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| [[Datei:Jung_1910-rotated.jpg|thumb|Carl Gustav Jung (1910)]] | | [[Datei:Eugen Drewermann 2010.JPG|miniatur|Eugen Drewermann auf der Leipziger Buchmesse 2010]] |
| '''Carl Gustav Jung''' (* 26. Juli 1875 in Kesswil, Schweiz; † 6. Juni 1961 in Küsnacht, Schweiz), meist kurz ''C. G. Jung'', war ein Schweizer [[Psychiater]] und der Begründer der [[Analytische Psychologie|analytischen Psychologie]]. | | '''Eugen Drewermann''' (* 20. Juni 1940 in Bergkamen) ist ein katholischer Theologe, suspendierter Priester, [[Psychoanalytiker]] und Schriftsteller. Er ist ein wichtiger Vertreter der [[Biblische Exegese#Tiefenpsychologische Exegese|tiefenpsychologischen Exegese]] und als kirchenkritischer Publizist regelmäßig in den Medien präsent. |
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| == C.G. Jungs Typologie == | | == Werke (Auswahl) == |
| [[Bild:Psychische Basisfunktionen Jung-de.svg|thumb|left|Die psychischen Basisfunktionen nach Jung]] | | * 1978: Strukturen des Bösen (zugleich 1977 als Habilitationsschrift angenommene Promotion), Schöningh Verlag 1988 ISBN 3-506-72100-3 (mit Imprimatur Paderborn 1976) |
| [[Bild:Persona.svg|right|250px|thumb|Typisch männliche Einstellung der '''Persona''', bei der das äußere Ich dem objektiven Denken, das innere jedoch der subjektiven Gefühlswelt zugewandt ist. Die Hauptfunktion, das Denken, beherrscht hier die Ich-Hülle, die ''Persona''. Die minderwertige Funktion, das Fühlen, kommt hier der '''Anima''' zu.]] | | * 1981: Eugen Drewermann, Ingritt Neuhaus: ''[[Wikipedia:Das Mädchen ohne Hände|Das Mädchen ohne Hände]]. Märchen Nr. 31 aus der Grimmschen Sammlung.'' Walter, Olten, ISBN 3-530-16860-2. |
| Die von Jung entwickelte Typologie psychologischer Typen und/oder psychischen Einstellungen zum Leben hat auch außerhalb der an Jung orientierten Forschung und Rezeption Aufmerksamkeit und Anerkennung bis in den Alltag hinein gefunden. Die Unterscheidung zwischen Menschen mit extravertierter und introvertierter Einstellung geht auf Jung zurück. Jung kombiniert diese Grundunterscheidung mit den Anpassungs- oder Orientierungsfunktionen Intuition, Empfindung,[[Fühlen]] und Denken, wodurch sich acht bzw. 16 verschiedene Einstellungen des Individuums zu sich selbst und zur Welt ergeben, die bei jedem Menschen in individueller Mischung vorkommen. <ref>C.G. Jung: Gesammelte Werke, Bd. 6. Psychologische Typen. / Jolande Jacobi: Die Psychologie von C.G. Jung, Seite 20ff.</ref>
| | * 1984: |
| | ** [[Psychoanalyse]] und [[Wikipedia:Moraltheologie|Moraltheologie]] (3 Bände), Verlag: M. Grünewald, Mainz; Auflage: N.-A. (1992) ISBN 3-786-70989-0 |
| | ** Das Eigentliche ist unsichtbar. [[Wikipedia:Der kleine Prinz|Der kleine Prinz]] tiefenpsychologisch gedeutet, Herder, Freiburg; Auflage: 19 (1984) ISBN 3-451-04894-9 |
| | * 1985: Tiefenpsychologie und Exegese (2 Bände) Walter-Verlag; Auflage: 6. Aufl. (1992), ISBN 3-530-16852-1 |
| | * 1988: |
| | ** Das [[Markusevangelium]], Walter Distribution, Neuauflage 1992, ISBN 3-530-16871-8 |
| | ** ''[[Kleriker]]: Psychogramm eines Ideals'', Walter-Verlag AG, Olten, 7. Auflage 1990, 900 S. ISBN 3-530-16902-1 |
| | ** Ich steige hinab in die Barke der Sonne. Meditationen zu Tod und Auferstehung, Walter-Verlag; Auflage: 6., Aufl. (1993) ISBN 3-530-16901-3 |
| | ** ''"An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen"'' Antwort auf Rudolf Peschs und Gerhard Lohfinks "Tiefenpsychologie und keine Exegese", Walter-Verlag AG, Olten 1988, ISBN 3-530-16857-2 |
