Eugen Drewermann und Vorlesen für die Toten: Unterschied zwischen den Seiten

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Eine alte anthroposophische Tradition, die aber allmählich immer mehr vergessen zu werden droht, ist die Hinwendung zu den Verstorbenen, durch ein bewußtes '''Vorlesen für die Toten'''.
'''Eugen Drewermann''' (* 20. Juni 1940 in Bergkamen) ist ein katholischer Theologe, suspendierter Priester, [[Psychoanalytiker]] und Schriftsteller. Er ist ein wichtiger Vertreter der [[Biblische Exegese#Tiefenpsychologische Exegese|tiefenpsychologischen Exegese]] und als kirchenkritischer Publizist regelmäßig in den Medien präsent.
Um so wichtiger ist diese auf Angaben [[Rudolf Steiner]]s beruhende Praxis gerade für die Gegenwart, denn bittere Not herrscht unter den Toten, wenn sie durch unsere Gedanken und Taten keinerlei seelische Nahrung und Unterstützung erhalten.


== Werke (Auswahl) ==
"… Und so wie für die Toten gleichsam ein Boden, aus dem sie so etwas ziehen wie geistige Nahrung,
* 1978: Strukturen des Bösen (zugleich 1977 als Habilitationsschrift angenommene Promotion), Schöningh Verlag 1988 ISBN 3-506-72100-3 (mit Imprimatur Paderborn 1976)
unsere schlafenden Seelen sind, so wiederum ist etwa für das Wahrnehmungsvermögen der Toten
* 1981: Eugen Drewermann, Ingritt Neuhaus: ''[[Wikipedia:Das Mädchen ohne Hände|Das Mädchen ohne Hände]]. Märchen Nr. 31 aus der Grimmschen Sammlung.'' Walter, Olten, ISBN 3-530-16860-2.
dasjenige, was wir wissend an spirituellen Vorstellungen durch unsere Seelen ziehen lassen. Deshalb
* 1984:
ist es, dass ich angeraten habe denjenigen, deren Angehörige vor ihnen gestorben sind, diesen Toten
** [[Psychoanalyse]] und [[Wikipedia:Moraltheologie|Moraltheologie]] (3 Bände), Verlag: M. Grünewald, Mainz; Auflage: N.-A. (1992) ISBN 3-786-70989-0
vorzulesen. Wenn wir uns den Toten vorstellen und durch unsere Seele ziehen lassen, gleichsam nur in
** Das Eigentliche ist unsichtbar. [[Wikipedia:Der kleine Prinz|Der kleine Prinz]] tiefenpsychologisch gedeutet, Herder, Freiburg; Auflage: 19 (1984) ISBN 3-451-04894-9
Gedanken lesend, irgend etwas, was spirituelle Wissenschaft darstellt, dann betrachtet dies der Tote.
* 1985: Tiefenpsychologie und Exegese (2 Bände) Walter-Verlag; Auflage: 6. Aufl. (1992), ISBN 3-530-16852-1
Er beobachtet dies, er nährt sich durch die unbewusste Nachwirkung der spirituellen Vorstellung, und
* 1988:
er lebt auf in seinem eigenen Bewusstsein durch das, was man ihm so vorliest.
** Das [[Markusevangelium]], Walter Distribution, Neuauflage 1992, ISBN 3-530-16871-8
Der Verstorbene fühlt sich getragen, gehalten.
** ''[[Kleriker]]: Psychogramm eines Ideals'', Walter-Verlag AG, Olten, 7. Auflage 1990, 900 S. ISBN 3-530-16902-1
… So müssen wir uns klar sein, dass eine fortwährende Wechselbeziehung ist zwischen der physischen
