Evolution und Vorlesen für die Toten: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Evolution''' (von [[Latein|lat.]] ''evolvere'' = "hinauswälzen", "-rollen", sich "ent-wickeln") ist seit der Zeit der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] die Bezeichnung für jede langsam und friedlich voranschreitende '''Entwicklung''' und bildet damit den [[begriff]]lichen Gegensatz zur [[Revolution]] ([[Latein|lat.]] ''revolutio'' = das "Zurückwälzen", die "Umdrehung"), die für einen plötzlichen, gewaltsamen Wandel steht.
Eine alte anthroposophische Tradition, die aber allmählich immer mehr vergessen zu werden droht, ist die Hinwendung zu den Verstorbenen, durch ein bewußtes '''Vorlesen für die Toten'''.
Um so wichtiger ist diese auf Angaben [[Rudolf Steiner]]s beruhende Praxis gerade für die Gegenwart, denn bittere Not herrscht unter den Toten, wenn sie durch unsere Gedanken und Taten keinerlei seelische Nahrung und Unterstützung erhalten.


== Die biologische Evolutionstheorie ==
"… Und so wie für die Toten gleichsam ein Boden, aus dem sie so etwas ziehen wie geistige Nahrung,
unsere schlafenden Seelen sind, so wiederum ist etwa für das Wahrnehmungsvermögen der Toten
dasjenige, was wir wissend an spirituellen Vorstellungen durch unsere Seelen ziehen lassen. Deshalb
ist es, dass ich angeraten habe denjenigen, deren Angehörige vor ihnen gestorben sind, diesen Toten
vorzulesen. Wenn wir uns den Toten vorstellen und durch unsere Seele ziehen lassen, gleichsam nur in
Gedanken lesend, irgend etwas, was spirituelle Wissenschaft darstellt, dann betrachtet dies der Tote.
Er beobachtet dies, er nährt sich durch die unbewusste Nachwirkung der spirituellen Vorstellung, und
er lebt auf in seinem eigenen Bewusstsein durch das, was man ihm so vorliest.
Der Verstorbene fühlt sich getragen, gehalten.
… So müssen wir uns klar sein, dass eine fortwährende Wechselbeziehung ist zwischen der physischen
und der geistigen Welt. Es wäre leicht einzuwenden, dass der Tote ja in der geistigen Welt sei. Wozu
brauche er dann unser Vorlesen? Ja, er ist in der geistigen Welt. Aber die Begriffe der Geisteswissenschaft
müssen auf Erden erzeugt werden und können nicht anders erzeugt werden als durch das Erdengemüt
der Menschen, so dass der Tote zwar die geistige Welt um sich herum hat, aber die Begriffe,
die er gerade braucht, die können ihm zufließen, ihn tragend, ihn hebend in seinem Bewusstsein
dadurch, dass wir sie ihm zufließen lassen von der Erde aus. Und da die innigste Beziehung besteht
zwischen den Toten und denjenigen, mit denen sie gelebt haben, so sind die besten Vorleser für die
Toten diejenigen Menschen, die um den Verstorbenen gelebt haben, die mit ihm verbunden oder befreundet
waren, oder die sonst eine reale Beziehung vor dem Tode zu ihnen gehabt haben." "Man kann nämlich in der Tat, wie es sich gezeigt hat
gerade innerhalb unserer anthroposophischen Bewegung, außerordentliche Dienste leisten den vor
uns hingestorbenen Menschenseelen, wenn wir ihnen von spirituellen Dingen vorlesen. Das kann so
gemacht werden, dass man die Gedanken an den Verstorbenen richtet und, um eine Erleichterung zu
haben, versucht, ihn zu denken, wie man sich seiner erinnert: vor einem stehend oder sitzend. Man
kann das mit mehreren zugleich machen. Man liest dann nicht laut vor, sondern verfolgt mit Aufmerksamkeit
die Gedanken, immer mit dem Gedanken an den Toten: der Tote steht vor mir. Das ist Vorlesen
den Toten. Man braucht kein Buch zu haben, aber man darf nicht in abstrakter Weise denken,
sondern muss tatsächlich jeden Gedanken durchdenken: so liest man vor den Toten. Man kann es sogar
so weit bringen, obzwar das schwieriger ist, dass, wenn man innerhalb einer gemeinsamen Weltanschauung,
oder über irgendein Gebiet des Lebens überhaupt, einen gemeinsamen Gedanken mit
dem Toten gehabt hat und eine persönliche Beziehung zu ihm hatte, man auch einem Fernerstehenden
vorlesen kann. Das geschieht so, dass er durch den warmen Gedanken, den man an ihn richtet,
nach und nach auf einen aufmerksam wird. So kann es sogar nützlich werden, wenn man Fernerstehenden
nach ihrem Tode vorliest. Dieses Vorlesen kann zu jeder Zeit geschehen. Ich bin schon gefragt worden worden, zu welcher Stunde man das am besten tut. Das ist ganz unabhängig von der Stunde. Man
muss nur die Gedanken wirklich durchdenken. Oberfläche genügt nicht. Wort für Wort muss man die
Sachen durchgehen, wie wenn man es innerlich aufsagen würde. Dann lesen die Toten mit. Und es ist
auch nicht richtig, wenn man glaubt, dass solches Vorlesen nur denjenigen nützlich sein kann, welche
der Geisteswissenschaft im Leben nahegetreten sind. Das braucht durchaus nicht der Fall zu sein.
So sehen wir, dass durchaus nicht notwendigerweise derjenige, dem wir helfen wollen, dem wir dienen
wollen nach dem Tode, im Leben Anthroposoph gewesen zu sein braucht."
"… Es hat sich wirklich das bewährt: da ist jemand gestorben; hier im Leben hat er sich aus irgendeinem
Grunde … nicht mit Geisteswissenschaft befasst. Derjenige, der zurück geblieben ist, kann aus der
Geisteswissenschaft heraus wissen, dass der Verstorbene ein brennendes Interesse für Geisteswissenschaft
haben kann. Wenn der Zurückgebliebene nun Gedanken innerlich durchnimmt mit ihm, als
wenn der Tote ihm gegenüberstehen würde, mit dem Gedanken, als ob der Tote vor ihm stehen würde,
so ist das für den Toten eine grosse Wohltat. Wir können tatsächlich dem Toten vorlesen. Das
überbrückt sozusagen die Kluft, die besteht zwischen den Lebenden und den Toten. Bedenken Sie,
wenn die zwei Welten, die durch die materialistische Gesinnung der Menschen so geschieden sind —
die Welt des physischen Planes und die spirituelle Welt, die der Mensch durchläuft zwischen Tod und
neuer Geburt —, bedenken Sie, wie dies unmittelbar ins Leben eingreift, wenn diese zwei Welten zusammengeführt
werden! Wenn Geisteswissenschaft nicht Theorie bleibt, sondern unmittelbarer Lebensimpuls
wird, also das, was Geisteswissenschaft eben sein soll, dann gibt es keine Trennung, sondern
unmittelbare Kommunikation. Das Vorlesen den Toten ist einer von den Fällen, in denen wir in
unmittelbare Beziehung zu den Toten treten können, in denen wir ihnen helfen können. Derjenige, der
Geisteswissenschaft gemieden hat, bleibt immer in der Qual, nach ihr zu verlangen, wenn wir ihm hier
nicht helfen. Aber wir können ihm auch von hier helfen, wenn er überhaupt ein solches Verlangen hat.
So kann der Lebendige dem Toten helfen."


