Zyankali und Arbeitskraft: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Kaliumcyanid.jpg|thumb|200px|Tödliche Dosis Kaliumcyanid]]
Unter '''Arbeitskraft''' versteht man in der [[Wirtschaft]] die mit körperlicher oder geistiger [[Tätigkeit]] verbundene maximale oder tatsächliche [[Arbeitsleistung]] von [[Arbeitsperson]]en, die die ihnen zugewiesenen [[Aufgabe (Pflicht)|Aufgaben]] erfüllen.
[[Datei:Zyklon B Container.jpg|thumb|200px|Blechdose: Zyklon B]]
'''Zyankali''' ist die veraltete Bezeichnung für '''Kaliumcyanid''' ([[Wikipedia:Summenformel|Summenformel]]: KCN), dem [[Wikipedia:Kalium|Kalium]]salz der [[Blausäure]] ([[Wikipedia:Cyanwasserstoff|Cyanwasserstoff]]: HCN). Es bildet [[Wikipedia:Bittermandeln|bittermandelartig]] riechende, farblose, in [[Wasser]] sehr gut, in [[Alkohol]] jedoch nur schlecht lösliche Kristalle. Kaliumcyanid ist ein starkes [[Gift]], das oral oder im gelösten Zustand auch durch [[Wikipedia:Hautresorption|Resorption über die Haut]] aufgenommen werden kann. Die im Kaliumcyanid enthaltenen [[Wikipedia:Cyanid|Cyanid]]ionen (CN<sup>-</sup>) verhindern die [[Sauerstoff]]bindung im [[Blut]] und blockieren dadurch die [[Atmung]]. Die [[Wikipedia:Letale Dosis|tödliche Dosis]] für einen erwachsenen [[Mensch]]en liegt bei etwa 140mg. Oral aufgenommenes Kaliumcyanid wird im [[Magen]] durch die [[Wikipedia:Magensäure|Magensäure]] unter Freisetzung von Blausäure zersetzt.


Seitens der [[Wikipedia:Nationalsozialismus|Nationalsozialist]]en wurde statt Zyankali '''Zyklon B''' zur Vernichtung der [[Juden]] in den Gaskammern der [[Wikipedia:Konzentrationslager|Konzentrationslager]] eingesetzt. [[Wikipedia:Zyklon B|Zyklon B]] wurde ursprünglich als [[Wikipedia:Schädlingsbekämpfungsmittel|Schädlingsbekämpfungsmittel]] verwendet und bestand aus mit Blausäure getränkten [[Wikipedia:Zellstoff|Zellstoff]]scheiben, die sich in einer Blechdose befanden, aus der man das giftige Blausäuregas kontrolliert austreten lassen konnte. Als Warnfaktor wurden [[Riechen|Riechstoffe]] wie [[Wikipedia:Phosgen|Phosgen]] oder [[Wikipedia:Bromessigsäureethylester|Bromessigsäureethylester]] beigefügt.
== Allgemeines ==
[[Datei:ArbeitsArt.jpg|mini|Arten der Betätigung]]
Nur Menschen haben die Fähigkeit entwickelt, [[Arbeit (Philosophie)|Arbeit]] zu leisten.<ref>[[Gabler Wirtschaftslexikon]]: ''Arbeit'', Band 1, 1984, Sp. 256.</ref> Diese Arbeit kann aus [[Körperliche Aktivität|körperlicher]] oder geistiger Arbeit, auf Plankonformität, Weisheitsvermittlung oder Sozialstrukturförderung beruhender Arbeit (''Art der Betätigung'') oder leitender oder ausführender Arbeit (''Rangstellung'') bestehen. Das [[Komposition (Grammatik)|Kompositum]] Arbeitskraft setzt sich aus den Bestandteilen „[[Arbeit (Volkswirtschaftslehre)|Arbeit]]“ für jede Art von Tätigkeit gegen [[Arbeitsentgelt]] und „Kraft“ im Sinne einer Person (wie bei [[Führungskraft (Wirtschaft)|Führungskraft]], [[Fachkraft]] oder [[Bürokraft]]) und weniger der [[physik]]alischen [[Kraft]] zusammen. Danach handelt es sich um Personen, die Arbeit gegen Entgelt leisten.


Die Vergiftung mit ''Zyankali'' hat schwere Folgen für die nachtodliche Fortexistenz. [[Rudolf Steiner]] sagte dazu folgendes:
== Begriffsgeschichte ==
''Arbeit'' stammt aus dem Lateinischen {{lang|la|arvus}} ("Ackerlandbearbeitung"), über das [[Althochdeutsch]]en ''arabeit'', über das [[Mittelhochdeutsch]]e ''arebeit''.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Friedrich L. Weigand |Hrsg=Herman Hirt |Titel=Deutsches Wörterbuch |Band=1 |Auflage=5 |Verlag=Walter de Gruyter |Ort= |Datum=1968 |ISBN= |Seiten=81 |Online={{Google Buch|BuchID=DZwgAAAAQBAJ|Band=1|Seite=82}} |Abruf=2018-02-21}}.</ref> ''Kraft'' ist germanischen Ursprungs<ref name="gd364">{{Literatur |Autor=Günther Drosdowski, Paul Grebe |Titel=Das Herkunftswörterbuch. Die Etymologie der deutschen Sprache. Bd. 7 |Verlag=Dudenverlag |Ort=Mannheim |Datum=1963 |ISBN=978-3-411-00907-7 |Seiten=364}}</ref> und bezeichnete Muskelanspannung.<ref name="Pfeifer">Wolfgang Pfeifer (Leitung): ''Etymologisches Wörterbuch des Deutschen.'' Ungekürzte, durchgesehene Ausgabe. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1995. ISBN 3-05-000626-9; 7. Aufl. 2004, ISBN 3-423-32511-9. Eine digitale Fassung dieses Wörterbuchs ist im lexikalischen Informationssystem abrufbar: ''[http://www.dwds.de/ dwds.de.]''</ref>