** Ich steige hinab in die Barke der Sonne. Meditationen zu Tod und Auferstehung, Walter-Verlag; Auflage: 6., Aufl. (1993) ISBN 3-530-16901-3
und der geistigen Welt. Es wäre leicht einzuwenden, dass der Tote ja in der geistigen Welt sei. Wozu
** ''"An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen"'' Antwort auf Rudolf Peschs und Gerhard Lohfinks "Tiefenpsychologie und keine Exegese", Walter-Verlag AG, Olten 1988, ISBN 3-530-16857-2
brauche er dann unser Vorlesen? Ja, er ist in der geistigen Welt. Aber die Begriffe der Geisteswissenschaft
* 1990: Über die Unsterblichkeit der Tiere, Walter-Verlag, ISBN 3-530-16874-2
müssen auf Erden erzeugt werden und können nicht anders erzeugt werden als durch das Erdengemüt
* 1991:
der Menschen, so dass der Tote zwar die geistige Welt um sich herum hat, aber die Begriffe,
** Die Spirale der Angst. Der Krieg und das Christentum Herder, Freiburg. ISBN 3-451-04003-4
die er gerade braucht, die können ihm zufließen, ihn tragend, ihn hebend in seinem Bewusstsein
** Reden gegen den Krieg: Patmos (erweiterte Neuauflage 2002). ISBN 3-491-72466-X
dadurch, dass wir sie ihm zufließen lassen von der Erde aus. Und da die innigste Beziehung besteht
* 1992:
zwischen den Toten und denjenigen, mit denen sie gelebt haben, so sind die besten Vorleser für die
** ''Worum es eigentlich geht. Protokoll einer Verurteilung''. 2. Auflage 1992 (21-40Tsd.), Kösel Verlag GmbH & Co., München, 511 S., ISBN 3-466-20356-2
Toten diejenigen Menschen, die um den Verstorbenen gelebt haben, die mit ihm verbunden oder befreundet
** Giordano Bruno oder Der Spiegel des Unendlichen. Roman Dtv (1999) ISBN 3-423-30747-1
waren, oder die sonst eine reale Beziehung vor dem Tode zu ihnen gehabt haben." "Man kann nämlich in der Tat, wie es sich gezeigt hat
** Wenn der Himmel die Erde berührt. Meditationen zu den Gleichnissen Jesu Patmos; Überarb. Neuausg. (Januar 2004) ISBN 3-491-69407-8
gerade innerhalb unserer anthroposophischen Bewegung, außerordentliche Dienste leisten den vor
* 1993: Glauben in Freiheit oder Tiefenpsychologie und Dogmatik, Band 1, 1. Auflage, ISBN 3-530-16896-3, 2.te Auflage 1993 Walter Verlag AG, 719 S.
uns hingestorbenen Menschenseelen, wenn wir ihnen von spirituellen Dingen vorlesen. Das kann so
* 1998: Band 2 Jesus von Nazareth, Befreiung zum Frieden, 819 S. ISBN 3-530-16897-1,
gemacht werden, dass man die Gedanken an den Verstorbenen richtet und, um eine Erleichterung zu
* 1998: Daß auch der Allerniedrigste mein Bruder sei: [[Dostojewski]] – Dichter der Menschlichkeit. Walter, ISBN 3-530-40048-3
haben, versucht, ihn zu denken, wie man sich seiner erinnert: vor einem stehend oder sitzend. Man
* 1998: Von Tieren und Menschen. Moderne Fabeln. Walter, Neuauflage 2002 Patmos, ISBN 3491690471