In der [[Biologie]], der [[Naturgeschichte|Natur]]- und [[Kulturgeschichte]] wird Evolution heute als die Entwicklung zu neuen, meist höher integrierten, komplexeren Formen im physikalisch-chemischen (Entwicklung des Weltalls und der Erde), biologischen (Entwicklung der Lebewesen) und kulturellen Bereich (Entwicklung der Kulturen) verstanden und als solche weitgehend im Sinne der modernen [[Charles Darwin|darwinistischen]] '''Evolutionstheorie''' auf rein [[materie]]ll bedingte Ursachen zurückgeführt. In Anlehnung daran ist nach der [[Systemtheorie]] die Evolution ein Prozess, bei dem durch Reproduktion oder Replikation von einem System Kopien hergestellt werden, die sich voneinander und von ihrem Ursprungssystem durch [[Zufall|zufallsbedingte]] Variation unterscheiden und bei dem nur ein Teil dieser Kopien auf Grund von Selektion für einen weiteren Kopiervorgang zugelassen werden.  
(Rudolf Steiner, zitiert nach http://www.sterbekultur.ch/index_htm_files/3.2%20Vorlesen%20den%20Toten.pdf )


[[Alfred Russel Wallace]] (1823-1913), der die wesentlichten Grundgedanken der Evolutionslehre zeitgleich und in vielen Punkten übereinstimmend mit [[Charles Darwin]] (1809-1882) entwickelte, wandte sich allerdings im Gegensatz zu Darwin entschieden gegen den bloßen Zufall, dem das [[Leben]] seine Entstehung und Entfaltung verdanken sollte, sondern postulierte ein organisierendes geistgeleitetes Lebens-Prinzip. Ziel und Zweck dieser Entwicklung ist für Wallace der [[Mensch]], der die verborgenen Kräfte dieser Entwicklung erkennen und daraus einen höchsten, überragenden Geist als dessen Ursache ableiten kann. In seinem [[Wikipedia:1910|1910]] erschienen Buch „''The World of Life''“ betonte er nachdrücklich:
Es empfehlen sich die Grundwerke Rudolf Steiners, wie "Theosophie" ([[GA 9]]) und "Die Geheimwissenschaft im Umriß" ([[Ga 13]]), wegen deren gedanklicher Klarheit, sowie "Anthroposophische Leitsätze" ([[GA 26]]), wegen deren gedanklicher Dichtigkeit, zum Vorlesen für die Toten.
 
{{Zitat|Aber neben der Diskussion über diese und mehrere andere
verwandte Themen ist die prominenteste Eigenschaft meines Buches,
dass ich in eine populäre, aber kritische Untersuchung der
grundlegenden Probleme anstelle, die Darwin absichtlich von ''seinen'' Werken ausgeschlossen
hat. Diese sind die Natur und die Ursachen des Lebens selbst; und
insbesondere dessen fundamentalste und geheimnisvollste Kräfte: Wachstum und Reproduktion.
 
