Depression und Arbeitskraft: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Dürer_Melancholia_I.jpg|thumb|''Albrecht Dürer: Melancholia'']]
Unter '''Arbeitskraft''' versteht man in der [[Wirtschaft]] die mit körperlicher oder geistiger [[Tätigkeit]] verbundene maximale oder tatsächliche [[Arbeitsleistung]] von [[Arbeitsperson]]en, die die ihnen zugewiesenen [[Aufgabe (Pflicht)|Aufgaben]] erfüllen.
Unter einer '''Depression''' (von [[lat.]] ''deprimere'' ‚niederdrücken‘) bzw. einem '''depressiven''' Zustand versteht man eine [[Seelenstimmung]], welche mit einer großen Niedergeschlagenheit einhergeht.
Das Vertrauen in die eigene Entwicklungsfähigkeit, in einen Weg in die [[Zukunft]] hinein, geht verloren und ein Gefühl des Auf-der-Stelle-Tretens setzt ein. Es kommt zu sinnlosen Grübelgedanken, die der betroffene kaum noch kontrollieren kann. Der Depressive wird gewissermaßen gedacht, statt aus eigener Initiative zu denken.<ref>Eckhard Roediger: ''Anthroposophische Aspekte zur Psychotherapie der Depression'', Niederschrift eines Vortrages auf der Ärztetagung in Kassel am 20.11.2005, erschienen in "Der Merkurstab" Heft 5/2006</ref>
Das [[Denken]] wird von nicht bewusst gemachten [[Gefühl|Gefühlen]] ergriffen und kann so eine niederdrückende Wirkung entfalten.  


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== Allgemeines ==
"Gefühle, die von Vorstellungen nicht erfaßt werden, sind depressiv; nur die Gefühle sind nicht depressive Gefühle, die sogleich vom Vorstellungsleben erfaßt werden, wenn sie entstehen." {{Lit|{{G|317|67}}}}
[[Datei:ArbeitsArt.jpg|mini|Arten der Betätigung]]
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Nur Menschen haben die Fähigkeit entwickelt, [[Arbeit (Philosophie)|Arbeit]] zu leisten.<ref>[[Gabler Wirtschaftslexikon]]: ''Arbeit'', Band 1, 1984, Sp. 256.</ref> Diese Arbeit kann aus [[Körperliche Aktivität|körperlicher]] oder geistiger Arbeit, auf Plankonformität, Weisheitsvermittlung oder Sozialstrukturförderung beruhender Arbeit (''Art der Betätigung'') oder leitender oder ausführender Arbeit (''Rangstellung'') bestehen. Das [[Komposition (Grammatik)|Kompositum]] Arbeitskraft setzt sich aus den Bestandteilen „[[Arbeit (Volkswirtschaftslehre)|Arbeit]]“ für jede Art von Tätigkeit gegen [[Arbeitsentgelt]] und „Kraft“ im Sinne einer Person (wie bei [[Führungskraft (Wirtschaft)|Führungskraft]], [[Fachkraft]] oder [[Bürokraft]]) und weniger der [[physik]]alischen [[Kraft]] zusammen. Danach handelt es sich um Personen, die Arbeit gegen Entgelt leisten.


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== Begriffsgeschichte ==
"Die Empfindung des nicht richtig mit dem Astralleib verbundenen Ätherleibes erzeugt
''Arbeit'' stammt aus dem Lateinischen {{lang|la|arvus}} ("Ackerlandbearbeitung"), über das [[Althochdeutsch]]en ''arabeit'', über das [[Mittelhochdeutsch]]e ''arebeit''.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Friedrich L. Weigand |Hrsg=Herman Hirt |Titel=Deutsches Wörterbuch |Band=1 |Auflage=5 |Verlag=Walter de Gruyter |Ort= |Datum=1968 |ISBN= |Seiten=81 |Online={{Google Buch|BuchID=DZwgAAAAQBAJ|Band=1|Seite=82}} |Abruf=2018-02-21}}.</ref> ''Kraft'' ist germanischen Ursprungs<ref name="gd364">{{Literatur |Autor=Günther Drosdowski, Paul Grebe |Titel=Das Herkunftswörterbuch. Die Etymologie der deutschen Sprache. Bd. 7 |Verlag=Dudenverlag |Ort=Mannheim |Datum=1963 |ISBN=978-3-411-00907-7 |Seiten=364}}</ref> und bezeichnete Muskelanspannung.<ref name="Pfeifer">Wolfgang Pfeifer (Leitung): ''Etymologisches Wörterbuch des Deutschen.'' Ungekürzte, durchgesehene Ausgabe. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1995. ISBN 3-05-000626-9; 7. Aufl. 2004, ISBN 3-423-32511-9. Eine digitale Fassung dieses Wörterbuchs ist im lexikalischen Informationssystem abrufbar: ''[http://www.dwds.de/ dwds.de.]''</ref>
Depressionen;" {{Lit|{{G|027|102}}}}  
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[[Rudolf Steiner]] sieht, wie in der Depression etwas für die nächste [[Inkarnation]] vorbereitet wird:
Die führenden Vertreter der [[Klassische Nationalökonomie|klassischen Nationalökonomie]] befassten sich mit der menschlichen Arbeitskraft und entwickelten hieraus unter anderem ihre [[Lohnfondstheorie]]n. Später griff [[Karl Marx]] die Klassiker auf und machte den Begriff der Arbeitskraft zu einem zentralen Faktor seiner philosophischen [[Kritik der politischen Ökonomie]].