kann das mit mehreren zugleich machen. Man liest dann nicht laut vor, sondern verfolgt mit Aufmerksamkeit
* 1999: und es geschah so – Die moderne Biologie und die Frage nach Gott.
die Gedanken, immer mit dem Gedanken an den Toten: der Tote steht vor mir. Das ist Vorlesen
* 2002: Im Anfang…, Glaube in Freiheit, bisher 6 Bände
den Toten. Man braucht kein Buch zu haben, aber man darf nicht in abstrakter Weise denken,
* 2003:
sondern muss tatsächlich jeden Gedanken durchdenken: so liest man vor den Toten. Man kann es sogar
** Religiös bedingte neurotische Erkrankungen, Pabst Science Publishers, 2003 ISBN 978-3-89967-045-5
so weit bringen, obzwar das schwieriger ist, dass, wenn man innerhalb einer gemeinsamen Weltanschauung,
** Eugen Drewermann – Rebell oder Prophet? Der unbequeme Theologe im Gespräch mit Felizitas von Schönborn (edition q)
oder über irgendein Gebiet des Lebens überhaupt, einen gemeinsamen Gedanken mit
* 2004:
dem Toten gehabt hat und eine persönliche Beziehung zu ihm hatte, man auch einem Fernerstehenden
** Moby Dick oder Vom Ungeheuren, ein Mensch zu sein, Patmos, ISBN 3-530-17010-0
vorlesen kann. Das geschieht so, dass er durch den warmen Gedanken, den man an ihn richtet,
** Wenn die Sterne Götter wären. Moderne Kosmologie und Glaube. Im Gespräch mit Jürgen Hoeren. Herder, ISBN 3-451-28348-4
nach und nach auf einen aufmerksam wird. So kann es sogar nützlich werden, wenn man Fernerstehenden
* 2006
nach ihrem Tode vorliest. Dieses Vorlesen kann zu jeder Zeit geschehen. Ich bin schon gefragt worden worden, zu welcher Stunde man das am besten tut. Das ist ganz unabhängig von der Stunde. Man
** Atem des Lebens – Band 1: Das Gehirn. Die moderne Neurologie und die Frage nach Gott. Patmos, ISBN 3-491-21000-3
muss nur die Gedanken wirklich durchdenken. Oberfläche genügt nicht. Wort für Wort muss man die
* 2007:
Sachen durchgehen, wie wenn man es innerlich aufsagen würde. Dann lesen die Toten mit. Und es ist
** Atem des Lebens – Band 2: Die Seele. Patmos Verlag, Düsseldorf ISBN 3-491-21001-1
auch nicht richtig, wenn man glaubt, dass solches Vorlesen nur denjenigen nützlich sein kann, welche
** Von der Macht des Geldes oder Märchen der Ökonomie, Patmos Verlag, Düsseldorf ISBN 3-491-21002-X
der Geisteswissenschaft im Leben nahegetreten sind. Das braucht durchaus nicht der Fall zu sein.
** Die Rechtlosigkeit der Kreatur im christlichen Abendland oder: von einer wichtigen Ausnahme. Beitrag Drewermanns in: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft Tierethik (Hrsg.). ''Tierrechte – Eine interdisziplinäre Herausforderung.'' Erlangen 2007. ISBN 978-3-89131-417-3
So sehen wir, dass durchaus nicht notwendigerweise derjenige, dem wir helfen wollen, dem wir dienen
* 2008:
wollen nach dem Tode, im Leben Anthroposoph gewesen zu sein braucht."
