Christliche Mystik und Nikolaus Kopernikus: Unterschied zwischen den Seiten

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Der Ausdruck '''christliche Mystik''' ist ein Sammelbegriff für Texte, Autoren und Gruppierungen innerhalb des [[Christentum]]s, auf die rückblickend die [[Religionswissenschaft|religionswissenschaftliche]] Kategorie „[[Mystik]]“ anwendbar ist. Es werden allerdings unterschiedliche Bestimmungen des Mystikbegriffs vorgeschlagen. Die Zurechnung zu „christlicher Mystik“ ist sowohl von dieser Begriffsbestimmung abhängig als auch von der Interpretation der entsprechenden [[Primärtext]]e. Beides ist vielfach kontrovers. Eine typische Minimalbestimmung versteht Mystik als eine Praxis, die auf eine Einswerdung ([[unio mystica]]) mit [[Gott (Christentum)|Gott]] zielt, die bereits im diesseitigen Leben teilweise erfahren werden soll,  sowie Elemente einer Theorie, welche die Möglichkeit einer solchen Erfahrung erklären und bestimmen soll.<ref>Einen kompakten Überblick zu verschiedenen Definitionsversuchen bietet z.&nbsp;B. Bernard McGinn: ''Presence of God: a History of Western Christian Mysticism''. 5 Bände, auch in deutscher Übersetzung bei Herder, 1994&nbsp;ff., hier Bd. 1, 265&nbsp;ff. Zu Definitionsproblemen äußert sich fast jede Einführung ins Thema, etwa: Volker Leppin: ''Die christliche Mystik'', C.&nbsp;H. Beck, 2007.</ref> So wird das „Bewusstsein von Gottes unmittelbarer Gegenwart“ als gemeinsamer Bezugsrahmen für die unterschiedlichen Lehren der [[Wikipedia:Liste_von_Mystikern#Christliche_Mystiker_und_wirkungsgeschichtlich_wichtige_Autoren_zur_mystischen_Theologie|abendländisch-christlichen Mystiker]] vorgeschlagen und die „Verwandlung in Gott“ als Ziel des mystischen Weges bestimmt.<ref>Bernard McGinn: ''Die Mystik im Abendland.'' Herder, 2005, Bd. 4, S. 291, 505.</ref> Nicht nur in der [[Katholische Theologie|katholischen Theologie]] gibt es keinen einheitlichen Begriff von Mystik, was damit zusammenhängt, dass die Bedeutung des Wortes sich im Laufe der Geschichte verändert hat.<ref>F. Wulf: ''Mystik''. In: ''Handbuch theologischer Grundbegriffe'', Band 3, München 1970, S. 189–200; Werner Thiede: ''Mystik im Zentrum – Mystik am Rand''. In: ''Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern'' 13, 2006, S. 7 ({{Webarchiv | url=http://www.mystik-im-christentum.de/4.html | wayback=20160407003046 | text=Memento vom 7. April 2016}}).</ref>
[[Datei:Kopernikus, Nikolaus ca. 1589 - Thorner Copernicus-Epitaph.jpg|thumb|right|300px|Ausschnitt aus dem Copernicus-Epitaph in der Kirche St. Johann in [[Wikipedia:Toruń|Thorn]], wo Copernicus 1473 getauft wurde.]]


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'''Nikolaus Kopernikus''', bürglicher Name '''Niklas Koppernigk''' (* [[Wikipedia:19. Februar|19. Februar]] [[Wikipedia:1473|1473]] in [[Wikipedia:Toruń|Thorn]]; † [[Wikipedia:24. Mai|24. Mai]] [[Wikipedia:1543|1543]] in [[Wikipedia:Frombork|Frauenburg]]), latinisierte Namensversion '''Nicolaus Coppernicus''', auch '''Copernicus''', Domherr und Arzt in Frauenburg, der in seiner Freizeit astronomische und mathematische Studien betrieb. Begründer des [[Kopernikanisches Weltbild|kopernikanischen Weltbildes]].


== Ideengeschichte ==
==Jugend und Studienjahre==
=== Biblischer Ursprung ===
Die substantivische Form des Wortes Mystik entsteht erst im [[17. Jahrhundert]]; das Adjektiv ‚mystisch’ bezieht sich bei den frühen Theologen auf den inneren, verborgenen oder geistigen Sinn der Bibel als Offenbarung, die aber zugleich ''[[Mysterium]]'' bleibt. Im Neuen Testament bedeutet „Mysterium“ den verborgenen ewigen ''[[Heilsgeschichte|Heilsplan Gottes]]'' für seine Schöpfung, den er in der [[Fleischwerdung]], Tod und [[Auferstehung Jesu Christi|Auferstehung seines Sohnes]] erfüllt hat (1 Kor 2,7; Eph 1,9-11; 3,4-9; 5,32f; Kol 1,26f). Aus griech. ‚mysterion’ entwickelte sich in der christlichen Theologie das lat. ‚sacramentum’, das heißt die drei [[Sakrament]]e der Einweihung (Initiation): [[Taufe]], [[Firmung]] und [[Eucharistie]]. „Für die Menschen in der Antike war ein mysterion eine Art von Wissen, in das durch Initiation eingeführt werden musste. Es gibt manche Dinge, die nur gewusst werden können, wenn man sie erfährt; jedes tiefergehende spirituelle oder psychologische Verstehen gehört in diesen Bereich. Aus diesem Grund ist das Wort mysterion (Geheimnis) im Neuen Testament sehr wichtig.“<ref>John Sanford: ''Das Johannesevangelium. Eine tiefenpsychologische Auslegung'', 2 Bde., München 1997, Bd. I, S. 47.</ref>


Wörter wie Mystik, Mysterium oder Mitte beginnen mit der Vorsilbe My- oder Mi-, die im Gegensatz steht zur Vorsilbe Ma- in Wörtern wie Materie, Mater oder Manifestation. Meint letzteres die vor Augen liegende sichtbare und handgreifliche Wirklichkeit des Körperlichen, so bezieht sich ersteres auf die verborgene, unsichtbare und mit dem Verstand unfassbare Wirklichkeit des Geistigen oder Göttlichen, das heißt des ''Einen''. Als „Zentrum christlicher Mystik“ gilt die Einung mit Gott oder seine Ein-wohnung in das menschliche Herz (s.&nbsp;u.).<ref>Vgl. Saskia Wendel: ''Christliche Mystik. Eine Einführung'', Kevelaer 2004, S. 27–85.</ref>
Kopernikus wuchs als Jüngster von vier Geschwistern in [[Wikipedia:Toruń|Thorn]] an der Weichsel auf, einer der zahlreichen Handelsstädte, die im 13. Jahrhundert von deutschen Aussiedlern in dem ursprünglich vom Stamm der [[Wikipedia:Prußen|Pruzzen]] bewohnten Gebiet an der Ostsee, dem späteren Ostpreußen, heutigen Nordpolen, gegründet wurden. Sein Vater [[Wikipedia:Niklas Koppernigk sen.|Niklas Koppernigk]] (* vor 1454; † um 1483), ein aus Krakau zugewanderter Kupferhändler war auch als Schöppe beim dortigen Amtsgericht/Notariat tätig. Die Mutter [[Wikipedia:Barbara Watzelrode|Barbara Watzelrode]] (Watzenrode) gehörte einer alteingesessenen Patrizierfamilie in Thorn an. Als Kopernikus etwa 10 Jahre alt war, starb sein Vater. Die Witwe und ihre vier Kinder Niklas, Andreas, Barbara und Katharina wurden von der wohlhabenden Verwandtschaft unterstützt, insbesondere von der Familie ihrer Schwester [[Wikipedia:Christina von Allen|Christina von Allen]], geb. Watzelrode, sowie ihrem Bruder [[Wikipedia:Lucas Watzelrode|Lucas Watzelrode]], dem späteren Fürstbischof des [[Wikipedia:Ermland|Ermlandes]]. Letzterer ermöglichte Kopernikus und seinem Bruder Andreas nach der Schulausbildung an der Johannes-Schule in Thorn ein Studium an den Universitäten in [[Wikipedia:Jagiellonen-Universität|Krakau]] und [[Wikipedia:Universität Bologna|Bologna]] sowie eine Stellung als Domherren in [[Wikipedia:Frombork|Frauenburg]]. Zu diesem Zweck erwarben sie sich den Titel eines Doctor canonicus. Kopernikus erhielt vom Domkapitel die zusätzliche Erlaubnis für ein Medizinstudium in [[Wikipedia:Universität Padua|Padua]], um sowohl den Domherren wie auch seinem Onkel auf dem Bischofssitz in [[Wikipedia:Lidzbark Warmiński|Heilsberg]] mit ärztlichem Rat zur Seite stehen zu können.


Die von [[Heiliger Geist|Gottes Geist]] inspirierte biblische Offenbarung wird im katholischen und [[Orthodoxes Christentum|orthodoxen Christentum]] nach dem zweifachen Schriftsinn verstanden: Wie der Mensch ein Kompositum aus Leib und Seele ist, so lässt sich die Schrift nach ihrem äußeren und ihrem inneren Sinn lesen. Dieser innere Sinn wird noch einmal dreifach untergliedert in den ''[[Typologie (Bibel)|typologischen]]'' (Vergangenheit), den ''moralischen'' (Gegenwart) und den ''anagogischen'', zum ‚Himmel’ hinaufführenden oder eschatologischen Sinn (Zukunft), so dass wie in der jüdischen Mystik (s. [[PaRDeS]]) auch vom vierfachen Schriftsinn gesprochen wird. Nach Kardinal [[Walter Kasper]] will theologische Dogmatik „geistliche Schriftauslegung sein“, die darauf zielt, „das Christusgeschehen im Heiligen Geist immer wieder gegenwärtig zu machen, um es so an uns zur Auswirkung zu bringen. Das geistliche Verständnis der Schrift will also in die konkrete Nachfolge Christi einführen. Damit öffnet sich der christologische [= typologische] Sinn zum moralischen, den die Moraltheologie auszulegen hat. Er öffnet sich darüber hinaus auf die eschatologische Vollendung und unseren Weg dorthin. Hier haben die heute so vernachlässigten Disziplinen der [[Aszetik]] und der Mystik bzw. die Lehre von der christlichen Spiritualität ihren genuinen Ort.“<ref>Walter Kasper: ''Prolegomena zur Erneuerung der geistlichen Schriftauslegung'', in: ders., ''Theologie und Kirche'', Bd. 2, Mainz 1999, 84–100, hier S. 99f.</ref>
Schon auf der Universität in Krakau erwarb sich Kopernikus umfassende mathematische und astronomische Kenntnisse, die es ihm ermöglichten, neben seinem Rechts-Studiums an der Universität in Bologna mit dem dortigen Astronomieprofessor [[Wikipedia:Domenico Maria da Novara|Domenico Maria da Novara]] zusammen zu arbeiten, der bereits Zweifel an der Richtigkeit des [[Ptolemäisches System|Ptolemäischen Systems]] hatte.


Für ein mystisches [[Biblische Hermeneutik|Schriftverständnis]] ist somit der die ''Hoffnung'' stärkende anagogische Sinn (hebr. ''sod'' = Geheimnis) von entscheidender Bedeutung: Die Ausrichtung auf das letzte Ziel der Einheit mit Gott bleibt nicht bloße Zukunft, sondern ist in der vom Geist getragenen Hoffnung immer auch schon als Gegenwart des Erhofften wirksam. Die durch Taufe, Firmung und Eucharistie vermittelten drei theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe sind die sakramentale Grundlage des Christseins überhaupt, die in der christlichen Mystik nicht überstiegen, sondern intensiviert bzw. revitalisiert wird. Kernpunkt ist, die Fülle und den „unergründlichen Reichtum Christi“ (Eph 3,8), seiner Gnade (Eph 1,7; Joh  1,16) und Herrlichkeit (Eph 1,18; Joh 1,14) sowie seines Wortes (Kol 3,16) zu erkennen oder „die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt“ (Eph 3,18f).
== Begegungen mit Leonardo da Vinci, Michelangelo und Raffael?==


=== Mystischer Sinn der Heiligen Schrift ===
[[Bild:Raffael - Schule von Athen - Gruppe der Astronomen.jpg|thumb|right|300px|Die Gruppe der Astronomen in Raffaels Fresko [[Wikipedia:Die Schule von Athen|Die Schule von Athen]] in der [[Wikipedia:Stanzen des Raffael#Stanza della Segnatura|Stanza della Segnatura]], Vatikan]]
Die Betrachtung der Heiligen Schrift nach ihrem inneren, geistlichen oder mystischen Sinn hat ihre Grundlage in der Vorstellung von der ''Verhülltheit'' des Geistes der Schrift in ihren (körperlichen) ‚Buchstaben’: „Bis heute liegt die Hülle auf ihrem (der Juden) Herzen, wenn Mose (= die Thora) vorgelesen wird. Sobald sich aber einer dem Herrn zuwendet, wird die Hülle entfernt. Der Herr aber ist der Geist; und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit. Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in sein eigenes Bild verwandelt…“ (2 Kor 3,15-18; vgl. 3,6). Dieses Verwandlungsgeschehen, wie es in der Verklärung (griech. ''metamorphosis'') Christi vorgebildet ist (Mt 17,1-9), bedeutet die Gleichgestaltung mit dem Sohn Gottes (Röm 8,29) als Wiederherstellung der ursprünglichen Gottbildlichkeit des Menschen „in Heiligkeit und Gerechtigkeit“ (Eph 4,24). Anders gesagt: die „Wiedergeburt“ oder „Gottesgeburt“ in der Seele oder im Herzen zielt auf die unverhüllte „Schau“ Gottes (Theoria), im weiteren Sinn auf ein mystisches ‚Entzündetwerden’ von der göttlichen Schönheit und Herrlichkeit Gottes und seines unerschöpflichen Wortes. In der Erzählung von den Emmaus-Jüngern, denen der Auferstandene beim ‚Brotbrechen’ und darum dann bei der Feier der Eucharistie die Augen für den inneren Sinn der Schrift öffnet, kommt das Moment des ‚Entzündetwerdens’ in Liebe am deutlichsten zum Ausdruck: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss“ (Lk 24,32).<ref>Vgl. Klaus W. Hälbig: ''Der Baum des Lebens. Kreuz und Thora in mystischer Deutung'', Würzburg 2011, S. 87–93 (Das mystische Schriftverständnis als Liebesverhältnis zur Thora).</ref>


Nach Lk 12,49 ist Jesus gleich einem neuen Prometheus „gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen“, was dann mit der Sendung des Geistes in Feuerzungen an [[Pfingsten]] geschieht (Apg 2,3). Wie die Eucharistie „Feuer und Geist“ ([[Ephraem der Syrer]]) und „brennendes Brot“ ([[Teilhard de Chardin]]) ist, so wird auch nach [[Mystik#jd m|jüdischer Mystik]] „der feurige Organismus der Tora“ mit dem Kommen des Messias ihr äußeres Gewand (die Buchstaben-Hülle des äußeren Schriftsinns) ablegen und als „weißes Feuer“ oder „Urlicht“ erstrahlen: als „Licht vom unerschöpflichen Licht“.<ref>Gershom Scholem: ''Zur Kabbala und ihrer Symbolik'', Frankfurt 1973, 49–116 (Der Sinn der Tora in der jüdischen Mystik), hier S. 70 und S. 87 (vgl. S. 98f).</ref>
Während Kopernikus an der Universität in Padua Medizin studierte, lehrte dort der Medizinprofessor [[Wikipedia:Marco Antonio della Torre|Marco Antonio della Torre]], der zusammen mit seinem Freund [[Wikipedia:Leonardo da Vinci|Leonardo da Vinci]] an einem Anatomiebuch arbeitete. Noch gab es in Padua keinen Lehrstuhl für Anatomie. Die Studien am geöffneten Leichnam wurden meist heimlich betrieben. Nur zweimal im Jahr gab es für die Studenten an der Universität eine offizielle Leichenschau. Leonardo da Vinci lieferte die Anatomiezeichnungen zu den Texten seines Freundes. Höchstwahrscheinlich lernte Kopernikus zusammen mit anderen Medizinstudenten Leonardo in Florenz kennen.  