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=== Klassische Nationalökonomie ===
"Der Psychoanalytiker findet irgendeinen Menschen, der unter dieser oder jener Depression leidet. Diese Depression braucht ihren Ursprung nicht im gegenwärtigen bewußten Seelenleben zu haben, sondern in der Vergangenheit. In diesem Leben trat einmal irgend etwas im seelischen Erleben auf. Der Mensch ist darüber hinausgekommen, aber nicht vollständig; im Unterbewußten ist ein Rest geblieben....
[[Jacques Turgot]] verstand 1766 unter Arbeit einerseits nur die vom [[Boden (Produktionsfaktor)|Boden]] getrennte Arbeitskraft, andererseits aber auch das von dieser Arbeitskraft geschaffene [[Produkt (Wirtschaft)|Produkt]].<ref>[[Jacques Turgot]]: ''Réflexions sur la Formation et la Distribution des Richesses'', 1766, S. 94.</ref> [[Adam Smith]] wies im März 1776 in seinem berühmten Buch [[Der Wohlstand der Nationen]] nach, dass durch [[Arbeitsteilung]] ([[Spezialisierung]]) die [[Arbeitsproduktivität]] der Arbeitskraft erheblich gesteigert werden kann.<ref>[[Adam Smith]]: ''An Inquiry into the Nature and Causes of the Welfare of Nations'', 1776, S. 9 f.</ref> [[Jean-Baptiste Say]] erkannte als erster im Jahre 1817, dass alle Güter durch das Zusammenwirken dreier [[Produktionsfaktor]]en entstehen, und zwar der Natur (der Boden; {{frS|''agents naturels''}}), des [[Kapital]]s ({{frS|c''apital''}}) und der menschlichen Arbeitskraft ({{frS|''faculté industrielle''}}).<ref>[[Jean-Baptiste Say]]: ''Traite d'economie politique'', 1817, S. 480.</ref> [[David Ricardo]] betonte 1817, dass die Nachfrage nach Arbeitskraft nicht entsprechend dem gesamten Kapital wächst, sondern nur mit dem umlaufenden, soweit es als Lohnfonds dient.<ref>[[David Ricardo]]: ''On the Principles of Political Economy and Taxation'', 1817, S. 238.</ref> Er forderte, dass die Löhne ausreichen müssten, um die physische Arbeitskraft der Bevölkerung zu erhalten. Er stellt sein Lohngesetz als die Folge aus der Tatsache hin, dass das natürliche Angebot von Arbeit (Vermehrung von Arbeitskräften) schneller zunehme als das der Beschäftigung von Arbeitskräften dienende zirkulierende Kapital. Deshalb führe eine Verringerung des zirkulierenden Kapitals zu einer sinkenden Nachfrage nach Arbeitskräften.<ref>David Ricardo: ''On the Principles of Political Economy and Taxation'', 1817, S. 239.</ref> Für den deutschen [[Nationalökonom]]en [[Hermann Roesler]] ist die Arbeitskraft 1871 „nur die organisch bestimmte Form einer Quantität Unterhaltsmasse, welche sich im fortlaufenden Lebensprozess des Individuums ständig zu verflüchtigen strebt“.<ref>[[Hermann Roesler]]: [https://books.google.de/books?id=ZXFGAAAAYAAJ&pg=PA178&dq=adam+smith+arbeitskraft&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=adam%20smith%20arbeitskraft&f=false ''Über die Grundlehren der von Adam Smith begründeten Volkswirthschaftstheorie''], 1871, S. 178.</ref>
In dem, was der Psychoanalytiker in den enttäuschten Lebenshoffnungen in den Untergründen der Seele sucht, liegt, wenn er nur tief genug darauf eingeht, dasjenige, was sich vorbereitet in einem gegenwärtigen Leben, um schicksalsmäßig in ein nächstes Leben einzugreifen." {{Lit|{{G|066|180}}}}
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== Organische Aspekte ==
=== Karl Marx ===
Der Begriff Arbeitskraft wurde durch Karl Marx [[Ideologie|ideologisch]] [[Konnotation|konnotiert]]. Der noch bei David Ricardo und Adam Smith lediglich anklingende Warencharakter der Arbeitskraft im [[Kapitalismus]] findet sich voll entfaltet bei Marx. Für ihn war die Arbeitskraft eine „[[Ware]]“,<ref name="Kapital">[[Karl Marx]]: [https://books.google.de/books?id=xCMpAAAAYAAJ&pg=PA542&dq=Arbeitskraft+ricardo&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=Arbeitskraft%20waare&f=false ''Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie''], Band 1, 1872, S. 152.</ref> denn der Käufer der Arbeitskraft ([[Arbeitgeber]], [[Kapitalist]]) konsumiert sie, indem er ihren Verkäufer ([[Arbeitnehmer]], [[Proletariat|Proletarier]]) arbeiten lässt. „Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehen wir den Inbegriff der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existieren und die er in Bewegung setzt, sooft er Gebrauchswerte irgend einer Art produziert“.<ref name="Kapital" /> „Jeder Betrieb der Warenproduktion wird zugleich Betrieb der Ausbeutung der Arbeitskraft“.<ref>Karl Marx: ''Das Kapital: Der Zirkulationsprozess des Kapitals'', 1890, S. 42.</ref> Dabei bleibt die Persönlichkeit des Proletariers unberührt, denn er verkauft nur einen Teil von sich – die Arbeitskraft. Die Marxsche [[Mehrwerttheorie]] beruht auf einer Unterscheidung von Arbeitskraft und Arbeit. Marx war der Auffassung, dass weder Boden noch Kapital einen Mehrwert schaffen würden, sondern allein die Arbeitskraft. Der Mehrwert der Ware entspringe aus dem Gebrauchswert der „Ware Arbeitskraft“ bzw. deren Konsumtion durch den Kapitalisten, von dessen Standpunkt der [[Arbeitsprozess (Arbeitssoziologie)|Arbeitsprozess]] lediglich die Konsumtion der von ihm gekauften „Ware Arbeitskraft“ sei, die er jedoch nur konsumieren könne, wenn er ihr [[Produktionsmittel]] zufüge.<ref>Karl Marx: ''Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie'', Band 1, 1872, S. 172.</ref>


