Wollen und Gestalt: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Wollen''', der '''Wille''' ([[Wikipedia:Mittelhochdeutsch|mhd.]] ''wille''; [[Wikipedia:Althochdeutsch|ahd.]] ''willo''; [[Latein|lat.]] ''voluntas'') zählt zu den drei [[Seelenkräfte]]n des [[Mensch]]en. Der Wille wird am unmittelbarsten durch den [[Geist]], d.h. durch unser [[Ich]] impulsiert, allerdings [[unbewusst]], indem das Ich direkt auf das [[Stoffwechsel-Gliedmaßen-System]] einwirkt, das im [[Dreigliederung des menschlichen Organismus|dreigliedrigen menschlichen Organismus]] das hauptsächlichste [[leib]]liche Werkzeug des Wollens ist. Gerade von unseren [[Stoffwechsel]]vorgängen haben wir aber kein unmittelbares Bewusstsein. Was unser eigentliches Wollen ausmacht, hat daher keinen helleren [[Bewusstsein]]sgrad als unser [[Tiefschlafbewusstsein]]. Schon im [[Traum|Träumen]] verliert das Ich weitgehend die bewusste Herrschaft über das [[Seelenleben]] und die eigentliche [[Willensfreiheit]] des Menschen ist heute entgegen einer weitverbreiteten Meinung erst sehr wenig ausgebildet. Tatsächlich ist der menschliche Wille heute nur insofern indirekt frei, als er sich durch das bewusste [[Denken]] bestimmen lässt. Dadurch schöpfen wir aber nur den aller geringsten Teil unseres Willenspotentials aus.  
Als '''Gestalt''' wird zumeist die ''äußere'' [[Form]], der Umriss oder Wuchs von [[Gegenstand|Gegenständen]] und [[Lebewesen]] bezeichnet, während die [[Struktur]] ihren ''inneren'' Aufbau beschreibt. Wenn es sich um ein Lebewesen handelt, darf die Gestalt allerdings nicht statisch aufgefasst werden, sondern muss lebendig beweglich sich [[Metamorphose|metamorphosierend]] vorgestellt werden, worauf schon [[Goethe]] hingewiesen hatte.


Wille ist, so kann man auch sagen, die real tätig werdende, d.h. als [[Kraft]] wirkende [[Idee]], wie es [[Rudolf Steiner]] bereits in seinen «[[GA 1|Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften]]» ausgesprochen hat. Er ist in diesem Sinn kein ''blinder'', d.h. gesetzlos chaotisch tätiger, sondern [[geist]]erfüllter Wille:
{{Zitat|Die Gestalt ist ein Bewegliches, ein Werdendes, ein Vergehendes. Gestaltenlehre ist Verwandlungslehre. Die Lehre der Metamorphose ist der Schlüssel zu allen Zeichen der Natur.|Goethe|''Fragmente zur vergleichenden Anatomie''<ref>Goethe: ''[[Bibliothek:Goethe/Naturwissenschaft/Fragmente zur vergleichenden Anatomie|Fragmente zur vergleichenden Anatomie]]<ref>}}