Diese ''Feuerspur des Geistes'' durchzieht die ganze Bibel, angefangen beim brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch als mystischem Ort der Offenbarung des Gottesnamens (s.&nbsp;u. Motive) über die Feuersäule als Wegzeichen für den Weg Israels durch die ‚Wüste‘ (Ex 13,21f; Ps 78,14) bis hin zur Gesetzgebung auf dem Sinai im Feuer (Ex 19,18; 24,17) und dem vom Gottesfeuer verzehrten Altaropfer (Lev 10,2; 2 Kön 1,10). Das immerwährende Altarfeuer in Stiftshütte und Tempel ist vom Himmel her entzündet (Lev 9,24; 2 Chr 7,1-3). Der Gott, dessen Wort wie Feuer brennt (Jer 5,14; 23,29) und der selbst „verzehrendes Feuer“ ist (Dtn 4,24; Hebr 12,29), spricht aus der Flamme zu seinem Volk (Dtn 5,4f.22-26). Zu diesem die Sünde regelrecht ‚auffressenden‘ Gott sagt [[Origenes]] (185–254), der nach dem jüdischen Philosophen [[Philo von Alexandrien]] als eigentlicher Begründer der geistigen Schriftauslegung gilt: „Der Feuergott verzehrt die menschliche Schuld, er zehrt sie auf, er verschlingt sie, er brennt sie aus, wie er auch an anderer Stelle sagt: ‚‚Ich werde dich läutern im Feuer, bis du rein bist.‘ Das also bedeutet das Sündenessen des Einen, der das Sündopfer darbringt. Denn ‚''er'' hat unsere Sünden auf sich genommen‘ und sie selbst gleichwie Feuer verschlungen und aufgezehrt.“<ref>In Lev. Hom. 5,3 – zit. nach Photina Rech: ''Inbild des Kosmos. Eine Symbolik der Schöpfung'', 2 Bde., Salzburg 1966, Bd. II, 50-93 (Feuer), hier S. 84; vgl. ebd. S. 64f.</ref>
Ebenso dürfen wir davon ausgehen, dass Kopernikus während seines längeren Aufenthaltes in Rom im heiligen Jahr 1500 auch dem dort für den Papst tätigen [[Wikipedia:Michelangelo|Michelangelo]] begegnete. Das [[Wikipedia:Fürstbistum Ermland|Fürstbistum Ermland]], dem Kopernikus angehörte, unterstand direkt dem Päpstlichen Stuhl und einige Frauenburger Domherren hielten sich jahrelang in Rom auf (auch Kopernikus' Bruder Andreas), um dort die ermländischen Interessen zu vertreten. Der Überlieferung nach soll Kopernikus in Rom auch mathematische Vorträge gehalten haben.


In der Szene von den drei ''Jünglingen im Feuerofen'' (Dan 3,15-97), die lobsingend in den Flammen wandeln „wie in kühlendem Windhauch“ (Dan 3,50), erkannten die frühen Christen ihre eigene Verfolgungssituation, aber auch ihre Auferstehungshoffnung, weshalb sich die Szene auch als Bildsymbol in den römischen Katakomben findet.<ref>Vgl. Corinna Mühlstedt: ''Die christlichen Ursymbole'', Freiburg u.&nbsp;a. 1999, S. 59–61.</ref>
Als Domherr und Bischofsneffe interessierte sich Kopernikus für religiöse Kunst. Der Maler [[Wikipedia:Raffael|Raffael]] hingegen verfolgte mit Interesse die geistige Entwicklung der Menschheit, wie wir an seinem Gemälde [[Wikipedia:Die Schule von Athen|Die Schule von Athen]] sehen können. In diesem wenig verstandenen Gemälde stellt er auf der rechten Seite dar, wie alles Wissen zunächst durch die königliche Kunst Astronomie dem Makrokosmos abgelesen und mithilfe von Arithmetik und Geometrie auf die Erde herunter gebracht wird. Auf der linken Seite des Gemäldes stellt Raffael dar, wie das vom Mikrokosmos Mensch dann verinnerlichte Wissen mithilfe von Rhetorik, Dialektik, Grammatik und Poesie wieder an die Welt zurückgegeben wird.


=== Außerbiblische Einflüsse ===
[[Bild:Kopernikus mit Raffael - Schule von Athen.jpg|thumb|right|300px|Raffael neben dem zehn Jahre älteren Kopernikus?]]
Neben der biblischen Offenbarung spielen auch außerbiblische Einflüsse bei der christlichen Mystik eine Rolle, so insbesondere Begriffe und Lehren des [[Neuplatonismus]]. Die Unbegreifbarkeit Gottes für den diskursiven Verstand wird in beiden Denkweisen betont und führt zu einer [[Theologia negativa]], die es so in der Bibel nicht gibt. Ziel der neuplatonisch beeinflussten Mystik war die ''theoria'' (θεορία), die „Gottesschau“.


In diesem Kontext prägte der unbekannte syrische Mönch [[Pseudo-Dionysius Areopagita]] (um 500) den Begriff „mystische Theologie“. Ihm zufolge ist die mystische Einigung (griech.'' Henosis'') mit „dem Einen, der jenseits aller Dinge ist“, das Ziel des ‚Aufstiegs’ vom Materiellen zum Geistigen, und zwar auf dem dreifachen Weg der ''Reinigung'' des Gedächtnisses (Gewissens), der ''Erleuchtung'' des Verstandes und der ''Vereinigung'' des Willens mit dem göttlichen Willen (''via purgativa, illuminativa'' und ''unitiva'').<ref>Vgl. den Art. „Mystik“ im ''Lexikon für Theologie und Kirche³'', Bd. 7, Sp. 583 bis Sp. 597, hier Sp. 587.</ref> Diese drei Wege sind „nicht so deutlich abgegrenzt, wie es scheinen mag. Dionysius gebraucht diese Dreiheit nicht so, als seien die moralische Reinigung und die vereinigende Vollendung eindeutig unterschieden von der mittleren Kraft der erkennenden Erleuchtung. () Die Erleuchtung betrifft schon vom Wortsinn her die erhellende Schau der heiligen Symbole (). Vollendung bedeutet nicht die vollendete Einigung, sondern vollendetes Wissen …“<ref>P. Rorem: ''Die Aufstiegs-Spiritualität des Pseudo-Dionysius'', in: Bernard McGinn u. a. (Hg.): ''Geschichte der christlichen Spiritualität'', Bd. I: Von den Anfängen bis zum 12. Jahrhundert, Würzburg 1993, 154–173, hier S. 161. Dazu Beate Regina Suchla: Dionysius Areopagita. Leben - Werk - Wirkung, Freiburg 2008.</ref>
Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich Raffael gerade zu der Gruppe der Astronomen als interessiert lauschender Zuhörer hinzugemalt hat. Diese Personengruppe ist deutlich dreigegliedert. Der Älteste, mit dem langen Bart, stellt [[Zarathustra]] dar, den Begründer der Kosmologie. Er trägt eine Himmelskugel mit dem Sternenhimmel auf seiner Rechten. Ihm gegenüber, dem Betrachter den Rücken zuwendend, steht [[Wikipedia:Claudius Ptolemäus|Ptolemäus]]. Er trägt eine Erdkugel auf seiner Linken als Begründer des [[geozentrisches Weltbild|geozentrischen Weltbildes]]. Traditionsgemäß wurde er mit dem ägyptischen Pharaonengeschlecht der Ptolemäer in Verbindung gebracht und deshalb meist mit goldener Königskrone und Königsmantel dargestellt. Zarathustra und Ptolemäus repräsentieren die Gegensätze Himmel und Erde. Beide blicken sie zu einem Dritten hin, der zwischen ihnen steht und die Sonne mit den sie umgebenden Planeten bzw. das [[heliozentrisches Weltbild|heliozentrische Weltbild]] repräsentiert. Diese Person trägt das schwarze Untergewand eines ermländichen Domherren und die typische Mütze eines Studenten zu Bologna. Zu dem Zeitpunkt, da Raffael die "Schule von Athen" malte (1510 - 1511), war der [[Wikipedia:Commentariolus|Commentariolus]] des Kopernikus, in dem er die Grundzüge seiner Vorstellung eines heliozentrischen Planetensystems beschrieb, bereits unter interessierten Astronomen bekannt geworden. Offenbar kannte Raffael dieses Werk und hat Kopernikus daher als Vertreter der Sonne und der Planeten zwischen die Repräsentanten des Sternenhimmels und der Erde gemalt. Raffael war 10 Jahre jünger als Kopernikus. Er hat Letzteren wohl aus dem Gedächtnis gemalt, denn es ist durchaus möglich, dass sich beide in den ersten Jahren des 16. Jh. persönlich begegnet sind, zumal Kopernikus als Domherr und Ziehsohn des Fürstbischofs vom Ermland sich sehr für religiöse Kunst, insbesondere Mariendarstellungen interessiert haben dürfte, denn die [[Wikipedia:Frauenburger Dom|Kathedrale von Frauenburg]], an der er Domherr war, trug den Namen "Unserer lieben Frau". Sie war der Gottesmutter, inbesondere Mariä Himmelfahrt geweiht (daher auch der Orts- und Domname "Frauenburg"). Nimmt man noch die Aussagen Rudolf Steiners über die besondere Zusammensetzung des Astralleibes von Kopernikus hinzu (siehe unten), so wird es noch einsichtiger, warum Raffael sich selbst (Johannes der Täufer), Zarathustra (Meister Jesus) und Kopernikus auf dem Bild als Gruppe zusammenstellt, auch warum Kopernikus dasselbe weiße Obergewand (als Ausdruck der Seelenhülle bzw. des Astralleibes) trägt wie Zarathustra. Auf dem ganzen Gemälde gibt es überhaupt nur drei Personen, die ein den ganzen Körper bedeckendes, weißes Obergewand tragen. Die dritte Person ist der androgyn wirkende Jüngling mit den langen Haaren in der linken Hälfte des Bildes, den Rudolf Steiner ausdrücklich auch mit Raffael (bzw. Johannes dem Evangelisten) in Verbindung bringt. Leider liegen uns keine Aussagen Rudolf Steiners über den Astralleib des Ptolemäus vor.


=== Mystik im Mittelalter des Abendlandes ===
==Astronomische Werke==
Zentren der Mystik in der lateinischen Kirche waren die Klöster. Die monastische Mystik entwickelte sich als Widerspruch zur wissenschaftlichen Rationalität, die an den neu gegründeten Universitäten auch in der (scholastischen) Theologie betrieben wurde.<ref>Otto Langer: ''Christliche Mystik im Mittelalter. Mystik und Rationalisierung – Stationen eines Konflikts.'' WBG, Darmstadt 2004, S. 151ff. ISBN 3-534-04527-0.</ref> „Fides piorum credit, non discutit“ (Der Glaube der Frommen vertraut, er diskutiert nicht), sagt [[Bernhard von Clairvaux]] gegen die dialektische Theologie.<ref>Zit. nach Otto Langer: ''Christliche Mystik im Mittelalter. Mystik und Rationalisierung – Stationen eines Konflikts.'' WBG, Darmstadt 2004, S. 189. ISBN 3-534-04527-0.</ref> Höchstes Ziel bleibt die ''unio mystica'', die mystischen Liebes-Vereinigung mit Gott, ein ‚Gottspüren’ oder in einem weiteren Sinn „ein Bewusstsein der unmittelbaren Gegenwart Gottes“ (Bernard McGinn).


Ein großer Teil der hochmittelalterlichen Literatur zur mystischen Theologie besteht in Kommentaren zum Werk des Pseudo-Dionysius Areopagita, vermittelt durch [[Johannes Scotus Eriugena]] (9. Jh.): „Die Theologie des Areopagiten ist ein Jahrtausend lang und noch länger als eine der Urformen kirchlicher Theologie angesehen und ausgewertet worden.“<ref>Hans Urs von Balthasar: ''Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik'', Bd. II: Fächer der Stile, Tl. 1: Klerikale Stile, Einsiedeln ²1969, S. 211.</ref> Grundsätzlich lassen sich in der mittelalterlichen Mystik zwei Auslegungstraditionen unterscheiden: eine stärker ''affektive'' mystische Theologie (vertreten u.&nbsp;a. durch [[Hugo von St. Victor]] und [[Robert Grosseteste]]) und eine stärker ''intellektuelle'' (vertreten u. a. durch [[Meister Eckart]] und Kardinal [[Nikolaus von Kues]]). In der mehr affektiven Tradition wird das „Spüren [Gottes] auch erotisch aufgeladen und Gotteserkenntnis als Begegnung zwischen Ich und Gott im Sinne einer ‚heiligen Hochzeit‘ zwischen Seele und Gott bzw. Christus gedeutet“ (s.&nbsp;u. Motive).<ref>Saskia Wendel: ''Christliche Mystik. Eine Einführung'', Kevelaer 2004, S. 118.</ref>
* [[Wikipedia:Commentariolus|Commentariolus]], vollständiger Titel ''Nicolai Copernici de hypothesibus motuum coelestium a se constitutis commentariolus''. In dieser frühen Schrift, die Kopernikus unmittelbar nach seinem Italienaufenthalt auf dem Bischofssitz seine Onkels in Heilsberg verfasste (ca. 1507 - 1509), beschreibt er die Grundzüge seines heliozentrischen Planetensystems.