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==== Arbeitskraft in der Kritik der politischen Ökonomie ====
"Viele Menschen sprechen heute von ihrem Inneren. Sie reden von den Bedürfnissen dieses Inneren. Sie reden davon, daß ihre Seele mit dem und jenem nicht fertig werde. In Wahrheit wird ihr Magen und werden ihre Gedärme nicht fertig. Und dieses, was sie vom seelischen Leben reden, ist im Grunde genommen nur ein Wortausdruck für dasjenige, was im Stoffwechsel vor sich geht. Und es ist so, daß die Menschen selbstverständlich nicht der Wahrheit gemäß zugeben würden: Mein Magen, meine Gedärme, Milz und Leber oder sonstige Dinge sind in mir nicht in Ordnung -, sondern sie sagen: Meine Seele hat diese oder jene Schwierigkeit. - Das klingt besser, vornehmer für manche Menschen, das halten sie für weniger materialistisch." {{Lit|{{G|190|204}}}}
Marx schreibt sich den Verdienst zu – im Gegensatz zur klassischen Nationalökonomie – zwischen [[Arbeit (Philosophie)|Arbeit]] und „Arbeitskraft“ zu unterscheiden. Die [[Lohnarbeit]]er verkaufen ihre Arbeitskraft als Ware. Der Wert dieser Ware bestimmt sich gemäß [[Arbeitswertlehre]] als die [[Arbeitszeit]], die notwendig ist, um die Arbeitskraft der Arbeiter zu erhalten. Marx erklärt dann den [[Mehrwert (Marxismus)|Mehrwert]] damit, dass die Lohnarbeiter länger arbeiten als zur Reproduktion ihrer eigenen Arbeitskraft notwendig ist, also unbezahlte Mehrarbeit leisten. Der durch diese unbezahlte Mehrarbeit geschaffene Wert ist der Mehrwert, der bei den Kapitalisten verbleibt. Für Marx ist der Mehrwert also die Differenz zwischen dem Wert der Ware Arbeitskraft einerseits und dem während ihrer Verausgabung, also während der Gesamtarbeitszeit, geschaffenen Wert, dem [[Neuwert (Marxismus)|Neuwert]], andererseits.<ref>[[Michael Heinrich (Politikwissenschaftler)|Michael Heinrich]]: ''Die Wissenschaft vom Wert'', 3. korr. Auflage, Münster 2003, S. 259 ff.</ref><ref>Zur Arbeitskraft bei Karl Marx vgl. z.&nbsp;B. Emmanuel Farjoun/Moshe Machover: ''Laws of Chaos; A Probabilistic Approach to Political Economy'', London: Verso, 1983. [http://www.free-books.us/Others/317475/Laws-of-Chaos-A-Probabilistic-Approach-to-Political-Economy-Farjoun-Machover Free verso books]. Dort S. 88 ff. „2. Labour-power - the Essential Commodity of Capitalism“.</ref>
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== Chronische Erkrankung und Depression ==
==== Theoriegeschichte ====
Marx entwickelte das Konzept der Arbeitskraft erstmals in den [[Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie|Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie]] von 1857. Wie [[Friedrich Engels]] später bezüglich früherer Schriften anmerkt, „erscheinen Ausdrücke und ganze Sätze vom Standpunkt der späteren Schriften aus schief und selbst unrichtig ...“,<ref>[[Friedrich Engels]]: ''Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital'', MEW 6, S. 593.</ref> weshalb er beispielsweise zur Wiederveröffentlichung von Marxens [[Lohnarbeit und Kapital]] Änderungen vornahm, die sich „alle um einen Punkt“ drehen: „Nach dem Original verkauft der Arbeiter für den Arbeitslohn dem Kapitalisten seine Arbeit, nach dem jetzigen Text seine Arbeitskraft.“<ref>Friedrich Engels: ''Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital'', MEW 6, S. 594.</ref> Engels arbeitete die Genese des Begriffs anhand der Entwicklung der klassischen politischen [[Ökonomie]] heraus: „Sobald ... die Ökonomen [die] Wertbestimmung durch die Arbeit anwandten auf die Ware 'Arbeit', gerieten sie von einem Widerspruch in den andern. Wie wird der Wert der 'Arbeit' bestimmt? Durch die in ihr steckende notwendige Arbeit. ... Die klassische Ökonomie versuchte es also mit einer andern Wendung; sie sagte: Der Wert einer Ware ist gleich ihren Produktionskosten. Aber was sind die Produktionskosten der Arbeit? Um diese Frage zu beantworten, müssen die Ökonomen der Logik ein bisschen Gewalt antun. Statt der [[Produktionskosten]] der Arbeit selbst, die leider nicht zu ermitteln sind, untersuchen sie nun, was die Produktionskosten des Arbeiters sind. ... Was die Ökonomen als die Produktionskosten 'der Arbeit' angesehen hatten, waren die Produktionskosten ... des lebendigen Arbeiters selbst. Und was dieser dem Kapitalisten verkaufte, war nicht seine Arbeit ... (die doch erst geschehen sein müsste), sondern er stellt dem Kapitalisten ... seine Arbeitskraft gegen eine bestimmte Zahlung zur Verfügung: Er vermietet resp. verkauft seine Arbeitskraft. ... Die Schwierigkeit, an der die besten Ökonomen scheiterten, solange sie vom Wert der 'Arbeit' ausgingen, verschwindet, sobald wir statt dessen vom Wert der 'Arbeitskraft' ausgehen. Die Arbeitskraft ist eine Ware in unsrer heutigen kapitalistischen Gesellschaft, eine Ware wie jede andere, aber doch eine ganz besondere Ware. Sie hat nämlich die besondere Eigenschaft, wertschaffende Kraft, Quelle von Wert zu sein, und zwar, bei geeigneter Behandlung, Quelle von mehr Wert, als sie selbst besitzt.“<ref>Friedrich Engels: ''Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital'', MEW 6, S. 595, 598.</ref>