<div style="margin-left:20px">
{{Zitat|Der Deutsche hat für den Komplex des Daseins
"Wille ist also die Idee selbst als Kraft aufgefaßt.
eines wirklichen Wesens das Wort Gestalt. Er abstrahiert bei diesem Ausdruck von dem Beweglichen, er
Von einem selbständigen Willen zu sprechen ist völlig
nimmt an, daß ein Zusammengehöriges festgestellt,
unstatthaft. Wenn der Mensch irgend etwas vollbringt, so
abgeschlossen und in seinem Charakter fixiert sei.<br>
kann man nicht sagen, es komme zu der Vorstellung noch
Betrachten wir aber alle Gestalten, besonders die
der Wille hinzu. Spricht man so, so hat man die Begriffe
organischen, so finden wir, daß nirgend ein Bestehendes, nirgend ein Ruhendes, ein Abgeschlossenes vorkommt, sondern daß vielmehr alles in einer steten Bewegung schwanke. Daher unsere Sprache das Wort
nicht klar erfaßt, denn, was ist die menschliche Persönlichkeit,
Bildung sowohl von dem Hervorgebrachten, als von
wenn man von der sie erfüllenden Ideenwelt absieht?
dem Hervorgebrachtwerdenden gehörig genug zu
Doch ein tätiges Dasein. Wer sie anders faßte: als totes,
brauchen pflegt.<br>
untätiges Naturprodukt, setzte sie ja dem Steine auf der
Wollen wir also eine Morphologie einleiten, so
Straße gleich. Dieses tätige Dasein ist aber ein Abstraktum,
dürfen wir nicht von Gestalt sprechen; sondern, wenn
es ist nichts Wirkliches. Man kann es nicht fassen, es ist
wir das Wort brauchen, uns allenfalls dabei nur die
ohne Inhalt. Will man es fassen, will man einen Inhalt,
Idee, den Begriff oder ein in der Erfahrung nur für den
dann erhält man eben die im Tun begriffene Ideenwelt. E.
Augenblick Festgehaltenes denken.<br>
v. Hartmann macht dieses Abstraktum zu einem zweiten
Das Gebildete wird sogleich wieder umgebildet,
weit-konstituierenden Prinzip neben der Idee. Es ist aber
und wir haben uns, wenn wir einigermaßen zum lebendigen Anschaun der Natur gelangen wollen, selbst
nichts anderes als die Idee selbst, nur in einer Form des
so beweglich und bildsam zu erhalten, nach dem Beispiele mit dem sie uns vorgeht.|Goethe|''Zur Morphologie: Die Absicht eingeleitet'' (1817)<ref>Goethe-HA Bd. 13, S 55</ref>}}
Auftretens. Wille ohne Idee wäre nichts. Das gleiche kann
man nicht von der Idee sagen, denn die Tätigkeit ist ein
Element von ihr, während sie die sich selbst tragende Wesenheit
ist." {{Lit|{{G|001|197f}}}}
</div>


Der Wille ist nur die Vorstufe eines [[schöpferisch]]en Vorgangs, der von [[Rudolf Steiner]] auch als das "große Opfer" bezeichnet wird. Bei diesem Vorgang gibt sich ein Wesen einem anderen Wesen so sehr hin, dass die Wirkungen dieser [[Hingabe]] und der damit hingegebenen Kräfte sogar bis ins Physische hineinwirken. Durch einen solchen Schöpfungsvorgang wird, laut Rudolf Steiner, ein Universum geboren. Rudolf Steiner beschreibt als Beispiel, dass man sich vorstellen kann, um diesen Vorgang zu begreifen, man würde sein Spiegelbild, das eine Illusion ist, dadurch beleben, dass man sich diesem so sehr hingibt, dass man stirbt.  
Im erweiterten Sinn kann man auch von einer '''Geistgestalt''' sprechen. So erscheint etwa die [[Gestalt der Toten]] zunächst noch wie ein Schattenbild seiner [[physisch]]en Gestalt, verwandelt sich dann aber immer mehr zu einem [[Physiognomie|physiognomischen]] Ausdruck seiner [[moral]]isch-[[geist]]igen Qualitäten.


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== Anmerkungen ==
"Jenes höchste Prinzip, das im Menschen das Atma ist, das er am Ende seiner irdischen oder sagen wir seiner jetzigen planetarischen Laufbahn ausbilden wird, können wir im Sinne der Geistes- oder Geheimwissenschaft dadurch charakterisieren, daß wir seine Urwesenheit mit etwas vergleichen, das dem heutigen Menschen nur andeutungsweise bekannt ist: nämlich mit dem, was der Mensch als Wille in sich hat. Willensartiger Natur, eine Art Wollen ist der Grundcharakter dieses höchsten göttlichen Prinzipes im Menschen. Was beim Menschen heute am schwächsten ausgebildet ist in seiner inneren Wesenheit, der Wille, das wird in der Zukunft, wenn der Mensch immer höher und höher steigen wird, sein vorzüglichstes Prinzip sein.


