Vater unser und Carl Gustav Jung: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Vaterunser''' gilt als das wichtigste [[Gebet]] aller [[Christentum | Christen]] und wurde gemäß  dem [[Neues Testament | Neuen Testament]] durch [[Jesus Christus]] selbst im Rahmen der [[Bergpredigt]] (Matthäus 6, 9–13) bzw. auf die Frage seiner Jünger hin, wie sie beten sollen (Lukas 11, 2–4), gestitftet.
[[Datei:Jung_1910-rotated.jpg|thumb|Carl Gustav Jung (1910)]]
'''Carl Gustav Jung''' (* 26. Juli 1875 in Kesswil, Schweiz; † 6. Juni 1961 in Küsnacht, Schweiz), meist kurz ''C. G. Jung'', war ein Schweizer [[Psychiater]] und der Begründer der [[Analytische Psychologie|analytischen Psychologie]].


Jesus lehrte das Vaterunser in [[aramäisch | aramäischer ]] Sprache, schriftlich ist es jedoch nur im griechischen Urtext der Bibel überliefert. Durch die Übersetzung in die heutigen Sprachen verliert das Vaterunser an Kraft, was jedoch durch das richtige Verständnis des Gebettextes kompensiert werden kann:
== C.G. Jungs Typologie ==
[[Bild:Psychische Basisfunktionen Jung-de.svg|thumb|left|Die psychischen Basisfunktionen nach Jung]]
[[Bild:Persona.svg|right|250px|thumb|Typisch männliche Einstellung der '''Persona''', bei der das äußere Ich dem objektiven Denken, das innere jedoch der subjektiven Gefühlswelt zugewandt ist. Die Hauptfunktion, das Denken, beherrscht hier die Ich-Hülle, die ''Persona''. Die minderwertige Funktion, das Fühlen, kommt hier der '''Anima''' zu.]]
Die von Jung entwickelte Typologie psychologischer Typen und/oder psychischen Einstellungen zum Leben hat auch außerhalb der an Jung orientierten Forschung und Rezeption Aufmerksamkeit und Anerkennung bis in den Alltag hinein gefunden. Die Unterscheidung zwischen Menschen mit extravertierter und introvertierter Einstellung geht auf Jung zurück. Jung kombiniert diese Grundunterscheidung mit den Anpassungs- oder Orientierungsfunktionen Intuition, Empfindung,[[Fühlen]] und Denken, wodurch sich acht bzw. 16 verschiedene Einstellungen des Individuums zu sich selbst und zur Welt ergeben, die bei jedem Menschen in individueller Mischung vorkommen. <ref>C.G. Jung: Gesammelte Werke, Bd. 6. Psychologische Typen. / Jolande Jacobi: Die Psychologie von C.G. Jung, Seite 20ff.</ref>


"Die Gebete der alten Sprachen verlieren ihre alte Kraft, wenn sie in neuere Sprachen übertragen werden. In den lateinischen Worten des Pater noster liegt viel mehr Kraft als im Vaterunser. Die Sprache des alten Vaterunser ist die aramäische. Wer es sprach in der aramäischen Sprache, hat Zauberkraft empfunden. Durch die richtige Erfassung der Sachen müssen wir wieder die Gewalt der Worte in die Sprache hineinbringen." (GA 97, S. 98)
"Diese vier Funktionstypen, die beim Individuum durch die jeweilige Vorherrschaft der einen oder der anderen Funktion feststellbar sind, haben in dieser Form natürlich nur in der Theorie Gültigkeit. Im Leben kommen sie fast niemals rein vor, sondern mehr-minder als Mischtypen (...) Ein reiner Denktypus war z.B. [[Kant]], wogegen [[Schopenhauer]] schon als intuitiver Denktypus bezeichnet werden muß. Die Funktionen, aber nur die 'benachbarten', können also vielfach als Mischtypen auftreten, und wenn sie so in Mischtypen mit geringerem oder größerem Überwiegen der einen Funktion erscheinen, machen sie die Zuordnung des Individuums zu einem Funktionstypus außerordentlich schwierig." (Jacobi, S. 26)


