Or Makif und Bechina: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Ein_sof.png|thumb|300px|Die 10 Sephiroth, die sich aus dem göttlichen Urlicht [[Ain Soph Aur]] nach dem [[Zimzum]] in Form immer kleiner werdender konzentrischer Kreise (Igulim) herausbildeten, umgeben von dem ''umgebendenn Licht'' ([[Or Makif]]). Jeder Kreis enthält ''inneres Licht'' ([[Or Pnimi]]), das zugleich ''umgebendes Licht'' für die innen liegenden, kleineren Kreise ist.]]
'''Bechina''' ({{HeS|בחינה|„Betrachtung, Hinsicht, Aspekt, Prüfung“}}) ist ein zentraler Begriff der [[lurianisch]]en [[Kabbala]]. [[Luria]] will damit deutlich machen, dass ein und dasselbe [[Wesen]] je nach Betrachtungsweise unterschiedliche Aspekte zeigen kann.<ref>Karl Erich Grözinger: ''Jüdisches Denken. Theologie - Philosophie - Mystik: Band 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus'', Campus Verlag, Frankfurt/Main 2005, S 635</ref>  
'''Or Makif''' (auch '''''Or Mekif''''', {{HeS|אור מקיף}}), das '''umfassende''' oder '''umgebende Licht''', ist ein Begriff aus der [[lurianisch]]en [[Kabbala]]. Es umgab den kreisförmigen Leerraum, der verblieben war, nachdem sich im [[Zimzum]] ({{HeS|צמצום}}), dem Akt der Selbstbeschränkung [[Gott]]es, das göttliche Urlicht [[Ain Soph]] ({{HeS|אין סוף|nicht endlich}}) zurückgezogen hatte, um der [[Schöpfung]] [[Raum]] ({{HeS|חלל|chalal}}) zu geben. In diesen Leerraum strahlte das umgebende [[Licht]] nun in Form einer feinen Linie ({{HeS|קו}}, „Linie [des Lichts]“) herein und wurde dadurch zum ''inneren Licht'' ({{HeS|אוֹר פנימה|[[Or Pnimi]]}}). Hier formte es nach dem Bild Gottes zuerst die von ''innerem Licht''  erfüllte Gestalt des [[Adam Kadmon]] und dann, indem es nun vom [[Haupt]] des Adam Kadmon aus Mund und Augen und Stirne hervorbrach, schrittweise in konzentrischen Kreisen ({{HeS|עִגּוּלים|[[Igulim]]}}) die ebenfalls von Licht erfüllten 10 [[Sephiroth]] ({{He|סְפִירוֹת}}). Das umgebende Licht ist reicher und schöpfungsmächtiger als das innere Licht. Die weiter außen liegenden und daher größeren Kreise stehen dem umgebenden Licht näher und das sie erfüllende Licht ist daher ebenfalls von höherer Qualität und Lebendigkeit. Dieses ''innere Licht'' bildet zugleich für die weiter innen liegenden, kleineren Kreise wiederum ein ''umgebendes Licht''. Jede [[Sephira]] - bis auf die innerste ([[Malchuth]]) - ist somit zugleich Spender und Empfänger von schöpferischem Licht<ref>Karl Erich Grözinger: ''Jüdisches Denken. Theologie - Philosophie - Mystik: Band 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus'', Campus Verlag, Frankfurt/Main 2005, S 626ff</ref>.


Die [[wesen]]haften Sephiroth erfüllen Gefäße ({{HeS|כלים|Kelim}}), die ebenfalls aus Licht geschaffen wurden. Hier ist es nun genau umgekehrt: die Innenseite der Gefäße ist von höherer Lichtqualität als die Außenseite - zum Vergleich wird hier auf die Haushaltskeramik verwiesen, deren Innenseite auch von besserer Qualität ist<ref>ebd. S 628</ref>.
So kann etwa das System der [[10]] [[Sephiroth]] je nach Betrachtungsweise in Form konzentrischer Kreise ({{HeS|עִגּוּלים|[[Igulim]]}}) oder mit Geraden ({{HeS|ישר|[[Yosher]]}}) dargestellt werden. Gerade und Kreise sind zwei einander ergänzende ''Aspekte'' der Sephiroth.  