Ich bemühe mich zunächst, vorsichtig
durch die Betrachtung der Struktur der Vogelfeder, durch
die wunderbaren Umwandlungen der höheren Insekten, und,
noch spezieller an den hoch ausgearbeiteten Flügelschuppen der
Lepidoptera<ref>[[Schmetterlinge]]</ref> (als leicht zugängliche Beispiele für das, was in jedem
Teil der Struktur jedes Lebewesens vorgeht) zu zeigen, dass eine
absolute Notwendigkeit für ein organisierendes und dirigierendes Lebens-Prinzip besteht, um solche
komplexe Auswüchse zu ermöglichen. Ich argumentiere, dass sie erstens unbedingt eine kreative Kraft implizieren, die diese Wunder ermöglichte; als nächstes einen lenkenden Geist, der für jeden Schritt dessen verlangt wird, was wir als Wachstum bezeichnen,
und betrachte oft einen so einfachen und natürlichen Prozeß, der keiner Erklärung bedarf; und endlich einen letzten Zweck für die Existenz der ganzen weiten Lebenswelt auf ihrem langen Weg der Evolution durch die Äonen der geologischen Zeit. Für diesen Zweck, der alleine
viele Geheimnisse ihrer Evolution erhellt, halte ich die Entwicklung des Menschen, als das eine krönende Resultat der
ganzen kosmischen Prozesser der Lebensentwicklung; das einzige Wesen, dass die Natur einigermaßen verstehen kann; das ihre Handlungsweisen wahrnehmen und verfolgen kann; das die überall tätigen verborgenen Kräfte und Bewegungen
schätzen und daraus einen höchsten und überragenden Geist als dessen notwendige Ursache ableiten kann.
 
Für diejenigen, die eine solche Ansicht akzeptieren, wie ich sie angegeben habe,
zeige ich, wie stark sie durch eine lange Reihe von Fakten und Korrelationen unterstützt wird,
die wir kaum als rein zufällig betrachten können. Solche sind die unendlich vielfältigen Produkte der
Lebewesen, die den Zwecken des Menschen dienen, und einzig dem Menschen -
nicht nur um seine materiellen Bedürfnisse zu befriedigen, sondern auch um
seine höheren Bedürfnisse und Gefühle und die vielen Fortschritte in den Künsten und in der Wissenschaft zu ermöglichen, die wir
als die höchsten Beweise für seine Überlegenheit und seine fortschreitende Zivilisation ansehen.|[[Wikipedia:Alfred Russel Wallace|Alfred Russel Wallace]]|''The World of Life'', Vorwort ([http://archive.org/stream/worldoflifemanif00walliala#page/n9/mode/2up englischer Originaltext])}}
 
Auch die Vertreter des [[Intelligent Design]], dessen grundlegende Ideen von einer Gruppe konservativer amerikanischen [[Wikipedia:Kreationismus|Neokreationisten]] formuliert wurden, führen die gegenwärtigen Eigenschaften des [[Universum]]s und des [[Leben]]s auf Erden auf eine nichtmaterielle [[Intelligenz|intelligente]] Ursache zurück. Die wesentlichen Vordenker des Intelligent Design, die vorwiegend dem christlich-konservativen [[Wikipedia:Discovery Institute|Discovery Institute]] in [[Wikipedia:Seattle|Seattle]] ([[Wikipedia:Washington (Bundesstaat)|Washington]]) angehören, identifizieren den ''intelligenten Designer'' mit dem christlichen [[Gott]] selbst.
 
{{GZ|Da sei auf zwei Forscher aufmerksam gemacht, die beide
auf dem Boden der Entwicklungsgeschichte, auf dem Boden
der Naturwissenschaft standen. Beide Forscher faßten den
Hervorgang der einzelnen lebendigen Organismen auseinander
so auf, wie die Darwinianer die Sache auch auffassen,
aber sie nahmen nur den Menschen aus. Sie waren sich klar,
daß man die auf die Tierwelt anzuwendenden Gesetze nicht
auf den Menschen anzuwenden habe, sondern daß man,
wie man sein Körperliches aus dem Physischen, so sein
Geistig-Seelisches aus einem Geistig-Seelischen herleiten
müsse. Darüber waren sich beide vollständig klar. Sie waren
ebenso gute Naturforscher wie Erkenner des Geistigen, aber
ihre Denkgewohnheiten standen unter denjenigen der naturwissenschaftlichen
Richtung. Sie dachten wie man als echter
Naturwissenschaftler denkt. Wie dachte der eine, [[Mivart]],
und wie dachte der andere, [[Wallace]], ein Zeitgenosse [[Darwin]]s,
über die eigentlichen Vorgänge in der Entwickelung?
 
Wallace sagte sich, der Mensch könne nicht so einfach in
die Tierreihe hineingestellt werden. Schon aus dem Grunde
nicht, weil schon im äußeren Bau des Gehirnes ein beträchtlicher
Unterschied zwischen dem Menschen und dem höchstentwickelten
Affen vorhanden sei, wenn man auch nur den
Wilden ins Auge fasse, und weil das Affengehirn gegenüber
dem Gehirn des Wilden viel zu unvollkommen sei,
wenn nur im geraden Fortgange der Entwickelung der
Mensch sich aus dem Affen entwickelt haben soll.
Der andere Forscher, Mivart, fand, daß die Kulturstufe
des wilden Menschen gar nicht äußerlich verschieden sei von
der Entwicklungsstufe des höchstentwickelten Affen. Wenn
man aber die geistigen Betätigungen des Wilden und dagegen
die Betätigungen des höchstentwickelten Affen ins
Auge fasse, so müsse man voraussetzen, da die Gehirne der
beiden so viel Ähnlichkeit miteinander haben, daß der
Mensch deshalb nicht in die Tierreihe gehöre. Wenn man
wieder die Gehirne ins Auge fasse, so sehe man ganz klar,
daß sich das Gehirn des Menschen nicht aus dem Affengehirn
entwickelt hat durch Anpassung an äußere Verrichtungen,
sondern es entwickle durch die Zivilisation alle
Möglichkeiten schon so, daß es nur so scheine, als ob schon
alles veranlagt wäre, damit es einmal das Werkzeug der
Zivilisation werden könnte.
 
