuwandeln, eben um so viel länger, als man länger
lebt als bis zum siebenundzwanzigsten oder sechsundzwanzigsten
Jahre. Insofern ist man auch als Mensch eine Zwienatur. Man eignet
sich rasch das Kopfwissen an und kann es dann umwandeln im Laufe
des Lebens in Herzenswissen.
 
Zu wissen, was das eigentlich bedeutet, ist nicht ganz leicht. Und
ich darf, wir sind ja unter uns, für diese Sache vielleicht eine Erfahrung
des Geistesforschers anführen, durch die leichter über diese Dinge
etwas gewußt werden kann als durch andere geistesforscherische Arbeiten.
Man kann, wenn man sich bekannt macht mit der Sprache,
welche die Menschenseelen sprechen, die durch den Tod hindurchgegangen
sind, die in der geistigen Welt leben nach dem Tode, man
kann, wenn man die Sprache der Toten, der sogenannten Toten
einigermaßen versteht, dann die Erfahrung machen, daß die Toten
sich über manche Dinge, die im Zusammenhange mit dem Menschenleben
stehen, in ganz besonderer Weise ausdrücken. Die Toten haben
heute schon eine Sprache, die wir Lebenden noch nicht ganz gut verstehen
können. Es gehen die Verständnisse der Toten und der Lebenden
heute ziemlich weit auseinander. Der Tote hat durchaus ein Bewußtsein
davon, daß der Mensch sich als Kopfmensch rasch entwickelt,
als Herzensmensch langsam entwickelt. Und der Tote sagt, wenn er
ausdrücken will, was da eigentlich geschieht, wenn sich allmählich
das rasch erworbene Kopfwissen in das langsamer verlaufende Herzenswissen
einlebt: Das bloße Weisheitswissen wird umgewandelt durch
die aus dem Menschen aufsteigende Herzenswärme oder Liebe. Weisheit
wird im Menschen von der Liebe befruchtet. - So sagt der Tote.
 
Und das ist in der Tat ein tiefes, bedeutsames Lebensgesetz. Man
kann das Kopfwissen rasch erwerben, man kann ungeheuer viel wissen
gerade in unserer Zeit, denn die Naturwissenschaft - nicht die
Naturwissenschafter, aber die Naturwissenschaft - ist in unserer Zeit
recht sehr fortgeschritten und hat reichen Inhalt. Aber dieser Inhalt
ist so, daß er nicht umgewandelt ist in Herzenswissen, daß das Kopfwissen
überall geblieben ist; weil die Menschen - ich habe schon
gestern darauf aufmerksam gemacht - das andere, was dann anrückt
im Leben nach dem siebenundzwanzigsten Jahre, nicht mehr beachten,
weil die Menschen nicht verstehen, alt zu werden, beziehungsweise
könnte ich auch sagen: jung zu bleiben, indem sie alt werden.
 
Weil die Menschen die innerliche Lebendigkeit sich nicht erhalten,
da erkaltet ihr Herz; es strömt die Herzenswärme nicht nach dem
Kopfe hinauf, es befruchtet die Liebe, die aus dem übrigen Organismus
kommt, den Kopf nicht. Das Kopfwissen bleibt kalte Theorie.
Aber es braucht nicht kalte Theorie zu bleiben, es kann alles Kopfwissen
umgewandelt werden in Herzenswissen. Und das ist gerade die
Aufgabe der Zukunft, daß das Kopfwissen allmählich in Herzenswissen
umgewandelt wird. Da wird ein wirkliches Wunder geschehen,
wenn das Kopfwissen in Herzenswissen umgewandelt wird.
 