Zwischen der Depression und chronischen Erkrankungen sieht [[Rudolf Steiner]] einen engen Zusammenhang.
Marx ermöglicht diese neue Fassung der Problematik unter anderem, die Kategorie der Mehrarbeit zu entwickeln und seine Mehrwerttheorie zu entfalten. Die Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen Arbeit und Arbeitskraft macht Marx im [[Das Kapital|Kapital]] unter anderem dann deutlich, wenn er festhält, dass die „Arbeitskraft, die in der Persönlichkeit des Arbeiters existiert, ... von ihrer Funktion, der Arbeit, ebenso verschieden ist, wie eine Maschine von ihren Operationen.“<ref>Karl Marx: ''Das Kapital I'', MEW 23, S. 561.</ref> Über die Probleme der klassischen politischen Ökonomie bei der Bestimmung des Werts der Arbeit äußert er sich beispielsweise folgenderweise: „Wodurch wäre also der Wert z.B. eines zwölfstündigen Arbeitstages bestimmt? Durch die in einem Arbeitstag von 12 Stunden enthaltenen 12 Arbeitsstunden, was eine abgeschmackte [[Tautologie (Logik)|Tautologie]] ist.“<ref>Karl Marx: ''Das Kapital I'', MEW 23, S. 557.</ref> Wie Engels beschreibt auch Marx die Problematik der klassischen politischen Ökonomie: „Beschäftigt mit dem Unterschied zwischen den [[Marktpreis]]en der Arbeit und ihrem sog. Wert, ... entdeckte man niemals, dass der Gang der Analyse nicht nur von den Marktpreisen der Arbeit zu ihrem vermeintlichen Wert, sondern dahin geführt hatte, diesen Wert der Arbeit selbst wieder aufzulösen in den Wert der Arbeitskraft. Die Bewusstlosigkeit über dies Resultat ihrer eignen Analyse ... verwickelte ... die klassische politische Ökonomie in unauflösbare Wirren und Widersprüche“<ref>Karl Marx: ''Das Kapital I'', MEW 23, S. 561.</ref>


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In Anschluss an [[Louis Althusser]] könnte argumentiert werden, Marx und Engels nehmen eine Art ''symptomale Lektüre''<ref>„Eine symptomale Lektüre hat die Rekonstruktion der »Problematik« eines Textes zum Ziel, d.h. des theoretisch-analytischen Bezugsrahmens, in dem bestimmte Begriffe, Konzepte, Theorien etc. funktionieren“; vgl. Louis Althusser: ''Für Marx'', Frankfurt/Main 1968.</ref> der klassischen politischen Ökonomie vor, das heißt, sie arbeiten die ungestellten Fragen und damit verbundenen Problematiken heraus, auf die die Klassiker jedoch implizit schon eine Antwort gaben,<ref>„Man trifft in Texten immer wieder auf symptomatische Mängel in Form von Leerstellen und Widersprüchen. Symptomatisch sind sie, weil sie auf ein zu Grunde liegendes theoretisches Problem verweisen. Althussers Paradebeispiel hierfür sind Antworten auf nicht gestellte Fragen...“; Lars Bretthauer/[[Alexander Gallas]]/[[John Kannankulam]]/[[Ingo Stützle]]: ''Einleitung'', in: dieselben (Hrsg.): ''Poulantzas lesen''.</ref> nämlich dass der von ihnen so bezeichnete Wert der Arbeit eigentlich den Wert der Arbeitskraft darstellt.
"Wir müssen gewissermaßen mehr auf den Lebenslauf des Menschen hinschauen als auf die Symptome, wenn es zum Chronischen kommt.
Nun aber kommt es zur gewöhnlichen physischen chronischen Erkrankung, wenn der ganze Vorgang so im Organ gehalten werden kann, daß astralischer Leib und Ätherleib richtig ihren Anteil nehmen an der Organwirkung und so viel als nötig ist, in die Organwirkung hineinsenden. Ist der Kranke so konstituiert, daß er ertragen kann ein unordentliches Hereinwirken des astralischen Leibes auf dem Umweg durch den Ätherleib in sein Organ, ist der Kranke also so geartet, daß er den abnormen Zusammenhang seines astralischen Leibes mit seiner Leber über einen gewissen kritischen Punkt hinwegbringt, so daß gewissermaßen die Leber nicht merkt, daß der astralische Leib nicht ordentlich in sie hineinwirkt, dann, ich möchte sagen, erholt sich die Leber, aber sie gewöhnt sich an das unordentliche Hineinwirken des astralischen Leibes. Das braucht dann nur lange genug fortzuschreiten und es macht den umgekehrten Weg in das Seelische hinein.
Das, was die Leber aufnehmen sollte ins Physische, schiebt sie in das Seelische hinein, und wir haben die Depression, so daß also in einer gewissen Weise dadurch, daß der Mensch chronische Krankheiten über einen gewissen Punkt hin bis zu der abnormen Beziehung zum astralischen Leib hin übersteht, die Anlage gegeben wird zur sogenannten geistigen Erkrankung." {{Lit|{{G|312|377}}}}
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== Die materialistische Weltsicht als Ursache für Depressionen ==
== Heutiges Verständnis über die Arbeitskraft ==
Heute wird das Wort Arbeitskraft meist synonym für [[Arbeitnehmer]] verwandt. Sie sind die Anbieter von Arbeitskraft auf dem [[Arbeitsmarkt]]. Es gibt jedoch unterschiedliche Auffassungen darüber, ob es sich beim Tauschobjekt auf dem Arbeitsmarkt um Arbeitskraft,<ref>[[Elmar Altvater]]: ''Arbeitsmarkt und Krise'', in: [[Michael Bolle]] (Hrsg.): ''Arbeitsmarkttheorie und Arbeitsmarktpolitik'', 1976, S. 52.</ref> [[Arbeitsleistung]],<ref>[[Dieter Mertens (Volkswirt)|Dieter Mertens]]: ''Der Arbeitsmarkt als System von Angebot und Nachfrage'', in: MittAB, 1973, S. 279.</ref> [[Arbeitsverhältnis]]se<ref>J. Kühl, ''Bezugssystem für Ansätze einer Theorie der erwerbswirtschaftlichen und kontrahierten Arbeit'', in: MittAB, 4/1975, S. 289.</ref> oder [[Arbeitsvertrag|Arbeitsverträge]]<ref>Wolfgang Kleber: ''Arbeitsmarkt und Arbeitsmobilität'', 1979, S. 2 ff.</ref> handelt. [[Gudrun-Axeli Knapp]] versteht 1998 Arbeitskraft als die „auf bestimmte Anwendungsbedingungen hin spezifizierten Seiten des Arbeitsvermögens“,<ref>[[Gudrun-Axeli Knapp]]: ''Arbeitsteilung und Sozialisation'', in: Ursula Beer (Hrsg.): ''Klasse Geschlecht: Feministische Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftskritik'', 1998, S. 242.</ref> denn nur „in utopischen Verhältnissen nicht entfremdeter Arbeit (…) können subjektives Arbeitsvermögen und sich entäußernde Arbeitskraft als identisch … gedacht werden“.<ref>Gudrun-Axeli Knapp: ''Arbeitsteilung und Sozialisation'', in: Ursula Beer (Hrsg.): ''Klasse Geschlecht: Feministische Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftskritik'', 1998, S. 239.</ref>