Also weil das Affengehirn und das Menschengehirn so
stark voneinander abweichen, glaubt der eine, Wallace,
annehmen zu müssen, daß keine Verwandtschaft des Menschen
mit der Tierreihe bestünde. Und gerade die Ähnlichkeit
der geistigen Eigenschaften bei beiden war für Wallace
ein Beweis für das, was er sagte. Für Mivart, seinen Zeitgenossen,
war das gerade Umgekehrte vorhanden; er war
der Ansicht, wenn man die geistigen Eigenschaften des
wilden Menschen mit dem höchststehenden Affen vergleiche,
so trete ein so großer Unterschied hervor, daß man wegen
dieses Unterschiedes keine Stammverwandtschaft zwischen
dem Wilden und dem Affen annehmen könne.
 
Wir sehen also zwei Naturforscher, beide an naturwissenschaftliches
Denken gewöhnt, die beide aus entgegengesetzten
Gründen das annehmen, was ihre Meinung ist;
der eine, weil die Eigenschaften des Wilden und des höchststehenden
Affen so ähnlich, der andere, weil sie so verschieden
sind. Wenn nun schon zwei Forscher, die beide
dazu neigen, den Menschen vom Geistigen abzuleiten, in
bezug auf ihre Beweisgründe so durch das beirrt werden
können, was sich an Fülle der Tatsachen ausbreitet, wie
sollte erst der, welcher noch mehr vorurteilsvoll in den
Denkgewohnheiten des bloß materialistischen Denkens befangen
ist, nicht noch mehr durch die Fülle der Tatsachen
unfähig sein, aus diesen Tatsachen und Gesetzen selber heraus
zum Geistigen zu kommen!
 
Die Naturwissenschaft führt uns eben nur von Tatsache
zu Tatsache. Haben wir die Geisteswissenschaft, dann kann
aus dieser Geisteswissenschaft gerade das Naturwissenschaftliche
begriffen und ins rechte Licht gerückt werden. Niemals
aber können die Gesetze der Geisteswissenschaft aus der
Naturwissenschaft heraus irgendwie gefunden werden. Daher
müßte es immer mehr und mehr geschehen, daß der
menschlichen Seele ihre ganze geistige Nahrung entzogen
würde, wenn sie darauf angewiesen bliebe, «wissenschaftlich
» nur das gelten zu lassen, was die Naturwissenschaft
hervorbringt. Die Naturwissenschaft selbst wird gerade dadurch
ihre Größe und Bedeutung erlangen, daß sie sich in
ihren Grenzen hält.|62|97ff}}
 
== Die Evolution aus anthroposophischer Sicht ==
 
Die [[anthroposophisch]]e [[Geisteswissenschaft|Geistesforschung]] geht über diese im Allgemeinen verbleibenden Ansätze hinaus und deckt konkret die komplexen [[geist]]igen ''und'' [[materie]]llen Hintergründe der Entwicklung auf, die am umfassendsten durch die sogenannten [[Sieben planetarische Weltentwicklungsstufen|sieben planetarischen Weltentwicklungsstufen]] beschrieben werden. Evolution bedeutet aus [[geisteswissenschaft]]licher Sicht, dass ein [[geist]]ig [[schöpferisch]] [[Wesenhaft]]es schrittweise immer deutlicher in die äußere [[sinnlich]]-[[materiell]]e [[Erscheinung]] tritt. Die notwendige Gegenbewegung dazu ist die [[Involution]], durch die sich das Geistige wieder schrittweise aus der äußeren Erscheinung zurückzieht ([[#Evolution, Involution, Schöpfung aus dem Nichts|siehe unten]]).
 
<div style="margin-left:20px">
"Aber wenn Sie wirklich meine Schriften verfolgen, so
werden Sie sehen, daß ich dem Darwinismus immer gerecht geworden
bin, aber eben gerade dadurch gerecht werden konnte, daß ich
ihm entgegengestellt habe den Goetheanismus, die Auffassung von
der Entwickelung des Lebens. Das, was man Deszendenztheorie
nennt, auf der einen Seite im Sinne des Darwinismus, auf der andern
Seite im Sinne des Goetheanismus, diese Dinge versuchte ich immer
miteinander zu verbinden. Warum? Weil im Goetheanismus die
aufsteigende Linie lebt, das Herausheben der organischen Entwickelung
aus dem bloß physikalischen, physischen Dasein.
 
Wie oft habe ich auf das Gespräch zwischen Goethe und Schiller
hingewiesen, wo Schiller, als Goethe seine Urpflanze aufzeichnete,
sagte: Das ist keine Empirie, das ist keine Erfahrung, das ist eine
Idee. - Da sagte Goethe: Dann habe ich meine Idee vor Augen! -,
weil er überall das Geistige sah. Da haben wir eine Entwickelungslehre
bei Goethe veranlagt, die den Keim in sich trägt, zu den höchsten
Sphären heraufgehoben zu werden, angewendet zu werden für
Seele und Geist. Wenn Goethe auch nur für die organische Entwikkelung
in der Metamorphosenlehre den Anfang gemacht hat, wir
haben die Evolution des Geistes, zu der die Menschheit von diesem
fünften nachatlantischen Zeitraum an kommen muß, weil der
Mensch sich verinnerlicht, wie ich es in diesen Betrachtungen dargestellt
habe. Goetheanismus kann eine große Zukunft haben,
denn die ganze Anthroposophie liegt in seiner Linie. Darwinismus
betrachtet die physische Entwickelung von der physischen Seite her:
äußere Impulse, Kampf ums Dasein, Selektion und so weiter und
stellt damit die absterbende Entwickelung dar, alles dasjenige, was
man finden kann über das organische Leben, wenn man sich den
Impulsen überläßt, die in früheren Zeiten groß geworden sind. Will
man Darwin verstehen, so muß man nur synthetisch zusammenfassen
alle Gesetze, die früher aufgefunden worden sind. Will man
Goethe verstehen, muß man sich aufschwingen zu neuen und immer
neuen Gesetzmäßigkeiten im Dasein. Beides ist notwendig. Der
Fehler besteht nicht darin, daß es einen Darwinismus gibt oder daß
es einen Goetheanismus gibt, sondern darin, daß die Menschen dem
einen oder dem andern und nicht dem einen und dem andern anhängen
wollen. Das ist es, worauf es ankommt." {{Lit|{{G|177|223f}}}}
</div>
 