Man hat vollständig Recht, wenn man heute nach allen Noten die
materialistische Naturwissenschaft oder namentlich die materialistische
Naturphilosophie abkanzelt. Man hat vollständig Recht, aber
trotzdem ist noch etwas anderes wahr: diese Naturwissenschaft, die
in ''Haeckel'', in ''Spencer'', in ''Huxley'' und so weiter bloßes Kopfwissen
geblieben ist und daher Materialismus ist, die wird, wenn sie Herzenswissenschaft
werden wird, wenn sie aufgenommen werden wird vom
ganzen Menschen, wenn die Menschheit verstehen wird, älter zu
werden oder jünger zu werden im Ältersein, wie ich das gestern gemeint
habe, dann wird diese, gerade diese Wissenschaft der Gegenwart
der reinste Spiritualismus werden, die reinste Bekräftigung für
den Geist und sein Dasein werden. Es gibt keine bessere Grundlage
als die Naturwissenschaft der Gegenwart, wenn sie sich umwandelt in
dasjenige, was dem Kopf des Menschen zufließen kann aus dem übrigen
Organismus, aber jetzt aus dem geistigen Teil des übrigen Organismus.
Das Wunder wird sich vollziehen, indem die Menschen lernen
werden, die Verjüngung ihres Ätherleibes auch zu fühlen, so daß
die materialistische Naturwissenschaft der Gegenwart Spiritualismus
werden wird. Sie wird um so eher Spiritualismus werden, je mehr
Leute sich finden werden, ihr ihren gegenwärtigen Materialismus, ihre
materialistische Torheit vorzuhalten.|180|237ff}}
 
== Das ätherische Herz als Geistorgan  ==
 
Nach den Angaben [[Rudolf Steiner]]s hat sich seit dem Jahre [[1721]] der natürliche Zusammenhang zwischen dem [[physisch]]en und dem [[ätherisch]]en Herzen gelockert. Bis etwa [[2100]] wird sich der Ätherteil vollständig vom physischen Herzen gelöst haben. Es wird dadurch zu einem Geistorgan, das den Geistessucher in richtiger Weise mit der [[Geistige Welt|geistigen Welt]] verbindet.
 
[[Bild:Herz_190.gif|thumb|Der Zusammenhang zwischen physischem und ätherischem Herzen]]
{{GZ|Im großen und ganzen ist der Mensch ein physischer Leib, der in einen Ätherleib eingebettet ist; das andere brauchen wir heute nicht zu berücksichtigen. Aber die Innigkeit der Verbindung - ich meine jetzt nicht das räumliche Sich-Decken, aber das Dynamische in der Verbindung -, das ändert sich im Laufe der Erdenentwickelung, und die innigen Beziehungen zwischen dem Ätherkopfe und dem menschlichen physischen Kopf, die bestanden haben zum Beispiel in den Jahrhunderten, von denen man hauptsächlich spricht, wenn man von griechischer Kultur spricht, diese Beziehungen bestehen schon seit dem 3. vorchristlichen Jahrhundert nicht mehr. Seit dem 3. vorchristlichen Jahrhundert ist schon der alte Innigkeitszusammenhang zwischen dem Ätherkopf des Menschen und dem physischen Kopf verlorengegangen. Aber es ist doch immer aufrechterhalten geblieben ein recht inniger Zusammenhang zwischen dem menschlichen physischen Herzen und dem menschlichen Ätherherzen. Aber seit dem Jahre 1721 lockert sich merkwürdigerweise immer mehr und mehr der Zusammenhang zwischen dem menschlichen physischen Herzen und dem Ätherherzen. Wenn ich so sagen darf: Wenn das physische Herz da ist und das Ätherherz da (siehe Zeichnung) so war das früher mehr ein Ganzes, jetzt kann das Ätherherz geschüttelt werden ätherisch, es ist nicht mehr innerlich so dynamisch verbunden wie früher. Später werden noch andere Organe des Menschen sich vom Ätherischen lösen. Das aber, daß das Herz nach und nach sich löst von seinem Ätherteil, und bis in das 3. Jahrtausend hinein, bis man 2100 ungefähr schreiben wird, sich ganz gelöst haben wird, das macht auch in bezug auf die menschliche Entwickelung etwas sehr Bedeutsames aus. Was es ausmacht, das kann man in der folgenden Weise charakterisieren. Man muß sagen: Das macht das aus, daß die Menschen nötig haben, etwas, was ihnen früher von selbst kam durch den natürlichen Zusammenhang zwischen physischem Herzen und Ätherherzen, auf einem anderen Wege zu suchen, auf dem Wege des spirituellen Lebens. Dieses vom physischen Herzen losgetrennte Ätherherz, das wird seine richtige Beziehung zur geistigen Welt nur gewinnen, wenn der Mensch sucht spirituelles Wissen, wenn der Mensch sucht anthroposophisch orientierte geistige Gedanken. Das muß immer mehr und mehr gesucht werden.|190|121ff}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Wikipedia:Hannah Arendt|Hannah Arendt]]: ''Vita activa oder Vom tätigen Leben.'' Kohlhammer, Stuttgart 1960.


