Wollen und Bernardus Silvestris: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Wollen''', der '''Wille''' ([[Wikipedia:Mittelhochdeutsch|mhd.]] ''wille''; [[Wikipedia:Althochdeutsch|ahd.]] ''willo''; [[Latein|lat.]] ''voluntas'') zählt zu den drei [[Seelenkräfte]]n des [[Mensch]]en. Der Wille wird am unmittelbarsten durch den [[Geist]], d.h. durch unser [[Ich]] impulsiert, allerdings [[unbewusst]], indem das Ich direkt auf das [[Stoffwechsel-Gliedmaßen-System]] einwirkt, das im [[Dreigliederung des menschlichen Organismus|dreigliedrigen menschlichen Organismus]] das hauptsächlichste [[leib]]liche Werkzeug des Wollens ist. Gerade von unseren [[Stoffwechsel]]vorgängen haben wir aber kein unmittelbares Bewusstsein. Was unser eigentliches Wollen ausmacht, hat daher keinen helleren [[Bewusstsein]]sgrad als unser [[Tiefschlafbewusstsein]]. Schon im [[Traum|Träumen]] verliert das Ich weitgehend die bewusste Herrschaft über das [[Seelenleben]] und die eigentliche [[Willensfreiheit]] des Menschen ist heute entgegen einer weitverbreiteten Meinung erst sehr wenig ausgebildet. Tatsächlich ist der menschliche Wille heute nur insofern indirekt frei, als er sich durch das bewusste [[Denken]] bestimmen lässt. Dadurch schöpfen wir aber nur den aller geringsten Teil unseres Willenspotentials aus.  
'''Bernardus Silvestris''' war einer der bedeutendsten Lehrer der [[Schule von Chartres]] im [[Wikipedia:12. Jahrhundert|12. Jahrhundert]]. Weder sein Geburtsdatum, noch sein Sterbedatum ist bekannt und auch über sein Leben ist nichts überliefert. Bernardus hat zwei bedeutende Werke hinterlassen, zum einen einen ''Kommentar zur Aeneide des Vergil'' und zum andern das bedeutende, auch als die ''Cosmographia'' bezeichnete, enzyklopädische Werk ''De mundi universitate libri duo sive megacosmus et microcosmus'' (''Über die allumfassende Einheit der Welt'').


== Der Wille ist die als Kraft wirkende Idee ==
== Leben ==
Wille ist, so kann man auch sagen, die real tätig werdende, d.h. als [[Kraft]] wirkende [[Idee]], wie es [[Rudolf Steiner]] bereits in seinen «[[GA 1|Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften]]» ausgesprochen hat. Er ist in diesem Sinn kein ''blinder'', d.h. gesetzlos chaotisch tätiger, sondern [[geist]]erfüllter Wille:
Über Bernardus' Leben ist wenig bekannt. André Vernet, der Herausgeber von Bernardus' Hauptwerk ''Cosmographia'', gibt an, dass er von 1085 bis 1178 gelebt habe, andere Forscher nennen 1160 als Todesjahr. Gesichert ist, dass die Cosmographia 1147 Papst [[Wikipedia:Eugen III.|Eugen III.]] vorgelegt wurde. Es gibt Hinweise darauf, dass Bernardus einer spanischen philosophischen Tradition verbunden war. Wahrscheinlich stammte er aus [[Wikipedia:Tours|Tours]], denn dass er mit dieser Stadt und ihrer Umgebung vertraut war, zeigen die genauen Beschreibungen in der ''Cosmographia''. Auch spätere mittelalterliche Autoren haben ihn mit Tours in Verbindung gebracht.


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Mit Sicherheit studierte und lehrte Bernardus in [[Wikipedia:Chartres|Chartres]], wo die bedeutendste Kathedralschule Westeuropas, die [[Schule von Chartres]], bis zum Aufkommen der [[Wikipedia:Universität|Universität]]en im späteren 12. Jahrhundert ihren Sitz hatte. Im 19. und im frühen 20. Jahrhundert wurde angenommen, dass Bernardus Silvestris mit [[Bernhard von Chartres]] identisch sei, doch diese Identifikation ist als falsch erwiesen worden und wird heute nicht mehr vertreten.
"Wille ist also die Idee selbst als Kraft aufgefaßt.
Von einem selbständigen Willen zu sprechen ist völlig
unstatthaft. Wenn der Mensch irgend etwas vollbringt, so
kann man nicht sagen, es komme zu der Vorstellung noch
der Wille hinzu. Spricht man so, so hat man die Begriffe
nicht klar erfaßt, denn, was ist die menschliche Persönlichkeit,
wenn man von der sie erfüllenden Ideenwelt absieht?
Doch ein tätiges Dasein. Wer sie anders faßte: als totes,
untätiges Naturprodukt, setzte sie ja dem Steine auf der
Straße gleich. Dieses tätige Dasein ist aber ein Abstraktum,
es ist nichts Wirkliches. Man kann es nicht fassen, es ist
ohne Inhalt. Will man es fassen, will man einen Inhalt,
dann erhält man eben die im Tun begriffene Ideenwelt. E.
v. Hartmann macht dieses Abstraktum zu einem zweiten
welt-konstituierenden Prinzip neben der Idee. Es ist aber
nichts anderes als die Idee selbst, nur in einer Form des
Auftretens. Wille ohne Idee wäre nichts. Das gleiche kann
man nicht von der Idee sagen, denn die Tätigkeit ist ein
Element von ihr, während sie die sich selbst tragende Wesenheit
ist." {{Lit|{{G|001|197f}}}}
</div>
 
== Der Wille und seine Beziehung zum Leben nach dem Tod ==
 
Seine volle geistig-seelische Realität entfaltet der Wille erst im [[Leben nach dem Tod]].
 