Die neuen Bettelorden der [[Franziskanische Orden|Franziskaner]] und [[Dominikaner]] erschließen den Weg mystischer Gotteserkenntnis über die alte monastische Lebensform hinaus. Für die Mystik bedeutsam wird [[David von Augsburg]], ein Franziskaner der ersten Generation, dann aber vor allem [[Bonaventura]], der ‚Fürst unter allen Mystikern’. Bei ihm fließen die Spiritualität des Augustinus und des Ps.-Dionysius, der Victoriner und der Zisterzienser (Bernhard von Clairvaux) zusammen. Der 7. Generalminister der Franziskaner versteht Mystik als eine gleichsam ‚experimentelle’, mit den fünf (geistlichen) Sinnen erfahrbare Gotteserkenntnis (''cognitio Dei quasi experimentalis''), die unterschieden wird von einem lehrhaft vermittelten theoretischen Wissen von Gott (''cognitio dei doctrinalis'').<ref>Zur so genannten ''cognitio dei experimentalis'' siehe z.&nbsp;B.: Ulrich Köpf, Art. Erfahrung III/1, in: Horst Robert Balz et al.: ''Theologische Realenzyklopädie.'', Bd. 10, De Gruyter, 1977, S. 113.</ref> ''Contemplatio'' wird im Mittelalter zum meist gebrauchten Begriff, wenn Mystik gemeint ist.
* [[Wikipedia:De Revolutionibus Orbium Coelestium|De Revolutionibus Orbium Coelestium]], Nürnberg 1543, ist das Hauptwerk von Kopernikus, in dem er seine vorab im ''Commentariolus'' angelegten Ideen für alle damals bekannten Planeten und den Mond detailliert ausgearbeitet hat. Der Druck erfolgte auf Drängen des Papstes in Rom durch den Kardinal [[Wikipedia:Nikolaus von Schönberg|Nikolaus von Schönberg]], auf Drängen von Kopernikus' Freunden, insbesondere des Kulmer Bischofs [[Wikipedia:Tiedemann Giese|Tiedemann Giese]] sowie auf Drängen des protestantischen Mathematikers [[Wikipedia:Georg Joachim Rheticus|Georg Joachim Rheticus]], der schließlich das bis heute erhaltene [http://copernicus.torun.pl/en/archives/De_revolutionibus/1/ handschriftliche Manuskript von ''De Revolutionibus''] zur Druckerei nach Nürnberg brachte. An seinem Todestag, dem 24.05.1543, wurde Kopernikus, der an einem Schlaganfall darnieder lag, die erste Druckausgabe noch in die Hände gelegt.


War im 12. Jahrhundert mit der Benediktinerin [[Hildegard von Bingen]] erstmals eine Frau als Mystiker in Erscheinung getreten, so erlebt die [[Frauenmystik]] in den [[Beginen]] (wie [[Hadewijch]] oder [[Margareta Porete]]) und im [[Kloster Helfta|Zisterzienserinnenkloster von Helfta]] ([[Mechthild von Magdeburg]], [[Mechthild von Hackeborn]], [[Gertrud von Helfta]]) eine Hochblüte, die sich fortsetzt in der Mystik der Dominikanerin [[Katharina von Siena]] oder der Einsiedlerin [[Juliana von Norwich]].
==Besonderheiten seines Astralleibes==


In den Werken der Dominikaner [[Meister Eckhart]], [[Johannes Tauler]] und [[Heinrich Seuse]] gelangt die mittelalterliche Mystik  in der sogenannten [[Deutsche Mystik|Deutschen Mystik]] zu ihrem Höhepunkt.
Aussagen Rudolf Steiners zur besonderen Zusammensetzung des Astralleibes von Kopernikus:


=== Mystik in der Neuzeit ===
* ''„Er'' ([[Wikipedia:Nikolaus von Kues|Nikolaus von Kues]]) ''hat vorweggenommen die kopernikanische Planetensystem-Anschauung'' (die heliozentrische Lehre). ''Mehr verschleiert brachte er sie. Der '''Astralleib des Nikolaus von Kues''' wird übergeführt in '''Nikolaus Kopernikus''', und der beschreibt und erklärt, was'' (jen)''er vorher verschleiert gegeben hatte. Ein Stück des ägyptischen [[Wikipedia:Hermes Trismegistos|Hermes]] war darin'' (im Astralleib) ''enthalten, ein wichtiges Stück.'' (GA  109, Das Prinzip der spirituellen Ökonomie, Anhang zu Teil I, Auszug aus Vortrag vom 25.02.1909, Kassel)
[[Datei:Gregorio Fernández, Santa Teresa de Jesús, 1625.jpg|mini|''Teresa von Ávila'' ([[Gregorio Fernández]]) (1625)]]
Im 16. Jahrhundert rückt die ''spanische Mystik'' eines [[Ignatius von Loyola]], des Gründers des Jesuitenordens („Gott finden in allen Dingen“), sowie von [[Teresa von Avila]] und [[Johannes vom Kreuz]] vom Karmeliterorden ins Zentrum der Entwicklung. „Der Mystik des Johannes vom Kreuz liegt eine Heilsdramatik der Vermählung zugrunde: die Liebesbewegung geht von Gott aus, der nicht allein sein will, die Menschheit als Braut des Sohnes erschafft und immer wieder um sie wirbt – bis zur Menschwerdung und Hingabe des eigenen Lebens“ am Kreuz. „Die Schöpfung steht von vornherein im Verhältnis einer innigsten Zugehörigkeit zu Gott, sie ist Gabe an den Sohn und Gabe um des Sohnes willen, nicht Werk eines weltabgewandten allmächtigen Wesens wie im Deismus. Der Sohn ist derjenige, der durch seine Ehe die Schöpfung gottwürdig macht. Die Menschwerdung wird schließlich als erlösender Ehevollzug und ‚[[wunderbarer Tausch]]‘ zwischen dem Sohn und der Braut verstanden, wobei wie in der Trinität eine Gleichgestaltung des Geliebten stattfindet. Diese Gleichgestaltung ist das Zeichen vollkommener Liebe.“<ref>Mariano Delgado, ''„Dort Du allein, mein Leben!“ Die Gott-Trunkenheit des Johannes vom Kreuz'', in: ders./ A. P. Kustermann (Hg.): ''Gottes-Krise und Gott-Trunkenheit. Was die Mystik der Weltreligionen der Gegenwart zu sagen hat'', Würzburg 2000, 93–11, hier S. 95f und S. 97.</ref>


Bei Johannes vom Kreuz „heißt es im Cántico Espiritual: Wenn sich die Seele Gott so geeint hat, erfährt sie alles als Gott, wie es auch dem Evangelisten Johannes geschah … (…). Man darf diese pantheistisch klingenden Sätze bei Johannes nicht von seiner Poesie ablösen – aber man darf sie auch nicht als allegorische Übertreibung abwerten. In ihnen wird … ‚das die Allegorie an Tiefe übertreffende Symbol wirksam‘.“<ref>Joseph Sudbrack, ''„Gott finden in allen Dingen“. Eine ignatianische Maxime und ihr metahistorischer Hintergrund'', in: Geist und Leben 3/ 1992, 165–186, hier S. 182 (mit Bezug auf Erika Lorenz).</ref>
* ''„In ihm'' ([[Wikipedia:Nikolaus von Kues|Nikolaus von Kues]]) ''lebte der '''astralische Leib Christi''' und dieser ging später über in '''Nikolaus Kopernikus'''. Ein anderes Beispiel: Der ätherische Leib des Christus leuchtet auf in [[Wikipedia:Galileo Galilei|Galilei]]."'' (GA  109, Das Prinzip der spirituellen Ökonomie, Anhang zu Teil I, Auszug aus Vortrag vom 19.02.1909, Leipzig)


In der [[Reformation]] findet der mystische Weg der Gotteserkenntnis wenig Widerhall. [[Martin Luther]] selbst pflegte ein ambivalentes Verhältnis zur mystischen Erfahrung, manche von seiner Linie abweichende Kreise nannte er sogar [[Schwarmgeist]]er. Dennoch entwickelten sich immer wieder innerprotestantische Bewegungen wie der Pietismus ([[Gerhard Tersteegen]]), deren Religiosität die mystische Dimension mit einschloss.<ref>Peter Zimmerling: Evangelische Spiritualität, Wurzeln und Zugänge, Vandenhoeck und Ruprecht 2003, S. 22&nbsp;ff.</ref> Diese traditionell betont mystikkritische bis mystikfeindliche Haltung der protestantischen Theologie <ref> Michel Cornuz: "Le protestantisme et la mystique", Genève 2003 </ref> begann sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh. zu wandeln. Bei den so genannten [[Spiritualist]]en ragt der Görlitzer Schuster [[Jakob Böhme]] heraus, in der Barockzeit der vom Protestantismus zum katholischen Glauben konvertierte Theologe und Priester [[Angelus Silesius]] (Johannes Scheffler).
Berücksichtigt man diese Aussagen Rudolf Steiners, so scheint es erstaunlich, wie treffend der Maler des Bildes im Kopernikus-Epitaph der Johannes-Kirche in Thorn die Seelenstimmung des Kopernikus wiedergegeben hat (siehe Bild ganz oben).


Als ‚Boehme redivivus’ gilt der Münchner Arzt, Bergbauingenieur, Philosoph und ‚Laientheologe’ [[Franz von Baader]], der (vor [[Sören Kierkegaard]]) den engen Zusammenhang zwischen der theologischen Spekulation und der ''Gleichzeitigkeit'' mit dem biblischen Offenbarungsgeschehen betont: „Das spekulative Denken überbrückt die Gräben, die für das nichtspekulative Denken zwischen dem Vergangenen und dem Gegenwärtigen bestehen, ebenso wie es den Graben überbrückt, der zwischen dem höheren Leben und dem Übernatürlichen einerseits und dem menschlichen Leben und dem Natürlichen andererseits liegt (siehe auch den biblischen Begriff ''[[Leben in Fülle]]''). Beide Mal wird aus dem Höheren in das Niedere und dem Niederen in das Höhere ‚gespiegelt‘.“ „Die Trennung von spekulativem und mystischem Denken führt zu einer Mystifizierung der Mystik einerseits und zu einer Verflachung der Spekulation andererseits.“<ref>Peter Koslowski: ''Philosophien der Offenbarung. Antiker Gnostizismus, Franz von Baader, Schelling'', Paderborn u. a. 2001, S. 761f. (Baader kritisiert Hegels Philosophie der ‚Aufhebung’ des Endlichen im Unendlichen als ‚abenteuerliche Unendlichkeitsmystik’: „Diese Unendlichkeitsmystik versteht Gott als das Unendliche, als den dürftigen Gott Saturnus, der seine Kinder auffrisst, um sich selber am Leben zu erhalten.“ S. 792; vgl. 763–765 sowie 775–786 und bes. 791–794).</ref>
==Frühere Inkarnationen==


Während die Mystik im Mittelalter die übernatürliche Realität der mystischen Begegnung mit dem Göttlichen betonte, wurde im 19. Jahrhundert Wert darauf gelegt, dass die mystischen Erfahrungen sich materiell (z. B. in [[Stigmatisierung]]en, dem „himmlischen Wohlgeruch“) demonstrieren ließen. Das Jenseits sollte sich im Diesseits realisieren.<ref>Hubert Wolf: ''Die Nonnen von Sant'Ambrogio. Eine wahre Geschichte'', C.H.Beck, München 2013, S. 159–164 („Mystik und Mystizimus“)</ref>
'''Aussage Rudolf Steiners über Kopernikus als Teilnehmer am Osiriskult im alten Ägypten:''' „Wir versetzen uns in die Seele des Kopernikus. Diese war da in der alten ägyptischen Zeit; sie hat damals an einer besonders hervorragenden Stelle den Osiriskultus erlebt und hat gesehen, wie [[Osiris]] als ein Wesen betrachtet worden ist, das dem hohen Sonnenwesen gleichkommt. Die Sonne stand in geistig-spiritueller Beziehung in dem Mittelpunkte des ägyptischen Denkens und Fühlens, aber nicht die äußerliche sinnliche Sonne, die nur als der körperliche Ausdruck des Geistigen angesehen wurde. So wie das Auge der Ausdruck der Sehkraft ist, so war für den Ägypter die Sonne das Auge des Osiris, der Ausdruck, die Verkörperung dessen, was der Geist der Sonne war. Das alles hatte die Seele des Kopernikus einst durchlebt, und die unbewusste Erinnerung daran war es, die ihn dazu bewog, in der Gestalt, wie es in einem materialistischen Zeitalter sein konnte, diese Idee wieder zu erneuern, diese alte Osirisidee, die damals spirituell war. Sie tritt uns da, wo die Menschheit tiefer heruntergestiegen ist auf den physischen Plan, in der materialistischen Ausgestaltung des Kopernikanismus entgegen. Die Ägypter haben das spirituell gehabt; sich an diesen Gedanken zu erinnern, war das Weltenkarma des Kopernikus, und das hat herausgezaubert jene Richtungskombination, die zu seinem Sonnensystem geführt hat.(GA 105, „Welt, Erde und Mensch“, Vortrag vom 16.08.1908)


Der Jesuit [[Karl Rahner]] formulierte 1966 den seither vielzitierten Satz: „Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.“<ref>Karl Rahner: ''Frömmigkeit heute und morgen'', in: Geist und Leben 39 (1966), 326–342, hier S. 335; ebenso im Vortragsentwurf ''Frömmigkeit früher und heute'', in: ders., ''Schriften zur Theologie'', Bd. 7, Einsiedeln 1966, 11–31.</ref> Rahner hebt auf die ''Erfahrungsdimension'' der [[Gotteserkenntnis]] des christlichen Glaubens als Gnadengabe des Heiligen Geistes ab. Von diesem Geist sagt der Epheserbrief (1,18): „Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn (Christus) berufen seid.“ Christlicher Glaube bezieht sich auf die biblische Offenbarung des Wortes Gottes, das als ewiges „Wort des Lebens“ (1 Joh 1,1) Teilhabe am göttlichen Leben schenkt: „Am Leben Gottes, der Dreifaltigkeit der Liebe, teilzuhaben, ist in der Tat ‚vollkommene Freude’ (vgl. 1 Joh 1,4).“<ref>Papst Benedikt XVI. „Verbum Domini. Über das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“, Nachsynodales Apostolisches Schreiben vom November 2010, n. 2.</ref>
'''Das Wiederaufleben der Seelenstimmung einer alten ägyptischen Inkarnation und einer folgenden griechisch-pythagoräischen Inkarnation:''' Kopernikus schreibt im 10. Kapitel des 1. Buches von „De revolutionibus orbium coelestium“: „In der Mitte von allen aber hat die Sonne ihren Sitz. Denn wer möchte sie in diesem herrlichen Tempel als Leuchte an einen anderen oder gar besseren Ort stellen als dorthin, von wo aus sie das Ganze zugleich beleuchten kann? Nennen doch einige sie ganz passend die Leuchte der Welt, andere den Weltengeist, wieder andere ihren Lenker, [[Wikipedia:Hermes trismegistos|Trismegistos]] nennt sie den sichtbaren Gott, die Elektra des Sophokles den Allessehenden. So lenkt die Sonne gleichsam auf königlichem Thron sitzend, in der Tat die sie umkreisende Familie der Gestirne. […] Indessen empfängt die Erde von der Sonne und wird mit jährlicher Frucht gesegnet.“ - Kopernikus verwendete zur Unterzeichnung seiner Briefe ein Wachssiegel mit der Abbildung des [[Wikipedia:Apollon|Apollon]] mit der Leier.


