Affinität (Chemie): Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Affinität''' (von [[lat.]] ''affinitas'' „Verwandtschaft“) ist in der [[Chemie]] ein Maß für die Triebkraft einer [[Chemische Reaktion|chemischen Reaktion]]. Der Begriff wurde erstmals schon um [[1250]] von [[Albertus Magnus]] verwendet. Usprünglich ging man von einer inneren '''Wahlverwandtschaft''' der beteiligten Stoffe aus, die das anziehende und abstoßende Verhalten von [[Chemische Verbindung|chemischen Verbindungen]] beschreibt, indem die stärkere [[Säure]] die schwächere aus ihren [[Salze]]n verdrängt - was noch [[Goethe]] zu seinem berühmten Roman „[[w:Die Wahlverwandtschaften]]“ inspirierte. Forscher wie [[Robert Boyle]], [[w:John Mayow|John Mayow]], [[w:Johann Rudolf Glauber|Johann Rudolf Glauber]], [[Isaac Newton]] und [[Georg Ernst Stahl]] entwickelten die Idee im [[17. Jahrhundert|17.]] und [[18. Jahrhundert]] weiter. Sie wollten insbesondere erklären, wie die bei [[Verbrennung]]sreaktionen freigesetze [[Wärme]] entsteht.
Die '''Affinität''' (von [[lat.]] ''affinitas'' „Verwandtschaft“) ist in der [[Chemie]] ein Maß für die Triebkraft einer [[Chemische Reaktion|chemischen Reaktion]]. Der Begriff wurde erstmals schon um [[1250]] von [[Albertus Magnus]] verwendet. Usprünglich ging man von einer inneren '''Wahlverwandtschaft''' der beteiligten Stoffe aus, die das anziehende und abstoßende Verhalten von [[Chemische Verbindung|chemischen Verbindungen]] beschreibt, indem die stärkere [[Säure]] die schwächere aus ihren [[Salze]]n verdrängt - was noch [[Goethe]] zu seinem berühmten Roman „[[w:Die Wahlverwandtschaften|Die Wahlverwandtschaften]]“ inspirierte. Forscher wie [[Robert Boyle]], [[w:John Mayow|John Mayow]], [[Johann Rudolf Glauber]], [[Isaac Newton]] und [[Georg Ernst Stahl]] entwickelten die Idee im [[17. Jahrhundert|17.]] und [[18. Jahrhundert]] weiter. Sie wollten insbesondere erklären, wie die bei [[Verbrennung]]sreaktionen freigesetze [[Wärme]] entsteht.