* [[Rudolf Steiner]]: ''Anthroposophische Leitsätze'', [[GA 26]] (1998), ISBN 3-7274-0260-1 {{Schriften|026}}
* Rudolf Steiner: ''Makrokosmos und Mikrokosmos'', [[GA 119]] (1988)
* Rudolf Steiner: ''Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung'', [[GA 180]] (1980), ISBN 3-7274-1800-1 {{Vorträge|180}}
* Rudolf Steiner: ''Vergangenheits- und Zukunftsimpulse im sozialen Geschehen'', [[GA 190]] (1980), ISBN 3-7274-1900-8 {{Vorträge|190}}
* Rudolf Steiner: ''Die Sendung Michaels'', [[GA 194]] (1994), ISBN 3-7274-1940-7 {{Vorträge|194}}
* Rudolf Steiner: ''Geistige Wirkenskräfte im Zusammenleben von alter und junger Generation. Pädagogischer Jugendkurs.'', [[GA 217]] (1988), ISBN 3-7274-2170-3 {{Vorträge|217}}
* Rudolf Steiner: ''Seelenübungen'', Band I, [[GA 267]] (2001)
* Florin Lowndes: ''Das Erwecken des Herz-Denkens. Wesen und Leben des sinnlichkeitsfreien Denkens in der Darstellung Rudolf Steiners. Umriß einer Methodik'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 1998, ISBN 978-3772517358
* Florin Lowndes: ''Die Belebung des Herzchakra: Ein Leitfaden zu den Nebenübungen Rudolf Steiners'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart Januar 2017, ISBN 978-3772516207
* Wolfgang Findeisen: ''Mit dem Herzen sehen lernen''. Das Herz als Grundlage einer spirituellen Entwicklung. Die sechs Nebenübungen Rudolf Steiners, Edel-Vlg., Duisburg 2012, ISBN 978-3938957424
* Martina Maria Sam (Hrsg.): ''Rudolf Steiner. Herzdenken: Über inspiratives Erkennen'', Rudolf Steiner Vlg., Dornach 2014, ISBN 978-3727453007


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[[Kategorie:Religion]]
[[Kategorie:Christentum]]
[[Kategorie:Schulungsweg]]
[[Kategorie:Thomas von Aquin]]


[[Kategorie:Denken]]
{{Wikipedia}}

Version vom 5. Juli 2020, 08:37 Uhr

Mit Vita activa bezeichnet man das aus dem Mönchtum erwachsene christliche Ideal eines Lebens in tätiger Nächstenliebe, eines Lebens für andere. Dies erfordert, dass man die eigenen Bedürfnisse zurückstellt und sich dem Anderen (dem Hilfsbedürftigen, Schwachen, Kranken oder Alten) zuwendet. Zu den Aufgaben der Vita activa kann auch die Predigt des Evangeliums zählen.

Dieses Ideal der Vita activa üben noch heutzutage die Mitglieder der tätigen Orden, die Diakonissen, die Mitarbeiter der Diakonie und der Caritas aus.

Die Philosophin Hannah Arendt hat 1958 eines ihrer bekanntesten Bücher unter dem Titel „Vita activa oder vom tätigen Leben“ (engl. Original „The human condition“) veröffentlicht. Darin analysiert sie die drei menschlichen Grundtätigkeiten Arbeiten, Herstellen und Handeln, wobei sie bei den Griechen und dem Beginn der abendländischen Metaphysik ansetzt. Dies sei notwendig, um zu verstehen, „was wir eigentlich tun, wenn wir tätig werden“. Sie unterscheidet das Arbeiten vom Herstellen dadurch, dass das Herstellen ein dauerhaftes Produkt hinterlässt (Handwerk/Kunst), wogegen die Ergebnisse der Arbeit sofort wieder verbraucht werden (Hauswirtschaft/Landwirtschaft). Handeln dagegen bildet mit der Sprache eine Einheit und ist nur im sozialen Kontext möglich (v.a. soziales und politisches Handeln).

Siehe auch

Literatur

  • Hannah Arendt: Vita activa oder Vom tätigen Leben. Kohlhammer, Stuttgart 1960.


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