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Als Einheit zur Messung der Arbeitskraft wird heute häufig die [[Personenstunde]] (früher: ''Mannstunde'') oder längere [[Zeiteinheit]]en herangezogen. Begriffe wie Arbeitskräftemangel oder -überschuss beherrschen die politische Debatte und stehen für [[Überbeschäftigung]] (höhere [[Arbeitsnachfrage]]) bzw. [[Unterbeschäftigung]] (höheres [[Arbeitsangebot]], [[Arbeitslosigkeit]], [[Erwerbspersonenpotential]]).
"Wie leidet heute mancher Mensch praktisch unter den naturwissenschaftlichen Vorurteilen! Da steht ein Mensch, und wenn er ein naturwissenschaftlicher Gläubiger und den Geist Ablehnender ist, so sagt er sich wohl: Da habe ich eine gewisse Art der Individualität an mir; ich schaue hinauf zu meiner Blutsverwandtschaft und muß erkennen, wie ich das Ergebnis der Vererbung seitens dieser meiner Blutsverwandtschaft bin. - Dann senkt sich Depression, Energielosigkeit und Unfähigkeit des Ankämpfens gegen ein Schicksal in manche Seele. Denn wenn es so wäre, daß der Mensch nur das Ergebnis der Vererbung wäre, dann würde es ebenso unmöglich sein, die schlimmen Wirkungen der Vererbung aufzuhalten, wie es unmöglich ist, den Blitz, der gegen einen Menschen zuckt, aufzuhalten." {{Lit|{{G|062|112}}}}
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Durch den zunehmenden materiellen Wohlstand kommt es, beim fehlen einer zeitgemäßen Geistigkeit, zu einer Verödung der Seele. Diese wird versucht durch zerstreuende Aktivitäten zu überdecken:
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Arbeitskraft}}


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== Literatur ==
"Und wenn es so fortgehen würde, dass das äußere Leben immer angenehmer, immer gesünder würde, wie man es nach den allgemeinen Vorstellungen im rein materialistischen Leben haben kann, dann würden solche Seelen immer weniger Ansporn haben, in sich selber weiterzukommen. Eine Verödung der Seelen würde in gewissem Sinne parallel einhergehen.  
* Gerard Bensussan: ''Arbeitskraft''. Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, 1983.
* Roberto Finelli (I.), Kurt Jacobs (II.): [http://www.inkrit.de/e_inkritpedia/e_maincode/doku.php?id=a:arbeitskraft ''Arbeitskraft''], Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, 1994, Spalten 513–519.


Wer sich genauer das Leben ansieht, kann das heute schon bemerken. In kaum einem Zeitalter hat es so viele Menschen gegeben, welche in so angenehmen äußeren Verhältnissen leben, aber mit öden, unbeschäftigten Seelen einhergehen, wie es heute der Fall ist. Diese Menschen eilen darum von Sensation zu Sensation; dann, wenn das Pekuniäre reicht, reisen sie von Stadt zu Stadt, um etwas zu sehen, oder wenn sie in derselben Stadt bleiben müssen, eilen sie jeden Abend von Vergnügen zu Vergnügen. Die Seele bleibt aber darum doch öde, weiß zuletzt selber nicht mehr, was sie aufsuchen soll in der Welt, um einen Inhalt zu bekommen. Namentlich wird durch ein Leben in rein äußeren, physisch annehmlichen Zuständen der Hang erzeugt, nur über das Physische nach zu denken. Und wenn diese Neigung, sich nur mit dem Physischen zu beschäftigen, nicht schon lange vorhanden wäre, so würde auch nicht die Neigung zum theoretischen Materialismus so stark geworden sein, wie es in unserer Zeit der Fall ist. So werden die Seelen leidender, während das äußere Leben gesünder gemacht wird." {{Lit|{{G|120|175}}}}
== Weblinks ==
</div>
{{Wiktionary|Arbeitskraft}}
 
* [http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_a/arbeitskraft.html Arbeitskraft], marx-forum.de
== Psychopharmaka ==
 
Von einer dauerhaften Einnahme von Psychopharmaka ist abzuraten. Meist werden in der akuten Krise klinisch [[Wikipedia:Antidepressiva|Antidepressiva]] eingesetzt. Wenn dies nicht hilft, kommt es auch zum Einsatz von [[Breitspektrumpsychopharmaka]] aus der Gruppe der [[Wikipedia:Neuroleptika|Neuroleptika]], wie z.B. Sulpirid und Quetiapin.
 
== Phytopharmaka, Homöophatika und anthroposophische Heilmittel ==
 
Zur längerfristigen Behandlung ist Johanniskraut geeignet. Dies wird z.B. als Hyperforat angeboten. Auch Kava Hevert (Piper methysticum D 4) ist in Kombination mit Baldrian bei Angst und Spannungszuständen geeignet.
 
Aus dem Heilmittelset der anthroposophischen Medizin ist vor allem das Hepatodoron angezeigt.
 
== Siehe auch ==
* [[Melancholiker]]
* [[Selbstmord]]
* [[Hoffnung]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>


<references />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4002623-1}}
 
== Literatur  ==
#Rudolf Steiner: ''Heilpädagogischer Kurs'', [[GA 317]] (1995), ISBN 3-7274-3171-7{{Vorträge|317}}
#Rudolf Steiner/Ita Wegman: ''Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen'', [[GA 27]] (1991), ISBN 3-7274-0270-9; '''Tb 701''', ISBN 978-3-7274-7010-3 {{Schriften|027}}
#Rudolf Steiner: ''Geist und Stoff, Leben und Tod'', [[GA 66]] (1988), ISBN 3-7274-0660-7 {{Vorträge|066}}
#Rudolf Steiner: ''Vergangenheits- und Zukunftsimpulse im sozialen Geschehen'', [[GA 190]] (1980), ISBN 3-7274-1900-8 {{Vorträge|190}}
#Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaft und Medizin'', [[GA 312]] (1999), ISBN 3-7274-3120-2 {{Vorträge|312}}
#Rudolf Steiner: ''Ergebnisse der Geistesforschung'', [[GA 62]] (1988), ISBN 3-7274-0620-8 {{Vorträge|062}}
#Rudolf Steiner: ''Die Offenbarungen des Karma'', [[GA 120]] (1992), ISBN 3-7274-1200-3 {{Vorträge|120}}
#Olaf Koob: ''Die dunkle Nacht der Seele, Wege aus der Depression'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2007
#Eckhard Roediger: ''Besser leben lernen. Innere Balance zwischen Wunsch und Wirklichkeit'', Urachhaus Vlg., Stuttgart 2007
#Gerhard Leibold: ''Sanfte Hilfen für die Seele''. Homöopathische Therapien bei Angst, Depression und anderen psychischen Störungen, Dr. Werner Jopp Vlg., Wiesbaden 1993
 