<div style="margin-left:20px">
"Der
Wille ist eigentlich für das gewöhnliche Bewußtsein etwas außerordentlich
Rätselhaftes; er ist eine Crux der Psychologen, einfach aus dem
Grunde, weil dem Psychologen der Wille entgegentritt als etwas sehr
Reales, aber im Grunde genommen doch keinen rechten Inhalt hat.
Denn wenn Sie bei den Psychologen nachsehen, welchen Inhalt sie dem
Willen verleihen, dann werden Sie immer finden: solcher Inhalt rührt
vom Vorstellen her. Für sich selber hat der Wille zunächst einen eigentlichen
Inhalt nicht. Nun ist es wiederum so, daß keine Definitionen da
sind für den Willen; diese Definitionen sind beim Willen um so schwieriger,
weil er keinen rechten Inhalt hat. Was ist er aber eigentlich? Er
ist nichts anderes, als schon der Keim in uns für das, was nach dem
Tode in uns geistig-seelische Realität sein wird. Also wenn Sie sich
vorstellen, was nach dem Tode geistig-seelische Realität von uns wird,
und wenn Sie es sich keimhaft in uns vorstellen, dann bekommen Sie
den Willen. In unserer Zeichnung endet der Lebenslauf auf der Seite
des Todes, und der Wille geht darüber hinaus (siehe Zeichnung S. 34).
 
[[Bild:GA293 034.gif|center|400px|Zeichnung aus GA 293, S 34]]
 
Wir haben uns also vorzustellen: Vorstellung auf der einen Seite,
die wir als Bild aufzufassen haben vom vorgeburtlichen Leben; Willen
auf der anderen Seite, den wir als Keim aufzufassen haben für späteres.
Ich bitte, den Unterschied zwischen Keim und Bild recht ins Auge zu
fassen. Denn ein Keim ist etwas Überreales, ein Bild ist etwas Unterreales;
ein Keim wird später erst zu einem Realen, trägt also der Anlage
nach das spätere Reale in sich, so daß der Wille in der Tat sehr
geistiger Natur ist. Das hat Schopenhauer geahnt; aber er konnte natürlich
nicht bis zu der Erkenntnis vordringen, daß der Wille der Keim
des Geistig-Seelischen ist, wie dieses Geistig-Seelische sich nach dem
Tode in der geistigen Welt entfaltet." {{Lit|{{G|293|33f|31}}}}
</div>
 
== Sympathie und Antipathie ==
Im Erdenleben entfaltet sich nun das Seelenleben im Wechselspiel von [[Sympathie und Antipathie]]:
 
<div style="margin-left:20px">
"Wir tragen die
Kraft der Antipathie in uns und verwandeln durch sie das vorgeburtliche
Element in ein bloßes Vorstellungsbild. Und mit demjenigen, was
als Willensrealität nach dem Tode hinausstrahlt zu unserem Dasein,
verbinden wir uns in Sympathie. Dieser zwei, der Sympathie und der
Antipathie, werden wir uns nicht unmittelbar bewußt, aber sie leben
in uns unbewußt und sie bedeuten unser Fühlen, das fortwährend aus
einem Rhythmus, aus einem Wechselspiel zwischen Sympathie und
Antipathie sich zusammensetzt.
 
[[Bild:GA293 035.gif|center|400px|Zeichnung aus GA 293, S 35]]
 
Wir entwickeln in uns die Gefühlswelt, die ein fortwährendes Wechselspiel
- Systole, Diastole - zwischen Sympathie und Antipathie ist.
Dieses Wechselspiel ist fortwährend in uns. Die Antipathie, die nach
der einen Seite geht, verwandelt fortwährend unser Seelenleben in ein
vorstellendes; die Sympathie, die nach der anderen Seite geht, verwandelt
uns das Seelenleben in das, was wir als unseren Tatwillen kennen,
in das Keimhafthalten dessen, was nach dem Tode geistige Realität
ist. Hier kommen Sie zum realen Verstehen des geistig-seelischen
Lebens: wir schaffen den Keim des seelischen Lebens als einen Rhythmus
von Sympathie und Antipathie." {{Lit|{{G|293|35|33}}}}
</div>
 