Entwicklung verläuft in Zyklen und setzt keinen Anfang und kein Ende voraus:
 
{{GZ|Entwickelung setzt keinen Anfang und kein Ende voraus. Entwikkelung
verläuft in Zyklen ohne Wiederholung, immer Neues wird
eingefügt im zyklischen Fortschritt. Endlicher Anfang oder Ende ist
ein Majaschluß, abstrahiert von sinnlichen Vorgängen.|110|188}}
 
[[Rudolf Steiner]] baut konsequent auf die Vorarbeit auf, die [[Goethe]] mit seiner [[Metamorphosenlehre]] geleistet hat. Goethe ging davon aus, dass in jedem [[Lebewesen]] ein [[Idee|ideelles]] [[Urbild]] wirkt, das er [[Typus]] nannte. Der allen [[Pflanzen]] gemeinsame Typus ist die [[Urpflanze]], der in den [[Tier]]en wirkende Typus ist das [[Urtier]].
 
<div style="margin-left:20px">
"Was versteht Goethe unter diesem Typus? Er hat sich darüber
klar und unzweideutig ausgesprochen. Er sagt, er fühlte die Notwendigkeit:
«einen Typus aufzustellen, an welchem alle Säugetiere
nach Übereinstimmung und Verschiedenheit zu prüfen
wären, und wie ich früher die Urpflanze aufgesucht, so trachtete
ich nunmehr das Urtier zu finden, das heißt denn doch zuletzt:
den Begriff, die Idee des Tieres». Und ein anderes Mal mit noch
größerer Deutlichkeit: «Hat man aber die Idee von diesem Typus
gefaßt, so wird man recht einsehen, wie unmöglich es sei, eine
einzelne Gattung als Kanon aufzustellen. Das Einzelne kann kein
Muster des Ganzen sein, und so dürfen wir das Muster für alle
nicht im Einzelnen suchen. Die Klassen, Gattungen, Arten und
Individuen verhalten sich wie die Fälle zum Gesetz: sie sind
darin enthalten, aber sie enthalten und geben es nicht.» Hätte man
also Goethe gefragt, ob er in einer bestimmten Tier- oder Pflanzenform,
die zu irgendeiner Zeit existiert hat, seine Urform, seinen
Typus verwirklicht sehe, so hatte er ohne Zweifel mit einem
kräftigen Nein geantwortet. Er hätte gesagt: So wie der Haushund,
so ist auch der einfachste tierische Organismus nur ein
Spezialfall dessen, was ich unter Typus verstehe. Den Typus findet
man überhaupt nicht in der Außenwelt verwirklicht, sondern er
geht uns als Idee in unserem Innern auf, wenn wir das Gemeinsame
der Lebewesen betrachten. Sowenig der Physiker einen einzelnen
Fall, eine zufällige Erscheinung zum Ausgangspunkte seiner
Untersuchungen macht, sowenig darf der Zoologe oder Botaniker
einen einzelnen Organismus als Urorganismus ansprechen.
Und hier ist der Punkt, an dem es klar werden muß, daß der
neuere Darwinismus weit hinter Goethes Grundgedanken zurückbleibt.
Diese wissenschaftliche Strömung findet, daß es zwei Ursachen
gibt, unter deren Einfluß eine organische Form sich in
eine andere umformen kann: die Anpassung und den Kampf ums
Dasein. Unter Anpassung versteht man die Tatsache, daß ein
Organismus infolge von Einwirkungen der Außenwelt eine Veränderung
in seiner Lebenstätigkeit und in seinen Gestaltverhältnissen
annimmt. Er erhält dadurch Eigentümlichkeiten, die seine
Voreltern nicht hatten. Auf diesem Wege kann sich also eine Umformung
bestehender organischer Formen vollziehen. Das Gesetz
vom Kampf ums Dasein beruht auf folgenden Erwägungen. Das
organische Leben bringt viel mehr Keime hervor, als auf der Erde
Platz zu ihrer Ernährung und Entwickelung finden. Nicht alle
können zur vollen Reife kommen. Jeder entstehende Organismus
sucht aus seiner Umgebung die Mittel zu seiner Existenz. Es ist
unausbleiblich, daß bei der Fülle der Keime ein Kampf entsteht
zwischen den einzelnen Wesen. Und da nur eine begrenzte Zahl
den Lebensunterhalt finden kann, so ist es natürlich, daß diese
aus denen besteht, die sich im Kampf als die stärkeren erweisen.
Diese werden als Sieger hervorgehen. Welche sind aber die Stärkeren?
Ohne Zweifel diejenigen mit einer Einrichtung, die sich
als zweckmäßig erweist, um die Mittel zum Leben zu beschaffen.
Die Wesen mit unzweckmäßiger Organisation müssen unterliegen
und aussterben. Deswegen, sagt der Darwinismus, kann es nur
zweckmäßige Organisationen geben. Die anderen sind einfach im
Kampf ums Dasein zugrunde gegangen. Der Darwinismus erklärt
mit Zugrundelegung dieser beiden Prinzipien den Ursprung der
Arten so, daß sich die Organismen unter dem Einfluß der Außenwelt
durch Anpassung umwandeln, die hierdurch gewonnenen
neuen Eigentümlichkeiten auf ihre Nachkommen verpflanzen und
von den auf diese Weise umgewandelten Formen immer diejenigen
sich erhalten, welche in dem Umwandlungsprozesse die zweckentsprechendste
Gestalt angenommen haben.
 