<div style="margin-left:20px">
Die führenden Vertreter der [[Klassische Nationalökonomie|klassischen Nationalökonomie]] befassten sich mit der menschlichen Arbeitskraft und entwickelten hieraus unter anderem ihre [[Lohnfondstheorie]]n. Später griff [[Karl Marx]] die Klassiker auf und machte den Begriff der Arbeitskraft zu einem zentralen Faktor seiner philosophischen [[Kritik der politischen Ökonomie]].
"Und das Schlimme ist, daß immer Gefahr vorhanden ist, wenn einer sich mit ''Zyankali'' vergiftet, daß das die Seele mitnimmt und der Mensch, statt daß er in der Seele weiterleben könnte, überhaupt in der ganzen Welt verteilt wird und namentlich im Sonnenlicht verteilt wird.
Wenn anthroposophische Erkenntnisse sich verbreiten würden, so würde sich kein Mensch mehr mit ''Zyankali'' vergiften. Es würde ihm gar nicht einfallen! Daß Vergiftungen mit ''Zyankali'' eintreten, das ist nur die Folge der materialistischen Weltanschauung, weil die Menschen glauben: tot ist tot, ganz gleichgültig, ob man durch ''Zyankali'' den Tod erleidet oder durch die innere Auflösung. Das ist aber nicht gleichgültig! Wenn man durch die innere Auflösung den Tod erleidet, dann haben Seele und Geist den gewöhnlichen Weg zu gehen in die geistige Welt hinein; sie leben eben weiter. Wenn Sie aber durch ''Zyankali'' sich vergiften, dann hat die Seele die Absicht, überall mit jedem Körperteilchen mitzugehen, und namentlich sich auszubreiten im Stickstoff und sich aufzulösen im Weltenall. '''Das ist der wirkliche Tod von Seele und Geist''' [Hervorh. nicht.i. Orig.]."  {{Lit|{{G|351|47}}}}<ref> Weil diese Aussage so äußerst schwerwiegend ist, sei hier noch einmal ausdrücklich wiederholt, daß die Veröffentlichung auf von Rudolf Steiner nicht persönlich überprüften Nachschriften beruht. Rudolf Steiner sagt dazu "Es wird
eben nur hingenommen werden müssen, daß in den von mir nicht
nachgesehenen Vorlagen sich Fehlerhaftes findet." (Zitiert nach Angabe in GA 351 S. 5). Zudem ist, da die Aussage zu einem der sogenannten Arbeitervorträge gehört, folgende Anmerkung von Marie Steiner zu beachten: [Diese Vorträge] "... waren aber für ein besonderes Publikum
gedacht gewesen und in einer besonderen Situation ganz aus dem Stegreif
gesprochen, wie es die Umstände und die Stimmung der zuhörenden
Arbeiter eingaben - durchaus nicht im Hinblick auf Veröffentlichung und
Druck. Aber gerade die Art, wie sie gesprochen wurden, hat einen Ton
der Frische und Unmittelbarkeit, den man nicht vermissen möchte. Man
würde ihnen die besondere Atmosphäre nehmen, die auf dem Zusammenwirken
dessen beruht, was in den Seelen der Fragenden und des
Antwortenden lebte. Die Farbe, das Kolorit möchte man nicht durch
pedantische Umstellung der Satzbildung wegwischen. Es wird deshalb
der Versuch gewagt, sie möglichst wenig anzutasten." (GELEITWORT
zum Erscheinen von Veröffentlichungen aus den Vorträgen
Rudolf Steiners für die Arbeiter am Goetheanumbau
vom August 1922 bis September 1924
Marie Steiner, in GA 351, S. 14) </ref><ref> Das Zitat enthält im Beginn eine Einschränkung, die besagt, daß die ''Gefahr'' einer solchen Wirkung des Zyankali bestehe, mithin muß das Zyankali diese Wirkung nicht haben. Am Ende gibt es eine weitere Einschränkung: Die Seele habe die ''Absicht'', durch die Wirkung des Zyankali, sich aufzulösen. Es wird aber nicht gesagt, daß diese Absicht auch (immer) verwirklicht wird. Diese Einschränkungen passen aber nicht so recht zu der sonstigen Aussage, so daß von daher die Möglichkeit einer fehlerhaften stenographischen Mitschrift nicht ausgeschlossen scheint.</ref>
</div>


Nach Rudolf Steiners Aussage scheint es also so, dass beim [[Selbstmord]] durch Zyankali die ''Gefahr'' (d.h. die [[Möglichkeit]], aber nicht die [[Notwendigkeit]]) besteht, dass die Seele des Menschen und seine geistige [[Individualität]], d.h. sein [[Ich]], zersplittert werden können und dadurch das individuelle [[Selbstbewusstsein]] unwiederbringlich verloren geht. Der individuelle Mensch als solcher fällt damit aus dem Schöpfungsgeschehen heraus. Die Splitter seines seelisch-geistigen Menschenwesens mögen sich dabei mit einem gewissen Teilbewusstsein, das aber kein Selbstbewusstsein mehr ist, in die [[Seelenwelt]] und in die [[geistige Welt]] integrieren.  
=== Klassische Nationalökonomie ===
[[Jacques Turgot]] verstand 1766 unter Arbeit einerseits nur die vom [[Boden (Produktionsfaktor)|Boden]] getrennte Arbeitskraft, andererseits aber auch das von dieser Arbeitskraft geschaffene [[Produkt (Wirtschaft)|Produkt]].<ref>[[Jacques Turgot]]: ''Réflexions sur la Formation et la Distribution des Richesses'', 1766, S. 94.</ref> [[Adam Smith]] wies im März 1776 in seinem berühmten Buch [[Der Wohlstand der Nationen]] nach, dass durch [[Arbeitsteilung]] ([[Spezialisierung]]) die [[Arbeitsproduktivität]] der Arbeitskraft erheblich gesteigert werden kann.<ref>[[Adam Smith]]: ''An Inquiry into the Nature and Causes of the Welfare of Nations'', 1776, S. 9 f.</ref> [[Jean-Baptiste Say]] erkannte als erster im Jahre 1817, dass alle Güter durch das Zusammenwirken dreier [[Produktionsfaktor]]en entstehen, und zwar der Natur (der Boden; {{frS|''agents naturels''}}), des [[Kapital]]s ({{frS|c''apital''}}) und der menschlichen Arbeitskraft ({{frS|''faculté industrielle''}}).<ref>[[Jean-Baptiste Say]]: ''Traite d'economie politique'', 1817, S. 480.</ref> [[David Ricardo]] betonte 1817, dass die Nachfrage nach Arbeitskraft nicht entsprechend dem gesamten Kapital wächst, sondern nur mit dem umlaufenden, soweit es als Lohnfonds dient.<ref>[[David Ricardo]]: ''On the Principles of Political Economy and Taxation'', 1817, S. 238.</ref> Er forderte, dass die Löhne ausreichen müssten, um die physische Arbeitskraft der Bevölkerung zu erhalten. Er stellt sein Lohngesetz als die Folge aus der Tatsache hin, dass das natürliche Angebot von Arbeit (Vermehrung von Arbeitskräften) schneller zunehme als das der Beschäftigung von Arbeitskräften dienende zirkulierende Kapital. Deshalb führe eine Verringerung des zirkulierenden Kapitals zu einer sinkenden Nachfrage nach Arbeitskräften.<ref>David Ricardo: ''On the Principles of Political Economy and Taxation'', 1817, S. 239.</ref> Für den deutschen [[Nationalökonom]]en [[Hermann Roesler]] ist die Arbeitskraft 1871 „nur die organisch bestimmte Form einer Quantität Unterhaltsmasse, welche sich im fortlaufenden Lebensprozess des Individuums ständig zu verflüchtigen strebt“.<ref>[[Hermann Roesler]]: [https://books.google.de/books?id=ZXFGAAAAYAAJ&pg=PA178&dq=adam+smith+arbeitskraft&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=adam%20smith%20arbeitskraft&f=false ''Über die Grundlehren der von Adam Smith begründeten Volkswirthschaftstheorie''], 1871, S. 178.</ref>