Wird die [[Antipathie]], die das Vorstellungsleben bewirkt, noch gesteigert, entstehen das [[Gedächtnis]]:
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn Sie nun jetzt vorstellen,
so begegnet jedes solche Vorstellen der Antipathie, und wird die
Antipathie genügend stark, so entsteht das Erinnerungsbild, das Gedächtnis,
so daß das Gedächtnis nichts anderes ist als ein Ergebnis der
in uns waltenden Antipathie. Hier haben Sie den Zusammenhang zwischen
dem rein Gefühlsmäßigen noch der Antipathie, die unbestimmt
noch zurückstrahlt, und dem bestimmten Zurückstrahlen, dem Zurückstrahlen
der jetzt noch bildhaft ausgeübten Wahrnehmungstätigkeit im
Gedächtnis. Das Gedächtnis ist nur gesteigerte Antipathie." {{Lit|{{G|293|36|34}}}}
</div>
 
Das Wollen hingegen beruht auf den Kräften der [[Sympathie]], aus der durch Steigerung die [[Phantasie]] hervorgeht. Durchdringt diese den ganzen Menschen bis in die [[Sinne]], so geht daraus die [[sinnlich]]e [[Anschauung]] hervor.
 
<div style="margin-left:20px">
"Das Wollen lebt in uns, weil wir mit ihm
Sympathie haben, weil wir mit diesem Keim, der nach dem Tode sich
erst entwickelt, Sympathie haben. Ebenso wie das Vorstellen auf Antipathie
beruht, so beruht das Wollen auf Sympathie. Wird nun die
Sympathie genügend stark - wie es bei der Vorstellung war, die durch
Antipathie zum Gedächtnis wird -, dann entsteht aus Sympathie die
Phantasie. Genau ebenso wie aus der Antipathie das Gedächtnis entsteht,
so entsteht aus Sympathie die Phantasie. Und bekommen Sie die
Phantasie genügend stark, was beim gewöhnlichen Leben nur unbewußt
geschieht, wird sie so stark, daß sie wieder Ihren ganzen Menschen
durchdringt bis in die Sinne, dann bekommen Sie die gewöhnlichen
Imaginationen, durch die Sie die äußeren Dinge vorstellen. Wie
der Begriff aus dem Gedächtnis, so geht aus der Phantasie die Imagination
hervor, welche die sinnlichen Anschauungen liefert. Die gehen
aus dem Willen hervor." {{Lit|{{G|293|37|35}}}}
</div>
 
== Im Wollen schläft der Mensch ==
Das [[Bewusstsein]] [[Schlaf|schläft]] bezüglich der eigentlichen Willenstätigkeit. Vollbewusst sind nur die [[Vorstellung]]en, die das Wollen begleiten und [[traum]]bewusst die [[Gefühl]]e, die dabei mitschwingen. Die realen Hintergründe des Wollens sind nur dem [[Hellsehen|schauenden Bewusstsein]] zugänglich. Dabei zeigt sich, wie im Wollen einseits frühere [[Inkarnation]]en nachwirken und anderseits keimhaft künftige Inkarnationen vorbereitet werden.
 