Mit der Bedeutung der Christlichen Mystik in der heutigen Zeit beschäftigt sich auch die in ihrer Art in Deutschland 2007 neuartigen [[Meditationskirche]] ''[[Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität des Bistums Limburg]]'' in Veranstaltungsreihen, bei denen Themen christlicher Mystik im Vordergrund stehen, wie ''Weibliche Gottesbilder'' oder ''Das Gottesbild der Verwandlung''.<ref name="HK-Programm-PDF">{{Internetquelle |url=https://meditationszentrum.bistumlimburg.de/fileadmin/redaktion/Bereiche/meditationszentrum.bistum-limburg.de/Programm_2016_2017.pdf |hrsg=Heilig Kreuz – Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität |titel=Heilig Kreuz – Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität – Programm September 2016 bis Juli 2017 |format=PDF |datum=2016-06-14 |zugriff=2016-11-29}}</ref>
Bis kurz vor seinem Lebensende hielt sich Kopernikus an den pythagoräischen Grundsatz, wonach Philosophie und Wissenschaft nur unter Philosophen und Wissenschaftlern betrieben und diskutiert werden sollten, weil die Unkundigen aus ihrem Unverständnis heraus über vieles nur spotten würden: "''Mathematik wird nur für Mathematiker geschrieben"'' (De Revolutionibus, Widmungsvorrede an den Papst). Da er wusste, dass der damals amtierende [[Wikipedia:Papst Paul III. und seine Nepoten|Papst Paul III.]] Mathematik und Astronomie sehr zugetan war, bat er ihn in der Widmungs-Vorrede von ''De Revolutionibus'' um Unterstützung. Eine Verfolgung der "Heliozentriker" vonseiten der katholischen Kirche begann erst im 17. Jahrhundert. Luther und Melanchton wandten sich dagegen schon zu Lebzeiten von Kopernikus gegen seine Lehre einer ruhenden Sonne und bewegten Erde.


=== Mystik in den orthodoxen Kirchen ===
==Aussagen Rudolf Steiners zur Tat des Kopernikus==
In den [[Orthodoxe Kirchen|orthodoxen Kirchen]] hat die Mystik eine lange Tradition. In der Mönchsbewegung [[Hesychasmus]] (von [[Griechische Sprache|griechisch]] – [[Altgriechische Sprache|altgriechisch]]: {{lang|grc|ἡσυχία}} [f.] ''hēsychía'', {{lang|el|ησυχία}} [f.] ''hesychía'' = „Ruhe“, „Stille“) wird die Mystik praktiziert durch das [[Jesusgebet]] (auch [[Herzensgebet]] genannt) und die [[Nabelschau]]. Einen zentralen Platz nehmen die [[Ikone]]n als Vermittler zwischen Gott und Mensch ein.


=== Mystik und Religionen ===
"Es gibt Menschen, die in der Tat des Kopernikus die größte der geistigen Kulturumwälzungen sehen, welche die Menschheit, soweit die geschichtliche Erinnerung reicht, überhaupt erlebt habe. Und man muss gestehen, dass der Eindruck und der Einfluss dieser geistigen Umwälzung für alles äußere Denken der Menschen so bedeutsam, so großartig war, dass sich in der Tat kaum irgend etwas an Eindringlichkeit, an Wirksamkeit damit vergleichen lässt. ... Es wurde eigentlich damals den Menschen für ihre Anschauung buchstäblich der Boden unter den Füßen wankend gemacht. Was sie bis dahin fest geglaubt hatten, so fest geglaubt hatten, dass sie dachten, die Sonne und der ganze Sternenhimmel drehe sich um diesen festen irdischen Wohnplatz, und alles, was im Weltenraume ausgebreitet ist, sei nur da, um der Ziele und Eigenartigkeiten dieses irdischen Wohnplatzes willen, darüber mußte man jetzt denken lernen, es sei nun selber etwas, was mit rasender Geschwindigkeit durch den Weltenraum eilt. Die sich bewegende Sonne mußten sie denken lernen als etwas im Verhältnis zur Erde Stehendes und die Erde selbst als etwas Bewegliches. ... Und was sich uns damals als das größte Geschehen der Menschheitsentwickelung gezeigt hat, stellt sich uns gerade in einem schönen speziellen Falle dar, wenn wir auf die Tat des Kopernikus sehen. Was ist denn eigentlich damals im sechzehnten Jahrhundert geschehen, als schon nach dem Tode des Kopernikus sein großes Werk über die Umwälzung der Himmelskörper vor die gebildete Welt trat, welches Kopernikus selber noch so im Einklänge mit seiner ganzen eigenen Stellung als katholischer Domherr glaubte, dass er es dem Papste widmete, und welches doch bis zum Jahre 1821 auf dem Index der verbotenen Bücher der katholischen Kirche gestanden hat? Nur aus der ganzen Zeitkultur und geistigen Zeiterfassung heraus läßt sich eigentlich die Tat des Kopernikus begreifen, nur dann, wenn man darauf Rücksicht nimmt, dass in den Jahrhunderten bis zum Auftreten des Kopernikus im geistigen Leben, insofern dasselbe sich wissenschaftlich glaubte, dasjenige geherrscht hat, was man den [[Wikipedia:Aristotelismus|Aristotelismus]] nennen kann, die Weltanschauung dieses großen griechischen Weisen der vorchristlichen Kultur. ... Und des Kopernikus Lehre ist in einer gewissen Beziehung ein Bruch, man müßte sagen nicht mit der Lehre des [[Aristoteles]], wohl aber mit demjenigen, was im Mittelalter aus dem Aristoteles durch die Forscher, namentlich durch die christlichen Forscher geworden ist. ... Fassen wir das innere Verhältnis der Sterne zur Sonne nicht so auf, wie es die mittelalterliche Wissenschaft und der Aristotelismus aufgefaßt haben, sondern nehmen wir an, daß die Sonne im Mittelpunkte stehe, und daß die Planeten um sie herum kreisen. Was würde daraus folgen, wenn wir diese Annahme machen? So fragte sich etwa Kopernikus. Und er konnte sich sagen: Dann haben wir einen großen Grundsatz, einen methodischen, einen logischen Grundsatz des Aristoteles mehr befolgt als die, welche jetzt in ihrer Art das äußerlich sinnlich Erschaubare erklären wollen. ... So hat Aristoteles, obwohl ihn jene nicht verstanden haben, welche glaubten, echte Aristoteliker des Mittelalters zu sein, im Grunde genommen doch den Impuls gegeben, welcher die Menschheit auf jene Stufe brachte, auf der sie in Kopernikus Innern die Idee faßte, den Gedanken der Einfachheit auf das äußere Weltall anzuwenden. ... Kopernikus blieb, trotzdem seine Lehre später so weltumwälzend gewirkt hat, in bezug auf sein Bekenntnis fest gegründet in dem Glauben an ein Geistiges, das alle Welt durchlebt und durchwogt." (GA 61, Menschengeschichte im Lichte der Geistesforschung, Vortrag vom 15.02.1912: "Kopernikus und seine Zeit")
Der mystischen Einheitserfahrung wird öfter das Potenzial zugeschrieben, konfessionelle und religiöse Grenzen zu relativieren. „Im Bereich der christlichen Mystik sind konfessionelle Grenzen hinfällig.“<ref>Siegfried Ringler (Hg.): ''Aufbruch zu neuer Gottesrede. Die Mystik der Gertrud von Helfta'', Ostfildern 2008, S. 13 (S. Ringler).</ref> Der These, alle Religionen seien auf der mystischen Ebene letztlich eins, ist von christlicher Seite aber die Notwendigkeit zur ‚Unterscheidung der Geister’ (vgl. 1 Joh 4,1; 1 Kor 12,10; 1 Thess 5,21) entgegenzustellen. Anders verhält es sich im Dialog mit der unmittelbar ‚verwandten’ Religion des [[Judentum]]s, wo sich von der jüdischen Mystik (s. [[Mystik]]) her, insbesondere in der Tradition der Kabbala, durchaus Wege zur Überwindung des ‚Ur-Schismas’ auftun.<ref>Vgl. Klaus W. Hälbig: ''Der Baum des Lebens. Kreuz und Thora in mystischer Deutung'', Würzburg 2011.</ref>


== Motive christlicher Mystik ==
Siehe auch: "Aussagen Rudolf Steiners zum [[Kopernikanisches Weltbild|kopernikanischen Weltbild]]".
=== Mystik der Ein-wohnung Gottes ===
Mit dem vom Feuer der Gottesliebe entzündeten Herzen, wie es dann in der christlichen Ikonographie besonders für die Darstellung des [[Augustinus]] charakteristisch wird, ist ein Hauptmotiv christlicher Mystik benannt. Die Fleischwerdung des ewigen Gotteswortes in Christus, die nach den Kirchenvätern im Gedanken der Offenbarung des Wortes im ‚(Körper-)Gewand’ der Buchstaben des hebräischen Alphabets ihre erste Analogie hat, setzt sich in der Ein-wohnung Christi im gläubigen Herzen fort (Eph 3,17). [[Paulus von Tarsus|Paulus]] erleidet für die von ihm auf seinen Missionsreisen gegründete Gemeinde in [[Brief des Paulus an die Galater|Galatien]] „von neuem Geburtswehen, bis Christus in euch Gestalt annimmt“ (Gal 4,19). Er selbst kann von sich sagen: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,19f). Diese mystische Ein-wohnung Gottes in Christus schließt den mystischen Tod des ‚Ich’ mit ein: „Entscheidend für diesen mystischen Weg ist die Zurücknahme des ‚Ich’, genauer die Reduktion des das ‚Ich’ konstituierenden Willens.“<ref>Bernhard Uhde: ''West-östliche Spiritualität. Die inneren Wege der Weltreligionen. Eine Orientierung in 24 Grundbegriffen'' (unter Mitarbeit von Miriam Münch), Freiburg 2011, 66–76 (Mystik), hier S. 68.</ref> Dabei geht es nicht um eine Auslöschung des Willens überhaupt, sondern um die Einung des menschlichen Willens mit dem heiligen Willen Gottes, wie es exemplarisch im ''Fiat'' (Es geschehe) Mariens bei der Fleischwerdung (Ein-wohnung) des ewigen Wortes Gottes dargestellt ist: „Mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk 1,38). Darum gewinnen in der Mystik das Geschehen-lassen und die ‚Gelassenheit’ herausragende Bedeutung, ohne dass damit einer bloßen Passivität im Sinn des [[Quietismus]] das Wort geredet würde.


Mit der Ein-wohnung Gottes eng verbunden ist die ''Reinigung'' des in der Sünde hart gewordenen Herzens „von aller Unreinheit und von allen euren Götzen“, und zwar durch den erneuernden Geist Gottes: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt. Dann werdet ihr in dem Land wohnen, das ich euren Vätern gab. Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein“ (Ez 36,25-28). Diese Verheißung beim Propheten Ezechiel, die liturgischer Lesungstext in der Feier der Osternacht ist, gelangt mit der pfingstlichen Ausgießung des Geistes in die gläubigen Herzen zur Erfüllung (Apg 2,3f; Röm 5,5). Der Wille Gottes erscheint nicht länger als von außen auferlegtes ‚Joch der Gottesherrschaft’, sondern als von innen wirksame göttliche Liebe der Gottesfreundschaft (vgl. Joh 15,13-17), der Gotteskindschaft (Röm 5,2; 8,21; 1 Joh 3,1f) und der Gottesbrautschaft (Joh 3,29; Eph 5,25-32; Offb 21,2f).
==Erweiterung des kopernikanischen Weltbildes durch Rudolf Steiner==


=== Mystik der Gegenwart Gottes in seinem Namen ===
[[Rudolf Steiner]] erklärt die Planetenbewegung auf eine völlig andere Weise als wir es vom [[Kopernikanisches Weltbild|kopernikanischen Weltbild]] her gewohnt sind. Er scheint die kopernikanischen Bahnen der Planeten als das Resultat komplizierter Bahnbildeprozesse zu betrachten, die sich aus verschiedenen  Bewegungsformen zusammensetzen. So sprach er in verschiedenen Vortragszyklen z.B. von Schraubenbewegungen, "künstlerischen" Bewegungen, aber vor allem von [[Lemniskatenbahnen der Planeten]] und hat eine Reihe von Skizzen dazu gegeben.
Die Heiligung des Namens Gottes ist die erste und grundlegende Bitte des Vaterunser (Mt 6,9). Sie schließt die Reinigung des Herzens (Mt 5,8) durch den Geist Gottes ein, der nicht nur im Bild des Wassers (Ez 36,25), sondern vor allem auch im Bild des Feuers erscheint (Apg 2,3). Die Überschattung Mariens mit dem [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] (Lk 1,35 analog zu Pfingsten für die Kirche) wird in der christlichen Orthodoxie vom brennenden, aber nicht verbrennenden ''Dornbusch'' her verstanden, in dem Mose die Offenbarung des ''Gottesnamens'' empfängt (Ex 3,14). Den Bezug zwischen Ex 3,14 und der Jungfrauengeburt stellte bei den Kirchenvätern zuerst [[Gregor von Nyssa]] her: „Wie hier der Dornbusch das Feuer umfasst und nicht verbrennt, so gebiert dort die Jungfrau das Feuer und wird nicht versehrt.“<ref>Zit. nach Karl Suso Frank: ''„Geboren aus der Jungfrau Maria“. Das Zeugnis der alten Kirche'', in: ders. u.&nbsp;a., ''Zum Thema Jungfrauengeburt'', Stuttgart 1970, S. 104.</ref> „Die Gottesmutter erscheint nicht im Dornbusch, sondern sie ''ist'' der Nichtverbrennende Dornbusch, und in ihr ist das Feuer, in ihr ist Gott.“<ref>Karl Christian Felmy, zit. nach Michael Schneider: ''Hymnos Akathistos''. Text und Erläuterung (Ed. Cardo, Bd. 119), Köln 2004, S. 61, Anm. 69. Eine dazu in gewisser Weise analog geistliche Erfahrung beschreibt  Felicitas Froboese-Thiele: ''Träume – Eine Quelle religiöser Erfahrung?'' Mit einer Vorrede von C.G. Jung, Darmstadt 1972, S. 76–78 („Das Feuer im Spankorb“).</ref> Dasselbe sagt Joseph Ratzinger mit Blick auf das ‚Hohepriesterliche Gebet’ (Joh 17) von Jesus Christus: „Christus erscheint gleichsam selbst als der brennende Dornbusch, von dem aus der Name Gottes an die Menschen ergeht. (…) Die Christologie bzw. der Glaube an Jesus wird als Ganzes zu einer Auslegung des Gottesnamens und des damit Gemeinten.“<ref>Joseph Ratzinger: ''Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis'', München 1968, S. 98f.</ref> Und: „Was am brennenden Dornbusch in der Wüste des Sinai begann, vollendet sich am brennenden Dornbusch des Kreuzes.“<ref>Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.): ''Jesus von Nazareth. Erster Teil: Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung'', Freiburg 2007, S. 178 (zum Bezug zwischen Dornbusch und Eucharistie vgl. S. 179).</ref>


Der Gottesname „Ich bin, der ich bin“ verweist dabei auf die reine Gegenwärtigkeit Gottes: „Das Wort ‚howe‘, ‚Gegenwart‘ an sich, enthält dann auch die Wurzel zum Begriff des Seins. Wo Gott dem Mose diesen seinen Namen beim brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch nennt, sagt er auch das entscheidende ‚Ich bin, der ich bin‘, also die Ich-Form vom Sein. Das Tetragramm [JHWH] ist dann die dritte Person, die Er-Form, und könnte übersetzt werden als ‚Er ist (immer Gegenwart)‘. Daher übersetzt man das Tetragramm in gewissen jüdischen Kreisen einfach als ‚Er‘; häufiger noch als ‚der Ewige‘. Mit dem Namen ‚Herr‘ kommt auch die Zeit als ständige Gegenwart in die Welt.“<ref>Friedrich Weinreb: ''Innenwelt des Wortes im Neuen Testament. Eine Deutung aus den Quellen des Judentums'', Weiler 1988, S. 29.</ref> In der kabbalistischen [[Zahlenmystik]] wird das Tetragramm gelesen als 10-5-6-5, das heißt 10 = 5 ‚und’ 5: im Namen Gottes sind die beiden Seiten der Schöpfung eins.<ref>Friedrich Weinreb: ''Zahl Zeichen Wort. Das symbolische Universum der Bibelsprache'', Weiler i. Allg. 1986, S. 92–97.</ref>
==Angeblich aufgefundene sterbliche Überreste des Kopernikus==