Da die Gefäße aber insgesamt aus Licht geringerer Qualität gebildet waren, konnten sie dem sie erfüllenden, viel mächtigeren Licht der Sephiroth nur bedingt widerstehen. Die drei äußeren Gefäße (für die Sefirot ''[[Keter]]'', ''[[Ḥochmā]]'' und ''[[Binā]]'') hielten aufgrund ihrer Nähe zu Ain Soph dem Licht stand, während die inneren sechs Gefäße zersprangen. So kam es zum [[Schvirat ha-Kelim]] ({{HeS|שבירת הכלים}}), dem ''Bruch der Gefäße''. Ihre Scherben blieben in der Welt erhalten als "Schalen" (''[[Qelipot|Qlīpōt]]'') und bildeten die Grundlage des [[Das Böse|Bösen]]. Das göttliche Licht stieg wieder auf, doch ein [[Funke]] ({{HeS|נִיצוֹץ|[[Nitzotz]]}}) davon belebte weiterhin die Scherben. Beim Abstieg von [[Adam Kadmon]] durch die [[Vier Welten]] vervielfältigten sich die Funken. Jede [[mensch]]liche [[Seele]] trägt einen solchen Funken [[Adam]]s in sich.
Ein anderes Beispiel ist die Unterscheidung von ''innerem'' ({{HeS|אוֹר פנימה|[[Or Pnimi]]}}) und ''umgebenden'' [[Licht]] ({{HeS|אור מקיף|[[Or Makif]]}}). Jede [[Sephira]] ist von innerem Licht erfüllt und von äußerem Licht umgeben. Das umgebende Licht ist reicher und schöpfungsmächtiger als das innere Licht, da es dem [[Ain Soph]], der höchsten Quelle des göttlichen Lichts, näher steht. Die weiter außen liegenden und daher größeren Kreise stehen dem umgebenden Licht näher und das sie erfüllende Licht ist daher ebenfalls von höherer Qualität und Lebendigkeit. Dieses ''innere Licht'' bildet zugleich für die weiter innen liegenden, kleineren Kreise wiederum ein ''umgebendes Licht''. Jede [[Sephira]] - bis auf die innerste ([[Malchuth]]) - ist somit zugleich Spender und Empfänger von schöpferischem Licht<ref>ebd., S 626ff</ref>. Die Bennennung als ''inneres'' bzw. ''umgebendes'' Licht ist also durchaus relativ und hängt vom Blickwinkel ab.
 
Ein weiteres Beispiel ist die Unterscheidung des Inhalts und der Gefäße {{HeS|כלים|Kelim}} der Sephirot. Was Gefäß und was Inhalt ist, hängt nach Luria von der Betrachtungsweise ab. Nimmt man für die Sefirot das Modell der konzentrischen Kreise, so sind zwei Sichtweisen möglich. Betrachtet man das System der Sefirot vom Zentrum aus, so ist der kleinste Kreis der Inhalt für den nächstgrößeren Kreis, der wiederum die Schale des kleinsten Kreises bildet - zugleich aber auch der Inhalt des darauf folgenden dritten Kreises ist usw. Von der Peripherie aus gesehen ist es genau umgekehrt. Hier ist der kleinste Kreis die Schale für den zweitkleinsten Kreis usw. Beide Betrachtungsweisen sind gleichzeitig gültig - es gibt also nach Luria keine eindeutige Unterscheidung zwischen Inhalt und Gefäß!<ref>ebd., S 636f</ref>


== Anmerkungen ==
== Anmerkungen ==

Version vom 30. Juli 2014, 10:46 Uhr

Bechina (hebr. בחינה „Betrachtung, Hinsicht, Aspekt, Prüfung“) ist ein zentraler Begriff der lurianischen Kabbala. Luria will damit deutlich machen, dass ein und dasselbe Wesen je nach Betrachtungsweise unterschiedliche Aspekte zeigen kann.[1]

So kann etwa das System der 10 Sephiroth je nach Betrachtungsweise in Form konzentrischer Kreise (hebr. עִגּוּלים Igulim) oder mit Geraden (hebr. ישר Yosher) dargestellt werden. Gerade und Kreise sind zwei einander ergänzende Aspekte der Sephiroth.

Ein anderes Beispiel ist die Unterscheidung von innerem (hebr. אוֹר פנימה Or Pnimi) und umgebenden Licht (hebr. אור מקיף Or Makif). Jede Sephira ist von innerem Licht erfüllt und von äußerem Licht umgeben. Das umgebende Licht ist reicher und schöpfungsmächtiger als das innere Licht, da es dem Ain Soph, der höchsten Quelle des göttlichen Lichts, näher steht. Die weiter außen liegenden und daher größeren Kreise stehen dem umgebenden Licht näher und das sie erfüllende Licht ist daher ebenfalls von höherer Qualität und Lebendigkeit. Dieses innere Licht bildet zugleich für die weiter innen liegenden, kleineren Kreise wiederum ein umgebendes Licht. Jede Sephira - bis auf die innerste (Malchuth) - ist somit zugleich Spender und Empfänger von schöpferischem Licht[2]. Die Bennennung als inneres bzw. umgebendes Licht ist also durchaus relativ und hängt vom Blickwinkel ab.

Ein weiteres Beispiel ist die Unterscheidung des Inhalts und der Gefäße hebr. כלים Kelim der Sephirot. Was Gefäß und was Inhalt ist, hängt nach Luria von der Betrachtungsweise ab. Nimmt man für die Sefirot das Modell der konzentrischen Kreise, so sind zwei Sichtweisen möglich. Betrachtet man das System der Sefirot vom Zentrum aus, so ist der kleinste Kreis der Inhalt für den nächstgrößeren Kreis, der wiederum die Schale des kleinsten Kreises bildet - zugleich aber auch der Inhalt des darauf folgenden dritten Kreises ist usw. Von der Peripherie aus gesehen ist es genau umgekehrt. Hier ist der kleinste Kreis die Schale für den zweitkleinsten Kreis usw. Beide Betrachtungsweisen sind gleichzeitig gültig - es gibt also nach Luria keine eindeutige Unterscheidung zwischen Inhalt und Gefäß![3]

Anmerkungen

  1. Karl Erich Grözinger: Jüdisches Denken. Theologie - Philosophie - Mystik: Band 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus, Campus Verlag, Frankfurt/Main 2005, S 635
  2. ebd., S 626ff
  3. ebd., S 636f