Heute ist der Mensch im wesentlichen ein erkennendes Wesen, und sein Wille ist eigentlich noch nach den mannigfaltigsten Seiten hin eingeschränkt. Der Mensch kann die Welt um sich herum, bis zu einem gewissen Grade, in ihrer Universalität begreifen. Denken Sie aber, wie wenig er von dem, was er begreifen kann, auch zu wollen vermag, wie wenig er Macht über das hat, was er erkennen kann. Was er aber heute noch nicht hat, das wird ihm die Zukunft bringen: Sein Wille wird immer mächtiger werden, bis er sein großes Ziel erreicht haben wird, welches man in der Geisteswissenschaft das große Opfer nennt. Dieses besteht in jener Macht des Willens, wo das Wesen, das da will, imstande ist, sich ganz hinzugeben, nicht nur das Wenige hinzugeben, was der Mensch mit seinen schwachen Gefühls- und Willensmächten hinzugeben vermag, sondern das ganze Sein hinzugeben, als eine bis ins Stoffliche hineingehende Wesenheit sich ausfließen zu lassen.
<references />


Sie werden eine Vorstellung bekommen von dem, was damit gemeint ist, von dem großen Opfer, der höchsten Ausprägung des Willens in der Gottnatur, wenn Sie sich folgendes vorstellen: Denken Sie sich, Sie stünden vor einem Spiegel, und Ihr Bild schaut Sie aus diesem Spiegel an. Dieses Bild ist eine Illusion, die Ihnen vollständig gleicht. Denken Sie ferner, Sie wären dadurch gestorben, daß Sie Ihr eigenes Sein, Ihr Fühlen, Denken, Ihr Wesen hinopfern, um dieses Bild zu beleben, dieses Bild zu dem zu machen, was Sie selbst sind. Sich selbst aufzuopfern und sein Leben an das Bild abzugeben, das ist es, was die Geisteswissenschaft zu allen Zeiten die Emanation, das Ausfließen, genannt hat. Wenn Sie das tun könnten, dann würden Sie sehen, daß Sie nicht mehr da sind, weil Sie alles abgegeben haben zur Auferweckung des Lebens und des Bewußtseins im Bilde.
== Siehe auch ==
[[Gestaltpsychologie]]


Wenn der Wille auf solcher Stufe angelangt ist, daß er zu vollbringen imstande ist, was man das große Opfer nennt, dann schafft, schöpft er ein Universum, groß oder klein, und dieses Universum ist ein Spiegelbild, das seine Aufgabe durch das Wesen des Schöpfers selbst bekommt. Dadurch haben wir charakterisiert, was der schöpferische Wille in der göttlichen Wesenheit ist." {{Lit|{{G|096|208f}}}}
[[Kategorie:Grundbegriffe]]
</div>
 
== Literatur ==
 
#Rudolf Steiner: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften'', [[GA 1]] (1987), ISBN 3-7274-0011-0 {{Schriften|001}}
#Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1974), Berlin, 28. Januar 1907
 
{{GA}}
 
[[Kategorie:Seele]] [[Kategorie:Seelenkräfte]]

Version vom 9. Mai 2018, 14:16 Uhr

Als Gestalt wird zumeist die äußere Form, der Umriss oder Wuchs von Gegenständen und Lebewesen bezeichnet, während die Struktur ihren inneren Aufbau beschreibt. Wenn es sich um ein Lebewesen handelt, darf die Gestalt allerdings nicht statisch aufgefasst werden, sondern muss lebendig beweglich sich metamorphosierend vorgestellt werden, worauf schon Goethe hingewiesen hatte.

„Die Gestalt ist ein Bewegliches, ein Werdendes, ein Vergehendes. Gestaltenlehre ist Verwandlungslehre. Die Lehre der Metamorphose ist der Schlüssel zu allen Zeichen der Natur.“

Goethe: Fragmente zur vergleichenden AnatomieReferenzfehler: Für ein <ref>-Tag fehlt ein schließendes </ref>-Tag.

Im erweiterten Sinn kann man auch von einer Geistgestalt sprechen. So erscheint etwa die Gestalt der Toten zunächst noch wie ein Schattenbild seiner physischen Gestalt, verwandelt sich dann aber immer mehr zu einem physiognomischen Ausdruck seiner moralisch-geistigen Qualitäten.

Anmerkungen


Siehe auch

Gestaltpsychologie