Zu beachten ist, das Rudolf Steiner dabei ausdrücklich von Selbstmord spricht, und das Gesagte daher nicht einfach auf eine Zyankalivergiftung übertragen werden kann, die den Menschen ungewollt trifft. Entscheidend mag dabei auch der mit dem Selbstmord verknüpfte ''ausdrückliche'' und ''starke'' [[Wille]] zur ''vollkommenen'' Auslöschung der Individualität sein. Das ist noch etwas ganz anderes als der Wunsch, durch Selbsttötung dem [[Leid]] des Erdenleben zu entrinnen und in die geistige Welt eintreten zu wollen.
=== Karl Marx ===
Der Begriff Arbeitskraft wurde durch Karl Marx [[Ideologie|ideologisch]] [[Konnotation|konnotiert]]. Der noch bei David Ricardo und Adam Smith lediglich anklingende Warencharakter der Arbeitskraft im [[Kapitalismus]] findet sich voll entfaltet bei Marx. Für ihn war die Arbeitskraft eine „[[Ware]]“,<ref name="Kapital">[[Karl Marx]]: [https://books.google.de/books?id=xCMpAAAAYAAJ&pg=PA542&dq=Arbeitskraft+ricardo&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=Arbeitskraft%20waare&f=false ''Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie''], Band 1, 1872, S. 152.</ref> denn der Käufer der Arbeitskraft ([[Arbeitgeber]], [[Kapitalist]]) konsumiert sie, indem er ihren Verkäufer ([[Arbeitnehmer]], [[Proletariat|Proletarier]]) arbeiten lässt. „Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehen wir den Inbegriff der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existieren und die er in Bewegung setzt, sooft er Gebrauchswerte irgend einer Art produziert“.<ref name="Kapital" /> „Jeder Betrieb der Warenproduktion wird zugleich Betrieb der Ausbeutung der Arbeitskraft“.<ref>Karl Marx: ''Das Kapital: Der Zirkulationsprozess des Kapitals'', 1890, S. 42.</ref> Dabei bleibt die Persönlichkeit des Proletariers unberührt, denn er verkauft nur einen Teil von sich – die Arbeitskraft. Die Marxsche [[Mehrwerttheorie]] beruht auf einer Unterscheidung von Arbeitskraft und Arbeit. Marx war der Auffassung, dass weder Boden noch Kapital einen Mehrwert schaffen würden, sondern allein die Arbeitskraft. Der Mehrwert der Ware entspringe aus dem Gebrauchswert der „Ware Arbeitskraft“ bzw. deren Konsumtion durch den Kapitalisten, von dessen Standpunkt der [[Arbeitsprozess (Arbeitssoziologie)|Arbeitsprozess]] lediglich die Konsumtion der von ihm gekauften „Ware Arbeitskraft“ sei, die er jedoch nur konsumieren könne, wenn er ihr [[Produktionsmittel]] zufüge.<ref>Karl Marx: ''Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie'', Band 1, 1872, S. 172.</ref>


An anderen Stellen hat Rudolf Steiner darauf hingewiesen, dass das Zyan eine chemische Verbindung ist, die auf die Entwicklungsstufe des [[Alter Mond|alten Mondes]] zurück verweist, die der [[Erdentwicklung]] voran gegangen ist.  
==== Arbeitskraft in der Kritik der politischen Ökonomie ====
Marx schreibt sich den Verdienst zu – im Gegensatz zur klassischen Nationalökonomie – zwischen [[Arbeit (Philosophie)|Arbeit]] und „Arbeitskraft“ zu unterscheiden. Die [[Lohnarbeit]]er verkaufen ihre Arbeitskraft als Ware. Der Wert dieser Ware bestimmt sich gemäß [[Arbeitswertlehre]] als die [[Arbeitszeit]], die notwendig ist, um die Arbeitskraft der Arbeiter zu erhalten. Marx erklärt dann den [[Mehrwert (Marxismus)|Mehrwert]] damit, dass die Lohnarbeiter länger arbeiten als zur Reproduktion ihrer eigenen Arbeitskraft notwendig ist, also unbezahlte Mehrarbeit leisten. Der durch diese unbezahlte Mehrarbeit geschaffene Wert ist der Mehrwert, der bei den Kapitalisten verbleibt. Für Marx ist der Mehrwert also die Differenz zwischen dem Wert der Ware Arbeitskraft einerseits und dem während ihrer Verausgabung, also während der Gesamtarbeitszeit, geschaffenen Wert, dem [[Neuwert (Marxismus)|Neuwert]], andererseits.<ref>[[Michael Heinrich (Politikwissenschaftler)|Michael Heinrich]]: ''Die Wissenschaft vom Wert'', 3. korr. Auflage, Münster 2003, S. 259 ff.</ref><ref>Zur Arbeitskraft bei Karl Marx vgl. z.&nbsp;B. Emmanuel Farjoun/Moshe Machover: ''Laws of Chaos; A Probabilistic Approach to Political Economy'', London: Verso, 1983. [http://www.free-books.us/Others/317475/Laws-of-Chaos-A-Probabilistic-Approach-to-Political-Economy-Farjoun-Machover Free verso books]. Dort S. 88 ff. „2. Labour-power - the Essential Commodity of Capitalism“.</ref>