{{GA}}
 
== Weblinks ==
 
* [http://www.lammers-koll-verlag.de/downloads/lp_wesensgeheimnis.pdf Heinz Grill: ''Das Wesensgeheimnis der psychischen Erkrankungen'']


[[Category:Seelenleben]]
[[Kategorie:Marxistische Wirtschaftstheorie|B]]
[[Kategorie:Klassische Nationalökonomie]]
[[Kategorie:Fähigkeiten als Kapital]]
[[Kategorie:Soziologie der Arbeit]]
[[Kategorie:Personalwesen]]
[[Kategorie:Geistkapital]]
[[Kategorie:Kapital]]
{{Wikipedia}}

Version vom 12. Mai 2021, 07:06 Uhr

Unter Arbeitskraft versteht man in der Wirtschaft die mit körperlicher oder geistiger Tätigkeit verbundene maximale oder tatsächliche Arbeitsleistung von Arbeitspersonen, die die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllen.

Allgemeines

Arten der Betätigung

Nur Menschen haben die Fähigkeit entwickelt, Arbeit zu leisten.[1] Diese Arbeit kann aus körperlicher oder geistiger Arbeit, auf Plankonformität, Weisheitsvermittlung oder Sozialstrukturförderung beruhender Arbeit (Art der Betätigung) oder leitender oder ausführender Arbeit (Rangstellung) bestehen. Das Kompositum Arbeitskraft setzt sich aus den Bestandteilen „Arbeit“ für jede Art von Tätigkeit gegen Arbeitsentgelt und „Kraft“ im Sinne einer Person (wie bei Führungskraft, Fachkraft oder Bürokraft) und weniger der physikalischen Kraft zusammen. Danach handelt es sich um Personen, die Arbeit gegen Entgelt leisten.

Begriffsgeschichte

Arbeit stammt aus dem Lateinischen arvus ("Ackerlandbearbeitung"), über das Althochdeutschen arabeit, über das Mittelhochdeutsche arebeit.[2] Kraft ist germanischen Ursprungs[3] und bezeichnete Muskelanspannung.[4]

Die führenden Vertreter der klassischen Nationalökonomie befassten sich mit der menschlichen Arbeitskraft und entwickelten hieraus unter anderem ihre Lohnfondstheorien. Später griff Karl Marx die Klassiker auf und machte den Begriff der Arbeitskraft zu einem zentralen Faktor seiner philosophischen Kritik der politischen Ökonomie.

Klassische Nationalökonomie

Jacques Turgot verstand 1766 unter Arbeit einerseits nur die vom Boden getrennte Arbeitskraft, andererseits aber auch das von dieser Arbeitskraft geschaffene Produkt.[5] Adam Smith wies im März 1776 in seinem berühmten Buch Der Wohlstand der Nationen nach, dass durch Arbeitsteilung (Spezialisierung) die Arbeitsproduktivität der Arbeitskraft erheblich gesteigert werden kann.[6] Jean-Baptiste Say erkannte als erster im Jahre 1817, dass alle Güter durch das Zusammenwirken dreier Produktionsfaktoren entstehen, und zwar der Natur (der Boden; franz. agents naturels), des Kapitals (franz. capital) und der menschlichen Arbeitskraft (franz. faculté industrielle).[7] David Ricardo betonte 1817, dass die Nachfrage nach Arbeitskraft nicht entsprechend dem gesamten Kapital wächst, sondern nur mit dem umlaufenden, soweit es als Lohnfonds dient.[8] Er forderte, dass die Löhne ausreichen müssten, um die physische Arbeitskraft der Bevölkerung zu erhalten. Er stellt sein Lohngesetz als die Folge aus der Tatsache hin, dass das natürliche Angebot von Arbeit (Vermehrung von Arbeitskräften) schneller zunehme als das der Beschäftigung von Arbeitskräften dienende zirkulierende Kapital. Deshalb führe eine Verringerung des zirkulierenden Kapitals zu einer sinkenden Nachfrage nach Arbeitskräften.[9] Für den deutschen Nationalökonomen Hermann Roesler ist die Arbeitskraft 1871 „nur die organisch bestimmte Form einer Quantität Unterhaltsmasse, welche sich im fortlaufenden Lebensprozess des Individuums ständig zu verflüchtigen strebt“.[10]

Karl Marx

Der Begriff Arbeitskraft wurde durch Karl Marx ideologisch konnotiert. Der noch bei David Ricardo und Adam Smith lediglich anklingende Warencharakter der Arbeitskraft im Kapitalismus findet sich voll entfaltet bei Marx. Für ihn war die Arbeitskraft eine „Ware“,[11] denn der Käufer der Arbeitskraft (Arbeitgeber, Kapitalist) konsumiert sie, indem er ihren Verkäufer (Arbeitnehmer, Proletarier) arbeiten lässt. „Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehen wir den Inbegriff der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existieren und die er in Bewegung setzt, sooft er Gebrauchswerte irgend einer Art produziert“.[11] „Jeder Betrieb der Warenproduktion wird zugleich Betrieb der Ausbeutung der Arbeitskraft“.[12] Dabei bleibt die Persönlichkeit des Proletariers unberührt, denn er verkauft nur einen Teil von sich – die Arbeitskraft. Die Marxsche Mehrwerttheorie beruht auf einer Unterscheidung von Arbeitskraft und Arbeit. Marx war der Auffassung, dass weder Boden noch Kapital einen Mehrwert schaffen würden, sondern allein die Arbeitskraft. Der Mehrwert der Ware entspringe aus dem Gebrauchswert der „Ware Arbeitskraft“ bzw. deren Konsumtion durch den Kapitalisten, von dessen Standpunkt der Arbeitsprozess lediglich die Konsumtion der von ihm gekauften „Ware Arbeitskraft“ sei, die er jedoch nur konsumieren könne, wenn er ihr Produktionsmittel zufüge.[13]