** Jesus von Nazareth – Bild eines Menschen, Patmos Verlag, Düsseldorf ISBN 3-491-21003-8
"… Es hat sich wirklich das bewährt: da ist jemand gestorben; hier im Leben hat er sich aus irgendeinem
* 2009:
Grunde … nicht mit Geisteswissenschaft befasst. Derjenige, der zurück geblieben ist, kann aus der
** Das Lukas-Evangelium: Band 1: Lukas 1,1 - 12,1 / Bilder erinnerter Zukunft, Patmos Verlag, Düsseldorf 2009, ISBN 3-491-21006-2
Geisteswissenschaft heraus wissen, dass der Verstorbene ein brennendes Interesse für Geisteswissenschaft
** Das Lukas-Evangelium: Band 2: Lukas 12 - 24 / Bilder erinnerter Zukunft, Patmos Verlag, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-491-21007-3
haben kann. Wenn der Zurückgebliebene nun Gedanken innerlich durchnimmt mit ihm, als
* 2010:
wenn der Tote ihm gegenüberstehen würde, mit dem Gedanken, als ob der Tote vor ihm stehen würde,
** Woran ich glaube: Wir glauben, weil wir lieben, Patmos Verlag, 2010, ISBN 978-3-491-72549-2
so ist das für den Toten eine grosse Wohltat. Wir können tatsächlich dem Toten vorlesen. Das
** Heimkehrer aus der Hölle, Patmos-Verlag der Schwabenverlag AG, 2010, ISBN 978-3-491-72568-3
überbrückt sozusagen die Kluft, die besteht zwischen den Lebenden und den Toten. Bedenken Sie,
* 2011:
wenn die zwei Welten, die durch die materialistische Gesinnung der Menschen so geschieden sind —
** Nur die Liebe lehrt uns Glauben, Publik-Forum Streitschrift , 2011, 978-3880952188
die Welt des physischen Planes und die spirituelle Welt, die der Mensch durchläuft zwischen Tod und
** Das Lukas-Evangelium: Band 3: Die Apostelgeschichte / Bilder erinnerter Zukunft, Patmos Verlag, Düsseldorf 2011, ISBN 978-3-491-21009-7
neuer Geburt —, bedenken Sie, wie dies unmittelbar ins Leben eingreift, wenn diese zwei Welten zusammengeführt
* 2012:
werden! Wenn Geisteswissenschaft nicht Theorie bleibt, sondern unmittelbarer Lebensimpuls
** Die großen Fragen - oder: Menschlich von Gott reden, mit Michael Albus, PatmosVerlag, Düsseldorf 2012, ISBN 978-3-843-60143-6
wird, also das, was Geisteswissenschaft eben sein soll, dann gibt es keine Trennung, sondern
** Die sieben Tugenden, Patmos Verlag, Düsseldorf 2012, ISBN 978-3-843-60173-3
unmittelbare Kommunikation. Das Vorlesen den Toten ist einer von den Fällen, in denen wir in
** Wege zur Menschlichkeit. Von der absoluten Notwendigkeit der Gnade. (Basierend auf dem am 18. Mai 2012 während des Alternativprogrammes zum Katholikentag in Mannheim gehaltenen Vortrag (der auch als DVD oder Hör-CD erhältlich ist).  
unmittelbare Beziehung zu den Toten treten können, in denen wir ihnen helfen können. Derjenige, der
Geisteswissenschaft gemieden hat, bleibt immer in der Qual, nach ihr zu verlangen, wenn wir ihm hier
nicht helfen. Aber wir können ihm auch von hier helfen, wenn er überhaupt ein solches Verlangen hat.
So kann der Lebendige dem Toten helfen."