| | * 1990: Über die Unsterblichkeit der Tiere, Walter-Verlag, ISBN 3-530-16874-2 |
| | * 1991: |
| | ** Die Spirale der Angst. Der Krieg und das Christentum Herder, Freiburg. ISBN 3-451-04003-4 |
| | ** Reden gegen den Krieg: Patmos (erweiterte Neuauflage 2002). ISBN 3-491-72466-X |
| | * 1992: |
| | ** ''Worum es eigentlich geht. Protokoll einer Verurteilung''. 2. Auflage 1992 (21-40Tsd.), Kösel Verlag GmbH & Co., München, 511 S., ISBN 3-466-20356-2 |
| | ** Giordano Bruno oder Der Spiegel des Unendlichen. Roman Dtv (1999) ISBN 3-423-30747-1 |
| | ** Wenn der Himmel die Erde berührt. Meditationen zu den Gleichnissen Jesu Patmos; Überarb. Neuausg. (Januar 2004) ISBN 3-491-69407-8 |
| | * 1993: Glauben in Freiheit oder Tiefenpsychologie und Dogmatik, Band 1, 1. Auflage, ISBN 3-530-16896-3, 2.te Auflage 1993 Walter Verlag AG, 719 S. |
| | * 1998: Band 2 Jesus von Nazareth, Befreiung zum Frieden, 819 S. ISBN 3-530-16897-1, |
| | * 1998: Daß auch der Allerniedrigste mein Bruder sei: [[Dostojewski]] – Dichter der Menschlichkeit. Walter, ISBN 3-530-40048-3 |
| | * 1998: Von Tieren und Menschen. Moderne Fabeln. Walter, Neuauflage 2002 Patmos, ISBN 3491690471 |
| | * 1999: und es geschah so – Die moderne Biologie und die Frage nach Gott. |
| | * 2002: Im Anfang…, Glaube in Freiheit, bisher 6 Bände |
| | * 2003: |
| | ** Religiös bedingte neurotische Erkrankungen, Pabst Science Publishers, 2003 ISBN 978-3-89967-045-5 |
| | ** Eugen Drewermann – Rebell oder Prophet? Der unbequeme Theologe im Gespräch mit Felizitas von Schönborn (edition q) |
| | * 2004: |
| | ** Moby Dick oder Vom Ungeheuren, ein Mensch zu sein, Patmos, ISBN 3-530-17010-0 |
| | ** Wenn die Sterne Götter wären. Moderne Kosmologie und Glaube. Im Gespräch mit Jürgen Hoeren. Herder, ISBN 3-451-28348-4 |
| | * 2006 |
| | ** Atem des Lebens – Band 1: Das Gehirn. Die moderne Neurologie und die Frage nach Gott. Patmos, ISBN 3-491-21000-3 |
| | * 2007: |
| | ** Atem des Lebens – Band 2: Die Seele. Patmos Verlag, Düsseldorf ISBN 3-491-21001-1 |
| | ** Von der Macht des Geldes oder Märchen der Ökonomie, Patmos Verlag, Düsseldorf ISBN 3-491-21002-X |
| | ** Die Rechtlosigkeit der Kreatur im christlichen Abendland oder: von einer wichtigen Ausnahme. Beitrag Drewermanns in: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft Tierethik (Hrsg.). ''Tierrechte – Eine interdisziplinäre Herausforderung.'' Erlangen 2007. ISBN 978-3-89131-417-3 |
| | * 2008: |
| | ** Jesus von Nazareth – Bild eines Menschen, Patmos Verlag, Düsseldorf ISBN 3-491-21003-8 |
| | * 2009: |
| | ** Das Lukas-Evangelium: Band 1: Lukas 1,1 - 12,1 / Bilder erinnerter Zukunft, Patmos Verlag, Düsseldorf 2009, ISBN 3-491-21006-2 |
| | ** Das Lukas-Evangelium: Band 2: Lukas 12 - 24 / Bilder erinnerter Zukunft, Patmos Verlag, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-491-21007-3 |
| | * 2010: |
| | ** Woran ich glaube: Wir glauben, weil wir lieben, Patmos Verlag, 2010, ISBN 978-3-491-72549-2 |
| | ** Heimkehrer aus der Hölle, Patmos-Verlag der Schwabenverlag AG, 2010, ISBN 978-3-491-72568-3 |
| | * 2011: |
| | ** Nur die Liebe lehrt uns Glauben, Publik-Forum Streitschrift , 2011, 978-3880952188 |
| | ** Das Lukas-Evangelium: Band 3: Die Apostelgeschichte / Bilder erinnerter Zukunft, Patmos Verlag, Düsseldorf 2011, ISBN 978-3-491-21009-7 |
| | * 2012: |
| | ** Die großen Fragen - oder: Menschlich von Gott reden, mit Michael Albus, PatmosVerlag, Düsseldorf 2012, ISBN 978-3-843-60143-6 |
| | ** Die sieben Tugenden, Patmos Verlag, Düsseldorf 2012, ISBN 978-3-843-60173-3 |