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==== Theoriegeschichte ====
"Die Stickstoffverbindungen, die Zyanverbindungen, sind so zerstörend für die
Marx entwickelte das Konzept der Arbeitskraft erstmals in den [[Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie|Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie]] von 1857. Wie [[Friedrich Engels]] später bezüglich früherer Schriften anmerkt, „erscheinen Ausdrücke und ganze Sätze vom Standpunkt der späteren Schriften aus schief und selbst unrichtig ...“,<ref>[[Friedrich Engels]]: ''Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital'', MEW 6, S. 593.</ref> weshalb er beispielsweise zur Wiederveröffentlichung von Marxens [[Lohnarbeit und Kapital]] Änderungen vornahm, die sich „alle um einen Punkt“ drehen: „Nach dem Original verkauft der Arbeiter für den Arbeitslohn dem Kapitalisten seine Arbeit, nach dem jetzigen Text seine Arbeitskraft.“<ref>Friedrich Engels: ''Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital'', MEW 6, S. 594.</ref> Engels arbeitete die Genese des Begriffs anhand der Entwicklung der klassischen politischen [[Ökonomie]] heraus: „Sobald ... die Ökonomen [die] Wertbestimmung durch die Arbeit anwandten auf die Ware 'Arbeit', gerieten sie von einem Widerspruch in den andern. Wie wird der Wert der 'Arbeit' bestimmt? Durch die in ihr steckende notwendige Arbeit. ... Die klassische Ökonomie versuchte es also mit einer andern Wendung; sie sagte: Der Wert einer Ware ist gleich ihren Produktionskosten. Aber was sind die Produktionskosten der Arbeit? Um diese Frage zu beantworten, müssen die Ökonomen der Logik ein bisschen Gewalt antun. Statt der [[Produktionskosten]] der Arbeit selbst, die leider nicht zu ermitteln sind, untersuchen sie nun, was die Produktionskosten des Arbeiters sind. ... Was die Ökonomen als die Produktionskosten 'der Arbeit' angesehen hatten, waren die Produktionskosten ... des lebendigen Arbeiters selbst. Und was dieser dem Kapitalisten verkaufte, war nicht seine Arbeit ... (die doch erst geschehen sein müsste), sondern er stellt dem Kapitalisten ... seine Arbeitskraft gegen eine bestimmte Zahlung zur Verfügung: Er vermietet resp. verkauft seine Arbeitskraft. ... Die Schwierigkeit, an der die besten Ökonomen scheiterten, solange sie vom Wert der 'Arbeit' ausgingen, verschwindet, sobald wir statt dessen vom Wert der 'Arbeitskraft' ausgehen. Die Arbeitskraft ist eine Ware in unsrer heutigen kapitalistischen Gesellschaft, eine Ware wie jede andere, aber doch eine ganz besondere Ware. Sie hat nämlich die besondere Eigenschaft, wertschaffende Kraft, Quelle von Wert zu sein, und zwar, bei geeigneter Behandlung, Quelle von mehr Wert, als sie selbst besitzt.<ref>Friedrich Engels: ''Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital'', MEW 6, S. 595, 598.</ref>
Erde, weil sie nur auf dem Monde das Normale waren. Eines der schwersten Gifte
ist Zyan, eine Verbindung von Kohlenstoff mit Stickstoff. Diese Verbindung bedeutete
auf dem Monde ungefähr dasselbe wie auf der Erde die Verbindung des
Kohlenstoffs mit dem Sauerstoff." {{Lit|{{G|094|313}}}}<ref>Nachschrift von Mathilde Scholl.</ref>
</div>


Man kann daher vielleicht mit einigem Recht sagen, dass der Selbstmord durch Zyankali den Menschen auf das Entwicklungsniveau dieses alten Mondes zurückwirft, wo er noch nicht über ein eigenes individuelles Ich und eine durch dieses Ich geprägte unsterbliche Seele verfügte.
Marx ermöglicht diese neue Fassung der Problematik unter anderem, die Kategorie der Mehrarbeit zu entwickeln und seine Mehrwerttheorie zu entfalten. Die Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen Arbeit und Arbeitskraft macht Marx im [[Das Kapital|Kapital]] unter anderem dann deutlich, wenn er festhält, dass die „Arbeitskraft, die in der Persönlichkeit des Arbeiters existiert, ... von ihrer Funktion, der Arbeit, ebenso verschieden ist, wie eine Maschine von ihren Operationen.“<ref>Karl Marx: ''Das Kapital I'', MEW 23, S. 561.</ref> Über die Probleme der klassischen politischen Ökonomie bei der Bestimmung des Werts der Arbeit äußert er sich beispielsweise folgenderweise: „Wodurch wäre also der Wert z.B. eines zwölfstündigen Arbeitstages bestimmt? Durch die in einem Arbeitstag von 12 Stunden enthaltenen 12 Arbeitsstunden, was eine abgeschmackte [[Tautologie (Logik)|Tautologie]] ist.“<ref>Karl Marx: ''Das Kapital I'', MEW 23, S. 557.</ref> Wie Engels beschreibt auch Marx die Problematik der klassischen politischen Ökonomie: „Beschäftigt mit dem Unterschied zwischen den [[Marktpreis]]en der Arbeit und ihrem sog. Wert, ... entdeckte man niemals, dass der Gang der Analyse nicht nur von den Marktpreisen der Arbeit zu ihrem vermeintlichen Wert, sondern dahin geführt hatte, diesen Wert der Arbeit selbst wieder aufzulösen in den Wert der Arbeitskraft. Die Bewusstlosigkeit über dies Resultat ihrer eignen Analyse ... verwickelte ... die klassische politische Ökonomie in unauflösbare Wirren und Widersprüche“<ref>Karl Marx: ''Das Kapital I'', MEW 23, S. 561.</ref>


Der jüdische [[Esoteriker]] und [[Rabbi]] [[Yonassan Gershom]] vertritt in ähnlichem Sinn mit plausiblen Argumenten die Meinung, dass zumindest für die jüdischen Opfer des [[Wikipedia:Holocaust|Holocaust]] nach seiner Auffassung keine solche Folge eintreten konnte, da es sich nicht um [[Selbstmord]] und schon gar nicht um den Willen zur völligen Selbstauflösung handelte:
In Anschluss an [[Louis Althusser]] könnte argumentiert werden, Marx und Engels nehmen eine Art ''symptomale Lektüre''<ref>„Eine symptomale Lektüre hat die Rekonstruktion der »Problematik« eines Textes zum Ziel, d.h. des theoretisch-analytischen Bezugsrahmens, in dem bestimmte Begriffe, Konzepte, Theorien etc. funktionieren“; vgl. Louis Althusser: ''Für Marx'', Frankfurt/Main 1968.</ref> der klassischen politischen Ökonomie vor, das heißt, sie arbeiten die ungestellten Fragen und damit verbundenen Problematiken heraus, auf die die Klassiker jedoch implizit schon eine Antwort gaben,<ref>„Man trifft in Texten immer wieder auf symptomatische Mängel in Form von Leerstellen und Widersprüchen. Symptomatisch sind sie, weil sie auf ein zu Grunde liegendes theoretisches Problem verweisen. Althussers Paradebeispiel hierfür sind Antworten auf nicht gestellte Fragen...“; Lars Bretthauer/[[Alexander Gallas]]/[[John Kannankulam]]/[[Ingo Stützle]]: ''Einleitung'', in: dieselben (Hrsg.): ''Poulantzas lesen''.</ref> nämlich dass der von ihnen so bezeichnete Wert der Arbeit eigentlich den Wert der Arbeitskraft darstellt.