Arbeitskraft in der Kritik der politischen Ökonomie

Marx schreibt sich den Verdienst zu – im Gegensatz zur klassischen Nationalökonomie – zwischen Arbeit und „Arbeitskraft“ zu unterscheiden. Die Lohnarbeiter verkaufen ihre Arbeitskraft als Ware. Der Wert dieser Ware bestimmt sich gemäß Arbeitswertlehre als die Arbeitszeit, die notwendig ist, um die Arbeitskraft der Arbeiter zu erhalten. Marx erklärt dann den Mehrwert damit, dass die Lohnarbeiter länger arbeiten als zur Reproduktion ihrer eigenen Arbeitskraft notwendig ist, also unbezahlte Mehrarbeit leisten. Der durch diese unbezahlte Mehrarbeit geschaffene Wert ist der Mehrwert, der bei den Kapitalisten verbleibt. Für Marx ist der Mehrwert also die Differenz zwischen dem Wert der Ware Arbeitskraft einerseits und dem während ihrer Verausgabung, also während der Gesamtarbeitszeit, geschaffenen Wert, dem Neuwert, andererseits.[14][15]

Theoriegeschichte

Marx entwickelte das Konzept der Arbeitskraft erstmals in den Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie von 1857. Wie Friedrich Engels später bezüglich früherer Schriften anmerkt, „erscheinen Ausdrücke und ganze Sätze vom Standpunkt der späteren Schriften aus schief und selbst unrichtig ...“,[16] weshalb er beispielsweise zur Wiederveröffentlichung von Marxens Lohnarbeit und Kapital Änderungen vornahm, die sich „alle um einen Punkt“ drehen: „Nach dem Original verkauft der Arbeiter für den Arbeitslohn dem Kapitalisten seine Arbeit, nach dem jetzigen Text seine Arbeitskraft.“[17] Engels arbeitete die Genese des Begriffs anhand der Entwicklung der klassischen politischen Ökonomie heraus: „Sobald ... die Ökonomen [die] Wertbestimmung durch die Arbeit anwandten auf die Ware 'Arbeit', gerieten sie von einem Widerspruch in den andern. Wie wird der Wert der 'Arbeit' bestimmt? Durch die in ihr steckende notwendige Arbeit. ... Die klassische Ökonomie versuchte es also mit einer andern Wendung; sie sagte: Der Wert einer Ware ist gleich ihren Produktionskosten. Aber was sind die Produktionskosten der Arbeit? Um diese Frage zu beantworten, müssen die Ökonomen der Logik ein bisschen Gewalt antun. Statt der Produktionskosten der Arbeit selbst, die leider nicht zu ermitteln sind, untersuchen sie nun, was die Produktionskosten des Arbeiters sind. ... Was die Ökonomen als die Produktionskosten 'der Arbeit' angesehen hatten, waren die Produktionskosten ... des lebendigen Arbeiters selbst. Und was dieser dem Kapitalisten verkaufte, war nicht seine Arbeit ... (die doch erst geschehen sein müsste), sondern er stellt dem Kapitalisten ... seine Arbeitskraft gegen eine bestimmte Zahlung zur Verfügung: Er vermietet resp. verkauft seine Arbeitskraft. ... Die Schwierigkeit, an der die besten Ökonomen scheiterten, solange sie vom Wert der 'Arbeit' ausgingen, verschwindet, sobald wir statt dessen vom Wert der 'Arbeitskraft' ausgehen. Die Arbeitskraft ist eine Ware in unsrer heutigen kapitalistischen Gesellschaft, eine Ware wie jede andere, aber doch eine ganz besondere Ware. Sie hat nämlich die besondere Eigenschaft, wertschaffende Kraft, Quelle von Wert zu sein, und zwar, bei geeigneter Behandlung, Quelle von mehr Wert, als sie selbst besitzt.“[18]

Marx ermöglicht diese neue Fassung der Problematik unter anderem, die Kategorie der Mehrarbeit zu entwickeln und seine Mehrwerttheorie zu entfalten. Die Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen Arbeit und Arbeitskraft macht Marx im Kapital unter anderem dann deutlich, wenn er festhält, dass die „Arbeitskraft, die in der Persönlichkeit des Arbeiters existiert, ... von ihrer Funktion, der Arbeit, ebenso verschieden ist, wie eine Maschine von ihren Operationen.“[19] Über die Probleme der klassischen politischen Ökonomie bei der Bestimmung des Werts der Arbeit äußert er sich beispielsweise folgenderweise: „Wodurch wäre also der Wert z.B. eines zwölfstündigen Arbeitstages bestimmt? Durch die in einem Arbeitstag von 12 Stunden enthaltenen 12 Arbeitsstunden, was eine abgeschmackte Tautologie ist.“[20] Wie Engels beschreibt auch Marx die Problematik der klassischen politischen Ökonomie: „Beschäftigt mit dem Unterschied zwischen den Marktpreisen der Arbeit und ihrem sog. Wert, ... entdeckte man niemals, dass der Gang der Analyse nicht nur von den Marktpreisen der Arbeit zu ihrem vermeintlichen Wert, sondern dahin geführt hatte, diesen Wert der Arbeit selbst wieder aufzulösen in den Wert der Arbeitskraft. Die Bewusstlosigkeit über dies Resultat ihrer eignen Analyse ... verwickelte ... die klassische politische Ökonomie in unauflösbare Wirren und Widersprüche“[21]

In Anschluss an Louis Althusser könnte argumentiert werden, Marx und Engels nehmen eine Art symptomale Lektüre[22] der klassischen politischen Ökonomie vor, das heißt, sie arbeiten die ungestellten Fragen und damit verbundenen Problematiken heraus, auf die die Klassiker jedoch implizit schon eine Antwort gaben,[23] nämlich dass der von ihnen so bezeichnete Wert der Arbeit eigentlich den Wert der Arbeitskraft darstellt.