<div style="margin-left:20px">
"Und wenn wir dann eintreten in jenes Gebiet, das man als den
Willen bezeichnet, so entzieht sich das ja sehr dem, was der Mensch
in seinem gewöhnlichen Bewußtsein hat. Was weiß der Mensch selbst
über das, was in ihm vorgeht, wenn der Gedanke: Ich will etwas
haben - sich zu einer Handbewegung gestaltet? Der eigentliche
Willensvorgang schläft im Menschen. Mit Bezug auf die Gefühle und
Affekte konnte man wenigstens sagen, der Mensch träumt im Menschen.
Deshalb ist die Frage über die Freiheit eine so schwierige, weil
der Wille schlafend ist dem gewöhnlichen Bewußtsein gegenüber.
Über das, was in dem Willen vorgeht, kommt man nur zu einer Erkenntnis,
indem man im schauenden Bewußtsein bis zum wirklichen
intuitiven Bewußtsein gelangt, nicht dem verschwommenen alltäglichen,
intuitiv genannten Bewußtsein, zu dem, was ich in meinen
Schriften die drei Stufen: imaginatives, inspiriertes und intuitives Erkennen
genannt habe. Da kommt man hinein in das Willensgebiet, in
dasjenige, was in uns wirken, leben soll. Das muß erst aus den unterseelischen
Tiefen heraufgeholt werden. Dann aber findet man, daß
allerdings dieses Willenselement daneben noch - der gewöhnliche Gedanke
steht für sich - von Gedanken, von Geistigem durchsetzt ist.
Aber so wie wir den Willen in uns tragen, wirkt in diesen Willen
hinein jetzt nicht nur das, was wir in der geistigen Welt erlebt haben,
was in unsere Gefühle, in unsere Affekte hinein wirkt zwischen dem
Tod und einer neuen Geburt, sondern es wirkt dasjenige, was wir
in vorigen Erdenleben erlebt haben. In die Willensnatur des Menschen
wirken hinein die Impulse früherer Erdenleben. Und in dem, was
wir im gegenwärtigen Wollen entwickeln, heranzüchten, möchte ich
sagen, leben die Impulse für folgende Erdenleben." {{Lit|{{G|178|30f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"''[[Franz Brentano]]'' schaltet
sogar das Wollen ganz aus von den Seelenkräften, unterscheidet nur
Vorstellen, Urteilen und die Gefühlsphänomene des Liebens und des
Hassens, so daß er das Wollen gar nicht in der Seele eigentlich anschaut.
Er schaltet es auch als Psychologe aus. Und daran ist das richtig,
daß, wenn man wiederum den Menschen, wie er in der gegenwärtigen
Inkarnation ist, auf sein Wollen hin prüft, man das Wollen gar nicht
findet. Man findet von dem Wollen im gegenwärtigen Menschen bloß,
daß es einen befriedigt oder unbefriedigt laßt, daß es einem Freude
macht, Trauer macht und dergleichen. Man findet sozusagen wirklich
von dem Wollen nur den Gefühls-, den Gemütseindruck, aber das
Wollen selber, es bleibt im Geheimnisvollen. Sie wissen nicht einmal,
warum Sie eine Hand erheben; Sie wissen, warum, welches Gefühl Sie
dazu verleitet hat, welche Vorstellung, aber wie Sie es machen, was
eigentlich als Wille wirkt: Sie können es nicht im gegenwärtigen Menschen
finden. Warum? Weil es nicht im gegenwärtigen Menschen drinnen
ist. Das wollende Ich ist gar nicht im gegenwärtigen Menschen
drinnen, sondern es ist das Ergebnis der vorigen Inkarnation. Was
in der vorigen Inkarnation war, das lebt sich jetzt aus als Wille, der
aus dem Ich herausfließt. Sage ich «Ich bin», so lebe ich in diesem
Gedanken «Ich bin» in dem Keim der nächsten Inkarnation. Sage ich:
«Ich will», dann lebe ich in dem, was herauswirkt aus der vorhergehenden
Inkarnation in die gegenwärtige hinein." {{Lit|{{G|176|144}}}}
</div>
 
== Wille und Karma ==
 
Im [[Gefühl]] und im Willen lebt werdendes [[Karma]]. Wären wir im Fühlen und Wollen vollbewusst, würden wir sehr leicht der Versuchung erliegen, uns dem karmischen Ausgleich zu entziehen, der uns aus der irdischen Perspektive oft als sehr schmerzvoll erscheint.
 
<div style="margin-left:20px">
"Es kommt wirklich nur die alleräußerste Oberfläche des Willens,
es kommen nur die alleroberflächlichsten Schaumgebilde des Willens
zum Ausdruck. Das andere bleibt uns verborgen. Und warum bleibt
uns im Gefühl und im Willen im Grunde genommen eine ganze Welt
verborgen? Weil das, was uns verborgen bleibt, wenn es angeschaut
würde vom physischen Plane aus, von uns nicht ertragen werden
könnte. Vom physischen Plane aus nähme es sich so aus, daß wir es
abwehren wollten, daß wir uns abwenden wollten davon.
 
Das, was da im Gefühl und im Willen lebt und ungeboren ist, das
ist werdendes Karma. Sagen wir, wir fühlen eine feindliche Empfindung
gegen irgend jemand, um ein konkretes Beispiel zu wählen. Ja,
was da in dieser feindlichen Empfindung zu unserem Bewußtsein
kommt, das ist eben nur das äußerliche Wellenspiel. Da drinnen liegen
Kräfte, die über das ganze Planetensystem ausgebreitet sind. Aber das,
was uns verborgen bleibt, das ist gerade das, was uns sagt: Durch
deine feindliche Empfindung pflanzest du in dich etwas Unvollkommenes,
das mußt du ausgleichen. - In dem Augenblicke, wo herauftauchen
würde, was da unten mitlebt, würde vor uns die Imagination
desjenigen auftauchen, was im Karma die feindliche Empfindung ausgleichen
muß. Und wir würden uns mit Luzifer und Ahriman verbinden,
um abzuwehren diesen Ausgleich, weil wir von dem Standpunkt
des physischen Planes aus urteilen würden. Aber es wird uns
auf diesem physischen Plane das verborgen; der [[Hüter der Schwelle]]
verbirgt es uns aus dem einfachen Grunde, weil wir diese Dinge, die
nicht geboren werden an unserem Gefühl, an unserem Willen, nur
beurteilen können, wenn wir in der geistigen Welt zwischen dem Tod
und einer neuen Geburt leben. Da wollen wir das, was wir sonst nie
wollen würden, da wollen wir, daß das, was einer feindseligen
Stimmung entspricht, wirklich ausgeglichen werde, weil wir da das
rechte Interesse haben an dem Inhalt der Götterreligion, an dem
vollkommenen Menschheitsideal, das aus uns den vollkommenen
Menschen machen will. Von dem wissen wir, daß durch einen entgegengesetzten
Ausgleich das wettgemacht werden muß, was durch
eine feindselige Empfindung verursacht worden ist. Es muß für die
Zukunft nach dem Tode aufbewahrt bleiben, und dann erst darf
herauskommen, was ungeboren ist an unserem Gefühle und unserem
Willen." {{Lit|{{G|153|113f}}}}
</div>
 
== Wille und Schwerkraft ==
[[Physiologie|Physiologisch]] gesehen wird das Bewusstsein für das eigentliche Wollen ausgelöscht, weil es sich mit der abwärts gerichteten [[Schwerkraft]] verbindet, die Vorstellungen hingegen mit den aufwärts gerichteten Auftriebskräften.
 