| | ** Wege zur Menschlichkeit. Von der absoluten Notwendigkeit der Gnade. (Basierend auf dem am 18. Mai 2012 während des Alternativprogrammes zum Katholikentag in Mannheim gehaltenen Vortrag (der auch als DVD oder Hör-CD erhältlich ist). |
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| "Diese vier Funktionstypen, die beim Individuum durch die jeweilige Vorherrschaft der einen oder der anderen Funktion feststellbar sind, haben in dieser Form natürlich nur in der Theorie Gültigkeit. Im Leben kommen sie fast niemals rein vor, sondern mehr-minder als Mischtypen (...) Ein reiner Denktypus war z.B. [[Kant]], wogegen [[Schopenhauer]] schon als intuitiver Denktypus bezeichnet werden muß. Die Funktionen, aber nur die 'benachbarten', können also vielfach als Mischtypen auftreten, und wenn sie so in Mischtypen mit geringerem oder größerem Überwiegen der einen Funktion erscheinen, machen sie die Zuordnung des Individuums zu einem Funktionstypus außerordentlich schwierig." (Jacobi, S. 26)
| | {{DEFAULTSORT:Drewermann, Eugen}} |
| | [[Kategorie:Katholischer Theologe]] |
| | [[Kategorie:Psychoanalytiker]] |
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| | [[Kategorie:Psychologe (21. Jahrhundert)]] |
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| | [[Kategorie:Geboren 1940]] |
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| Nach Jung sind Empfindung und Intuition irrationale Funktionen, Denken und Fühlen rationale Funktionen. Das Fühlen in diesem rationalen Sinne ist mit einem Werturteil verbunden, z.B. einem Geschmacksurteil, was in einer Situation passendes Verhalten sei, oder mit Bezug auf das eigene Wohlergehen, das Gefühl, ob einem der Besuch einer bestimmten Party am Wochenende gut tun würde. Denken ist eine Orientierungsfunktion, die über eine geschlossene begriffliche Ordnung der Welt verfügt, die auch einer Leitidee untergeordnet sein kann. Ein jedes Ding oder Ereignis hat in solchem System seinen Platz und erfährt einen entsprechenden Umgang. Der Empfindungstyp orientiert sich mehr an dem, was sich ihm empirisch zu zeigen scheint. Er beobachtet genau, und beachtet subtile Differenzen, die ihm Information oder auch ästhetischen Genuß liefern. Der intuitive Typus orientiert sich mittels der Erfassung von Ganzheiten, spontanen Eingebungen, was es mit einem Vorfall oder Menschen auf sich habe. So kann z.B. ein machtbewußter Mensch im Umgang mit anderen möglicherweise intuitiv spontan erkennen, welche Menschen seinen Machtanspruch gefährden, und welche für seine Vorhaben ungefährlich sind.
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| Die Anordnung der vier Grundtypen im Kreis ist also nicht beliebig. Die vier Mischtypen sind "Empirisches Denken", "Intuitives spekulatives Denken", "Empfindendes Fühlen" und "Intuitives Fühlen". Dabei kann so eine Mischung ausgeglichen sein, oder aber eine Funktion überwiegen, was meist der Fall ist. Die gegenüber liegenden Kombinationen Denken und Fühlen, oder Empfinden und Intuieren kommen gemäß dieser Lehre nicht vor. Meist ist eine Funktion sehr gut entwickelt, und eine weitere Hilfsfunktion zusätzlich in geringerem Maße, während die gegenüberliegende Funktion die minderwertige (i.S.v. unentwickelt, eher unbewußt, unterdrückt, unspezialisiert etc.) Funktion ist. Die Extraversion oder Intraversion liegt jeweils auf einer Hälfte des Kreises. Die gegenüberliegende Funktion Fühlen ist bei einem extravertierten Denktypus z.B. introvertiert. Wenn die entwickelte Denkfunktion introvertiert ist, ist entsprechend dann die Funktion des Fühlens extravertiert.