<div style="margin-left:20px">
== Heutiges Verständnis über die Arbeitskraft ==
"Der Gebrauch des Reflexivpronomens «sich» – sich vergiften – heißt für mich, daß an dieser Stelle von Selbstmord und nicht von einem Mordopfer in einer Gaskammer die Rede ist. Beachten Sie auch, daß Steiner im selben Abschnitt sagt, die Seele, die sich mit '''Zyankali''' vergiftet, hat die Absicht, sich im Weltenall aufzulösen. Auch dies weist auf [[Selbstmord]] hin, nicht auf Mord.
Heute wird das Wort Arbeitskraft meist synonym für [[Arbeitnehmer]] verwandt. Sie sind die Anbieter von Arbeitskraft auf dem [[Arbeitsmarkt]]. Es gibt jedoch unterschiedliche Auffassungen darüber, ob es sich beim Tauschobjekt auf dem Arbeitsmarkt um Arbeitskraft,<ref>[[Elmar Altvater]]: ''Arbeitsmarkt und Krise'', in: [[Michael Bolle]] (Hrsg.): ''Arbeitsmarkttheorie und Arbeitsmarktpolitik'', 1976, S. 52.</ref> [[Arbeitsleistung]],<ref>[[Dieter Mertens (Volkswirt)|Dieter Mertens]]: ''Der Arbeitsmarkt als System von Angebot und Nachfrage'', in: MittAB, 1973, S. 279.</ref> [[Arbeitsverhältnis]]se<ref>J. Kühl, ''Bezugssystem für Ansätze einer Theorie der erwerbswirtschaftlichen und kontrahierten Arbeit'', in: MittAB, 4/1975, S. 289.</ref> oder [[Arbeitsvertrag|Arbeitsverträge]]<ref>Wolfgang Kleber: ''Arbeitsmarkt und Arbeitsmobilität'', 1979, S. 2 ff.</ref> handelt. [[Gudrun-Axeli Knapp]] versteht 1998 Arbeitskraft als die „auf bestimmte Anwendungsbedingungen hin spezifizierten Seiten des Arbeitsvermögens“,<ref>[[Gudrun-Axeli Knapp]]: ''Arbeitsteilung und Sozialisation'', in: Ursula Beer (Hrsg.): ''Klasse Geschlecht: Feministische Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftskritik'', 1998, S. 242.</ref> denn nur „in utopischen Verhältnissen nicht entfremdeter Arbeit (…) können subjektives Arbeitsvermögen und sich entäußernde Arbeitskraft als identisch … gedacht werden“.<ref>Gudrun-Axeli Knapp: ''Arbeitsteilung und Sozialisation'', in: Ursula Beer (Hrsg.): ''Klasse Geschlecht: Feministische Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftskritik'', 1998, S. 239.</ref>
In meiner Tätigkeit als Rabbi hatte ich mit selbstmordgefährdeten Menschen zu tun, die nicht nur sterben, sondern ihre Existenz ganz auslöschen wollten. Tatsächlich glauben Menschen, die Selbstmord begehen wollen, nicht an ein Leben nach dem Tod und erwarten, daß ihr individuelles Bewußtsein aufhört, wenn sie sich getötet haben. Es gibt Menschen, die in ihrer tiefen Niedergeschlagenheit wirklich wünschen, ihre Seele möge sich für immer im Weltall auflösen. So jemand könnte zu ''Zyankali'' greifen, weil es schnell wirkt und sicher zum Tod führt.


Die Holocaust-Opfer hingegen, die durch Zyklon-B-Gas (das ''Zyankali'' enthält) getötet wurden, verübten nicht Selbstmord und wollten auch nicht sterben. Sie hatten den verzweifelten Willen, mit allen Mitteln zu überleben, und sie gelobten, der Welt zu berichten, was geschehen war. So stark war dieser Wille, daß sie oft so schnell wie möglich wiedergeboren werden wollten, mit intakten Erinnerungen an den Holocaust. Jene, die nicht unmittelbar wiedergeboren wurden, blieben manchmal in der Gegend der Greueltaten an die Erde gebunden – auch wieder um Zeugnis abzulegen. Andere Holocaust-Opfer betrachteten ihren Tod als [[Kiddusch Ha-Shem]] (eine jüdische Form von Martyrium durch Verfolgung) und erwarteten, direkt in den Himmel zu gelangen. Aber nirgends finden wir in den Annalen des Holocaust Berichte von Juden, die, nachdem sie ermordet worden waren, ihre ewigen Seelen im Weltall auflösen wollten. Steiners Aussage über ''Zyankali'' gilt nicht für die Opfer des Holocaust.
Als Einheit zur Messung der Arbeitskraft wird heute häufig die [[Personenstunde]] (früher: ''Mannstunde'') oder längere [[Zeiteinheit]]en herangezogen. Begriffe wie Arbeitskräftemangel oder -überschuss beherrschen die politische Debatte und stehen für [[Überbeschäftigung]] (höhere [[Arbeitsnachfrage]]) bzw. [[Unterbeschäftigung]] (höheres [[Arbeitsangebot]], [[Arbeitslosigkeit]], [[Erwerbspersonenpotential]]).
Hingegen besteht die schauerliche Möglichkeit, daß die Nazis genau deshalb '''Zyankali''' verwendeten, weil sie damit außer den Körpern auch die Seelen der Juden zu zerstören hofften." {{Lit|Yonassan Gershom, Vorwort [http://www.pinenet.com/~rooster/preface2.html]
}}.
</div>


Dieses Wissen um die Wirkung des '''Zyankali''' wird allerdings - wenn überhaupt - nicht bei allen [[Wikipedia:Nationalsozialismus|Nationalsozialist]]en verbreitet gewesen sein, denn auch der SS-Chef [[Wikipedia:Heinrich Himmler|Heinrich Himmler]] tötete sich selbst durch '''Zyankali''', obwohl er an die [[Wiedergeburt]] geglaubt haben soll. Es kann dahinter aber auch der (unbewusste) Wunsch nach totaler Selbstauflösung der geistigen [[Individualität]] stehen.
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Arbeitskraft}}


== Kritik ==
== Literatur ==
 
* Gerard Bensussan: ''Arbeitskraft''. Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, 1983.
Die Aussagen Rudolf Steiners zur Wirksamkeit des Zyankali werfen große Fragen auf. Einmal ist nicht ganz klar, wieso es einen Unterschied machen soll, ob der Tod durch Mord, Selbstmord, oder auf andere Art eintritt. (Dieser Unterschied wird von Steiner nicht eindeutig getroffen, er ist eine interpretative Unterscheidung von anderen).
* Roberto Finelli (I.), Kurt Jacobs (II.): [http://www.inkrit.de/e_inkritpedia/e_maincode/doku.php?id=a:arbeitskraft ''Arbeitskraft''], Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, 1994, Spalten 513–519.
 