Jedoch ist die Wirksamkeit des Vaterunsers durch den reinen Inhalt seiner Worte immer gegeben, auch wenn dem Betenden noch kein tieferes Verständnis gegeben ist:
Nach Jung sind Empfindung und Intuition irrationale Funktionen, Denken und Fühlen rationale Funktionen. Das Fühlen in diesem rationalen Sinne ist mit einem Werturteil verbunden, z.B. einem Geschmacksurteil, was in einer Situation passendes Verhalten sei, oder mit Bezug auf das eigene Wohlergehen, das Gefühl, ob einem der Besuch einer bestimmten Party am Wochenende gut tun würde. Denken ist eine Orientierungsfunktion, die über eine geschlossene begriffliche Ordnung der Welt verfügt, die auch einer Leitidee untergeordnet sein kann. Ein jedes Ding oder Ereignis hat in solchem System seinen Platz und erfährt einen entsprechenden Umgang. Der Empfindungstyp orientiert sich mehr an dem, was sich ihm empirisch zu zeigen scheint. Er beobachtet genau, und beachtet subtile Differenzen, die ihm Information oder auch ästhetischen Genuß liefern. Der intuitive Typus orientiert sich mittels der Erfassung von Ganzheiten, spontanen Eingebungen, was es mit einem Vorfall oder Menschen auf sich habe. So kann z.B. ein machtbewußter Mensch im Umgang mit anderen möglicherweise intuitiv spontan erkennen, welche Menschen seinen Machtanspruch gefährden, und welche für seine Vorhaben ungefährlich sind.


Das Vaterunser "gehört tatsächlich zu den allertiefsten Gebeten der Welt. Wir können nur heute nicht mehr die ganze volle Tiefe des Vaterunsers ermessen, wie es die Ursprache ergeben hat, in der es gelehrt wurde. Aber der Gedankeninhalt ist ein so gewaltiger, daß er in keiner Sprache auch nur irgendwie Einbuße erleiden könnte." (GA 97, S. 103)
Die Anordnung der vier Grundtypen im Kreis ist also nicht beliebig. Die vier Mischtypen sind "Empirisches Denken", "Intuitives spekulatives Denken", "Empfindendes Fühlen" und "Intuitives Fühlen". Dabei kann so eine Mischung ausgeglichen sein, oder aber eine Funktion überwiegen, was meist der Fall ist. Die gegenüber liegenden Kombinationen Denken und Fühlen, oder Empfinden und Intuieren kommen gemäß dieser Lehre nicht vor. Meist ist eine Funktion sehr gut entwickelt, und eine weitere Hilfsfunktion zusätzlich in geringerem Maße, während die gegenüberliegende Funktion die minderwertige (i.S.v. unentwickelt, eher unbewußt, unterdrückt, unspezialisiert etc.) Funktion ist. Die Extraversion oder Intraversion liegt jeweils auf einer Hälfte des Kreises. Die gegenüberliegende Funktion Fühlen ist bei einem extravertierten Denktypus z.B. introvertiert. Wenn die entwickelte Denkfunktion introvertiert ist, ist entsprechend dann die Funktion des Fühlens extravertiert.


"Diejenigen Gebete, die nicht nur kurz wirken, sondern die durch
Diese grundsätzlichen Funktionstypen und Einstellungen bilden die Basisbausteine für C.G. Jungs psychologische Struktur- und Entwicklungslehre. Weitere Konzepte bzw. in empirischer Hinsicht vorkommende Persönlichkeitsaspekte sind [[Persona_(C.G._Jung)|Persona]], [[ Anima_(Archetypus)|Anima - bzw. Animus]], der [[Schatten_(Archetypus)|Schatten]] sowie das [[Selbst_(Archetypus)|Selbst]]. Die Integration zunächst der minderwertigen Funktion und des Schattens, und dann der Anima bzw. dem Animus kann zur Selbstfindung und [[Individuation]] führen.
Jahrtausende hindurch die Seelen ergreifen und die Herzen erheben, sind alle aus der tiefsten Weisheit geschöpft. Niemals ist ein solches Gebet so gegeben worden, daß man in beliebiger Weise schöne oder erhabene Worte zusammengestellt hat, sondern man hat sie aus der tiefsten Weisheit heraus genommen, weil sie nur so die Kraft haben, über die Jahrtausende hinüber zu wirken auf die Seele der Menschen. Nicht gilt der Einwand, daß ja die naive Seele nichts weiß von dieser Weisheit. Sie braucht nichts zu wissen, denn die Kraft, die das Vaterunser hat, kommt doch aus dieser Weisheit, und sie wirkt, auch wenn man nichts davon weiß. (GA 97, S. 116)