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| Diese grundsätzlichen Funktionstypen und Einstellungen bilden die Basisbausteine für C.G. Jungs psychologische Struktur- und Entwicklungslehre. Weitere Konzepte bzw. in empirischer Hinsicht vorkommende Persönlichkeitsaspekte sind [[Persona_(C.G._Jung)|Persona]], [[ Anima_(Archetypus)|Anima - bzw. Animus]], der [[Schatten_(Archetypus)|Schatten]] sowie das [[Selbst_(Archetypus)|Selbst]]. Die Integration zunächst der minderwertigen Funktion und des Schattens, und dann der Anima bzw. dem Animus kann zur Selbstfindung und [[Individuation]] führen.
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| == Analytische Psychologie und Anthroposophie im Vergleich ==
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| Rudolf Steiner sieht in der analytischen Psychologie problematische Halbwahrheiten. In einem Vortrag (GA 66) äußert er sich im Jahre 1917 wie folgt:
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| <div style="margin-left:20px">
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| "Nun trat ja in der neueren Zeit das hervor, was man die
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| analytische Psychologie nennt. Diese analytische Psychologie
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| ist, ich möchte sagen, von guten Ahnungen beseelt.
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| Denn was will sie? Diese analytische Psychologie, oder wie
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| man sie gewöhnlich heute nennt, Psychoanalyse, sie will
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| von dem gewöhnlichen Seelenleben zu dem heruntersteigen,
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| was in dem gewöhnlichen gegenwärtigen Seelenleben nichtyp
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| mehr enthalten ist, aber Rest ist aus früherem seelischen
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| Erleben. Der Psychoanalytiker nimmt an, das seelische
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| Leben erschöpfe sich nicht in dem gegenwärtigen seelischen
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| Erleben, in dem bewußten seelischen Erleben, sondern das
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| Bewußtsein tauche hinunter ins Unterbewußte. Und in vielem,
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| was im seelischen Leben als Störung, als Verwirrung,
| |
| als dieses oder jenes Mangelhafte auftritt, sieht der
| |
| Psychoanalytiker eine Wirkung des unten im Unterbewußten
| |
| Wogenden. Aber interessant ist es, was in diesem Unterbewußten
| |
| der Psychoanalytiker nun sieht. Wenn man hört,
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| was er aufzählt in diesem Unterbewußten, so ist es zunächst
| |
| getäuschte Lebenshoffnung. Der Psychoanalytiker
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| findet irgendeinen Menschen, der unter dieser oder jener
| |
| Depression leidet. Diese Depression braucht ihren Ursprung
| |
| nicht im gegenwärtigen bewußten Seelenleben zu haben,
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| sondern in der Vergangenheit. In diesem Leben trat einmal
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| irgend etwas im seelischen Erleben auf. Der Mensch ist darüber hinausgekommen, aber nicht vollständig; im Unterbewußten ist ein Rest geblieben. Er hat zum Beispiel Enttäuschungen erlebt. Er ist durch Erziehung, durch andere
| |
| Vorgänge, mit dem bewußten Seelenleben über diese Enttäuschungen hinweggekommen, aber im Unterbewußten,
| |
| da leben sie. Da wogt sie, diese Enttäuschung, gewissermaßen bis an die Grenze der Bewußtheit heran. Da erzeugt
| |
| sie dann die unklare seelische Depression. Der Psychoanalytiker sucht also in allerlei Enttäuschungen, in getäuschten Lebenshoffnungen, die ins Unterbewußte heruntergezogen sind, dasjenige, was das bewußte Leben in
| |
| einer dunklen Weise bestimmt. Das sucht er auch in dem,
| |
| was das Seelenleben als Temperament färbt. In dem, was
| |
| das Seelenleben aus gewissen rationalen Impulsen heraus
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| färbt, sucht der Psychoanalytiker ein Unterbewußtes, das
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| gewissermaßen nur anschlägt an das Bewußtsein. Dann
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| aber kommt er zu einem weiten Gebiete - ich referiere hier
| |
| nur —, welches der Psychoanalytiker dadurch faßt, daß er
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| sagt: Da spielt herauf in das bewußte Leben der animalische
| |
| Grundschlamm der Seele. Nun soll gar nicht geleugnet werden, daß dieser Grundschlamm vorhanden ist.
| |
| (...)