Zudem ist es verwunderlich, daß einer chemischen Substanz solche Wirksamkeit zuerkannt wird. Sollte es nicht, wenn es diese Substanz so mit solcher Wirkung gibt, nicht auch andere chemische Substanzen mit entsprechender (behaupteter) Wirkung, sogar noch schlimmerer Sorte geben können?
 
Was zudem verwundert, wenn es mit dem Zyankali solche Brisanz haben sollte, warum Steiner sich erst 1924 bei Gelegenheit der Arbeitervorträge dazu geäußert hat? Und warum hat er nicht im Nachherein eine nähere Erläuterung gegeben, außer die gegenüber einem Leibwächter, der den Vortrag mitgehört hatte: (siehe Literatur europäer-Artikel)?
 
In der mündlichen Aussage gegenüber einem  Leibwächter Steiners wird wohl schon klar, wie Rudolf Steiner die Wirksamkeit des Zyankali begründet. Eine naheliegende Interpretation ist aber doch, wenn egal welche chemische Substanz solche Wirkungen entfalten könnte, man es da bei dem Glauben da, mit wissenschaftlicher Begründung eventuell, eher mit einem 1:1-Materie-Geist-Fatalismus zu tun hat, also mit einem Materialismus, anstatt Spiritualismus oder Idealismus?
 
Zu dem behaupteten "Zerreissen" von Geistigem durch materielle (chemische) Zwänge gibt es eine Parallele bei Steiners Erläuterung des Verhältnisses der individuellen Affen, zur Affengruppenseele. Die individuellen Affen würden mit ihrem Leben aus der Affengruppenseele ein "Stück Geist" herausreißen, das nach dem Tod des Affen nicht mehr in die Gruppenseele zurückkehren könne, sondern dann als ein Elementarwesen weiter lebe.
 
== Siehe auch ==


* {{WikipediaDE|Kaliumcyanid}}
== Weblinks ==
* {{WikipediaDE|Zyklon B}}
{{Wiktionary|Arbeitskraft}}
* [http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_a/arbeitskraft.html Arbeitskraft], marx-forum.de


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references/>
 
== Literatur ==
 
* Rudolf Steiner: ''Kosmogonie'', [[GA 94]] (2001), ISBN 3-7274-0940-1 {{Vorträge|094}}
* Rudolf Steiner: ''Mensch und Welt. Das Wirken des Geistes in der Natur. Über das Wesen der Bienen'', ([[GA 351]]), Dornach 1999
* Yonassan Gershom: ''Kehren die Opfer des Holocaust wieder?'', Vlg. am Goetheanum, Dornach 1997, ISBN 9783723510025
* Artikel in Zeitschrift "Der Europäer", 08, 2009 S. 11 ff.: [http://www.perseus.ch/PDF-Europaer/JG_13/Europaer_08_2009.pdf]


{{GA}}
{{Normdaten|TYP=s|GND=4002623-1}}


[[Kategorie:Mensch]] [[Kategorie:Chemie]]
[[Kategorie:Marxistische Wirtschaftstheorie|B]]
[[Kategorie:Klassische Nationalökonomie]]
[[Kategorie:Fähigkeiten als Kapital]]
[[Kategorie:Soziologie der Arbeit]]
[[Kategorie:Personalwesen]]
[[Kategorie:Geistkapital]]
[[Kategorie:Kapital]]
{{Wikipedia}}

Version vom 12. Mai 2021, 07:06 Uhr

Unter Arbeitskraft versteht man in der Wirtschaft die mit körperlicher oder geistiger Tätigkeit verbundene maximale oder tatsächliche Arbeitsleistung von Arbeitspersonen, die die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllen.

Allgemeines

Arten der Betätigung

Nur Menschen haben die Fähigkeit entwickelt, Arbeit zu leisten.[1] Diese Arbeit kann aus körperlicher oder geistiger Arbeit, auf Plankonformität, Weisheitsvermittlung oder Sozialstrukturförderung beruhender Arbeit (Art der Betätigung) oder leitender oder ausführender Arbeit (Rangstellung) bestehen. Das Kompositum Arbeitskraft setzt sich aus den Bestandteilen „Arbeit“ für jede Art von Tätigkeit gegen Arbeitsentgelt und „Kraft“ im Sinne einer Person (wie bei Führungskraft, Fachkraft oder Bürokraft) und weniger der physikalischen Kraft zusammen. Danach handelt es sich um Personen, die Arbeit gegen Entgelt leisten.

Begriffsgeschichte

Arbeit stammt aus dem Lateinischen arvus ("Ackerlandbearbeitung"), über das Althochdeutschen arabeit, über das Mittelhochdeutsche arebeit.[2] Kraft ist germanischen Ursprungs[3] und bezeichnete Muskelanspannung.[4]

Die führenden Vertreter der klassischen Nationalökonomie befassten sich mit der menschlichen Arbeitskraft und entwickelten hieraus unter anderem ihre Lohnfondstheorien. Später griff Karl Marx die Klassiker auf und machte den Begriff der Arbeitskraft zu einem zentralen Faktor seiner philosophischen Kritik der politischen Ökonomie.

Klassische Nationalökonomie

Jacques Turgot verstand 1766 unter Arbeit einerseits nur die vom Boden getrennte Arbeitskraft, andererseits aber auch das von dieser Arbeitskraft geschaffene Produkt.[5] Adam Smith wies im März 1776 in seinem berühmten Buch Der Wohlstand der Nationen nach, dass durch Arbeitsteilung (Spezialisierung) die Arbeitsproduktivität der Arbeitskraft erheblich gesteigert werden kann.[6] Jean-Baptiste Say erkannte als erster im Jahre 1817, dass alle Güter durch das Zusammenwirken dreier Produktionsfaktoren entstehen, und zwar der Natur (der Boden; franz. agents naturels), des Kapitals (franz. capital) und der menschlichen Arbeitskraft (franz. faculté industrielle).[7] David Ricardo betonte 1817, dass die Nachfrage nach Arbeitskraft nicht entsprechend dem gesamten Kapital wächst, sondern nur mit dem umlaufenden, soweit es als Lohnfonds dient.[8] Er forderte, dass die Löhne ausreichen müssten, um die physische Arbeitskraft der Bevölkerung zu erhalten. Er stellt sein Lohngesetz als die Folge aus der Tatsache hin, dass das natürliche Angebot von Arbeit (Vermehrung von Arbeitskräften) schneller zunehme als das der Beschäftigung von Arbeitskräften dienende zirkulierende Kapital. Deshalb führe eine Verringerung des zirkulierenden Kapitals zu einer sinkenden Nachfrage nach Arbeitskräften.[9] Für den deutschen Nationalökonomen Hermann Roesler ist die Arbeitskraft 1871 „nur die organisch bestimmte Form einer Quantität Unterhaltsmasse, welche sich im fortlaufenden Lebensprozess des Individuums ständig zu verflüchtigen strebt“.[10]