Nach dem zuerst 1851 von dem dänischen Chemiker [[w:Julius Thomsen|Julius Thomsen]] (1826-1909) und 1866 auch von dem französischen Chemiker [[w:Marcelin Berthelot|Marcelin Berthelot]] (1827-1907) aufgestellten und nach ihnen benannten [[Thomsen-Berthelotsches Prinzip|Thomsen-Berthelotschen Prinzip]] dachte man zunächst fälschlich, dass die Reaktionswärme ein geeignetes Maß für die Triebkraft einer chemischen Reaktion sei<ref>Otto Sackur, Cl. v. Simson: ''Lehrbuch der Thermochemie und Thermodynamik'', Verlag von Julius Springer, Berlin 1928, S. 94f. [https://books.google.at/books?id=nxmhBgAAQBAJ&pg=PA94 google]</ref>. Entscheidend ist aber vielmehr die nachstehend beschriebene [[freie Enthalpie]].<ref>{{Holleman-Wiberg| Auflage=71 |Startseite=57 |Endseite=58}}</ref> Das Thomsen-Berthelotsche Prinzip ist nur bei tiefen Temperaturen näherungsweise gültig, weil dann der [[Entropie]]-Term der freien Enthalpie klein genug ist, um vernachlässigt zu werden.
Nach dem zuerst 1851 von dem dänischen Chemiker [[w:Julius Thomsen|Julius Thomsen]] (1826-1909) und 1866 auch von dem französischen Chemiker [[w:Marcelin Berthelot|Marcelin Berthelot]] (1827-1907) aufgestellten und nach ihnen benannten [[Thomsen-Berthelotsches Prinzip|Thomsen-Berthelotschen Prinzip]] dachte man zunächst fälschlich, dass die Reaktionswärme ein geeignetes Maß für die Triebkraft einer chemischen Reaktion sei<ref>Otto Sackur, Cl. v. Simson: ''Lehrbuch der Thermochemie und Thermodynamik'', Verlag von Julius Springer, Berlin 1928, S. 94f. [https://books.google.at/books?id=nxmhBgAAQBAJ&pg=PA94 google]</ref>. Entscheidend ist aber vielmehr die nachstehend beschriebene [[freie Enthalpie]].<ref>{{Holleman-Wiberg| Auflage=71 |Startseite=57 |Endseite=58}}</ref> Das Thomsen-Berthelotsche Prinzip ist nur bei tiefen Temperaturen näherungsweise gültig, weil dann der [[Entropie]]-Term der freien Enthalpie klein genug ist, um vernachlässigt zu werden.
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Nach der aktuell gültigen Definition der [[w:IUPAC|IUPAC]] (1994) ist die Affinität genauer definiert als „die Abnahme der Gibbs-Energie beim Übergang von den Reaktanden zu den Produkten einer chemischen Reaktion“<ref>IUPAC. ''Compendium of Chemical Terminology'', 2nd ed. (the "Gold Book"). Compiled by A. D. McNaught and A. Wilkinson. Blackwell Scientific Publications, Oxford (1997). [https://goldbook.iupac.org/terms/view/D01860 Online version] (2019-) created by S. J. Chalk. ISBN 0-9678550-9-8. [[doi:10.1351/goldbook]]</ref>. Mathematisch ausgedrückt ist die Affinität <math>A</math> die negative [[partielle Ableitung]] der Gibbs-Energie <math>G</math> nach der [[Umsatzvariable]] <math>\xi</math> ([[xi]]) bei konstantem [[Druck (Physik)|Druck]] und konstanter [[Temperatur]]:
Nach der aktuell gültigen Definition der [[w:IUPAC|IUPAC]] (1994) ist die Affinität genauer definiert als „die Abnahme der Gibbs-Energie beim Übergang von den Reaktanden zu den Produkten einer chemischen Reaktion“<ref>IUPAC. ''Compendium of Chemical Terminology'', 2nd ed. (the "Gold Book"). Compiled by A. D. McNaught and A. Wilkinson. Blackwell Scientific Publications, Oxford (1997). [https://goldbook.iupac.org/terms/view/D01860 Online version] (2019-) created by S. J. Chalk. ISBN 0-9678550-9-8. [[doi:10.1351/goldbook]]</ref>. Mathematisch ausgedrückt ist die Affinität <math>A</math> die negative [[partielle Ableitung]] der Gibbs-Energie <math>G</math> nach der [[Umsatzvariable]] <math>\xi</math> ([[xi]]) bei konstantem [[Druck (Physik)|Druck]] und konstanter [[Temperatur]]:


:<math>A = - \Delta G = -\left(\frac{\partial G}{\partial \xi}\right)_{P,T}.</math>
:<math>A = - \Delta G = - \left(\frac{\partial G}{\partial \xi}\right)_{P,T}.</math>
 
Für [[Spontane Reaktion|spontan ablaufenden Reaktionen]] ist die die Affinität positiv, d.h. größer null.
 