<div style="margin-left:20px">
"Sehen Sie, unser Gehirn wiegt durchschnittlich 1250 Gramm. Wenn
dieses Gehirn, indem wir es in uns tragen, wirklich 1250 Gramm wiegen
würde, dann würde es so stark drücken auf die unter ihm befindlichen
Blutadern, daß das Gehirn nicht in richtiger Weise mit Blut
versorgt werden könnte. Es würde ein starker Druck ausgeübt werden,
der das Bewußtsein sogleich umnebeln würde. In Wahrheit drückt
das Gehirn gar nicht mit den vollen 1250 Gramm auf die Unterfläche
der Schädelhöhle, sondern nur mit etwa 20 Gramm. Das kommt davon
her, daß das Gehirn in der Gehirnflüssigkeit schwimmt. So wie der
Körper hier im Wasser schwimmt, so schwimmt das Gehirn in der
Gehirnflüssigkeit. Und das Gewicht der Gehirnflüssigkeit, die verdrängt
wird durch das Gehirn, beträgt eben ungefähr 1230 Gramm.
Um diese wird das Gehirn leichter und hat nur noch 20 Gramm. Das
heißt, wenn man nun auch - und das tut man ja mit einem gewissen
Recht - das Gehirn als das Werkzeug unserer Intelligenz und unseres
Seelenlebens, wenigstens eines Teiles unseres Seelenlebens, betrachtet,
so muß man nicht bloß rechnen mit dem wägbaren Gehirn - denn dieses
ist nicht allein da -, sondern dadurch, daß ein Auftrieb da ist, strebt
das Gehirn eigentlich nach aufwärts, strebt seiner eigenen Schwere
entgegen. Das heißt, wir leben mit unserer Intelligenz nicht in abwärtsziehenden,
sondern in aufwärtsziehenden Kräften. Wir leben mit
unserer Intelligenz in einem Auftrieb drinnen.
 
Nun ist das, was ich Ihnen auseinandergesetzt habe, allerdings nur
für unser Gehirn so. Die anderen Teile unseres Organismus, also von
dem Boden der Schädeldecke nach unten, die sind nur zum kleinsten
Teil - nur das Rückenmark - in derselben Lage. Aber im ganzen streben
die anderen Teile des Organismus nach unten. Da leben wir also
in dem Zug nach unten. Wir leben im Gehirn im Auftriebe, nach aufwärts,
und sonst im Zuge nach unten. Unser Wille lebt durchaus im
Zug nach unten. Er muß sich vereinigen mit dem Druck nach unten.
Dadurch aber wird ihm das Bewußtsein genommen. Dadurch schläft
er fortwährend. Gerade das ist das Wesentliche der Willenserscheinung,
daß sie als bewußte ausgelöscht wird, deshalb, weil sich der Wille mit
der nach unten gerichteten Schwerkraft vereinigt. Und unsere Intelligenz
wird lichtvoll dadurch, daß wir uns vereinigen können mit dem
Auftrieb, daß unser Gehirn entgegenarbeitet der Schwerkraft.
 
Sie sehen, durch die verschiedenartige Vereinigung des menschlichen
Lebens mit dem zugrunde liegenden Materiellen wird auf der
einen Seite das Untergehen des Willens in der Materie bewirkt und auf
der anderen Seite wird die Aufhellung des Willens zur Intelligenz bewirkt.
Niemals könnte die Intelligenz entstehen, wenn unser Seelenwesen
gebunden wäre an eine bloß nach abwärts strebende Materie.
 
Nun bedenken Sie, daß wir also eigentlich erleben, richtig erleben,
wenn wir nicht in der heutigen Abstraktion den Menschen betrachten,
sondern so betrachten, wie er wirklich ist, so daß das Geistige mit dem
Physischen zusammenkommt - da muß nur das Geistige so stark gedacht
werden, daß es auch die physische Kenntnis umfassen kann -,
daß bei ihm auf der einen Seite durch eine besondere Vereinigung mit
dem materiellen Leben, nämlich mit dem Auftrieb im materiellen Leben,
die Aufhellung in die Intelligenz ist und auf der anderen Seite die
Einschläferung, wenn wir den Willen gewissermaßen aufsaugen lassen
müssen von dem nach unten gerichteten Druck, so daß der Wille im
Sinne dieses nach unten gerichteten Druckes wirkt. Er wirkt so. Nur
ein kleiner Teil von ihm filtriert sich durch bis zu dem 20-Gramm-
Druck, geht in die Intelligenz hinein. Daher ist die Intelligenz etwas
vom Willen durchdrungen. Aber im wesentlichen haben wir es in der
Intelligenz zu tun mit dem, was entgegengesetzt ist der ponderablen
Materie. Wir wollen immer über den Kopf hinaus, indem wir denken." {{Lit|{{G|320|49f}}}}
</div>
 