== Weblinks ==
== Analytische Psychologie und Anthroposophie im Vergleich ==
Rudolf Steiner sieht in der analytischen Psychologie problematische Halbwahrheiten. In einem Vortrag (GA 66) äußert er sich im Jahre 1917 wie folgt:


== Literatur ==
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"Nun trat ja in der neueren Zeit das hervor, was man die
analytische Psychologie nennt. Diese analytische Psychologie
ist, ich möchte sagen, von guten Ahnungen beseelt.
Denn was will sie? Diese analytische Psychologie, oder wie
man sie gewöhnlich heute nennt, Psychoanalyse, sie will
von dem gewöhnlichen Seelenleben zu dem heruntersteigen,
was in dem gewöhnlichen gegenwärtigen Seelenleben nichtyp
mehr enthalten ist, aber Rest ist aus früherem seelischen
Erleben. Der Psychoanalytiker nimmt an, das seelische
Leben erschöpfe sich nicht in dem gegenwärtigen seelischen
Erleben, in dem bewußten seelischen Erleben, sondern das
Bewußtsein tauche hinunter ins Unterbewußte. Und in vielem,
was im seelischen Leben als Störung, als Verwirrung,
als dieses oder jenes Mangelhafte auftritt, sieht der
Psychoanalytiker eine Wirkung des unten im Unterbewußten
Wogenden. Aber interessant ist es, was in diesem Unterbewußten
der Psychoanalytiker nun sieht. Wenn man hört,
was er aufzählt in diesem Unterbewußten, so ist es zunächst
getäuschte Lebenshoffnung. Der Psychoanalytiker
findet irgendeinen Menschen, der unter dieser oder jener
Depression leidet. Diese Depression braucht ihren Ursprung
nicht im gegenwärtigen bewußten Seelenleben zu haben,
sondern in der Vergangenheit. In diesem Leben trat einmal
irgend etwas im seelischen Erleben auf. Der Mensch ist darüber hinausgekommen, aber nicht vollständig; im Unterbewußten ist ein Rest geblieben. Er hat zum Beispiel Enttäuschungen erlebt. Er ist durch Erziehung, durch andere
Vorgänge, mit dem bewußten Seelenleben über diese Enttäuschungen hinweggekommen, aber im Unterbewußten,
da leben sie. Da wogt sie, diese Enttäuschung, gewissermaßen bis an die Grenze der Bewußtheit heran. Da erzeugt
sie dann die unklare seelische Depression. Der Psychoanalytiker sucht also in allerlei Enttäuschungen, in getäuschten Lebenshoffnungen, die ins Unterbewußte heruntergezogen sind, dasjenige, was das bewußte Leben in
einer dunklen Weise bestimmt. Das sucht er auch in dem,
was das Seelenleben als Temperament färbt. In dem, was
das Seelenleben aus gewissen rationalen Impulsen heraus
färbt, sucht der Psychoanalytiker ein Unterbewußtes, das
gewissermaßen nur anschlägt an das Bewußtsein. Dann
aber kommt er zu einem weiten Gebiete - ich referiere hier
nur —, welches der Psychoanalytiker dadurch faßt, daß er
sagt: Da spielt herauf in das bewußte Leben der animalische
Grundschlamm der Seele. Nun soll gar nicht geleugnet werden, daß dieser Grundschlamm vorhanden ist.
(...)
In dem, was der Psychoanalytiker in den enttäuschten Lebenshoffnungen in den Untergründen der Seele sucht, liegt, wenn er nur tief genug
darauf eingeht, dasjenige, was sich vorbereitet in einem
gegenwärtigen Leben, um schicksalsmäßig in ein nächstes
Leben einzugreifen.
 