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| In dem, was der Psychoanalytiker in den enttäuschten Lebenshoffnungen in den Untergründen der Seele sucht, liegt, wenn er nur tief genug
| |
| darauf eingeht, dasjenige, was sich vorbereitet in einem
| |
| gegenwärtigen Leben, um schicksalsmäßig in ein nächstes
| |
| Leben einzugreifen.
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| So findet man überall, wenn man den animalischen
| |
| Grundschlamm — ohne sich die Hände dabei zu beschmutzen,
| |
| wie es bei den Psychoanalytikern leider so häufig geschieht
| |
| - umgräbt, durchforscht, das geistig-seelische Weben des
| |
| Schicksals, das über Geburt und Tod mit dem geistig-seelischen Leben der Seele hinausgeht. Gerade an der
| |
| analytischen Psychologie haben wir ein Gebiet, an dem so recht
| |
| gelernt werden kann, wie alles richtig und alles falsch ist,
| |
| wenn es sich um Weltanschauungsfragen handelt, nämlich
| |
| von der einen oder anderen Seite aus."{{Lit|{{G|066|179ff}}}}
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| In GA 181 (1918) heißt es über einen Züricher Professor Jung und seine analytische Psychologie:
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| <div style="margin-left:20px">
| |
| In Zürich macht man ja insbesondere
| |
| Bekanntschaft mit der dort bereits akademiefähig gewordenen
| |
| analytischen Psychologie, der sogenannten Psychoanalyse, und
| |
| gerade an meine Vorträge haben sich die merkwürdigsten Auseinandersetzungen
| |
| über die Beziehungen der anthroposophisch orientierten
| |
| Geisteswissenschaft zur Psychoanalyse angeschlossen. Aber die
| |
| Psychoanalytiker kommen sozusagen mit geistig verbundenen Augen
| |
| an diese Welt der Geisteswissenschaft heran, können sich nicht in sie
| |
| hineinfinden. Aber diese Welt pocht an die Türe desjenigen, was
| |
| heute den Menschen erschlossen werden soll.
| |
| Da ist zum Beispiel in Zürich ein Professor Jungg, der erst jüngst
| |
| wieder eine Broschüre über Psychoanalyse geschrieben hat - er hat
| |
| viele Schriften darüber verfaßt - und der manches Problem darin
| |
| berührt; aber er zeigt damit gerade, daß er alles nur mit unzulänglichen
| |
| Mitteln anpacken kann. Ich will eine Tatsache anführen, aus
| |
| deren Erwähnung Sie gleich sehen werden, was ich meine. Jung führt
| |
| ein Beispiel an, das überhaupt viel von den Psychoanalytikern angeführt
| |
| wird.
| |
| Einer Frau passiert das Folgende. Sie ist eines Abends in einer
| |
| Gesellschaft eingeladen, sie soll in einem Hause zum Abend bleiben.
| |
| Die Dame des Hauses, wo sie eingeladen ist, soll gleich, nachdem das
| |
| Abendessen verlaufen ist, in einen Badeort reisen, weil sie nicht ganz
| |
| gesund ist. Das Abendbrot nimmt seinen Verlauf, die Dame des
| |
| Hauses fährt ab, die Gäste gehen auch fort. Mit einem Trupp Gäste
| |
| geht auch die eingeladene Dame, die ich meine. Die Leute gingen, wie
| |
| man das ja zuweilen zu tun pflegt, wenn man abends aus einer Gesellschaft
| |
| kommt, nicht auf dem sogenannten Bürgersteig, sondern sie
| |
| gingen auf der Mitte der Straße. Da kommt auf einmal eine Droschke
| |
| um eine Ecke gefahren. Die Leute wichen dem Wagen nach den
| |
| Bürgersteigen hin aus, aber jene erwähnte Dame nicht. Sie lief mitten
| |
| auf dem Fahrdamm weiter, gerade vor den Pferden vorweg. Der
| |
| Kutscher schimpfte, aber sie lief immer in derselben Weise weiter, bis
| |
| sie an eine Brücke kam, die über einen Fluß führte. Da beschloß sie,
| |
| um dieser unangenehmen Situation zu entgehen, sich über die Brücke
| |
| in den Fluß zu stürzen. Das tat sie, und sie konnte von den Leuten der
| |
| Gesellschaft, die ihr nachgelaufen waren, gerade noch gerettet werden.