Heutiges Verständnis über die Arbeitskraft

Heute wird das Wort Arbeitskraft meist synonym für Arbeitnehmer verwandt. Sie sind die Anbieter von Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt jedoch unterschiedliche Auffassungen darüber, ob es sich beim Tauschobjekt auf dem Arbeitsmarkt um Arbeitskraft,[24] Arbeitsleistung,[25] Arbeitsverhältnisse[26] oder Arbeitsverträge[27] handelt. Gudrun-Axeli Knapp versteht 1998 Arbeitskraft als die „auf bestimmte Anwendungsbedingungen hin spezifizierten Seiten des Arbeitsvermögens“,[28] denn nur „in utopischen Verhältnissen nicht entfremdeter Arbeit (…) können subjektives Arbeitsvermögen und sich entäußernde Arbeitskraft als identisch … gedacht werden“.[29]

Als Einheit zur Messung der Arbeitskraft wird heute häufig die Personenstunde (früher: Mannstunde) oder längere Zeiteinheiten herangezogen. Begriffe wie Arbeitskräftemangel oder -überschuss beherrschen die politische Debatte und stehen für Überbeschäftigung (höhere Arbeitsnachfrage) bzw. Unterbeschäftigung (höheres Arbeitsangebot, Arbeitslosigkeit, Erwerbspersonenpotential).

Siehe auch

Literatur

  • Gerard Bensussan: Arbeitskraft. Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, 1983.
  • Roberto Finelli (I.), Kurt Jacobs (II.): Arbeitskraft, Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, 1994, Spalten 513–519.

Weblinks

 Wiktionary: Arbeitskraft – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Gabler Wirtschaftslexikon: Arbeit, Band 1, 1984, Sp. 256.
  2.  Friedrich L. Weigand: Deutsches Wörterbuch. 5 Auflage. 1, Walter de Gruyter, 1968, S. 81 (eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche)..
  3.  Günther Drosdowski, Paul Grebe: Das Herkunftswörterbuch. Die Etymologie der deutschen Sprache. Bd. 7. Dudenverlag, Mannheim 1963, ISBN 978-3-411-00907-7, S. 364.
  4. Wolfgang Pfeifer (Leitung): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Ungekürzte, durchgesehene Ausgabe. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1995. ISBN 3-05-000626-9; 7. Aufl. 2004, ISBN 3-423-32511-9. Eine digitale Fassung dieses Wörterbuchs ist im lexikalischen Informationssystem abrufbar: dwds.de.
  5. Jacques Turgot: Réflexions sur la Formation et la Distribution des Richesses, 1766, S. 94.
  6. Adam Smith: An Inquiry into the Nature and Causes of the Welfare of Nations, 1776, S. 9 f.
  7. Jean-Baptiste Say: Traite d'economie politique, 1817, S. 480.
  8. David Ricardo: On the Principles of Political Economy and Taxation, 1817, S. 238.
  9. David Ricardo: On the Principles of Political Economy and Taxation, 1817, S. 239.
  10. Hermann Roesler: Über die Grundlehren der von Adam Smith begründeten Volkswirthschaftstheorie, 1871, S. 178.
  11. 11,0 11,1 Karl Marx: Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie, Band 1, 1872, S. 152.
  12. Karl Marx: Das Kapital: Der Zirkulationsprozess des Kapitals, 1890, S. 42.
  13. Karl Marx: Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie, Band 1, 1872, S. 172.
  14. Michael Heinrich: Die Wissenschaft vom Wert, 3. korr. Auflage, Münster 2003, S. 259 ff.
  15. Zur Arbeitskraft bei Karl Marx vgl. z. B. Emmanuel Farjoun/Moshe Machover: Laws of Chaos; A Probabilistic Approach to Political Economy, London: Verso, 1983. Free verso books. Dort S. 88 ff. „2. Labour-power - the Essential Commodity of Capitalism“.
  16. Friedrich Engels: Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, S. 593.
  17. Friedrich Engels: Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, S. 594.
  18. Friedrich Engels: Einleitung zu Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, S. 595, 598.
  19. Karl Marx: Das Kapital I, MEW 23, S. 561.
  20. Karl Marx: Das Kapital I, MEW 23, S. 557.
  21. Karl Marx: Das Kapital I, MEW 23, S. 561.
  22. „Eine symptomale Lektüre hat die Rekonstruktion der »Problematik« eines Textes zum Ziel, d.h. des theoretisch-analytischen Bezugsrahmens, in dem bestimmte Begriffe, Konzepte, Theorien etc. funktionieren“; vgl. Louis Althusser: Für Marx, Frankfurt/Main 1968.
  23. „Man trifft in Texten immer wieder auf symptomatische Mängel in Form von Leerstellen und Widersprüchen. Symptomatisch sind sie, weil sie auf ein zu Grunde liegendes theoretisches Problem verweisen. Althussers Paradebeispiel hierfür sind Antworten auf nicht gestellte Fragen...“; Lars Bretthauer/Alexander Gallas/John Kannankulam/Ingo Stützle: Einleitung, in: dieselben (Hrsg.): Poulantzas lesen.
  24. Elmar Altvater: Arbeitsmarkt und Krise, in: Michael Bolle (Hrsg.): Arbeitsmarkttheorie und Arbeitsmarktpolitik, 1976, S. 52.
  25. Dieter Mertens: Der Arbeitsmarkt als System von Angebot und Nachfrage, in: MittAB, 1973, S. 279.
  26. J. Kühl, Bezugssystem für Ansätze einer Theorie der erwerbswirtschaftlichen und kontrahierten Arbeit, in: MittAB, 4/1975, S. 289.
  27. Wolfgang Kleber: Arbeitsmarkt und Arbeitsmobilität, 1979, S. 2 ff.
  28. Gudrun-Axeli Knapp: Arbeitsteilung und Sozialisation, in: Ursula Beer (Hrsg.): Klasse Geschlecht: Feministische Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftskritik, 1998, S. 242.
  29. Gudrun-Axeli Knapp: Arbeitsteilung und Sozialisation, in: Ursula Beer (Hrsg.): Klasse Geschlecht: Feministische Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftskritik, 1998, S. 239.
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