So findet man überall, wenn man den animalischen
Grundschlamm — ohne sich die Hände dabei zu beschmutzen,
wie es bei den Psychoanalytikern leider so häufig geschieht
- umgräbt, durchforscht, das geistig-seelische Weben des
Schicksals, das über Geburt und Tod mit dem geistig-seelischen Leben der Seele hinausgeht. Gerade an der
analytischen Psychologie haben wir ein Gebiet, an dem so recht
gelernt werden kann, wie alles richtig und alles falsch ist,
wenn es sich um Weltanschauungsfragen handelt, nämlich
von der einen oder anderen Seite aus."{{Lit|{{G|066|179ff}}}}
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[[Hans Erhard Lauer]] arbeitet in "Die Rätsel der Seele" verschiedene Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Im Anhang, der der 2. Auflage (1964) zugefügt wurde, äußert er sich dahingehend, daß Jung zwar nur über die imaginative Erkenntnisstufe verfügte, aber bezüglich des Christentums im wesentlichen mit der Anthroposophie übereinstimme:
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"So war es also, wenn auch Vergangenes, so doch immerhin Europäisch-Christlich-Abendländisches, das in Jungs seelischen Erlebnissen sich erneuerte. Daraus erklärt sich auch seine intensive Beziehung zu dem Mysterium, das in der Gestalt Jesu Christi seinen Ausdruck gefunden hat. Auch darf behauptet werden, daß seine Auffassungen gerade auch in diesem Punkte in vollem Einklang stehen mit denjenigen, die Rudolf Steiner hierüber vertreten hat. Nur unterscheiden sie sich von diesen zugleich wieder charakteristischerweise darin, daß Steiner zur Darstellung brachte, was einer über die Imaginationsstufe hinausgehenden geistigen Erfahrung sich erschließt, während Jung nur zur Erscheinung kommt, wie sich die betreffenden Tatsachen, auf die Ebene der Imagination projiziert, abbilden. Übereinstimmt er mit Steiner aber darin, daß er - wie es in der Einleitung zu seiner Selbstbiographie (von A. Jaffé) heißt - 'der christlichen Forderung des Glaubens die Notwendigkeit des Verstehens und Nachdenkens gegenüberstellte'. Oder, wie er es selbst an einer Stelle ausspricht: 'Ich lasse der christlichen Botschaft nicht nur eine Tür offen, sondern sie gehört ins Zentrum des westlichen Menschen. Allerdings bedarf sie einer neuen Sicht, um den säkularen Wandlungen des Zeitgeistes zu entsprechen; sonst steht sie neben der Zeit und die Ganzheit des Menschen neben ihr.' Außerdem aber handelt es sich im besonderen bei jenem [[Alchimie|alchimistisch-rosenkreuzerischen]] Seelenwandlungsprozeß, dem der von ihm durchgemachte in gewisser Weise entsprach, um jene Bestrebungen, durch welche der spezifische Geistesweg gerade der neueren Zeit inauguriert worden ist. Es kommt dies bei Jung darin zum Ausdruck, daß er auf diesem Seelenweg zu dem '''Individuationsprozeß''' 'als dem zentralen Begriff seiner Psychlogie' gelangte." (Lauer in "Die Rätsel der Seele", 2. Aufl. 1964, S. 109f.)
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== Siehe auch ==
 
[[Psychoanalyse]]


* Rudolf Steiner: ''Das christliche Mysterium'', S. 102 ff. [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
[[Archetypen#Psychologie:_Das_kollektive_Unbewusste_mit_den_Archetypen_von_C.G._Jung|Archetypen nach C.G. Jung]]
* Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', S. 202 ff. [[GA 96]] {{Vorträge|096}}
* Rudolf Steiner: ''Aus der Akasha-Forschung. Das fünfte Evangelium'' S. 92 ff. [[GA 148]] {{Vorträge|0148}}
* [[Friedrich Rittelmeyer]]: ''Das Vaterunser. Ein Weg zur Menschwerdung.'' Urachhaus 1990. ISBN 3-87838-415-7
* [[Valentin Tomberg]]: '' Der VATERUNSER-Kurs, Bände 1 - 4'' (Achamoth Verlag) 2010
* [[Judith von Halle]]: ''Das Vaterunser. Das lebendige Wort Gottes''. Verlag am Goetheanum, Dornach 2006, ISBN 3-7235-1274-7