| |
| Und weil es nun für die Gesellschaft das Nächstliegende war, wurde
| |
| sie gerade wieder in das Haus der abgereisten Frau, wo sie herkamen,
| |
| zurückgebracht. Sie fand dort den Gatten jener abgereisten Dame
| |
| und konnte in seinem Hause mit ihm einige Stunden zubringen.
| |
| Nun denken Sie sich, was ein Mensch mit unzulänglichen Mitteln
| |
| alles aus einer solchen Begebenheit machen kann. Man findet dann,
| |
| wenn man nach Art der Psychoanalytiker an die Sache herangeht,
| |
| jene geheimnisvollen Provinzen in der Seele, die uns davon unterrichten,
| |
| daß die Seele schon in ihrem siebenten Lebensjahre irgendein
| |
| Erlebnis gehabt hat, das mit Pferden zusammenhängt, so daß die
| |
| Frau auf jenem Fortgange aus der Gesellschaft, indem der Anblick der
| |
| Droschkenpferde jenes frühere Erlebnis aus dem Unterbewußtsein
| |
| heraufrief, dadurch so perplex gemacht worden ist, daß sie nicht zur
| |
| Seite sprang, sondern vor der Droschke davonlief. So wird für den
| |
| Psychoanalytiker der ganze Vorgang ein Ergebnis des Zusammencopyright
| |
| hanges gegenwärtiger Erlebnisse mit «ungelösten Seelenrätseln» aus
| |
| dem Gebiete der Erziehung und so weiter. Alles dies aber ist ein Verfolgen
| |
| der Dinge mit unzulänglichen Mitteln, weil der betreffende
| |
| Psychoanalytiker nicht weiß, daß dieses im Menschen waltende Unterbewußte
| |
| wesenhafter ist, als er annimmt, daß es sogar auch viel raffinierter
| |
| und viel gescheiter ist als das, was der Mensch aus seinem bewußten
| |
| Verstande hat. Auch viel mutiger und viel kühner ist oft dieses
| |
| Unterbewußtsein. Denn der Psychoanalytiker weiß nur nicht, daß ein
| |
| Dämon in der Seele jener Frau saß, die weggegangen, ich könnte
| |
| ebensogut sagen, schon hingegangen ist mit dem unterbewußten Gedanken,
| |
| allein zu sein mit dem Manne, wenn die Frau abgereist sein
| |
| wird. Das alles ist veranstaltet mit den raffiniertesten Mitteln des
| |
| Unterbewußtseins, denn man tut alles viel sicherer, wenn man mit dem
| |
| Bewußtsein nicht dabei ist. Die Dame lief einfach vor den Rossen
| |
| einher, um abgefangen zu werden, wenn es so weit ist, und verhielt
| |
| sich danach. Aber solche Dinge durchschaut der Psychoanalytiker
| |
| nicht, weil er nicht voraussetzt, daß es überall eine geistig-seelische
| |
| Welt gibt, zu der die Menschenseele in Beziehung steht. Aber Jung
| |
| ahnt so etwas. Aus den zahlreichen Dingen, die ihm auftreten, ahnt
| |
| er, daß die Menschenseele zu zahlreichen andern Seelen in einer Beziehung
| |
| steht. Aber er muß doch Materialist sein, denn sonst wäre er
| |
| doch kein gescheiter Mensch der Gegenwart. Was macht er also?