Gegen diese beiden Prinzipien hätte Goethe zweifellos nichts
einzuwenden. Wir können nachweisen, daß er beide bereits gekannt
hat. Für ausreichend aber, um die Gestalten des organischen
Lebens zu erklären, hat er sie nicht gehalten. Sie waren ihm äußere
Bedingungen, unter deren Einfluß das, was er Typus nannte,
besondere Formen annimmt und sich in der mannigfaltigsten
Weise verwandeln kann. Bevor sich etwas umwandelt, muß es
aber erst vorhanden sein. Anpassung und Kampf ums Dasein
setzen das Organische voraus, das sie beeinflussen. Die notwendige
Voraussetzung sucht Goethe erst zu gewinnen. Seine 1790
veröffentlichte Schrift «Versuch, die Metamorphose der Pflanzen
zu erklären» verfolgt den Gedanken, eine ideale Pflanzengestalt
zu finden, welche allen pflanzlichen Wesen als deren Urbild zugrunde
liegt. Später versuchte er dasselbe auch für die Tierwelt." {{Lit|{{G|030|73ff}}}}
</div>
 
{{GZ|Besonders an der Weltanschauungsströmung, die sich als
neuere Entwicklungslehre von Lamarck, über Lyell und
andere bis zu Darwin und den gegenwärtigen Ansichten
von den Lebenstatsachen zieht, kann die Bedeutung eingesehen
werden, welche der Gesichtspunkt des schauenden
Bewußtseins hat. Diese Entwicklungslehre sucht das Aufsteigen
der höheren Lebensformen aus den niederen darzustellen.
Sie erfüllt damit eine Aufgabe, die grundsätzlich in
sich berechtigt ist. Allein sie muß dabei so verfahren, wie
die Menschenseele im Traumbewußtsein mit den Traumerlebnissen
verfährt; sie läßt das Folgende aus dem Früheren
hervorgehen. In ''Wirklichkeit'' sind aber die treibenden
Kräfte, die ein folgendes Traumbild aus dem früheren hervorzaubern,
in dem Träumenden und nicht in den Traumbildern
zu suchen. Dies zu empfinden, ist erst das wachende
Bewußtsein in der Lage. Das schauende Bewußtsein
kann sich nun ebensowenig zufrieden geben, in einer
niederen Lebensform die wirksamen Kräfte zu suchen für
das Entstehen einer höheren, wie sich das Wachbewußtsein
dazu hergeben kann, einen Folgetraum aus einem vorhergehenden
Traum wirklich hervorgehen zu lassen, ohne auf
den Träumenden zu sehen. Das in der wahren Wirklichkeit
sich erlebende Seelenwesen schaut das Seelisch-Geistige,
das es wirksam in der gegenwärtigen Menschennatur findet,
auch schon wirksam in den Entwickelungsformen,
welche zu dem gegenwärtigen Menschen geführt haben. Es
wird nicht anthropomorphistisch in die Naturerscheinungen
die gegenwärtige Menschenwesenheit hineinträumen;
aber es wird das Geistig-Seelische, das durch schauendes
Bewußtsein im gegenwärtigen Menschen erlebt wird, wirksam
wissen in allem Naturgeschehen, das zum Menschen
geführt hat. Es wird so erkennen, daß die dem Menschen
offenbar werdende Geistwelt den Ursprung enthält auch
der Naturbildungen, die dem Menschen vorangegangen
sind.|20|176f}}
 
== Evolution, Involution, Schöpfung aus dem Nichts ==
 
<div style="margin-left:20px">
"So haben wir bei allem [[Werden]] dreierlei zu beachten: Zuerst die
Entfaltung aus einem gleichsam eingewickelten Zustande heraus;
wir nennen das Entwickelung oder Evolution. Dann muß, was im
Keime liegt, entstehen durch den umgekehrten Prozeß, die Einwickelung
oder Involution. Diese beiden Prozesse allein geben aber
noch keinen Fortschritt. Einzig und allein dadurch, daß ein Wesen
imstande ist, Einflüsse von außen aufzunehmen und zu inneren Erlebnissen
zu verarbeiten, kann ein Neues, ein Fortschritt in der Welt
entstehen. Das ist das Dritte; man nennt es [[Schöpfung aus dem Nichts]]. Fortwährend entwickeln Sie, was in Ihnen von früher her
veranlagt ist, fortwährend nehmen Sie etwas aus Ihrer Umwelt auf,
das Sie umgestalten zu Erlebnissen, und das tragen Sie dann in eine
neue Verkörperung hinein. In allem Leben wirkt die Dreiheit von
Evolution, Involution und Schöpfung aus dem Nichts. Beim Menschen
haben wir diese Schöpfung aus dem Nichts in der Arbeit seines
Bewußtseins. Er erlebt die Vorgänge in seiner Umwelt und verarbeitet
sie zu Ideen, Gedanken und Begriffen. Veranlagungen stammen
aus früheren Verkörperungen, aber aller Fortschritt im Leben
beruht darauf, daß neue Gedanken und neue Ideen produziert werden.
Die Verhältnisse der Umgebung werden «konsumiert», und die
inneren Erlebnisse führen zu neuen Gedanken und Ideen. Daher ist
Drei die Zahl des Lebens, man nennt sie die Zahl der Schöpfung
oder des Wirkens." {{Lit|{{G|101|259f}}}}
</div>
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Evolution}}
* {{WikipediaDE|Evolution}}