== Einzelnachweise ==
<references />


== Literatur ==
* Jolande Jacobi: ''Die Psychologie von C. G. Jung.'' Rascher, Zürich 1940; 22. Auflage: Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-26365-3. ''(Dieses schmale Taschenbuch enthält ein Geleitwort von Jung, in dem er diese Arbeit als adäquate Einführung und Überblick seiner Lehre autorisiert)''
* [[Gerhard Wehr]]: ''C. G. Jung'' (= ''Rowohlts Monographien.'' Bd. 152). Rowohlt, Reinbek 1969; 21. Auflage 2006, ISBN 3-499-50152-X.
* [[Gerhard Wehr]]: ''Carl Gustav Jung. Leben – Werk – Wirkung.'' Kösel, München 1985; 3., erweiterte Auflage: Telesma, Schwielowsee 2009, ISBN 978-3-941094-01-7.
* [[Gerhard Wehr]]: ''C. G. Jung und Rudolf Steiner: Konfrontation und Synopse''.  Klett-Cotta /J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger; Auflage: 2., veränd. A. (1998), ISBN 3608919341 ''(Gerhard Wehr versteht es in diesem Werk, die analytische Psychologie im Vergleich zur Anthroposophie gerecht zu würdigen. Er sieht in Jung eine wenn nicht Steiner ebenbürtige, so doch große Gestalt, die einen alternativen Zugang zum Geistigen fand, und durch sein Werk diesen Weg für andere vermitteln kann.)''
* [[Hans Erhard Lauer]]: ''Die Rätsel der Seele. Tiefenpsychologie und Anthroposophie''. Verlag die Kommenden, Freiburg 1982, 5. Aufl. ISBN 3782302095 ''(Lauer analysiert detailliert, inwiefern sich die Auffassung des Seelischen und Geistigen der analytischen Psychologie Jungs von der Anthroposophie unterscheidet)''
* C.G. Jung: ''Erinnerungen, Träume, Gedanken''. Patmos; Auflage: 17. Auflage 2011. ISBN 3843601917 ''(Aufgezeichnet und herausgegeben von Aniela Jaffé. Dieses Buch hat auch autobiographischen Charakter und es ist besonders im Hinblick auf die geschilderten übersinnlichen Erfahrungen, die Jung machte, lesenswert.)''
* Rudolf Steiner: ''Geist und Stoff, Leben und Tod'', [[GA 66]] (1988), ISBN 3-7274-0660-7 {{Vorträge|066}}
{{Wikipedia}}
{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Gebet]]
[[Kategorie:Psychologe]][[Kategorie:Psychoanalyse]]

Version vom 6. März 2013, 21:50 Uhr

Carl Gustav Jung (1910)

Carl Gustav Jung (* 26. Juli 1875 in Kesswil, Schweiz; † 6. Juni 1961 in Küsnacht, Schweiz), meist kurz C. G. Jung, war ein Schweizer Psychiater und der Begründer der analytischen Psychologie.

C.G. Jungs Typologie

Die psychischen Basisfunktionen nach Jung
Typisch männliche Einstellung der Persona, bei der das äußere Ich dem objektiven Denken, das innere jedoch der subjektiven Gefühlswelt zugewandt ist. Die Hauptfunktion, das Denken, beherrscht hier die Ich-Hülle, die Persona. Die minderwertige Funktion, das Fühlen, kommt hier der Anima zu.

Die von Jung entwickelte Typologie psychologischer Typen und/oder psychischen Einstellungen zum Leben hat auch außerhalb der an Jung orientierten Forschung und Rezeption Aufmerksamkeit und Anerkennung bis in den Alltag hinein gefunden. Die Unterscheidung zwischen Menschen mit extravertierter und introvertierter Einstellung geht auf Jung zurück. Jung kombiniert diese Grundunterscheidung mit den Anpassungs- oder Orientierungsfunktionen Intuition, Empfindung,Fühlen und Denken, wodurch sich acht bzw. 16 verschiedene Einstellungen des Individuums zu sich selbst und zur Welt ergeben, die bei jedem Menschen in individueller Mischung vorkommen. [1]