== Wille und Stoffwechselsystem ==
 
Nicht das [[Nerven-Sinnes-System]], sondern das [[Stoffwechselsystem]] und der darin tätige Verbrennungsprozess, überhaupt der ganze Wärmeorganismus bildet die physische Grundlage der Willenstätigkeit. [[Rudolf Steiner]] hat daher auch dem Konzept der [[Motorische Nerven|motorischen Nerven]] entschieden widersprochen; alle Nerven sind in Wahrheit sensorisch. Die Willenstätigkeit entsteht durch den unmittelbaren Eingriff des [[Astralleib]]s in das [[Stoffwechsel-Gliedmaßen-System]]; die sogenannten motorischen Nerven nehmen nur die daraus resultierende Bewegung wahr.
 
=== Die falsche Unterscheidung von motorischen und sensorischen Nerven ===
 
<div style="margin-left:20px">
"... diese sogenannten Willensnerven sind auch sensitive
Nerven. Während die anderen sensitiven Nerven von den Sinnen zum
Zentralorgan gehen, damit das wahrgenommen werden kann, was die
Sinne vermitteln, nehmen die sogenannten Willensnerven, die aber auch
nichts anderes sind, alles wahr, was in uns selber als Bewegung ist. Sie
dienen der Wahrnehmung von Bewegungen. Dagegen gibt es keine
Willensnerven. Der Wille ist rein geistiger Natur, rein geistig-seelischer
Natur, und wirkt unmittelbar als Geistig-Seelisches, und wir brauchen
die sogenannten Willensnerven deshalb, weil sie Sinnesnerven sind für
dasjenige Glied, das sich bewegen soll, das wahrgenommen werden muß,
wenn der Wille es bewegen soll." {{Lit|{{G|332a|127}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"... ebenso wie in das rhythmische System die Gefühlswelt
des Menschen eingreift, ebenso greift in das Stoffwechsel-
Bewegungssystem der Wille unmittelbar ganz ein. Und dasjenige,
was wir in den Nerven oder durch die Nerven haben, das sind nur
die Vorstellungen des Gewollten, die Vorstellungen von dem Gewollten [...]
 
Man unterscheidet heute, wie ja genugsam bekannt ist, zwischen
den sogenannten sensitiven Nerven, die vom Zentrum zu den Sinnen
gehen sollen und die sinnlichen Wahrnehmungen vermitteln, und den
sogenannten motorischen Nerven, welche etwas zu tun haben sollen
mit dem Willen.
 
Es gibt in Wahrheit zwar anatomisch-physiologisch metamorphosierte
Nerven, aber es gibt nur einerlei Art von Nerven. Jeder Nerv
ist nur physischer Vorstellungsvermittler. Und diejenigen Nerven, die
wir heute motorische Nerven nennen, die sind in ihrer Funktion nicht
anders als die sogenannten sensitiven Nerven. Während der sensitive
Nerv zu den Sinnen geht, um die Außenwelt wahrzunehmen, geht der
sogenannte motorische Nerv, der auch nichts anderes ist als ein innerlicher
sensitiver Nerv, in das Innere und vermittelt die Wahrnehmungen,
die ich zum Beispiel habe, wenn ich ein Glied bewege, die ich
habe, wenn ich irgendwie eine innerliche unbewußte Bewegung auszuführen
habe. Der Nerv ist nur der Vermittler der Wahrnehmung für
irgend etwas Äußeres oder Inneres. Es gibt nicht zwei Arten von
Nerven, nicht sensitive und motorische Nerven. Meinetwillen, die
Terminologie ist mir dann einerlei, ob man sie dann sensitive oder
motorische nennt, das ist gleichgültig, aber nur einerlei Art und anatomisch-
physiologisch etwas metamorphosiert, nur einerlei Art von
Nerven gibt es." {{Lit|{{G|319|56f}}}}
</div>
 
=== Wille und Wärmeorganismus ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Man
sollte eigentlich zunächst, wenn man von des Menschen Leiblichkeit
spricht, von seinem Wärmeleib sprechen. Man sollte sagen: Wenn
ein Mensch vor dir steht, so steht vor dir auch ein abgeschlossener
Wärmeraum, der in einer gewissen Beziehung höhere Temperatur
hat als die Umgebung. In dieser erhöhten Temperatur lebt zunächst
das, was geistig-seelisch im Menschen ist, und auf dem Umwege
durch die Wärme überträgt sich das, was im Menschen geistigseelisch
ist, auch auf die übrigen Organe. So kommt ja auch der
Wille zustande.
 