Mystik kann deshalb verstanden werden „als Weg zur Anwesenheit beim Ersten Prinzip, Gott“; jüdisch gedacht als Weg, „durch aufsteigende Kenntnis der Tora und deren Geheimnissen zur [[Gegenwart Gottes]] selbst zu gelangen“, christlich als Weg, „eine unmittelbare Anwesenheit bei Gott als absolute Einheit oder eine unmittelbare Anwesenheit bei Christus, etwa durch Kontemplation nach Art der ‚Geistlichen Übungen’ des Ignatius von Loyola (1491–1556), zu erlangen“.<ref>Bernhard Uhde: ''West-östliche Spiritualität. Die inneren Wege der Weltreligionen. Eine Orientierung in 24 Grundbegriffen'' (unter Mitarbeit von Miriam Münch), Freiburg 2011, 66–76 (Mystik), hier S. 71.</ref>
Im Jahr 2005 wurden im Dom zu Frauenburg im Bereich des Heilig-Kreuz-Altars die sterblichen Überreste eines Mannes ausgegraben, die nach einer angeblich "wissenschaftlichen Untersuchung" mit hoher Wahrscheinlichkeit die des Kopernikus sein sollen. Auch eine Gesichtsrekonstruktion wurde vollzogen. Schaut man sich die "wissenschaftliche Untersuchung" genauer an, wird jedoch deutlich, dass lediglich per DNA-Analyse nachgewiesen werden konnte, dass ein Zahn des ausgegrabenen Schädels, der zu einem im Alter von 60 bis 70 Jahren verstorbenen Mann gehörte, genetisch identisch ist mit zwei Haaren, die in einem Buch gefunden wurden, das nachweislich Kopernikus gehörte. Kopernikus vermachte seine Bücher der Dombibliothek, die von zahlreichen Domherren benutzt wurden. So fanden sich in besagtem Buch 9 Haare. Von 4 Haaren konnte genetisches Material gewonnen und nachgewiesen werden, dass sie drei verschiedenen Personen gehörten. Teilnehmer einer internationalen Kopernikus-Konferenz in Krakau warfen dem Untersuchungsteam mangelhafte Recherche und kritische Fehler vor. Dennoch wurden am 22.05.2010 die sterblichen Überreste des vermeintlichen Kopernikus in einem feierlichen Staatsakt erneut im Frauenburger Dom beigesetzt.


=== Schöpfungsmystik und Weisheit ===
Die Unwissenschaftlichkeit der Interpretation des Gutachtens beginnt schon damit, dass der Heilig-Kreuz-Altar im Frauenburger Dom als derjenige des Kopernikus angegeben wird. Jeder der zu Lebzeiten von Kopernikus üblicherweise 16 Domherren hatte einen eigenen Altar an einer der Säulen des Mittelschiffes, an dem er in sein Amt eingeführt wurde. Tatsächlich aber war schon bald nach dem Tode von Kopernikus die Erinnerung daran verloren gegangen, welches "sein" Altar gewesen war. Im Laufe der letzten Jahrhunderte wurden je nach Gutdünken ingesamt 3 Altäre in größeren Zeitabständen zum Altar des Kopernikus erklärt. Entsprechend findet man im Frauenburger Dom auch an 3 Säulen Gedenktafeln. Unter den Bodenplatten des Domes wurden mehr als 200 Leichname bestattet, größtenteils ohne Namenskennzeichnung. Daher ist schon die Beschränkung der Ausgrabungen allein auf das Umfeld des Heilig-Kreuzaltars völlig unwissenschaftlich. Auch das Alter der gefundenen sterblichen Überreste lässt Zweifel an der Interpretation aufkommen, denn Kopernikus starb mit 70 Jahren. Sein Skelett würde somit auf ein Sterbealter von 65 bis 75 Jahren geschätzt werden, d.h. 5 Jahre älter als das gefundene. Zudem wurde genetisch nachgewiesen, dass der Schädel zu einem Menschen mit blauen oder grauen Augen, d.h. mit heller Iris, gehörte. Tatsächlich zeigen aber alle erhaltenen Gemälde von Kopernikus diesen stets mit dunkelbraunen Augen und ebensolchen Haaren. Auch wird behauptet, es seien keine lebenden leiblichen Verwandten von Kopernikus mehr auffindbar. Das mag für Polen richtig sein. Aber Kopernikus war deutschsprachig und deutschstämmig und in Deutschland gibt es durchaus noch lebende leibliche Verwandte, z.B. Nachfahren seiner Tante mütterlicherseits, Christina von Allen, geb. Watzelrode, wie eine [http://geneal.lemmel.at/Copernicus.html Stammtafel] belegt. Ganz offensichtlich war bei der Interpretation des "wissenschaftlichen" Gutachtens vor allem der Wunsch der Vater des Gedankens.
Die Vorliebe der Mystik für das Feuer als Symbol der göttlichen Liebe und des göttlichen Geistes zeigt sich auch in der Ausrichtung auf den Himmel und die ‚himmlischen Naturen‘ – die ‚Serafim‘ sind die ‚Brennenden‘. Das hebr. Wort für ‚Himmel’, ''schamajim'', vereint die irdischen Gegensätze von ''Feuer'' (Geist) und ''Wasser'' (Materie) auf höchste Weise: „So wird das Wort ‚schamajim’ auch als eine Zusammenziehung der Worte ‚esch’ (Feuer) und ‚majim’ (Wasser) gesehen, damit also wiederum die Möglichkeit von den Gegensätzen am gleichen Ort zur gleichen Zeit ausdrückend.“<ref>Friedrich Weinreb: ''Schöpfung im Wort. Die Struktur der Bibel in jüdischer Überlieferung'', Zürich ²2002, S. 238.</ref> Während die Silbe ‚scham’ einen bestimmten Ort (‚dort’) bedeutet im Sinne von ‚hier oder dort’, fällt in der Einheit des Himmels der Gegensatz weg. Das für den abendländischen Begriff der Wissenschaft konstitutive ‚Widerspruchsprinzip’, der ‚Satz vom zu vermeidenden Widerspruch’, ist für den religiösen oder mystischen ‚Himmel’ daher nicht mehr anwendbar. Mystik ist so eine Form der ''Weisheit'', das heißt jenes (Mit-)Wissen, „das prinzipiell den Göttern, dem Gott zugedacht wird, sodann aber auch jenen Menschen, die Anteil an dieser einheitlichen, über den diskursiven Verstand reichenden Weise des beschauenden Denkens haben“. Weisheit erscheint „als geistiges Vermögen, auch jene dem Verstand widersprüchlich erscheinenden oder dem Verstand unzugänglichen Erfahrungen zu erkennen und in Lebenspraxis umzusetzen.“<ref>Bernhard Uhde: ''West-östliche Spiritualität. Die inneren Wege der Weltreligionen. Eine Orientierung in 24 Grundbegriffen'' (unter Mitarbeit von Miriam Münch), Freiburg 2011, 140-150 (Wissenschaft – Weisheit), hier S. 147.</ref>


Eine Synthesis von polaren Bestandteilen wie Seele und Leib, Geist und Sinnlichkeit, Vernunft und Triebnatur, Unendlichkeit und Endlichkeit, ‚männliche‘ Innenseite und ‚weibliche‘ Außenseite stellt der Mensch selbst dar. [[Maximus Confessor]] (um 580-662), der wichtigste griechische Kirchenvater des 7. Jahrhunderts, hat daraus im Anschluss an [[Origenes]] eine Erlösungstheologie des ‚Aufstiegs‘ in ‚Synthesen‘ gebaut: Am Menschen soll das „große Mysterium des Schöpfungsplans Gottes offenbar werden“, nämlich „alle Extreme der Schöpfung miteinander sich vereinigen und in die gemeinsame Einigung in Gott münden“ zu lassen.<ref>Zit. nach Felix Heinzer: ''Gottes Sohn als Mensch. Die Struktur des Menschseins Christi bei Maximus Confessor'', Freiburg (Ch) 1980, 157-160 (Die zentrale Stellung des Menschen im Kosmos), hier S. 159.</ref> Für Maximus geschieht der Überstieg von der geschaffenen Welt der Polarität zum Schöpfer in der ekstatischen Liebes-Vereinigung und höchsten Aufgipfelung aller Tugend und Weisheit in der Kraft des inkarnierten Logos (= Weisheit), dessen Einheit der beiden Naturen von Gottheit und Menschheit in der ‚hypostatischen Union‘ (gemäß dem [[Konzil von Chalcedon]], 451) dem Kosmos insgesamt eine gott-menschliche Struktur verleiht: „And with us and for us He [Christ] embraced the whole creation through what is in the center, the extremes as being part of Himself … He recapitulated in Himself all things, showing that the whole creation is one …“<ref>Lars Thunberg: ''Man and the cosmos. The vision of Saint Maximus the Confessor'', New York 1985, 80-91 (The fivefold mediation of man as perfect realization of the theandric dimension of the universe), hier S. 90 (mit Bezug auf Kol 1,20).</ref>


Diese den ganzen Kosmos in die Fleischwerdung des Schöpferwortes einbeziehende Vision findet in gewissem Sinn ihre Fortsetzung in den mystischen Himmels- und Kosmos-Visionen einer [[Hildegard von Bingen]]. Für die große Benediktinerin ist die Liebe symbolisiert im „feurigen Leben“ der dreieinen Gottheit, die sie in Gestalt des ‚Kosmos-Menschen’ schaut; diese Gestalt sagt in ihrer ersten Vision von sich: „Alles brennt allein durch Mich, so wie der Atem den Menschen unablässig bewegt, gleich der windbewegten Flamme im Feuer. Dies alles lebt in seiner Wesenheit, und kein Tod ist darin. Denn Ich bin das Leben.“<ref>Hildegard von Bingen: ''Gott sehen'', übers. und eingel. von Heinrich Schipperges (Texte Christlicher Mystiker, 522), München u.&nbsp;a. ²1987, S. 37.</ref>
[[Kategorie:Astronomie]]
 
An die Schöpfungsmystik von Maximus und Hildegard reicht im 20. Jahrhundert erst wieder der französische Paläontologe und Jesuit [[Pierre Teilhard de Chardin]] (1881–1955) heran. In seiner Vision der Einheit von Gott und Welt ist Jesus Christus die entscheidende „vermittelnde Gestalt“, und zwar als „Omega der Schöpfung (vgl. Offb 22,13)“, das heißt als letzter Konvergenzpunkt und Zielpunkt (''causa finalis'') der ganzen evolutionären Geschichte des Universums und der Menschheit: „Gott ist nicht nur ins Fleisch inkarniert, er ist in die Materie inkarniert: Christus amictus mundo, Christus mit der Welt umkleidet. (…) Evolution ist daher nicht ein schlicht naturgesetzlicher Vorgang, blind-mechanisch; sie ist Ausdruck einer währenden Schöpferkraft, einer beständigen Anfeuerung. (…) Materie wird Geist, Geist wird Person, Person wird absolute Person Christi – Universum und Christus stürzen gewissermaßen aufeinander zu und ineinander.“ „Nicht allein der Mensch, geschweige nur die Seele, vielmehr die gesamte Erde wird nach Teilhard erlöst, gelöst, in die Teilhabe nicht nur, sondern in die Verwandlung ins göttliche Fleisch und Feuer einbezogen.“<ref>Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz: ''„Sohn der Erde“: Teilhard de Chardin'', in: Internationale Katholische Zeitschrift Communio 34 (2005), 474-480, hier S. 475f.</ref> Für Teilhard, den „Zeugen des Feuers“, wirkt Gott schöpferisch als Feuer die uni-versale Einheit: „Esse est uniri, Sein ist Einswerden. ‚Oben ist alles nur eins!‘ Aber eben eins aus Vielem, nicht eins aus Selbigem.“<ref>Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz: ''„Sohn der Erde“: Teilhard de Chardin'', in: Internationale Katholische Zeitschrift Communio 34 (2005), 474-480, hier S. 476.</ref> Von seiner Schöpfungsmystik her sieht Teilhard auch die in Paris im 17. Jahrhundert in neuer Gestalt entstehende ''Herz-Jesu-Mystik'' und -Frömmigkeit (Margareta Maria Alacoque) mit neuen Augen (s.&nbsp;u. Zitate).
 
=== Mystik des Abstiegs und Kirche ===
Der Gottesgeburt im Herzen der Erlösten als Neuschöpfung (2 Kor 5,17) entspricht auf der Seite der Offenbarung die Geburt der Kirche aus der geöffneten Seitenwunde des Erlösers; denn in den hervortretenden Elementen Wasser und Blut (Joh 19,34) sehen die Kirchenväter die zwei Sakramente [[Taufe]] und [[Eucharistie]] dargestellt, die die Kirche als Mysterium der ''Einheit'' im Glauben konstituieren: „In diesem Mysterium [des Glaubens] ‚hat er (Jesus) durch sein Sterben unseren Tod vernichtet und durch sein Auferstehen das Leben neu geschaffen’. Denn aus der Seite des am Kreuz entschlafenen Christus ist das wunderbare Geheimnis der ganzen Kirche hervorgegangen.“<ref>Zweites Vatikanisches Konzil: ''Konstitution über die heilige Liturgie'', n. 5.</ref> Mit Blick auf die ‚hochzeitliche’ Selbsthingabe des Gekreuzigten an die Kirche und beider hochzeitliches ‚Ein-Fleisch-sein‘ in Eph 5,30f (gemäß Gen 2,24) sagt die Basler Mystikerin [[Adrienne von Speyr]], dies ist „vielleicht das größte Geheimnis der Christenheit.“<ref>Adrienne von Speyr: ''Kinder des Lichts. Betrachtungen über den Epheserbrief'', Einsiedeln 1950, S. 207f.</ref> Ähnlich sieht es auch schon Hildegard von Bingen: „Als Christus Jesus, der wahre Sohn Gottes, am Leidensholze hing, wurde ihm die Kirche in der Verborgenheit der himmlischen Geheimnisse vermählt, und sie empfing als Hochzeitsgabe sein purpurfarbenes Blut.“ Geburt, Hochzeit und Tod fallen im Mysterium des Kreuzes in mystischer Sicht in eins.<ref>Vgl. Klaus W. Hälbig: ''Die Hochzeit am Kreuz. Eine Hinführung zur Mitte'', München 2007 (zu Hildegard vgl. Scivias II, 6, hier S. 721).</ref>
 