Für [[Spontane Reaktion|spontan ablaufenden Reaktionen]] ist die die Affinität positiv, d.h. größer null. Trägt man in einem Diagramm die Änderung der freien Energie gegen die Umsatzvariable auf, so entspricht die Affinität dem Anstieg - besser gesagt dem Abfall - der Kurve.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
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[[Kategorie:Chemie]]
[[Kategorie:Chemie]]

Aktuelle Version vom 20. August 2019, 16:30 Uhr

Die Affinität (von lat. affinitas „Verwandtschaft“) ist in der Chemie ein Maß für die Triebkraft einer chemischen Reaktion. Der Begriff wurde erstmals schon um 1250 von Albertus Magnus verwendet. Usprünglich ging man von einer inneren Wahlverwandtschaft der beteiligten Stoffe aus, die das anziehende und abstoßende Verhalten von chemischen Verbindungen beschreibt, indem die stärkere Säure die schwächere aus ihren Salzen verdrängt - was noch Goethe zu seinem berühmten Roman „Die Wahlverwandtschaften“ inspirierte. Forscher wie Robert Boyle, John Mayow, Johann Rudolf Glauber, Isaac Newton und Georg Ernst Stahl entwickelten die Idee im 17. und 18. Jahrhundert weiter. Sie wollten insbesondere erklären, wie die bei Verbrennungsreaktionen freigesetze Wärme entsteht.

Nach dem zuerst 1851 von dem dänischen Chemiker Julius Thomsen (1826-1909) und 1866 auch von dem französischen Chemiker Marcelin Berthelot (1827-1907) aufgestellten und nach ihnen benannten Thomsen-Berthelotschen Prinzip dachte man zunächst fälschlich, dass die Reaktionswärme ein geeignetes Maß für die Triebkraft einer chemischen Reaktion sei[1]. Entscheidend ist aber vielmehr die nachstehend beschriebene freie Enthalpie.[2] Das Thomsen-Berthelotsche Prinzip ist nur bei tiefen Temperaturen näherungsweise gültig, weil dann der Entropie-Term der freien Enthalpie klein genug ist, um vernachlässigt zu werden.

Die freien Enthalpie (auch Gibbs-Energie genannt) berücksichtigt auch die Änderung der Entropie . Mit der absoluten Temperatur ergibt sich für die freie Reaktionsenthalpie folgender Zusammenhang:

Für exergone Reaktionen ist ; sie laufen bevorzugt in Richtung der Produkte ab. Bei endergonen Reaktionen mit ist hingegen die Rückreaktion begünstigt und bei stehen Hin- und Rückreaktion im Gleichgewicht.

1923 formulierte der belgische Physiker und Chemiker Théophile de Donder (1872-1957) folgende Beziehung zwischen der Affinität und der Gibbs-Energie:

Nach der aktuell gültigen Definition der IUPAC (1994) ist die Affinität genauer definiert als „die Abnahme der Gibbs-Energie beim Übergang von den Reaktanden zu den Produkten einer chemischen Reaktion“[3]. Mathematisch ausgedrückt ist die Affinität die negative partielle Ableitung der Gibbs-Energie nach der Umsatzvariable (xi) bei konstantem Druck und konstanter Temperatur:

Für spontan ablaufenden Reaktionen ist die die Affinität positiv, d.h. größer null. Trägt man in einem Diagramm die Änderung der freien Energie gegen die Umsatzvariable auf, so entspricht die Affinität dem Anstieg - besser gesagt dem Abfall - der Kurve.

Einzelnachweise

  1. Otto Sackur, Cl. v. Simson: Lehrbuch der Thermochemie und Thermodynamik, Verlag von Julius Springer, Berlin 1928, S. 94f. google
  2. A. F. Holleman, E. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 71.–80. Auflage. de Gruyter, Berlin 1971, S. 57–58.
  3. IUPAC. Compendium of Chemical Terminology, 2nd ed. (the "Gold Book"). Compiled by A. D. McNaught and A. Wilkinson. Blackwell Scientific Publications, Oxford (1997). Online version (2019-) created by S. J. Chalk. ISBN 0-9678550-9-8. doi:10.1351/goldbook