Der Wille kommt dadurch zustande, daß zuerst auf die im Menschen
befindliche Wärme gewirkt wird und dann, indem auf die
Wärme gewirkt wird, auf den Luftorganismus, von da auf den
Wasserorganismus und von da erst auf das, was im Menschen mineralisch
fester Organismus ist. So daß man also sich die menschliche
Organisation so vorzustellen hat: Man wirkt innerlich zuerst auf die
Wärme, dann durch die Wärme auf die Luft, von da auf das Wasser,
auf den Flüssigkeits-Organismus, und von da auf den festen Organismus." {{Lit|{{G|201|238f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Jede Willensentfaltung im Menschen ist begleitet von einer besonderen
Form der Stoffwechselvorgänge. Es ist viel unmittelbarer an den
Stoffwechsel der Wille gebunden als etwa das Denken. Natürlich muß
der Mensch einen gesunden Stoffwechsel haben, wenn er gesund denken
soll. Aber unmittelbar ist das Denken an eine ganz andere Tätigkeit im
Nervensystem gebunden, als die Stoffwechseltätigkeit ist, während der
Wille des Menschen unmittelbar an den Stoffwechsel gebunden ist. Und
dieses Gebundensein an den Stoffwechsel, das ist wiederum dasjenige,
was man kennen muß. Wenn wir nun Vorstellungen von unserem
eigenen Willen aufnehmen, wenn wir denken über den Willen, dann
projiziert sich die Stoffwechseltätigkeit ins Nervensystem hinein. Erst
mittelbar, indirekt, wirkt Wille im Nervensystem. Zur Wahrnehmung
unserer eigenen Willenstätigkeit ist dasjenige, was sich im Nervensystem
in bezug auf den Willen entwickelt." {{Lit|{{G|305|53}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"... von
Willen reden die heutigen Psychologen gar nicht mehr. Warum? Sehr
natürlich reden sie nichts! Nun, wenn ich den Arm heben will, also
einen Willensakt vollziehen will, so habe ich zunächst die Vorstellung;
dann taucht etwas in das Gebiet hinunter, das vollständig,
wie man heute sagt, «unbewußt» ist. In dieses Reservoir tut man
alles dasjenige hinein, was man in der Seele nicht beobachten kann
und von dem man glaubt, daß es doch da ist. Dann taucht das Ganze
in das Unbewußte hinunter. Dann schaue ich mir an, wie ich meine
Hand bewege. Aber zwischen der Intention und der geschehenen
Tatsache geht der Wille, der sich abspielt, ganz in das Materielle des
physischen Organismus hinunter. Das kann man genau durch die
Intuition verfolgen; der geht hinunter in das innerste Wesen des
Organismus. Der Willensakt geht bis zum Stoffwechsel. Und es gibt
keinen Willensakt beim physischen Erdenmenschen, der sich nicht
für die intuitive Erkenntnis in einem entsprechenden Stoffwechselvorgange
verfolgen ließe. Aber es gibt auch keinen Willensvorgang,
der nicht in einer, nenne man es Zersetzung oder Auflösung, wie man
will, innerhalb der Stoffwechselvorgänge seinen Ausdruck fände.
Der Wille schafft erst weg dasjenige, was irgendwo im Organismus
ist, damit er sich entfalten kann. Es ist geradeso, wie wenn ich in
meinem Arm, wenn ich ihn zum Ausdruck meines Willens brauche,
da erst etwas verbrennen müßte. Da muß erst etwas weg — es wird
sich schon in den nächsten Tagen zeigen, ich weiß, daß es heute eine
furchtbare naturwissenschaftliche Ketzerei ist, aber es wird sich uns
als eine Wahrheit enthüllen —, es muß erst etwas Stoffliches vernichtet
werden, damit der Wille sich hinsetzen kann. Da, wo Stoff ist, da
muß das Geistig-Seelische sich festsetzen. Das ist das Wesen der
intuitiven Erkenntnis. Sie kommen nicht zu der Erklärung der
Stoffwechselvorgänge im Menschen, wenn Sie sie nicht suchen mit
intuitiver Erkenntnis." {{Lit|{{G|314|93f}}}}
</div>


<div style="margin-left:20px">
== Werke ==
"Da haben wir auch während des Wachzustandes die dreigliedrige
menschliche Seele: die wache Seele, die vorstellt, die träumende Seele,
die fühlt, und die wollende Seele, die schläft, so daß der Mensch im
gewöhnlichen Bewußtsein niemals sagen kann, was eigentlich da unten
in den Zuständen vor sich geht, in denen der Wille webt und lebt.
Wenn man dann aber mit den Methoden der anthroposophischen
Forschung in diejenige Region hinunterleuchtet, wo der Wille pulsiert,
da findet man zunächst das Folgende. Wenn wir die Absicht
haben, irgendeinen Willensentschluß auszuführen, dann ist das zunächst
ein Gedanke, eine Vorstellung. In dem Momente, wo diese
Absicht in den Organismus hineinströmt, entsteht im Organismus
dasjenige, was man einen inneren Verbrennungsprozeß nennen kann.
Jedesmal wird im Organismus ein Verbrennungsprozeß entstehen
längs des ganzen Weges, den der Willensentschluß macht. Durch das
Verbrennen von Stoffwechselprodukten, die Sie in sich haben, wird
alles das bewirkt, was den Arm bewegt, um einen Willensentschluß
auszuführen, so daß eigentlich ein wollender Mensch im physischen
Sinne in einem verbrennungsartigen Verzehren seiner Stoffwechselprodukte
sich befindet. Eigentlich müssen wir immer deshalb die
Stoffwechselprodukte erneuern, weil durch den Willen diese Stoffwechselprodukte
fortwährend verzehrt, verbrannt werden.