Während das erwählte Gottesvolk Israel sich als „Braut Gottes“ versteht (Jes 61,10; 62,4f; [[Hohes Lied]]), bedeutet die Vorstellung von einem (mystischen) „Leib“ Gottes bzw. Christi eine gewisse Transzendierung des Alten Testaments (allerdings kennt die [[Kabbala]] durchaus den Gedanken von einer ‚mystischen Gestalt der Gottheit’). Die ‚wählende Liebe‘ Gottes zu seinem Volk Israel und so zur ganzen Menschheit und Schöpfung kann man, wie Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika [[Deus caritas est]] ausführt, „durchaus als ''Eros'' bezeichnen, der freilich zugleich ganz ''Agape'' ist. (…) Das Bild von der Ehe zwischen Gott und Israel wird in einer zuvor nicht auszudenkenden Weise Wirklichkeit: Aus dem Gegenüber zu Gott wird durch die Gemeinschaft mit der Hingabe Jesu [am Kreuz] Gemeinschaft mit seinem Leib und Blut, wird Vereinigung: Die ‚Mystik‘ des Sakraments, die auf dem Abstieg Gottes zu uns beruht, reicht weiter und führt höher, als jede mystische Aufstiegsbewegung des Menschen reichen könnte.“<ref>Benedikt XVI., ''Gott ist die Liebe – Die Enzyklika „Deus caritas est“''. Vollständige Ausgabe, komm. von W. Huber, A. Labardakis und K. Lehmann, Freiburg u.&nbsp;a. 2005, n. 9 und n. 13.</ref>
 
Bei dem Jesuiten [[Erich Przywara]] wird mit Blick auf die ignatianischen Exerzitien das Einüben des Mit-Leidens (‚Compassio‘) zur Einheit mit Christus geradezu „Äquivalent zur ‚Unio mystica‘ der Tradition – in der Leidensgemeinschaft mit Christus handelt es sich um einen ‚absteigenden Aufstieg‘ [Hugo Rahner], ‚Unten wird in Christus Oben‘.“ Mit Blick auf die ‚Entäußerung’ (Kenosis) Christi in seiner Fleischwerdung (Phil 2,5-11) und schon in der Schöpfung kann Przywara auch von „‚sklavenförmigem‘ Abstieg und ‚hochzeitsförmigem‘ Aufstieg Christi“ sprechen.<ref>Stephan Lüttich: ''Nacht-Erfahrung. Theologische Dimension einer Metapher'' (Studien zur systematischen und spirituellen Theologie 42), Würzburg 2004, 185-190 (Gestalt der Nacht bei Ignatius von Loyola), hier S. 188, und 242-299 (Nacht als Locus theologicus: Theologie der Nacht und Nacht der Theologie bei Erich Przywara), hier S. 253.</ref>
 
Die Vorstellung von der durch Taufe und Eucharistie konstituierten sakramentalen Kirche als mystischem [[Leib Christi]], die Paulus begründet (Röm 12,4f; 1 Kor 10,17; 12,12-27) und die im Mittelalter weiter ausgebaut wird, führt in der Enzyklika [[Mystici corporis]] (1943) von Pius XII. zu einer Identifizierung von römisch-katholischer Kirche und mystischem Leib Christi. Diese Identität ist aber nicht so zu verstehen, dass keine Kritik an der Kirche mehr möglich wäre, die immer auch unheilige Kirche der Sünder und auf dem Weg der ''Pilgerschaft'' ist: „Der neue, nicht von Menschenhand gemachte Tempel ist da, aber er ist zugleich noch im Bau. Die große Geste der Umarmung, die vom Gekreuzigten ausgeht, ist noch nicht ans Ziel gekommen, sondern erst begonnen. Die christliche Liturgie ist Liturgie auf dem Weg, Liturgie der Pilgerschaft auf die Verwandlung der Welt hin, die dann geschehen sein wird, wenn ‚Gott alles in allem‘ [1 Kor 15,28] ist.“<ref>Joseph Ratzinger: ''Der Geist der Liturgie. Eine Einführung'', Freiburg u.&nbsp;a. 2000, S. 43.</ref>
 
== Mystik und Kirchenkritik ==
Diese Notwendigkeit eines beständigen Weiterbauens und inneren Wachstums der Kirche (vgl. 1 Kor 3,5-16) zeigt sich exemplarisch in der Berufungsvision des [[Franz von Assisi|Franziskus]]. Als sich der Poverello im Jahr 1207 an einen einsamen Ort zum Gebet in das Kirchlein San Damiano zurückzieht, erfährt er vom [[Kreuz von San Damiano|Kreuz]] her den Auftrag, das baufällig gewordene Haus Gottes (''Domus Dei'') wiederherzustellen: „Er betrat die Kirche und begann innig, vor einem Bild des Gekreuzigten zu beten, das ihn liebevoll und gütig auf folgende Weise ansprach: ‚Franziskus, siehst du nicht, dass mein Haus in Verfall gerät? Geh also hin und stelle es mir wieder her!‘“<ref>Dreigefährtenlegende des hl. Franziskus 13;  vgl. Leonhard Lehmann: ''„Geh hin, stelle mein Haus wieder her!“ Überlegungen zum franziskanischen Grundauftrag'', in: Geist und Leben 2/ 1991, 129–141, hier S. 130.</ref> Diese Vision und dieser ''Bauauftrag'' drücken – wie [[Mariano Delgado]] und [[Gotthard Fuchs]] in der Einleitung zu ihrem dreibändigen Werk zu den christlichen Mystikern sagen – „das eigentliche Anliegen der Kirchenkritik der Mystiker treffend aus.“<ref>Mariano Delgado/ Gotthard Fuchs (Hg.): ''Die Kirchenkritik der Mystiker. Prophetie aus Gotteserfahrung'', 3 Bde., Freiburg-CH / Stuttgart 2004/ 2005, Bd. 1, S. 18.</ref>
 
Demgegenüber vertritt ein Theologie- und Kirchenkritiker wie [[Eugen Drewermann]] eine Mystik des Absoluten als (Selbst-)Aufhebung von Schöpfung, biblischer Offenbarung, Theologie und Kirche. Drewermann will nicht weniger als eine „Neubegründung der ‚Theologie‘ ''jenseits'' der Domäne des Verstandes, das heißt im Raum der ''Mystik''.“ „Die Entdeckung der Mystik lautet, dass der Gott, der dem Menschen als ‚Schöpfer‘ erscheint, streng von der Gottheit selbst unterschieden werden muss. (…) Alles das, was in der Gottheit ist, das ist eins, und ''davon kann'' man nicht reden. Gott [der Schöpfer] wirkt, die Gottheit wirkt nicht, sie hat auch nichts zu wirken, in ihr ist kein Werk. Sie hat niemals nach einem Werk ausgelugt. Gott und Gottheit sind unterschieden durch Wirken und Nichtwirken.“<ref>Eugen Drewermann: ''Der sechste Tag. Die Herkunft des Menschen und die Frage nach Gott'' (Glauben in Freiheit, Bd. 3 – Religion und Naturwissenschaft, 1. Teil), Zürich u.&nbsp;a. ²1998, S. S. 432 und S. 329f.</ref> „Auch die Idee eines ‚Schöpfers‘ stellt … eine ‚Projektion‘ dar, die es ''aufzulösen'' gilt; doch was danach übrig bleibt, ist nicht einfach nichts, im Gegenteil, es ist die Erfahrung eines unbegründeten, unbegründbaren Seins, das wir selbst sind und das doch zugleich in allem liegt und uns deshalb mit allem verbindet. Das ''ist'' ‚etwas‘ Geheimnisvolles, Wunderbares, Heiliges, Letztes, Absolutes, das ''mehr'' ist als alle ‚Natur‘. Und gerade nach diesem ‚Mehr‘ und nach diesem ‚Anderen‘ sehnen wir uns, obwohl wir es doch nur in uns selbst zu finden vermögen.“ So „hebt die bisherige Form der ‚Gottesrede‘, der ''‚Theologie‘'', sich notwendig ''in Mystik'' auf, sobald sie beginnt, sich selbst zu begreifen!“<ref>Eugen Drewermann: ''Der sechste Tag. Die Herkunft des Menschen und die Frage nach Gott'' (Glauben in Freiheit, Bd. 3 – Religion und Naturwissenschaft, 1. Teil), Zürich u.&nbsp;a. ²1998, S. 334.</ref>
 
Hier wird das Ziel, das Einssein mit dem einen Gott, gegen den Weg, das Einswerden als Werk der Gnade Gottes im Heilswerk Christi, ausgespielt. Christliche Mystiker haben aber immer daran festgehalten, dass es eine ''Scala paradisi'', eine ‚Leiter’ (s. [[Jakobsleiter (Bibel)|Jakobsleiter]]) oder einen Stufenweg des Aufstiegs im Abstieg gibt, und dass deshalb auch Geistliche Übungen ihren Sinn und Ort haben wie die [[Lectio divina]]: ein Gott gewidmetes ‚Lesen’ der Heiligen Schrift mit den Stufen ''lectio'' (‚Lesung’), ''meditatio'' (‚Meditation’), ''oratio'' (‚Gebet’), ''operatio'' (‚Handeln’) und ''contemplatio'' (‚Beschauung’). „Ziel der Lectio divina ist die Kontemplation, die Einung mit Gott. (…) Die Erlangung der Kontemplation ist ein göttliches Gnadengeschenk und nicht, was der Beter bewusst herbeiführen, sondern nur mit sich geschehen lassen kann. Gebet ist dann nicht mehr etwas, das der Beter tut, sondern etwas, was er ist, ein bleibender Zustand. Die Mystik nennt diesen Zustand ‚Gebet des Herzens‘. Der Beter ist in diesem Zustand gleichsam als Ganzes lebendiges Gebet.“<ref>Daniel Tibi: ''Lectio divina. Gott begegnen in seinem Wort'', in: Geist und Leben 3/2010, 222–234, hier S. 233f.</ref>
 
In eine andere Richtung geht Hubertus Mynarek in seinem Werk: "Mystik und Vernunft", 2. Aufl., Münster 2001. Er beschreibt in diesem Werk Mystik generell und ihr Verhältnis zur Vernunft. Er gelangt zum Schluss, dass Mystik und Vernunft divergieren, dass aber der Mensch nur durch eine Synthese von Mystik und Vernunft die Realität transzendieren kann.
 
=== Mystik und Emanzipation ===
[[Datei:Hildegard von Bingen Liber Divinorum Operum.jpg|miniatur|Seite aus dem ''Liber Divinorum Operum'']]
In der katholischen Kirche steht die verbindliche Schriftauslegung ausschließlich dem Klerus zu.<ref>In der katholischen Kirche gilt bis heute, dass „die verbindliche Auslegung des Glaubensgutes […] allein dem lebendigen Lehramt der Kirche, das heißt dem Nachfolger Petri, dem Bischof von Rom, und den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm [obliegt]“. ''Katechismus der katholischen Kirche. Kompendium'', Pattloch, 2005, S. 29</ref>
Mystiker dagegen betrachten sich oft durch ihre Visionen „zum göttlich autorisierten Exegeten der Schrift berufen“.<ref>Otto Langer: ''Christliche Mystik im Mittelalter''. Mystik und Rationalisierung – Stationen eines Konflikts. WBG, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-04527-0, S. 180.</ref> Hildegard von Bingen z. B. schildert im Vorwort zu ihrem Werk ''Scivias'' eine Vision und fährt fort: „Und augenblicklich begriff ich die Bedeutung der heiligen Bücher – des Psalters, der Evangelien und der katholischen Schriften des Alten und Neuen Testaments.“ <ref>Zitiert in: Donald F. Logan: ''Geschichte der Kirche im Mittelalter'', Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, S. 189</ref> Dieser Verzicht auf die vermittelnde Stellung des Klerus zwischen Gott und dem Menschen lässt sich auch an Buchillustrationen erkennen.
Wenn die „Berufung auf einen göttlichen Befehl“ zum Ungehorsam führte, berief sich Hildegard gegenüber den kirchlichen Autoritäten auf die „unanfechtbare Autorität ihrer Vision“.<ref>Donald F. Logan: ''Geschichte der Kirche im Mittelalter'', Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, S. 193</ref>
Als Folge dieser bei Mystikern weit verbreiteten Relativierung des Vorrangs des Klerus bei der Heilsvermittlung<ref>Otto Langer: ''Christliche Mystik im Mittelalter''. Mystik und Rationalisierung – Stationen eines Konflikts. WBG, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-04527-0, S. 221</ref> gerieten viele in den Verdacht der [[Häresie]] und wurden zu einem Fall für die Inquisition.<ref>Hubert Wolf: ''Die Nonnen von Sant' Ambrogio. Eine wahre Geschichte'', C.H.Beck, München 2013, S. 130</ref>
 
== Zitate ==
''„Die Pflanzen und die Tiere spenden sich wechselseitig das Feuer, das sie atmen. Denn der Atem ist Feuer. Die Tiere atmen Sauerstoff ein und Kohlenstoff aus. Wenn der Sauerstoff in die Lunge des Tieres tritt, so erneuert es dessen Leben und reinigt sein Blut, weil er es erhitzt. Zwischen den Bäumen und uns vollzieht sich der Austausch Tag und Nacht. Die Erde hat unterirdische Vulkane, das Meer hat Vulkane unter Wasser. Alles, was Leben hat, brennt. Die Schöpfung ist ein Werk der Liebe, und alle ihre Glieder spenden einander unablässig das Almosen des Feuers. Das Feuer reinigt, das Feuer erleuchtet, das Feuer einigt. Es stellt wieder her, nachdem es zersetzt hat. Hierdurch versinnbildet es auf geheimnisvolle Weise die drei Formen des mystischen Lebens: das reinigende, das erleuchtende und das vervollkommnende und vollendende Leben in Gott.“''
Ernest Hello: Mensch und Mysterium.<ref>Ernest Hello: ''Mensch und Mysterium'', Heidelberg 1950, 132-140 (Das Feuer), hier S. 132f</ref>
 
''Im „Ritus der Taufwasserweihe lassen sich religionsgeschichtliche Reflexe eines symbolischen Vollzugs des nächtlichen ‚Hieros Gamos‘ zwischen Gott und Schöpfung sehen, der in der Osternacht zwischen dem auferstandenen Christus und der Kirche vollzogen wird, um in der nachfolgenden Tauffeier die Geburt neuer Gotteskinder zu ermöglichen. Ausdruck dieser kultischen Vermählung und der symbolischen Befruchtung des Wassers ist das dreimalige Hineinsenken der Osterkerze in den Taufwasserbrunnen … Eine Verbindung von Nacht- und Brautmystik, wie man sie ausdrücklich bei Johannes vom Kreuz und später bei Novalis finden wird, ist dem Christentum also schon in seinen frühen Ausdrucksformen nicht fremd.“''
Stephan Lüttich: Nacht-Erfahrung.<ref>Stephan Lüttich: ''Nacht-Erfahrung. Theologische Dimension einer Metapher'' (Studien zur systematischen und spirituellen Theologie 42), Würzburg 2004, S. 36.</ref>
 