{{DEFAULTSORT:Drewermann, Eugen}}
(Rudolf Steiner, zitiert nach http://www.sterbekultur.ch/index_htm_files/3.2%20Vorlesen%20den%20Toten.pdf )
[[Kategorie:Katholischer Theologe]]
[[Kategorie:Psychoanalytiker]]
[[Kategorie:Psychologe (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Psychologe (21. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Autor (Christentum)]]
[[Kategorie:Autor (Psychologie)]]
[[Kategorie:Deutscher]]
[[Kategorie:Geboren 1940]]
[[Kategorie:Mann]]


{{Wikipedia}}
Es empfehlen sich die Grundwerke Rudolf Steiners, wie "Theosophie" ([[GA 9]]) und "Die Geheimwissenschaft im Umriß" ([[Ga 13]]), wegen deren gedanklicher Klarheit, sowie "Anthroposophische Leitsätze" ([[GA 26]]), wegen deren gedanklicher Dichtigkeit, zum Vorlesen für die Toten.
 
== Literatur ==
 
* Michael Debus/Gunhild Kacer: ''Das Handeln im Umkreis des Todes''. Fragen zur Bestattung, Selbstverlag Anthroposophische Gesellschaft Stuttgart, Stuttgart 1996, S. 59ff
* Arie Boogert: ''Wir und unsere Toten'', Urachhaus Vlg., Stuttgart 1993, S. 164ff
 
 
[[Kategorie:Tod]][[Kategorie:Soziales Leben]]

Version vom 18. April 2017, 11:07 Uhr

Eine alte anthroposophische Tradition, die aber allmählich immer mehr vergessen zu werden droht, ist die Hinwendung zu den Verstorbenen, durch ein bewußtes Vorlesen für die Toten. Um so wichtiger ist diese auf Angaben Rudolf Steiners beruhende Praxis gerade für die Gegenwart, denn bittere Not herrscht unter den Toten, wenn sie durch unsere Gedanken und Taten keinerlei seelische Nahrung und Unterstützung erhalten.

"… Und so wie für die Toten gleichsam ein Boden, aus dem sie so etwas ziehen wie geistige Nahrung, unsere schlafenden Seelen sind, so wiederum ist etwa für das Wahrnehmungsvermögen der Toten dasjenige, was wir wissend an spirituellen Vorstellungen durch unsere Seelen ziehen lassen. Deshalb ist es, dass ich angeraten habe denjenigen, deren Angehörige vor ihnen gestorben sind, diesen Toten vorzulesen. Wenn wir uns den Toten vorstellen und durch unsere Seele ziehen lassen, gleichsam nur in Gedanken lesend, irgend etwas, was spirituelle Wissenschaft darstellt, dann betrachtet dies der Tote. Er beobachtet dies, er nährt sich durch die unbewusste Nachwirkung der spirituellen Vorstellung, und er lebt auf in seinem eigenen Bewusstsein durch das, was man ihm so vorliest. Der Verstorbene fühlt sich getragen, gehalten. … So müssen wir uns klar sein, dass eine fortwährende Wechselbeziehung ist zwischen der physischen und der geistigen Welt. Es wäre leicht einzuwenden, dass der Tote ja in der geistigen Welt sei. Wozu brauche er dann unser Vorlesen? Ja, er ist in der geistigen Welt. Aber die Begriffe der Geisteswissenschaft müssen auf Erden erzeugt werden und können nicht anders erzeugt werden als durch das Erdengemüt der Menschen, so dass der Tote zwar die geistige Welt um sich herum hat, aber die Begriffe, die er gerade braucht, die können ihm zufließen, ihn tragend, ihn hebend in seinem Bewusstsein dadurch, dass wir sie ihm zufließen lassen von der Erde aus. Und da die innigste Beziehung besteht zwischen den Toten und denjenigen, mit denen sie gelebt haben, so sind die besten Vorleser für die Toten diejenigen Menschen, die um den Verstorbenen gelebt haben, die mit ihm verbunden oder befreundet waren, oder die sonst eine reale Beziehung vor dem Tode zu ihnen gehabt haben." "Man kann nämlich in der Tat, wie es sich gezeigt hat gerade innerhalb unserer anthroposophischen Bewegung, außerordentliche Dienste leisten den vor uns hingestorbenen Menschenseelen, wenn wir ihnen von spirituellen Dingen vorlesen. Das kann so gemacht werden, dass man die Gedanken an den Verstorbenen richtet und, um eine Erleichterung zu haben, versucht, ihn zu denken, wie man sich seiner erinnert: vor einem stehend oder sitzend. Man kann das mit mehreren zugleich