== Literatur ==
== Literatur ==
*[[Alfred Russel Wallace]]: ''The World of Life; A Manifestation of Creative Power, Directive Mind and Ultimate Purpose.'' Chapman & Hall, London 1910
* Friedrich A. Kipp: ''Die Evolution des Menschen im Hinblick auf seine lange Jugendzeit'', 2. Aufl., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1991, ISBN 978-3772507182
*[[Ernst-Michael Kranich]]: ''Von der Gewissheit zur Wissenschaft der Evolution'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1989, ISBN 978-3-772-50580-5 (in überarbeiteter Fassung: Thinking beyond Darwin, Hudson N. Y. 1999. ISBN 0-940262-93-2)
*Christoph J. Hueck: ''Evolution im Doppelstrom der Zeit: Die Erweiterung der naturwissenschaftlichen Entwicklungslehre durch die Selbstanschauung des Erkennens'', Verlag am Goetheanum, Dornach 2012, ISBN 978-3723514689
* Axel Ziemke: ''Alle Schöpfung ist Werk der Natur: Die Wiedergeburt von Goethes Metamorphosenidee in der Evolutionären Entwicklungsbiologie'', Info3 Verlag 2015, ISBN 978-3957790309
*Rudolf Steiner: ''Methodische Grundlagen der Anthroposophie'', [[GA 30]] (1989), ISBN 3-7274-0300-4 {{Vorträge1|29}}
*Rudolf Steiner: ''Ergebnisse der Geistesforschung'', [[GA 62]] (1988), ISBN 3-7274-0620-8 {{Vorträge|062}}
*Rudolf Steiner: ''Mythen und Sagen. Okkulte Zeichen und Symbole'', [[GA 101]] (1992), ISBN 3-7274-1010-8 {{Vorträge|101}}
*Rudolf Steiner: ''Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt'', [[GA 110]] (1991), ISBN 3-7274-1100-7 {{Vorträge|110}}
*Rudolf Steiner: ''Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis'', [[GA 177]] (1999), ISBN 3-7274-1771-4 {{Vorträge|177}}
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/sonstiges2_evolutionstheorie.pdf Gedanken über die Evolutionstheorie] PDF


{{GA}}
* Michael Debus/Gunhild Kacer: ''Das Handeln im Umkreis des Todes''. Fragen zur Bestattung, Selbstverlag Anthroposophische Gesellschaft Stuttgart, Stuttgart 1996, S. 59ff
* Arie Boogert: ''Wir und unsere Toten'', Urachhaus Vlg., Stuttgart 1993, S. 164ff


== Einzelnachweise ==
<references />


[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Anthroposophie]] [[Kategorie:Evolution|!]] [[Kategorie:Evolutionsbiologie]]
[[Kategorie:Tod]][[Kategorie:Soziales Leben]]

Version vom 18. April 2017, 10:07 Uhr

Eine alte anthroposophische Tradition, die aber allmählich immer mehr vergessen zu werden droht, ist die Hinwendung zu den Verstorbenen, durch ein bewußtes Vorlesen für die Toten. Um so wichtiger ist diese auf Angaben Rudolf Steiners beruhende Praxis gerade für die Gegenwart, denn bittere Not herrscht unter den Toten, wenn sie durch unsere Gedanken und Taten keinerlei seelische Nahrung und Unterstützung erhalten.