| |
| Er sagt: Überall steht die Menschenseele - man sieht das an den
| |
| Dingen, die mit der Menschenseele vorgehen - in Beziehung zu außerseelischen
| |
| geistigen Tatsachen. - Diese gibt es aber doch nicht! Also
| |
| wie hilft man sich da? Nun, die Seele hat eben einen Körper, der von
| |
| andern Körpern abstammt, und diese wieder von andern; dann gibt
| |
| es eine Vererbung, und Jung konstruiert sich zusammen, daß die
| |
| Seele vererbungsgemäß alles das nachlebt, was man an Verhältnissen
| |
| zum Beispiel zu den heidnischen Göttern erlebt hat. Das steckt noch
| |
| in einem, durch Vererbung steckt es in einem, und das werden
| |
| «isolierte Seelenprovinzen», die erst heraufkatechisiert werden müssen,
| |
| wenn man die Menschenseele davon befreien will. Er sieht es
| |
| sogar ein, daß es der Menschenseele ein Bedürfnis ist, dazu eine Beziehung
| |
| zu haben, und daß sie das Nervensystem ruinieren, wenn es
| |
| nicht heraufgeholt wird ins Bewußtsein. Daher spricht er den Satz
| |
| aus, der ganz berechtigt ist aus der modernen Weltanschauung heraus:
| |
| Die Menschenseele kann nicht, ojine daß sie innerlich zugrunde geht,
| |
| ohne Beziehung zu einem göttlichen Wesen sein. Dies ist ebenso
| |
| sicher, wie es auf der andern Seite sicher ist, daß es ja ein göttliches
| |
| Wesen gar nicht gibt. Die Frage nach der Beziehung des menschlichen
| |
| Seelenwesens zum Gotte hat mit der Frage der Existenz Gottes
| |
| nicht das geringste zu tun.
| |
| So steht es in seinem Buche. Also bedenken wir, was da eigentlich
| |
| vorliegt: Es wird wissenschaftlich konstatiert, daß die Menschenseele
| |
| sich ein Verhältnis zu Gott konstruieren muß, daß es aber ebenso
| |
| sicher ist, daß es töricht wäre, einen Gott anzunehmen; also ist die
| |
| Seele zu ihrer eigenen Gesundheit verurteilt, sich einen Gott vorzulügen.
| |
| Lüge dir vor, daß es einen Gott gibt, sonst wirst du krank! -
| |
| das steht eigentlich in dem Buch.
| |
| Man sieht aber daraus, daß die großen Rätselprobleme an die Pforten
| |
| pochen, und daß sich die Gegenwart nur gegen diese Dinge
| |
| stemmt. Würde man mutig genug sein, so würde auf Schritt und Tritt
| |
| heute etwas ähnliches zutage treten. Man ist nur nicht mutig genug 1
| |
| Denn ich sage dies alles nicht, um dem Professor Jung etwas am Zeuge
| |
| zu flicken, sondern weil ich glaube, daß er in seinem Denken schon
| |
| mutiger ist als alle andern. Er sagt das, was er sagen muß nach den
| |
| Voraussetzungen der Gegenwart. Die andern sagen es nicht, sie sind
| |
| noch weniger mutig.
| |
| </div> {{G|181|022}}
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| [[Hans Erhard Lauer]] arbeitet in "Die Rätsel der Seele" verschiedene Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Im Anhang, der der 2. Auflage (1964) zugefügt wurde, äußert er sich dahingehend, daß Jung zwar nur über die [[Psychisches Bewusstsein|imaginative Erkenntnisstufe]] verfügte, aber bezüglich des Christentums im wesentlichen mit der Anthroposophie übereinstimme:
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| <div style="margin-left:20px">
| |
| "So war es also, wenn auch Vergangenes, so doch immerhin Europäisch-Christlich-Abendländisches, das in Jungs seelischen Erlebnissen sich erneuerte. Daraus erklärt sich auch seine intensive Beziehung zu dem Mysterium, das in der Gestalt Jesu Christi seinen Ausdruck gefunden hat. Auch darf behauptet werden, daß seine Auffassungen gerade auch in diesem Punkte in vollem Einklang stehen mit denjenigen, die Rudolf Steiner hierüber vertreten hat. Nur unterscheiden sie sich von diesen zugleich wieder charakteristischerweise darin, daß Steiner zur Darstellung brachte, was einer über die Imaginationsstufe hinausgehenden geistigen Erfahrung sich erschließt, während Jung nur zur Erscheinung kommt, wie sich die betreffenden Tatsachen, auf die Ebene der Imagination projiziert, abbilden. Übereinstimmt er mit Steiner aber darin, daß er - wie es in der Einleitung zu seiner Selbstbiographie (von A. Jaffé) heißt - 'der christlichen Forderung des Glaubens die Notwendigkeit des Verstehens und Nachdenkens gegenüberstellte'. Oder, wie er es selbst an einer Stelle ausspricht: 'Ich lasse der christlichen Botschaft nicht nur eine Tür offen, sondern sie gehört ins Zentrum des westlichen Menschen. Allerdings bedarf sie einer neuen Sicht, um den säkularen Wandlungen des Zeitgeistes zu entsprechen; sonst steht sie neben der Zeit und die Ganzheit des Menschen neben ihr.' Außerdem aber handelt es sich im besonderen bei jenem [[Alchimie|alchimistisch-rosenkreuzerischen]] Seelenwandlungsprozeß, dem der von ihm durchgemachte in gewisser Weise entsprach, um jene Bestrebungen, durch welche der spezifische Geistesweg gerade der neueren Zeit inauguriert worden ist. Es kommt dies bei Jung darin zum Ausdruck, daß er auf diesem Seelenweg zu dem '''Individuationsprozeß''' 'als dem zentralen Begriff seiner Psychlogie' gelangte." (Lauer in "Die Rätsel der Seele", 2. Aufl. 1964, S. 109f.)