''„Jetzt wird in plötzlicher Umkehr sichtbar, dass Du, Jesus, durch die ‚Offenbarung‘ Deines Herzens unserer Liebe vor allem das Mittel geben wolltest, dem zu entkommen, was allzu eng, allzu scharf umrissen, allzu begrenzt an dem Bild war, dass wir uns von Dir machten. Im Zentrum Deiner Brust bemerke ich nichts anderes als einen Glutofen; und je mehr ich dieses brennende Feuer ansehe, um so mehr scheint es mir, dass überall um es herum die Umrisse Deines Leibes zerschmelzen, dass sie über alles Maß hinaus größer werden, bis ich in Dir keine anderen Züge mehr erkenne als die Gestalt einer entflammten Welt.“ „Solange ich in Dir, Jesus, nur den Mann von vor zweitausend Jahren, den erhabenen Sittenlehrer, den Freund, den Bruder zu sehen vermochte und wagte, ist meine Liebe zaghaft und gehemmt geblieben. (…) So bin ich also lange Zeit selbst als Glaubender umhergeirrt, ohne zu wissen, was ich liebte. Heute aber, Meister, da Du mir durch die Offenbarwerdung der suprahumanen [übermenschlichen] Vermögen, die die Auferstehung Dir verliehen hat, durch alle Mächte der Erde hindurch erscheinst, erkenne ich Dich als meinen Herrscher und liefere mich Dir mit Wonne aus.“''
Pierre Teilhard de Chardin: Lobgesang des Alls.<ref>Teilhard de Chardin: ''Lobgesang des Alls'', Olten 1964, 9–42 (Die Messe über die Welt), S. 36f.</ref>
 
''„In einem berühmten Abschnitt bezeichnet er [Johannes vom Kreuz] Christus als das letzte Wort des Vaters, in dem gemäß Kol 2,3 ‚alle Schätze von Gottes Weisheit und Wissen verborgen sind‘, weshalb es vermessen sei, von Gott noch ein weiteres Offenbarungswort zu erwarten (2 S[ubida del Monte Carmelo], 22,7.6); vielmehr sollte man sich darum bemühen, die in Christus tief verborgenen Schätze zu entdecken. Die ganze Kirche muss insgesamt lernen, auf den Gekreuzigten zu schauen und auf Christus als das letzte Wort des Vaters zu hören, denn es ist noch viel in ihm zu entdecken: ‚So gibt es viel, was in Christus zu vertiefen ist, denn er ist wie ein überreiches Bergwerk mit vielen Gängen voll von Schätzen; niemals findet man für sie einen Schluss- und Endpunkt, mag man sich noch so sehr in sie vertiefen, im Gegenteil, in jedem Gang kommt man da und dort zum Auffinden von neuen Adern mit neuen Reichtümern.‘ So verborgen sind in Christus die Schätze von Gottes Weisheit und Wissen, ‚dass für die heiligen Gelehrten und heiligen Menschen das Allermeiste noch zu sagen und zu verstehen aussteht, wie viele Geheimnisse und Wunder sie aufgedeckt oder in diesem Leben verstanden haben‘.“'' Mariano Delgado, „Dort Du allein, mein Leben!“<ref>Mariano Delgado, ''„Dort Du allein, mein Leben!“ Die Gott-Trunkenheit des Johannes vom Kreuz'', in: ders./ Abraham P. Kustermann (Hg.): ''Gottes-Krise und Gott-Trunkenheit. Was die Mystik der Weltreligionen der Gegenwart zu sagen hat'', Würzburg 2000, 93–117, hier S. 112 und S. 93.</ref>
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Mystik (Christentum)}}
* {{WikipediaDE|Christliche Mystik}}
* {{WikipediaDE|Mystische Erfahrung}}
* {{WikipediaDE|Liste von Mystikern}}
* {{WikipediaDE|Christus und die minnende Seele}}, (14. Jh.), klösterliche Lehrdichtung
* {{WikipediaDE|Christus und die sieben Laden}}
 
== Literatur ==
; Forschungsliteratur:
* Sabine Bobert: ''Jesusgebet und neue Mystik. Grundlagen einer christlichen Mystagogik.'' Kiel 2010, ISBN 978-3-940900-22-7 (online: [[:Datei:Sabine Bobert Jesusgebet und neue Mystik 1.pdf|Cover]], [[:Datei:Sabine Bobert Jesusgebet und neue Mystik 2.pdf|S. 1–29]]).
* Bardo Weiß: ''Jesus Christus bei den frühen deutschen Mystikerinnen''. Teil II: Das Wirken, Paderborn 2010
* Mariano Delgado, Gotthard Fuchs (Hrsg.): ''Die Kirchenkritik der Mystiker. Prophetie aus Gotteserfahrung'', 3 Bände, Freiburg-CH/Stuttgart 2004–2005
* Klaus W. Hälbig: ''Der Baum des Lebens. Kreuz und Thora in mystischer Deutung'', Würzburg 2011, ISBN 978-3-429-03395-8
* Marco S. Torini: ''Apophatische Theologie und göttliches Nichts. Über Traditionen negativer Begrifflichkeit in der abendländischen und buddhistischen Mystik''. In: ''Tradition und Translation. Zum Problem der interkulturellen Übersetzbarkeit religiöser Phänomene''. De Gruyter, Berlin u.&nbsp;a. 1994, S. 493–520.
* Peter Zimmerling: ''Evangelische Mystik''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015, ISBN 978-3525570418
; Lesebücher:
* Gerhard Ruhbach, Josef Sudbrack (Hrsg.): ''Christliche Mystik. Texte aus zwei Jahrtausenden.'' C.&nbsp;H. Beck, München 1989, ISBN 3-406-33622-1
; Einführungen
* Otto Langer: ''Christliche Mystik im Mittelalter. Mystik und Rationalisierung – Stationen eines Konflikts.'' WBG, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-04527-0.
* Bernard McGinn: ''Die Mystik im Abendland.'' (Dt. Übers. von: ''The Presence of God, A History of Western Christian Mysticism.'') 4 von 5 geplanten Bändern bereits erschienen, Herder, Freiburg 1994&nbsp;ff., ISBN 978-3-451-31062-1.
* Kurt Ruh: ''Geschichte der abendländischen Mystik.'' 5 Bände. C.&nbsp;H. Beck, München 1990–1999.
* Uta Störmer-Caysa: ''Einführung in die mittelalterliche Mystik.'' Neuausg. Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-017646-8.
* Hildegard Gosebrink: ''Das Geheimnis schauen. Grundkurs christliche Mystik.'' Kösel, München 2007, ISBN 3-466-36744-1.
* Werner Thiede: ''Mystik im Christentum''. Frankfurt a.&nbsp;M. 2009, ISBN 978-3-86921-003-2.
* Hubertus Mynarek: ''Mystik und Vernunft''. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Münster 2001, ISBN 3-8258-5312-8.
 
; Nachschlagewerke:
* Peter Dinzelbacher (Hrsg.): ''Wörterbuch der Mystik.'' 2. Auflage. Kröner, Stuttgart 1998, ISBN 3-520-45602-8.
 
== Weblinks ==
* Joseph Schumacher: [http://www.theologie-heute.de/MystikvorlesungI.pdf ''Die Mystik im Christentum und in den Religionen''] (PDF-Datei; 1,1&nbsp;MB), Freiburg i. Br., Vorlesung im WS 2003/2004
* [http://www.gfcm.de/ Gesellschaft der Freunde christlicher Mystik]; Ökumenischer Verein zur Förderung mystischer Traditionen im Christentum für den deutschsprachigen Raum
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
[[Kategorie:Christliche Mystik|!]]
[[Kategorie:Mystik]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 5. Oktober 2012, 20:05 Uhr

Ausschnitt aus dem Copernicus-Epitaph in der Kirche St. Johann in Thorn, wo Copernicus 1473 getauft wurde.

Nikolaus Kopernikus, bürglicher Name Niklas Koppernigk (* 19. Februar 1473 in Thorn; † 24. Mai 1543 in Frauenburg), latinisierte Namensversion Nicolaus Coppernicus, auch Copernicus, Domherr und Arzt in Frauenburg, der in seiner Freizeit astronomische und mathematische Studien betrieb. Begründer des kopernikanischen Weltbildes.

Jugend und Studienjahre

Kopernikus wuchs als Jüngster von vier Geschwistern in Thorn an der Weichsel auf, einer der zahlreichen Handelsstädte, die im 13. Jahrhundert von deutschen Aussiedlern in dem ursprünglich vom Stamm der Pruzzen bewohnten Gebiet an der Ostsee, dem späteren Ostpreußen, heutigen Nordpolen, gegründet wurden. Sein Vater Niklas Koppernigk (* vor 1454; † um 1483), ein aus Krakau zugewanderter Kupferhändler war auch als Schöppe beim dortigen Amtsgericht/Notariat tätig. Die Mutter Barbara Watzelrode (Watzenrode) gehörte einer alteingesessenen Patrizierfamilie in Thorn an. Als Kopernikus etwa 10 Jahre alt war, starb sein Vater. Die Witwe und ihre vier Kinder Niklas, Andreas, Barbara und Katharina wurden von der wohlhabenden Verwandtschaft unterstützt, insbesondere von der Familie ihrer Schwester Christina von Allen, geb. Watzelrode, sowie ihrem Bruder Lucas Watzelrode, dem späteren Fürstbischof des Ermlandes. Letzterer ermöglichte Kopernikus und seinem Bruder Andreas nach der Schulausbildung an der Johannes-Schule in Thorn ein Studium an den Universitäten in Krakau und Bologna sowie eine Stellung als Domherren in Frauenburg. Zu diesem Zweck erwarben sie sich den Titel eines Doctor canonicus. Kopernikus erhielt vom Domkapitel die zusätzliche Erlaubnis für ein Medizinstudium in Padua, um sowohl den Domherren wie auch seinem Onkel auf dem Bischofssitz in Heilsberg mit ärztlichem Rat zur Seite stehen zu können.

Schon auf der Universität in Krakau erwarb sich Kopernikus umfassende mathematische und astronomische Kenntnisse, die es ihm ermöglichten, neben seinem Rechts-Studiums an der Universität in Bologna mit dem dortigen Astronomieprofessor Domenico Maria da Novara zusammen zu arbeiten, der bereits Zweifel an der Richtigkeit des Ptolemäischen Systems hatte.

Begegungen mit Leonardo da Vinci, Michelangelo und Raffael?

Die Gruppe der Astronomen in Raffaels Fresko Die Schule von Athen in der Stanza della Segnatura, Vatikan

Während Kopernikus an der Universität in Padua Medizin studierte, lehrte dort der Medizinprofessor Marco Antonio della Torre, der zusammen mit seinem Freund Leonardo da Vinci an einem Anatomiebuch arbeitete. Noch gab es in Padua keinen Lehrstuhl für Anatomie. Die Studien am geöffneten Leichnam wurden meist heimlich betrieben. Nur zweimal im Jahr gab es für die Studenten an der Universität eine offizielle Leichenschau. Leonardo da Vinci lieferte die Anatomiezeichnungen zu den Texten seines Freundes. Höchstwahrscheinlich lernte Kopernikus zusammen mit anderen Medizinstudenten Leonardo in Florenz kennen.

Ebenso dürfen wir davon ausgehen, dass Kopernikus während seines längeren Aufenthaltes in Rom im heiligen Jahr 1500 auch dem dort für den Papst tätigen Michelangelo begegnete. Das Fürstbistum Ermland, dem Kopernikus angehörte, unterstand direkt dem Päpstlichen Stuhl und einige Frauenburger Domherren hielten sich jahrelang in Rom auf (auch Kopernikus' Bruder Andreas), um dort die ermländischen Interessen zu vertreten. Der Überlieferung nach soll Kopernikus in Rom auch mathematische Vorträge gehalten haben.

Als Domherr und Bischofsneffe interessierte sich Kopernikus für religiöse Kunst. Der Maler Raffael hingegen verfolgte mit Interesse die geistige Entwicklung der Menschheit, wie wir an seinem Gemälde Die Schule von Athen sehen können. In diesem wenig verstandenen Gemälde stellt er auf der rechten Seite dar, wie alles Wissen zunächst durch die königliche Kunst Astronomie dem Makrokosmos abgelesen und mithilfe von Arithmetik und Geometrie auf die Erde herunter gebracht wird. Auf der linken Seite des Gemäldes stellt Raffael dar, wie das vom Mikrokosmos Mensch dann verinnerlichte Wissen mithilfe von Rhetorik, Dialektik, Grammatik und Poesie wieder an die Welt zurückgegeben wird.

Raffael neben dem zehn Jahre älteren Kopernikus?

Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich Raffael gerade zu der Gruppe der Astronomen als interessiert lauschender Zuhörer hinzugemalt hat. Diese Personengruppe ist deutlich dreigegliedert. Der Älteste, mit dem langen Bart, stellt Zarathustra dar, den Begründer der Kosmologie. Er trägt eine Himmelskugel mit dem Sternenhimmel auf seiner Rechten. Ihm gegenüber, dem Betrachter den Rücken zuwendend, steht Ptolemäus. Er trägt eine Erdkugel auf seiner Linken als Begründer des geozentrischen Weltbildes. Traditionsgemäß wurde er mit dem ägyptischen Pharaonengeschlecht der Ptolemäer in Verbindung gebracht und deshalb meist mit goldener Königskrone und Königsmantel dargestellt. Zarathustra und Ptolemäus repräsentieren die Gegensätze Himmel und Erde. Beide blicken sie zu einem Dritten hin, der zwischen ihnen steht und die Sonne mit den sie umgebenden Planeten bzw. das heliozentrische Weltbild repräsentiert. Diese Person trägt das schwarze Untergewand eines ermländichen Domherren und die typische Mütze eines Studenten zu Bologna. Zu dem Zeitpunkt, da Raffael die "Schule von Athen" malte (1510 - 1511), war der Commentariolus des Kopernikus, in dem er die Grundzüge seiner Vorstellung eines heliozentrischen Planetensystems beschrieb, bereits unter interessierten Astronomen bekannt geworden. Offenbar kannte Raffael dieses Werk und hat Kopernikus daher als Vertreter der Sonne und der Planeten zwischen die Repräsentanten des Sternenhimmels und der Erde gemalt. Raffael war 10 Jahre jünger als Kopernikus. Er hat Letzteren wohl aus dem Gedächtnis gemalt, denn es ist durchaus möglich, dass sich beide in den ersten Jahren des 16. Jh. persönlich begegnet sind, zumal Kopernikus als Domherr und Ziehsohn des Fürstbischofs vom Ermland sich sehr für religiöse Kunst, insbesondere Mariendarstellungen interessiert haben dürfte, denn die Kathedrale von Frauenburg, an der er Domherr war, trug den Namen "Unserer lieben Frau". Sie war der Gottesmutter, inbesondere Mariä Himmelfahrt geweiht (daher auch der Orts- und Domname "Frauenburg"). Nimmt man noch die Aussagen Rudolf Steiners über die besondere Zusammensetzung des Astralleibes von Kopernikus hinzu (siehe unten), so wird es noch einsichtiger, warum Raffael sich selbst (Johannes der Täufer), Zarathustra (Meister Jesus) und Kopernikus auf dem Bild als Gruppe zusammenstellt, auch warum Kopernikus dasselbe weiße Obergewand (als Ausdruck der Seelenhülle bzw. des Astralleibes) trägt wie Zarathustra. Auf dem ganzen Gemälde gibt es überhaupt nur drei Personen, die ein den ganzen Körper bedeckendes, weißes Obergewand tragen. Die dritte Person ist der androgyn wirkende Jüngling mit den langen Haaren in der linken Hälfte des Bildes, den Rudolf Steiner ausdrücklich auch mit Raffael (bzw. Johannes dem Evangelisten) in Verbindung bringt. Leider liegen uns keine Aussagen Rudolf Steiners über den Astralleib des Ptolemäus vor.