Karl Marx

Der Begriff Arbeitskraft wurde durch Karl Marx ideologisch konnotiert. Der noch bei David Ricardo und Adam Smith lediglich anklingende Warencharakter der Arbeitskraft im Kapitalismus findet sich voll entfaltet bei Marx. Für ihn war die Arbeitskraft eine „Ware“,[11] denn der Käufer der Arbeitskraft (Arbeitgeber, Kapitalist) konsumiert sie, indem er ihren Verkäufer (Arbeitnehmer, Proletarier) arbeiten lässt. „Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehen wir den Inbegriff der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existieren und die er in Bewegung setzt, sooft er Gebrauchswerte irgend einer Art produziert“.[11] „Jeder Betrieb der Warenproduktion wird zugleich Betrieb der Ausbeutung der Arbeitskraft“.[12] Dabei bleibt die Persönlichkeit des Proletariers unberührt, denn er verkauft nur einen Teil von sich – die Arbeitskraft. Die Marxsche Mehrwerttheorie beruht auf einer Unterscheidung von Arbeitskraft und Arbeit. Marx war der Auffassung, dass weder Boden noch Kapital einen Mehrwert schaffen würden, sondern allein die Arbeitskraft. Der Mehrwert der Ware entspringe aus dem Gebrauchswert der „Ware Arbeitskraft“ bzw. deren Konsumtion durch den Kapitalisten, von dessen Standpunkt der Arbeitsprozess lediglich die Konsumtion der von ihm gekauften „Ware Arbeitskraft“ sei, die er jedoch nur konsumieren könne, wenn er ihr Produktionsmittel zufüge.[13]

Arbeitskraft in der Kritik der politischen Ökonomie

Marx schreibt sich den Verdienst zu – im Gegensatz zur klassischen Nationalökonomie – zwischen Arbeit und „Arbeitskraft“ zu unterscheiden. Die Lohnarbeiter verkaufen ihre Arbeitskraft als Ware. Der Wert dieser Ware bestimmt sich gemäß Arbeitswertlehre als die Arbeitszeit, die notwendig ist, um die Arbeitskraft der Arbeiter zu erhalten. Marx erklärt dann den Mehrwert damit, dass die Lohnarbeiter länger arbeiten als zur Reproduktion ihrer eigenen Arbeitskraft notwendig ist, also unbezahlte Mehrarbeit leisten. Der durch diese unbezahlte Mehrarbeit geschaffene Wert ist der Mehrwert, der bei den Kapitalisten verbleibt. Für Marx ist der Mehrwert also die Differenz zwischen dem Wert der Ware Arbeitskraft einerseits und dem während ihrer Verausgabung, also während der Gesamtarbeitszeit, geschaffenen Wert, dem Neuwert, andererseits.[14][15]

Theoriegeschichte

Marx entwickelte das Konzept der Arbeitskraft erstmals in den Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie von 1857. Wie Friedrich Engels später bezüglich früherer Schriften anmerkt, „erscheinen Ausdrücke und ganze Sätze vom Standpunkt der späteren Schriften aus schief und selbst unrichtig ...“,[16] weshalb er beispielsweise zur Wiederveröffentlichung von Marxens Lohnarbeit und Kapital Änderungen vornahm, die sich „alle um einen Punkt“ drehen: „Nach dem Original verkauft der Arbeiter für den Arbeitslohn dem Kapitalisten seine Arbeit, nach dem jetzigen Text seine Arbeitskraft.“[17] Engels arbeitete die Genese des Begriffs anhand der Entwicklung der klassischen politischen Ökonomie heraus: „Sobald ... die Ökonomen [die] Wertbestimmung durch die Arbeit anwandten auf die Ware 'Arbeit', gerieten sie von einem Widerspruch in den andern. Wie wird der Wert der 'Arbeit' bestimmt? Durch die in ihr steckende notwendige Arbeit. ... Die klassische Ökonomie versuchte es also mit einer andern Wendung; sie sagte: Der Wert einer Ware ist gleich ihren Produktionskosten. Aber was sind die Produktionskosten der Arbeit? Um diese Frage zu beantworten, müssen die Ökonomen der Logik ein bisschen Gewalt antun. Statt der Produktionskosten der Arbeit selbst, die leider nicht zu ermitteln sind, untersuchen sie nun, was die Produktionskosten des Arbeiters sind. ... Was die Ökonomen als die Produktionskosten 'der Arbeit' angesehen hatten, waren die Produktionskosten ... des lebendigen Arbeiters selbst. Und was dieser dem Kapitalisten verkaufte, war nicht seine Arbeit ... (die doch erst geschehen sein müsste), sondern er stellt dem Kapitalisten ... seine Arbeitskraft gegen eine bestimmte Zahlung zur Verfügung: Er vermietet resp. verkauft seine Arbeitskraft. ... Die Schwierigkeit, an der die besten Ökonomen scheiterten, solange sie vom Wert der 'Arbeit' ausgingen, verschwindet, sobald wir statt dessen vom Wert der 'Arbeitskraft' ausgehen. Die Arbeitskraft ist eine Ware in unsrer heutigen kapitalistischen Gesellschaft, eine Ware wie jede andere, aber doch eine ganz besondere Ware. Sie hat nämlich die besondere Eigenschaft, wertschaffende Kraft, Quelle von Wert zu sein, und zwar, bei geeigneter Behandlung, Quelle von mehr Wert, als sie selbst besitzt.“[18]

Marx ermöglicht diese neue Fassung der Problematik unter anderem, die Kategorie der Mehrarbeit zu entwickeln und seine Mehrwerttheorie zu entfalten. Die Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen Arbeit und Arbeitskraft macht Marx im Kapital unter anderem dann deutlich, wenn er festhält, dass die „Arbeitskraft, die in der Persönlichkeit des Arbeiters existiert, ... von ihrer Funktion, der Arbeit, ebenso verschieden ist, wie eine Maschine von ihren Operationen.“[19] Über die Probleme der klassischen politischen Ökonomie bei der Bestimmung des Werts der Arbeit äußert er sich beispielsweise folgenderweise: „Wodurch wäre also der Wert z.B. eines zwölfstündigen Arbeitstages bestimmt? Durch die in einem Arbeitstag von 12 Stunden enthaltenen 12 Arbeitsstunden, was eine abgeschmackte Tautologie ist.“[20] Wie Engels beschreibt auch Marx die Problematik der klassischen politischen Ökonomie: „Beschäftigt mit dem Unterschied zwischen den Marktpreisen der Arbeit und ihrem sog. Wert, ... entdeckte man niemals, dass der Gang der Analyse nicht nur von den Marktpreisen der Arbeit zu ihrem vermeintlichen Wert, sondern dahin geführt hatte, diesen Wert der Arbeit selbst wieder aufzulösen in den Wert der Arbeitskraft. Die Bewusstlosigkeit über dies Resultat ihrer eignen Analyse ... verwickelte ... die klassische politische Ökonomie in unauflösbare Wirren und Widersprüche“[21]

In Anschluss an Louis Althusser könnte argumentiert werden, Marx und Engels nehmen eine Art symptomale Lektüre[22] der klassischen politischen Ökonomie vor, das heißt, sie arbeiten die ungestellten Fragen und damit verbundenen Problematiken heraus, auf die die Klassiker jedoch implizit schon eine Antwort gaben,[23] nämlich dass der von ihnen so bezeichnete Wert der Arbeit eigentlich den Wert der Arbeitskraft darstellt.