| |
| </div>
| |
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| |
| == Siehe auch ==
| |
|
| |
| [[Psychoanalyse]]
| |
|
| |
| [[Archetypen#Psychologie:_Das_kollektive_Unbewusste_mit_den_Archetypen_von_C.G._Jung|Archetypen nach C.G. Jung]]
| |
|
| |
| == Einzelnachweise ==
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| <references />
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| |
| == Literatur ==
| |
| * Jolande Jacobi: ''Die Psychologie von C. G. Jung.'' Rascher, Zürich 1940; 22. Auflage: Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-26365-3. ''(Dieses schmale Taschenbuch enthält ein Geleitwort von Jung, in dem er diese Arbeit als adäquate Einführung und Überblick seiner Lehre autorisiert)''
| |
| * [[Gerhard Wehr]]: ''C. G. Jung'' (= ''Rowohlts Monographien.'' Bd. 152). Rowohlt, Reinbek 1969; 21. Auflage 2006, ISBN 3-499-50152-X.
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| * [[Gerhard Wehr]]: ''Carl Gustav Jung. Leben – Werk – Wirkung.'' Kösel, München 1985; 3., erweiterte Auflage: Telesma, Schwielowsee 2009, ISBN 978-3-941094-01-7.
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| * [[Gerhard Wehr]]: ''C. G. Jung und Rudolf Steiner: Konfrontation und Synopse''. Klett-Cotta /J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger; Auflage: 2., veränd. A. (1998), ISBN 3608919341 ''(Gerhard Wehr versteht es in diesem Werk, die analytische Psychologie im Vergleich zur Anthroposophie gerecht zu würdigen. Er sieht in Jung eine wenn nicht Steiner ebenbürtige, so doch große Gestalt, die einen alternativen Zugang zum Geistigen fand, und durch sein Werk diesen Weg für andere vermitteln kann.)''
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| * [[Hans Erhard Lauer]]: ''Die Rätsel der Seele. Tiefenpsychologie und Anthroposophie''. Verlag die Kommenden, Freiburg 1982, 5. Aufl. ISBN 3782302095 ''(Lauer analysiert detailliert, inwiefern sich die Auffassung des Seelischen und Geistigen der analytischen Psychologie Jungs von der Anthroposophie unterscheidet)''
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| * C.G. Jung: ''Erinnerungen, Träume, Gedanken''. Patmos; Auflage: 17. Auflage 2011. ISBN 3843601917 ''(Aufgezeichnet und herausgegeben von Aniela Jaffé. Dieses Buch hat auch autobiographischen Charakter und es ist besonders im Hinblick auf die geschilderten übersinnlichen Erfahrungen, die Jung machte, lesenswert.)''
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| * Rudolf Steiner: ''Geist und Stoff, Leben und Tod'', [[GA 66]] (1988), ISBN 3-7274-0660-7 {{Vorträge|066}}
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| {{GA}}
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| {{Wikipedia}} | | {{Wikipedia}} |
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| == Weblinks ==
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| * [http://www.info3.de/c5-style/magazin/info3/archiv/2011/januar/dialoge-koennen-nur-auf-augenhoehe-gelingen/ Interview von zwei Info3-Autoren mit Gerhard Wehr] Ein Gespräch über Steiner und C.G. Jung.
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| [[Kategorie:Psychologe]][[Kategorie:Psychoanalyse]]
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