"Diese vier Funktionstypen, die beim Individuum durch die jeweilige Vorherrschaft der einen oder der anderen Funktion feststellbar sind, haben in dieser Form natürlich nur in der Theorie Gültigkeit. Im Leben kommen sie fast niemals rein vor, sondern mehr-minder als Mischtypen (...) Ein reiner Denktypus war z.B. Kant, wogegen Schopenhauer schon als intuitiver Denktypus bezeichnet werden muß. Die Funktionen, aber nur die 'benachbarten', können also vielfach als Mischtypen auftreten, und wenn sie so in Mischtypen mit geringerem oder größerem Überwiegen der einen Funktion erscheinen, machen sie die Zuordnung des Individuums zu einem Funktionstypus außerordentlich schwierig." (Jacobi, S. 26)

Nach Jung sind Empfindung und Intuition irrationale Funktionen, Denken und Fühlen rationale Funktionen. Das Fühlen in diesem rationalen Sinne ist mit einem Werturteil verbunden, z.B. einem Geschmacksurteil, was in einer Situation passendes Verhalten sei, oder mit Bezug auf das eigene Wohlergehen, das Gefühl, ob einem der Besuch einer bestimmten Party am Wochenende gut tun würde. Denken ist eine Orientierungsfunktion, die über eine geschlossene begriffliche Ordnung der Welt verfügt, die auch einer Leitidee untergeordnet sein kann. Ein jedes Ding oder Ereignis hat in solchem System seinen Platz und erfährt einen entsprechenden Umgang. Der Empfindungstyp orientiert sich mehr an dem, was sich ihm empirisch zu zeigen scheint. Er beobachtet genau, und beachtet subtile Differenzen, die ihm Information oder auch ästhetischen Genuß liefern. Der intuitive Typus orientiert sich mittels der Erfassung von Ganzheiten, spontanen Eingebungen, was es mit einem Vorfall oder Menschen auf sich habe. So kann z.B. ein machtbewußter Mensch im Umgang mit anderen möglicherweise intuitiv spontan erkennen, welche Menschen seinen Machtanspruch gefährden, und welche für seine Vorhaben ungefährlich sind.

Die Anordnung der vier Grundtypen im Kreis ist also nicht beliebig. Die vier Mischtypen sind "Empirisches Denken", "Intuitives spekulatives Denken", "Empfindendes Fühlen" und "Intuitives Fühlen". Dabei kann so eine Mischung ausgeglichen sein, oder aber eine Funktion überwiegen, was meist der Fall ist. Die gegenüber liegenden Kombinationen Denken und Fühlen, oder Empfinden und Intuieren kommen gemäß dieser Lehre nicht vor. Meist ist eine Funktion sehr gut entwickelt, und eine weitere Hilfsfunktion zusätzlich in geringerem Maße, während die gegenüberliegende Funktion die minderwertige (i.S.v. unentwickelt, eher unbewußt, unterdrückt, unspezialisiert etc.) Funktion ist. Die Extraversion oder Intraversion liegt jeweils auf einer Hälfte des Kreises. Die gegenüberliegende Funktion Fühlen ist bei einem extravertierten Denktypus z.B. introvertiert. Wenn die entwickelte Denkfunktion introvertiert ist, ist entsprechend dann die Funktion des Fühlens extravertiert.

Diese grundsätzlichen Funktionstypen und Einstellungen bilden die Basisbausteine für C.G. Jungs psychologische Struktur- und Entwicklungslehre. Weitere Konzepte bzw. in empirischer Hinsicht vorkommende Persönlichkeitsaspekte sind Persona, Anima - bzw. Animus, der Schatten sowie das Selbst. Die Integration zunächst der minderwertigen Funktion und des Schattens, und dann der Anima bzw. dem Animus kann zur Selbstfindung und Individuation führen.

Analytische Psychologie und Anthroposophie im Vergleich

Rudolf Steiner sieht in der analytischen Psychologie problematische Halbwahrheiten. In einem Vortrag (GA 66) äußert er sich im Jahre 1917 wie folgt:

"Nun trat ja in der neueren Zeit das hervor, was man die analytische Psychologie nennt. Diese analytische Psychologie ist, ich möchte sagen, von guten Ahnungen beseelt. Denn was will sie? Diese analytische Psychologie, oder wie man sie gewöhnlich heute nennt, Psychoanalyse, sie will von dem gewöhnlichen Seelenleben zu dem heruntersteigen, was in dem gewöhnlichen gegenwärtigen Seelenleben nichtyp mehr enthalten ist, aber Rest ist aus früherem seelischen Erleben. Der Psychoanalytiker nimmt an, das seelische Leben erschöpfe sich nicht in dem gegenwärtigen seelischen Erleben, in dem bewußten seelischen Erleben, sondern das Bewußtsein tauche hinunter ins Unterbewußte. Und in vielem, was im seelischen Leben als Störung, als Verwirrung, als dieses oder jenes Mangelhafte auftritt, sieht der Psychoanalytiker eine Wirkung des unten im Unterbewußten Wogenden. Aber interessant ist es, was in diesem Unterbewußten der Psychoanalytiker nun sieht. Wenn man hört, was er aufzählt in diesem Unterbewußten, so ist es zunächst getäuschte Lebenshoffnung. Der Psychoanalytiker findet irgendeinen Menschen, der unter dieser oder jener Depression leidet. Diese Depression braucht ihren Ursprung nicht im gegenwärtigen bewußten Seelenleben zu haben, sondern in der Vergangenheit. In diesem Leben trat einmal irgend etwas im seelischen Erleben auf. Der Mensch ist darüber hinausgekommen, aber nicht vollständig; im Unterbewußten ist ein Rest geblieben. Er hat zum Beispiel Enttäuschungen erlebt. Er ist durch Erziehung, durch andere Vorgänge, mit dem bewußten Seelenleben über diese Enttäuschungen hinweggekommen, aber im Unterbewußten, da leben sie. Da wogt sie, diese Enttäuschung, gewissermaßen bis an die Grenze der Bewußtheit heran. Da erzeugt sie dann die unklare seelische Depression. Der Psychoanalytiker sucht also in allerlei Enttäuschungen, in getäuschten Lebenshoffnungen, die ins Unterbewußte heruntergezogen sind, dasjenige, was das bewußte Leben in einer dunklen Weise bestimmt. Das sucht er auch in dem, was das Seelenleben als Temperament färbt. In dem, was das Seelenleben aus gewissen rationalen Impulsen heraus färbt, sucht der Psychoanalytiker ein Unterbewußtes, das gewissermaßen nur anschlägt an das Bewußtsein. Dann aber kommt er zu einem weiten Gebiete - ich referiere hier nur —, welches der Psychoanalytiker dadurch faßt, daß er sagt: Da spielt herauf in das bewußte Leben der animalische Grundschlamm der Seele. Nun soll gar nicht geleugnet werden, daß dieser Grundschlamm vorhanden ist. (...) In dem, was der Psychoanalytiker in den enttäuschten Lebenshoffnungen in den Untergründen der Seele sucht, liegt, wenn er nur tief genug darauf eingeht, dasjenige, was sich vorbereitet in einem gegenwärtigen Leben, um schicksalsmäßig in ein nächstes Leben einzugreifen.

So findet man überall, wenn man den animalischen Grundschlamm — ohne sich die Hände dabei zu beschmutzen, wie es bei den Psychoanalytikern leider so häufig geschieht - umgräbt, durchforscht, das geistig-seelische Weben des Schicksals, das über Geburt und Tod mit dem geistig-seelischen Leben der Seele hinausgeht. Gerade an der analytischen Psychologie haben wir ein Gebiet, an dem so recht gelernt werden kann, wie alles richtig und alles falsch ist, wenn es sich um Weltanschauungsfragen handelt, nämlich von der einen oder anderen Seite aus."(Lit.: GA 066, S. 179ff)

Hans Erhard Lauer arbeitet in "Die Rätsel der Seele" verschiedene Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Im Anhang, der der 2. Auflage (1964) zugefügt wurde, äußert er sich dahingehend, daß Jung zwar nur über die imaginative Erkenntnisstufe verfügte, aber bezüglich des Christentums im wesentlichen mit der Anthroposophie übereinstimme:

"So war es also, wenn auch Vergangenes, so doch immerhin Europäisch-Christlich-Abendländisches, das in Jungs seelischen Erlebnissen sich erneuerte. Daraus erklärt sich auch seine intensive Beziehung zu dem Mysterium, das in der Gestalt Jesu Christi seinen Ausdruck gefunden hat. Auch darf behauptet werden, daß seine Auffassungen gerade auch in diesem Punkte in vollem Einklang stehen mit denjenigen, die Rudolf Steiner hierüber vertreten hat. Nur unterscheiden sie sich von diesen zugleich wieder charakteristischerweise darin, daß Steiner zur Darstellung brachte, was einer über die Imaginationsstufe hinausgehenden geistigen Erfahrung sich erschließt, während Jung nur zur Erscheinung kommt, wie sich die betreffenden Tatsachen, auf die Ebene der Imagination projiziert, abbilden. Übereinstimmt er mit Steiner aber darin, daß er - wie es in der Einleitung zu seiner Selbstbiographie (von A. Jaffé) heißt - 'der christlichen Forderung des Glaubens die Notwendigkeit des Verstehens und Nachdenkens gegenüberstellte'. Oder, wie er es selbst an einer Stelle ausspricht: 'Ich lasse der christlichen Botschaft nicht nur eine Tür offen, sondern sie gehört ins Zentrum des westlichen Menschen. Allerdings bedarf sie einer neuen Sicht, um den säkularen Wandlungen des Zeitgeistes zu entsprechen; sonst steht sie neben der Zeit und die Ganzheit des Menschen neben ihr.' Außerdem aber handelt es sich im besonderen bei jenem alchimistisch-rosenkreuzerischen Seelenwandlungsprozeß, dem der von ihm durchgemachte in gewisser Weise entsprach, um jene Bestrebungen, durch welche der spezifische Geistesweg gerade der neueren Zeit inauguriert worden ist. Es kommt dies bei Jung darin zum Ausdruck, daß er auf diesem Seelenweg zu dem Individuationsprozeß 'als dem zentralen Begriff seiner Psychlogie' gelangte." (Lauer in "Die Rätsel der Seele", 2. Aufl. 1964, S. 109f.)

Siehe auch

Psychoanalyse

Archetypen nach C.G. Jung

Einzelnachweise

  1. C.G. Jung: Gesammelte Werke, Bd. 6. Psychologische Typen. / Jolande Jacobi: Die Psychologie von C.G. Jung, Seite 20ff.

Literatur

  • Jolande Jacobi: Die Psychologie von C. G. Jung. Rascher, Zürich 1940; 22. Auflage: Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-26365-3. (Dieses schmale Taschenbuch enthält ein Geleitwort von Jung, in dem er diese Arbeit als adäquate Einführung und Überblick seiner Lehre autorisiert)
  • Gerhard Wehr: C. G. Jung (= Rowohlts Monographien. Bd. 152). Rowohlt, Reinbek 1969; 21. Auflage 2006, ISBN 3-499-50152-X.
  • Gerhard Wehr: Carl Gustav Jung. Leben – Werk – Wirkung. Kösel, München 1985; 3., erweiterte Auflage: Telesma, Schwielowsee 2009, ISBN 978-3-941094-01-7.
  • Gerhard Wehr: C. G. Jung und Rudolf Steiner: Konfrontation und Synopse. Klett-Cotta /J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger; Auflage: 2., veränd. A. (1998), ISBN 3608919341 (Gerhard Wehr versteht es in diesem Werk, die analytische Psychologie im Vergleich zur Anthroposophie gerecht zu würdigen. Er sieht in Jung eine wenn nicht Steiner ebenbürtige, so doch große Gestalt, die einen alternativen Zugang zum Geistigen fand, und durch sein Werk diesen Weg für andere vermitteln kann.)
  • Hans Erhard Lauer: Die Rätsel der Seele. Tiefenpsychologie und Anthroposophie. Verlag die Kommenden, Freiburg 1982, 5. Aufl. ISBN 3782302095 (Lauer analysiert detailliert, inwiefern sich die Auffassung des Seelischen und Geistigen der analytischen Psychologie Jungs von der Anthroposophie unterscheidet)
  • C.G. Jung: Erinnerungen, Träume, Gedanken. Patmos; Auflage: 17. Auflage 2011. ISBN 3843601917 (Aufgezeichnet und herausgegeben von Aniela Jaffé. Dieses Buch hat auch autobiographischen Charakter und es ist besonders im Hinblick auf die geschilderten übersinnlichen Erfahrungen, die Jung machte, lesenswert.)
  • Rudolf Steiner: Geist und Stoff, Leben und Tod, GA 66 (1988), ISBN 3-7274-0660-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.