machen. Man liest dann nicht laut vor, sondern verfolgt mit Aufmerksamkeit die Gedanken, immer mit dem Gedanken an den Toten: der Tote steht vor mir. Das ist Vorlesen den Toten. Man braucht kein Buch zu haben, aber man darf nicht in abstrakter Weise denken, sondern muss tatsächlich jeden Gedanken durchdenken: so liest man vor den Toten. Man kann es sogar so weit bringen, obzwar das schwieriger ist, dass, wenn man innerhalb einer gemeinsamen Weltanschauung, oder über irgendein Gebiet des Lebens überhaupt, einen gemeinsamen Gedanken mit dem Toten gehabt hat und eine persönliche Beziehung zu ihm hatte, man auch einem Fernerstehenden vorlesen kann. Das geschieht so, dass er durch den warmen Gedanken, den man an ihn richtet, nach und nach auf einen aufmerksam wird. So kann es sogar nützlich werden, wenn man Fernerstehenden nach ihrem Tode vorliest. Dieses Vorlesen kann zu jeder Zeit geschehen. Ich bin schon gefragt worden worden, zu welcher Stunde man das am besten tut. Das ist ganz unabhängig von der Stunde. Man muss nur die Gedanken wirklich durchdenken. Oberfläche genügt nicht. Wort für Wort muss man die Sachen durchgehen, wie wenn man es innerlich aufsagen würde. Dann lesen die Toten mit. Und es ist auch nicht richtig, wenn man glaubt, dass solches Vorlesen nur denjenigen nützlich sein kann, welche der Geisteswissenschaft im Leben nahegetreten sind. Das braucht durchaus nicht der Fall zu sein. So sehen wir, dass durchaus nicht notwendigerweise derjenige, dem wir helfen wollen, dem wir dienen wollen nach dem Tode, im Leben Anthroposoph gewesen zu sein braucht." "… Es hat sich wirklich das bewährt: da ist jemand gestorben; hier im Leben hat er sich aus irgendeinem Grunde … nicht mit Geisteswissenschaft befasst. Derjenige, der zurück geblieben ist, kann aus der Geisteswissenschaft heraus wissen, dass der Verstorbene ein brennendes Interesse für Geisteswissenschaft haben kann. Wenn der Zurückgebliebene nun Gedanken innerlich durchnimmt mit ihm, als wenn der Tote ihm gegenüberstehen würde, mit dem Gedanken, als ob der Tote vor ihm stehen würde, so ist das für den Toten eine grosse Wohltat. Wir können tatsächlich dem Toten vorlesen. Das überbrückt sozusagen die Kluft, die besteht zwischen den Lebenden und den Toten. Bedenken Sie, wenn die zwei Welten, die durch die materialistische Gesinnung der Menschen so geschieden sind — die Welt des physischen Planes und die spirituelle Welt, die der Mensch durchläuft zwischen Tod und neuer Geburt —, bedenken Sie, wie dies unmittelbar ins Leben eingreift, wenn diese zwei Welten zusammengeführt werden! Wenn Geisteswissenschaft nicht Theorie bleibt, sondern unmittelbarer Lebensimpuls wird, also das, was Geisteswissenschaft eben sein soll, dann gibt es keine Trennung, sondern unmittelbare Kommunikation. Das Vorlesen den Toten ist einer von den Fällen, in denen wir in unmittelbare Beziehung zu den Toten treten können, in denen wir ihnen helfen können. Derjenige, der Geisteswissenschaft gemieden hat, bleibt immer in der Qual, nach ihr zu verlangen, wenn wir ihm hier nicht helfen. Aber wir können ihm auch von hier helfen, wenn er überhaupt ein solches Verlangen hat. So kann der Lebendige dem Toten helfen."

(Rudolf Steiner, zitiert nach http://www.sterbekultur.ch/index_htm_files/3.2%20Vorlesen%20den%20Toten.pdf )

Es empfehlen sich die Grundwerke Rudolf Steiners, wie "Theosophie" (GA 9) und "Die Geheimwissenschaft im Umriß" (Ga 13), wegen deren gedanklicher Klarheit, sowie "Anthroposophische Leitsätze" (GA 26), wegen deren gedanklicher Dichtigkeit, zum Vorlesen für die Toten.

Literatur

  • Michael Debus/Gunhild Kacer: Das Handeln im Umkreis des Todes. Fragen zur Bestattung, Selbstverlag Anthroposophische Gesellschaft Stuttgart, Stuttgart 1996, S. 59ff
  • Arie Boogert: Wir und unsere Toten, Urachhaus Vlg., Stuttgart 1993, S. 164ff