Astronomische Werke

  • Commentariolus, vollständiger Titel Nicolai Copernici de hypothesibus motuum coelestium a se constitutis commentariolus. In dieser frühen Schrift, die Kopernikus unmittelbar nach seinem Italienaufenthalt auf dem Bischofssitz seine Onkels in Heilsberg verfasste (ca. 1507 - 1509), beschreibt er die Grundzüge seines heliozentrischen Planetensystems.
  • De Revolutionibus Orbium Coelestium, Nürnberg 1543, ist das Hauptwerk von Kopernikus, in dem er seine vorab im Commentariolus angelegten Ideen für alle damals bekannten Planeten und den Mond detailliert ausgearbeitet hat. Der Druck erfolgte auf Drängen des Papstes in Rom durch den Kardinal Nikolaus von Schönberg, auf Drängen von Kopernikus' Freunden, insbesondere des Kulmer Bischofs Tiedemann Giese sowie auf Drängen des protestantischen Mathematikers Georg Joachim Rheticus, der schließlich das bis heute erhaltene handschriftliche Manuskript von De Revolutionibus zur Druckerei nach Nürnberg brachte. An seinem Todestag, dem 24.05.1543, wurde Kopernikus, der an einem Schlaganfall darnieder lag, die erste Druckausgabe noch in die Hände gelegt.

Besonderheiten seines Astralleibes

Aussagen Rudolf Steiners zur besonderen Zusammensetzung des Astralleibes von Kopernikus:

  • „Er (Nikolaus von Kues) hat vorweggenommen die kopernikanische Planetensystem-Anschauung (die heliozentrische Lehre). Mehr verschleiert brachte er sie. Der Astralleib des Nikolaus von Kues wird übergeführt in Nikolaus Kopernikus, und der beschreibt und erklärt, was (jen)er vorher verschleiert gegeben hatte. Ein Stück des ägyptischen Hermes war darin (im Astralleib) enthalten, ein wichtiges Stück.“ (GA 109, Das Prinzip der spirituellen Ökonomie, Anhang zu Teil I, Auszug aus Vortrag vom 25.02.1909, Kassel)
  • „In ihm (Nikolaus von Kues) lebte der astralische Leib Christi und dieser ging später über in Nikolaus Kopernikus. Ein anderes Beispiel: Der ätherische Leib des Christus leuchtet auf in Galilei." (GA 109, Das Prinzip der spirituellen Ökonomie, Anhang zu Teil I, Auszug aus Vortrag vom 19.02.1909, Leipzig)

Berücksichtigt man diese Aussagen Rudolf Steiners, so scheint es erstaunlich, wie treffend der Maler des Bildes im Kopernikus-Epitaph der Johannes-Kirche in Thorn die Seelenstimmung des Kopernikus wiedergegeben hat (siehe Bild ganz oben).

Frühere Inkarnationen

Aussage Rudolf Steiners über Kopernikus als Teilnehmer am Osiriskult im alten Ägypten: „Wir versetzen uns in die Seele des Kopernikus. Diese war da in der alten ägyptischen Zeit; sie hat damals an einer besonders hervorragenden Stelle den Osiriskultus erlebt und hat gesehen, wie Osiris als ein Wesen betrachtet worden ist, das dem hohen Sonnenwesen gleichkommt. Die Sonne stand in geistig-spiritueller Beziehung in dem Mittelpunkte des ägyptischen Denkens und Fühlens, aber nicht die äußerliche sinnliche Sonne, die nur als der körperliche Ausdruck des Geistigen angesehen wurde. So wie das Auge der Ausdruck der Sehkraft ist, so war für den Ägypter die Sonne das Auge des Osiris, der Ausdruck, die Verkörperung dessen, was der Geist der Sonne war. Das alles hatte die Seele des Kopernikus einst durchlebt, und die unbewusste Erinnerung daran war es, die ihn dazu bewog, in der Gestalt, wie es in einem materialistischen Zeitalter sein konnte, diese Idee wieder zu erneuern, diese alte Osirisidee, die damals spirituell war. Sie tritt uns da, wo die Menschheit tiefer heruntergestiegen ist auf den physischen Plan, in der materialistischen Ausgestaltung des Kopernikanismus entgegen. Die Ägypter haben das spirituell gehabt; sich an diesen Gedanken zu erinnern, war das Weltenkarma des Kopernikus, und das hat herausgezaubert jene Richtungskombination, die zu seinem Sonnensystem geführt hat.“ (GA 105, „Welt, Erde und Mensch“, Vortrag vom 16.08.1908)

Das Wiederaufleben der Seelenstimmung einer alten ägyptischen Inkarnation und einer folgenden griechisch-pythagoräischen Inkarnation: Kopernikus schreibt im 10. Kapitel des 1. Buches von „De revolutionibus orbium coelestium“: „In der Mitte von allen aber hat die Sonne ihren Sitz. Denn wer möchte sie in diesem herrlichen Tempel als Leuchte an einen anderen oder gar besseren Ort stellen als dorthin, von wo aus sie das Ganze zugleich beleuchten kann? Nennen doch einige sie ganz passend die Leuchte der Welt, andere den Weltengeist, wieder andere ihren Lenker, Trismegistos nennt sie den sichtbaren Gott, die Elektra des Sophokles den Allessehenden. So lenkt die Sonne gleichsam auf königlichem Thron sitzend, in der Tat die sie umkreisende Familie der Gestirne. […] Indessen empfängt die Erde von der Sonne und wird mit jährlicher Frucht gesegnet.“ - Kopernikus verwendete zur Unterzeichnung seiner Briefe ein Wachssiegel mit der Abbildung des Apollon mit der Leier.

Bis kurz vor seinem Lebensende hielt sich Kopernikus an den pythagoräischen Grundsatz, wonach Philosophie und Wissenschaft nur unter Philosophen und Wissenschaftlern betrieben und diskutiert werden sollten, weil die Unkundigen aus ihrem Unverständnis heraus über vieles nur spotten würden: "Mathematik wird nur für Mathematiker geschrieben" (De Revolutionibus, Widmungsvorrede an den Papst). Da er wusste, dass der damals amtierende Papst Paul III. Mathematik und Astronomie sehr zugetan war, bat er ihn in der Widmungs-Vorrede von De Revolutionibus um Unterstützung. Eine Verfolgung der "Heliozentriker" vonseiten der katholischen Kirche begann erst im 17. Jahrhundert. Luther und Melanchton wandten sich dagegen schon zu Lebzeiten von Kopernikus gegen seine Lehre einer ruhenden Sonne und bewegten Erde.

Aussagen Rudolf Steiners zur Tat des Kopernikus

"Es gibt Menschen, die in der Tat des Kopernikus die größte der geistigen Kulturumwälzungen sehen, welche die Menschheit, soweit die geschichtliche Erinnerung reicht, überhaupt erlebt habe. Und man muss gestehen, dass der Eindruck und der Einfluss dieser geistigen Umwälzung für alles äußere Denken der Menschen so bedeutsam, so großartig war, dass sich in der Tat kaum irgend etwas an Eindringlichkeit, an Wirksamkeit damit vergleichen lässt. ... Es wurde eigentlich damals den Menschen für ihre Anschauung buchstäblich der Boden unter den Füßen wankend gemacht. Was sie bis dahin fest geglaubt hatten, so fest geglaubt hatten, dass sie dachten, die Sonne und der ganze Sternenhimmel drehe sich um diesen festen irdischen Wohnplatz, und alles, was im Weltenraume ausgebreitet ist, sei nur da, um der Ziele und Eigenartigkeiten dieses irdischen Wohnplatzes willen, darüber mußte man jetzt denken lernen, es sei nun selber etwas, was mit rasender Geschwindigkeit durch den Weltenraum eilt. Die sich bewegende Sonne mußten sie denken lernen als etwas im Verhältnis zur Erde Stehendes und die Erde selbst als etwas Bewegliches. ... Und was sich uns damals als das größte Geschehen der Menschheitsentwickelung gezeigt hat, stellt sich uns gerade in einem schönen speziellen Falle dar, wenn wir auf die Tat des Kopernikus sehen. Was ist denn eigentlich damals im sechzehnten Jahrhundert geschehen, als schon nach dem Tode des Kopernikus sein großes Werk über die Umwälzung der Himmelskörper vor die gebildete Welt trat, welches Kopernikus selber noch so im Einklänge mit seiner ganzen eigenen Stellung als katholischer Domherr glaubte, dass er es dem Papste widmete, und welches doch bis zum Jahre 1821 auf dem Index der verbotenen Bücher der katholischen Kirche gestanden hat? Nur aus der ganzen Zeitkultur und geistigen Zeiterfassung heraus läßt sich eigentlich die Tat des Kopernikus begreifen, nur dann, wenn man darauf Rücksicht nimmt, dass in den Jahrhunderten bis zum Auftreten des Kopernikus im geistigen Leben, insofern dasselbe sich wissenschaftlich glaubte, dasjenige geherrscht hat, was man den Aristotelismus nennen kann, die Weltanschauung dieses großen griechischen Weisen der vorchristlichen Kultur. ... Und des Kopernikus Lehre ist in einer gewissen Beziehung ein Bruch, man müßte sagen nicht mit der Lehre des Aristoteles, wohl aber mit demjenigen, was im Mittelalter aus dem Aristoteles durch die Forscher, namentlich durch die christlichen Forscher geworden ist. ... Fassen wir das innere Verhältnis der Sterne zur Sonne nicht so auf, wie es die mittelalterliche Wissenschaft und der Aristotelismus aufgefaßt haben, sondern nehmen wir an, daß die Sonne im Mittelpunkte stehe, und daß die Planeten um sie herum kreisen. Was würde daraus folgen, wenn wir diese Annahme machen? So fragte sich etwa Kopernikus. Und er konnte sich sagen: Dann haben wir einen großen Grundsatz, einen methodischen, einen logischen Grundsatz des Aristoteles mehr befolgt als die, welche jetzt in ihrer Art das äußerlich sinnlich Erschaubare erklären wollen. ... So hat Aristoteles, obwohl ihn jene nicht verstanden haben, welche glaubten, echte Aristoteliker des Mittelalters zu sein, im Grunde genommen doch den Impuls gegeben, welcher die Menschheit auf jene Stufe brachte, auf der sie in Kopernikus Innern die Idee faßte, den Gedanken der Einfachheit auf das äußere Weltall anzuwenden. ... Kopernikus blieb, trotzdem seine Lehre später so weltumwälzend gewirkt hat, in bezug auf sein Bekenntnis fest gegründet in dem Glauben an ein Geistiges, das alle Welt durchlebt und durchwogt." (GA 61, Menschengeschichte im Lichte der Geistesforschung, Vortrag vom 15.02.1912: "Kopernikus und seine Zeit")

Siehe auch: "Aussagen Rudolf Steiners zum kopernikanischen Weltbild".

Erweiterung des kopernikanischen Weltbildes durch Rudolf Steiner

Rudolf Steiner erklärt die Planetenbewegung auf eine völlig andere Weise als wir es vom kopernikanischen Weltbild her gewohnt sind. Er scheint die kopernikanischen Bahnen der Planeten als das Resultat komplizierter Bahnbildeprozesse zu betrachten, die sich aus verschiedenen Bewegungsformen zusammensetzen. So sprach er in verschiedenen Vortragszyklen z.B. von Schraubenbewegungen, "künstlerischen" Bewegungen, aber vor allem von Lemniskatenbahnen der Planeten und hat eine Reihe von Skizzen dazu gegeben.

Angeblich aufgefundene sterbliche Überreste des Kopernikus

Im Jahr 2005 wurden im Dom zu Frauenburg im Bereich des Heilig-Kreuz-Altars die sterblichen Überreste eines Mannes ausgegraben, die nach einer angeblich "wissenschaftlichen Untersuchung" mit hoher Wahrscheinlichkeit die des Kopernikus sein sollen. Auch eine Gesichtsrekonstruktion wurde vollzogen. Schaut man sich die "wissenschaftliche Untersuchung" genauer an, wird jedoch deutlich, dass lediglich per DNA-Analyse nachgewiesen werden konnte, dass ein Zahn des ausgegrabenen Schädels, der zu einem im Alter von 60 bis 70 Jahren verstorbenen Mann gehörte, genetisch identisch ist mit zwei Haaren, die in einem Buch gefunden wurden, das nachweislich Kopernikus gehörte. Kopernikus vermachte seine Bücher der Dombibliothek, die von zahlreichen Domherren benutzt wurden. So fanden sich in besagtem Buch 9 Haare. Von 4 Haaren konnte genetisches Material gewonnen und nachgewiesen werden, dass sie drei verschiedenen Personen gehörten. Teilnehmer einer internationalen Kopernikus-Konferenz in Krakau warfen dem Untersuchungsteam mangelhafte Recherche und kritische Fehler vor. Dennoch wurden am 22.05.2010 die sterblichen Überreste des vermeintlichen Kopernikus in einem feierlichen Staatsakt erneut im Frauenburger Dom beigesetzt.

Die Unwissenschaftlichkeit der Interpretation des Gutachtens beginnt schon damit, dass der Heilig-Kreuz-Altar im Frauenburger Dom als derjenige des Kopernikus angegeben wird. Jeder der zu Lebzeiten von Kopernikus üblicherweise 16 Domherren hatte einen eigenen Altar an einer der Säulen des Mittelschiffes, an dem er in sein Amt eingeführt wurde. Tatsächlich aber war schon bald nach dem Tode von Kopernikus die Erinnerung daran verloren gegangen, welches "sein" Altar gewesen war. Im Laufe der letzten Jahrhunderte wurden je nach Gutdünken ingesamt 3 Altäre in größeren Zeitabständen zum Altar des Kopernikus erklärt. Entsprechend findet man im Frauenburger Dom auch an 3 Säulen Gedenktafeln. Unter den Bodenplatten des Domes wurden mehr als 200 Leichname bestattet, größtenteils ohne Namenskennzeichnung. Daher ist schon die Beschränkung der Ausgrabungen allein auf das Umfeld des Heilig-Kreuzaltars völlig unwissenschaftlich. Auch das Alter der gefundenen sterblichen Überreste lässt Zweifel an der Interpretation aufkommen, denn Kopernikus starb mit 70 Jahren. Sein Skelett würde somit auf ein Sterbealter von 65 bis 75 Jahren geschätzt werden, d.h. 5 Jahre älter als das gefundene. Zudem wurde genetisch nachgewiesen, dass der Schädel zu einem Menschen mit blauen oder grauen Augen, d.h. mit heller Iris, gehörte. Tatsächlich zeigen aber alle erhaltenen Gemälde von Kopernikus diesen stets mit dunkelbraunen Augen und ebensolchen Haaren. Auch wird behauptet, es seien keine lebenden leiblichen Verwandten von Kopernikus mehr auffindbar. Das mag für Polen richtig sein. Aber Kopernikus war deutschsprachig und deutschstämmig und in Deutschland gibt es durchaus noch lebende leibliche Verwandte, z.B. Nachfahren seiner Tante mütterlicherseits, Christina von Allen, geb. Watzelrode, wie eine Stammtafel belegt. Ganz offensichtlich war bei der Interpretation des "wissenschaftlichen" Gutachtens vor allem der Wunsch der Vater des Gedankens.