Heutiges Verständnis über die Arbeitskraft

Heute wird das Wort Arbeitskraft meist synonym für Arbeitnehmer verwandt. Sie sind die Anbieter von Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt jedoch unterschiedliche Auffassungen darüber, ob es sich beim Tauschobjekt auf dem Arbeitsmarkt um Arbeitskraft,[24] Arbeitsleistung,[25] Arbeitsverhältnisse[26] oder Arbeitsverträge[27] handelt. Gudrun-Axeli Knapp versteht 1998 Arbeitskraft als die „auf bestimmte Anwendungsbedingungen hin spezifizierten Seiten des Arbeitsvermögens“,[28] denn nur „in utopischen Verhältnissen nicht entfremdeter Arbeit (…) können subjektives Arbeitsvermögen und sich entäußernde Arbeitskraft als identisch … gedacht werden“.[29]

Als Einheit zur Messung der Arbeitskraft wird heute häufig die Personenstunde (früher: Mannstunde) oder längere Zeiteinheiten herangezogen. Begriffe wie Arbeitskräftemangel oder -überschuss beherrschen die politische Debatte und stehen für Überbeschäftigung (höhere Arbeitsnachfrage) bzw. Unterbeschäftigung (höheres Arbeitsangebot, Arbeitslosigkeit, Erwerbspersonenpotential).

Siehe auch

Literatur

  • Gerard Bensussan: Arbeitskraft. Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, 1983.
  • Roberto Finelli (I.), Kurt Jacobs (II.): Arbeitskraft, Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, 1994, Spalten 513–519.

Weblinks

 Wiktionary: Arbeitskraft – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Gabler Wirtschaftslexikon: Arbeit, Band 1, 1984, Sp. 256.
  2.  Friedrich L. Weigand: Deutsches Wörterbuch. 5 Auflage. 1, Walter de Gruyter, 1968, S. 81 (eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche)..
  3.  Günther Drosdowski, Paul Grebe: Das Herkunftswörterbuch. Die Etymologie der deutschen Sprache. Bd. 7. Dudenverlag, Mannheim 1963, ISBN 978-3-411-00907-7, S. 364.
  4. Wolfgang Pfeifer (Leitung): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Ungekürzte, durchgesehene Ausgabe. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1995. ISBN 3-05-000626-9; 7. Aufl. 2004, ISBN 3-423-32511-9. Eine digitale Fassung dieses Wörterbuchs ist im lexikalischen Informationssystem abrufbar: dwds.de.
  5. Jacques Turgot: Réflexions sur la Formation et la Distribution des Richesses, 1766, S. 94.
  6. Adam Smith: An Inquiry into the Nature and Causes of the Welfare of Nations, 1776, S. 9 f.
  7. Jean-Baptiste Say: Traite d'economie politique, 1817, S. 480.
  8. David Ricardo: On the Principles of Political Economy and Taxation, 1817, S. 238.
  9. David Ricardo: On the Principles of Political Economy and Taxation, 1817, S. 239.
  10. Hermann Roesler: Über die Grundlehren der von Adam Smith begründeten Volkswirthschaftstheorie, 1871, S. 178.
  11. 11,0 11,1 Karl Marx: Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie, Band 1, 1872, S. 152.
  12. Karl Marx: Das Kapital: Der Zirkulationsprozess des Kapitals, 1890, S. 42.
  13. Karl Marx: Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie, Band 1, 1872, S. 172.
  14. Michael Heinrich: Die Wissenschaft vom Wert, 3. korr. Auflage, Münster 2003, S. 259 ff.
  15. Zur Arbeitskraft bei Karl Marx vgl. z. B. Emmanuel Farjoun/Moshe Machover: Laws of Chaos; A Probabilistic Approach to Political Economy, London: Verso, 1983. Free verso books. Dort S. 88 ff. „2. Labour-power - the Essential Commodity of Capitalism“.
  16. Friedrich Engels: Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, S. 593.
  17. Friedrich Engels: Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, S. 594.
  18. Friedrich Engels: Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, S. 595, 598.
  19. Karl Marx: Das Kapital I, MEW 23, S. 561.
  20. Karl Marx: Das Kapital I, MEW 23, S. 557.
  21. Karl Marx: Das Kapital I, MEW 23, S. 561.
  22. „Eine symptomale Lektüre hat die Rekonstruktion der »Problematik« eines Textes zum Ziel, d.h. des theoretisch-analytischen Bezugsrahmens, in dem bestimmte Begriffe, Konzepte, Theorien etc. funktionieren“; vgl. Louis Althusser: Für Marx, Frankfurt/Main 1968.
  23. „Man trifft in Texten immer wieder auf symptomatische Mängel in Form von Leerstellen und Widersprüchen. Symptomatisch sind sie, weil sie auf ein zu Grunde liegendes theoretisches Problem verweisen. Althussers Paradebeispiel hierfür sind Antworten auf nicht gestellte Fragen...“; Lars Bretthauer/Alexander Gallas/John Kannankulam/Ingo Stützle: Einleitung, in: dieselben (Hrsg.): Poulantzas lesen.
  24. Elmar Altvater: Arbeitsmarkt und Krise, in: Michael Bolle (Hrsg.): Arbeitsmarkttheorie und Arbeitsmarktpolitik, 1976, S. 52.
  25. Dieter Mertens: Der Arbeitsmarkt als System von Angebot und Nachfrage, in: MittAB, 1973, S. 279.
  26. J. Kühl, Bezugssystem für Ansätze einer Theorie der erwerbswirtschaftlichen und kontrahierten Arbeit, in: MittAB, 4/1975, S. 289.
  27. Wolfgang Kleber: Arbeitsmarkt und Arbeitsmobilität, 1979, S. 2 ff.
  28. Gudrun-Axeli Knapp: Arbeitsteilung und Sozialisation, in: Ursula Beer (Hrsg.): Klasse Geschlecht: Feministische Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftskritik, 1998, S. 242.
  29. Gudrun-Axeli Knapp: Arbeitsteilung und Sozialisation, in: Ursula Beer (Hrsg.): Klasse Geschlecht: Feministische Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftskritik, 1998, S. 239.
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