"… Und so wie für die Toten gleichsam ein Boden, aus dem sie so etwas ziehen wie geistige Nahrung, unsere schlafenden Seelen sind, so wiederum ist etwa für das Wahrnehmungsvermögen der Toten dasjenige, was wir wissend an spirituellen Vorstellungen durch unsere Seelen ziehen lassen. Deshalb ist es, dass ich angeraten habe denjenigen, deren Angehörige vor ihnen gestorben sind, diesen Toten vorzulesen. Wenn wir uns den Toten vorstellen und durch unsere Seele ziehen lassen, gleichsam nur in Gedanken lesend, irgend etwas, was spirituelle Wissenschaft darstellt, dann betrachtet dies der Tote. Er beobachtet dies, er nährt sich durch die unbewusste Nachwirkung der spirituellen Vorstellung, und er lebt auf in seinem eigenen Bewusstsein durch das, was man ihm so vorliest. Der Verstorbene fühlt sich getragen, gehalten. … So müssen wir uns klar sein, dass eine fortwährende Wechselbeziehung ist zwischen der physischen und der geistigen Welt. Es wäre leicht einzuwenden, dass der Tote ja in der geistigen Welt sei. Wozu brauche er dann unser Vorlesen? Ja, er ist in der geistigen Welt. Aber die Begriffe der Geisteswissenschaft müssen auf Erden erzeugt werden und können nicht anders erzeugt werden als durch das Erdengemüt der Menschen, so dass der Tote zwar die geistige Welt um sich herum hat, aber die Begriffe, die er gerade braucht, die können ihm zufließen, ihn tragend, ihn hebend in seinem Bewusstsein dadurch, dass wir sie ihm zufließen lassen von der Erde aus. Und da die innigste Beziehung besteht zwischen den Toten und denjenigen, mit denen sie gelebt haben, so sind die besten Vorleser für die Toten diejenigen Menschen, die um den Verstorbenen gelebt haben, die mit ihm verbunden oder befreundet waren, oder die sonst eine reale Beziehung vor dem Tode zu ihnen gehabt haben." "Man kann nämlich in der Tat, wie es sich gezeigt hat gerade innerhalb unserer anthroposophischen Bewegung, außerordentliche Dienste leisten den vor uns hingestorbenen Menschenseelen, wenn wir ihnen von spirituellen Dingen vorlesen. Das kann so gemacht werden, dass man die Gedanken an den Verstorbenen richtet und, um eine Erleichterung zu haben, versucht, ihn zu denken, wie man sich seiner erinnert: vor einem stehend oder sitzend. Man kann das mit mehreren zugleich machen. Man liest dann nicht laut vor, sondern verfolgt mit Aufmerksamkeit die Gedanken, immer mit dem Gedanken an den Toten: der Tote steht vor mir. Das ist Vorlesen den Toten. Man braucht kein Buch zu haben, aber man darf nicht in abstrakter Weise denken, sondern muss tatsächlich jeden Gedanken durchdenken: so liest man vor den Toten. Man kann es sogar so weit bringen, obzwar das schwieriger ist, dass, wenn man innerhalb einer gemeinsamen Weltanschauung, oder über irgendein Gebiet des Lebens überhaupt, einen gemeinsamen Gedanken mit dem Toten gehabt hat und eine persönliche Beziehung zu ihm hatte, man auch einem Fernerstehenden vorlesen kann. Das geschieht so, dass er durch den warmen Gedanken, den man an ihn richtet, nach und nach auf einen aufmerksam wird. So kann es sogar nützlich werden, wenn man Fernerstehenden nach ihrem Tode vorliest. Dieses Vorlesen kann zu jeder Zeit geschehen. Ich bin schon gefragt worden worden, zu welcher Stunde man das am besten tut. Das ist ganz unabhängig von der Stunde. Man muss nur die Gedanken wirklich durchdenken. Oberfläche genügt nicht. Wort für Wort muss man die Sachen durchgehen, wie wenn man es innerlich aufsagen würde. Dann lesen die Toten mit. Und es ist auch nicht richtig, wenn man glaubt, dass solches Vorlesen nur denjenigen nützlich sein kann, welche der Geisteswissenschaft im Leben nahegetreten sind. Das braucht durchaus nicht der Fall zu sein. So sehen wir, dass durchaus nicht notwendigerweise derjenige, dem wir helfen wollen, dem wir dienen wollen nach dem Tode, im Leben Anthroposoph gewesen zu sein braucht." "… Es hat sich wirklich das bewährt: da ist jemand gestorben; hier im Leben hat er sich aus irgendeinem Grunde … nicht mit Geisteswissenschaft befasst. Derjenige, der zurück geblieben ist, kann aus der Geisteswissenschaft heraus wissen, dass der Verstorbene ein brennendes Interesse für Geisteswissenschaft haben kann. Wenn der Zurückgebliebene nun Gedanken innerlich durchnimmt mit ihm, als wenn der Tote ihm gegenüberstehen würde, mit dem Gedanken, als ob der Tote vor ihm stehen würde, so ist das für den Toten eine grosse Wohltat. Wir können tatsächlich dem Toten vorlesen. Das überbrückt sozusagen die Kluft, die besteht zwischen den Lebenden und den Toten. Bedenken Sie, wenn die zwei Welten, die durch die materialistische Gesinnung der Menschen so geschieden sind — die Welt des physischen Planes und die spirituelle Welt, die der Mensch durchläuft zwischen Tod und neuer Geburt —, bedenken Sie, wie dies unmittelbar ins Leben eingreift, wenn diese zwei Welten zusammengeführt werden! Wenn Geisteswissenschaft nicht Theorie bleibt, sondern unmittelbarer Lebensimpuls wird, also das, was Geisteswissenschaft eben sein soll, dann gibt es keine Trennung, sondern unmittelbare Kommunikation. Das Vorlesen den Toten ist einer von den Fällen, in denen wir in unmittelbare Beziehung zu den Toten treten können, in denen wir ihnen helfen können. Derjenige, der Geisteswissenschaft gemieden hat, bleibt immer in der Qual, nach ihr zu verlangen, wenn wir ihm hier nicht helfen. Aber wir können ihm auch von hier helfen, wenn er überhaupt ein solches Verlangen hat. So kann der Lebendige dem Toten helfen."

(Rudolf Steiner, zitiert nach http://www.sterbekultur.ch/index_htm_files/3.2%20Vorlesen%20den%20Toten.pdf )

Es empfehlen sich die Grundwerke Rudolf Steiners, wie "Theosophie" (GA 9) und "Die Geheimwissenschaft im Umriß" (Ga 13), wegen deren gedanklicher Klarheit, sowie "Anthroposophische Leitsätze" (GA 26), wegen deren gedanklicher Dichtigkeit, zum Vorlesen für die Toten.

Literatur

  • Michael Debus/Gunhild Kacer: Das Handeln im Umkreis des Todes. Fragen zur Bestattung, Selbstverlag Anthroposophische Gesellschaft Stuttgart, Stuttgart 1996, S. 59ff
  • Arie Boogert: Wir und unsere Toten, Urachhaus Vlg., Stuttgart 1993, S. 164ff