Das ist anders beim Vorstellen. Beim Vorstellen findet ein fortwährendes
=== Cosmographia ===
Ablagern von salzartigen Bestandteilen statt. Erdige, salzartige,
aschenartige Bestandteile sondern sich aus dem Organismus
ab, so daß, physisch gesprochen, das Denken, das Vorstellen ein
Salzablagern ist. Das Wollen ist ein Verbrennen. Und dem Anschauen,
dem geistigen Anschauen stellt sich das menschliche Leben als ein
fortwährendes Salzablagern von oben und als ein Verbrennen von
unten herauf dar. Dieses Verbrennen, das macht, daß wir, wenn ich
mich so ausdrücken darf, im Feuer des eigenen Leibes mit dem gewöhnlichen
Bewußtsein nicht wahrnehmen können, was der Wille
eigentlich ist. Dieses Verbrennen bewirkt, daß wir den Willen, alles
Wollen fortwährend verschlafen.


Aber was wird uns denn da unsichtbar für das gewöhnliche Bewußtsein,
Bernardus bekanntestes Werk ist die ''Cosmographia'' (''De mundi universitate libri duo sive megacosmus et microcosmus''), der er auch seinen Beinamen verdankt, da er darin die [[Materie]] als ''silva'' ([[Griechische Sprache|griech.]] ''[[hyle]]'') bezeichnet. Die Cosmographia ist ein [[Epos|episches]] Gedicht über die [[Schöpfung|Erschaffung der Welt]] aus der Sicht eines stark vom [[Platonismus]] geprägten hochmittelalterlichen Denkers. Dieses Gedicht beeinflusste [[Wikipedia:Geoffrey Chaucer|Geoffrey Chaucer]] und andere durch seinen bahnbrechenden Gebrauch der [[Allegorie]] zur Diskussion [[Metaphysik|metaphysischer]] und [[Wissenschaft|wissenschaftlicher]] Fragen. Bernardus greift darin auf Ideen aus dem ''[[Timaios]]''-Kommentar des [[Wikipedia:Calcidius|Calcidius]] zurück.
wenn wir den Willen verschlafen? Wenn man nun in dieses
organische Feuer, das fortwährend durch den Willen entsteht, mit den
Mitteln der Geistesanschauung hineinleuchtet, dann nimmt man wahr,
daß in diesem Feuer die Wirkungen unseres moralischen Verhaltens
in dem vorhergehenden Erdenleben leben. Da drinnen lebt dasjenige,
was man menschliches Schicksal, menschliches Karma nennen kann.
Es ist wirklich so, daß, wenn man richtig anschaut, wenn ein Mensch
zum Beispiel in einem bestimmten Jahre seines Lebens die Bekanntschaft
eines andern Menschen macht, daß sich dann ganz anders diese
Tatsache ausnimmt, wenn man sie geistig richtig anschaut, als wenn
man sie nur äußerlich mit dem sinnlich-intellektualistischen Bewußtsein
anschaut." {{Lit|{{G|226|61f}}}}
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"Wie unser Wollen zustande kommt, ist dem gewöhnlichen
"Am Beginn sehnt sich das formlose
Bewußtsein ganz, ganz unbekannt, eigentlich so unbekannt wie der
Chaos nach harmonischer Ordnung. [[Natura]] erhebt darüber Klage
Schlaf. Der Mensch, wenn er etwas will, hat den Gedanken; der ist klar
bei Noys (= [[Wikipedia:Altgriechische Sprache|griech.]] {{Polytonisch|νοῦς}}), die eine weibliche Emanation der Gottheit
und hell. Er entwickelt dann etwas dunkler über diesen Gedanken das
ist. Im Semitischen ist ''die'' Heilige Geist weiblich. Noys ist der
Gefühl. Und dann geht der gefühlsdurchdrungene Gedanke hinunter
Intellekt des höchsten Gottes und die Vorsehung, in welchem er wie
in die Glieder. Was da vorgeht, das erlebt der Mensch mit dem
in einem Spiegel den Ablauf der Zeiten sieht. Es treten die Kulturheroen
gewöhnlichen Bewußtsein nicht. Vor jener Forschung, von der ich
und wichtigsten Beispielfiguren auf. Die Exponenten der klassischen
gestern und vorgestern gesprochen habe, nimmt sich das Wollen so
Antike sind dem Autor wichtiger als die Jungfrau Maria und der
aus: Während der Gedanke im Haupte etwas will und er dann durch
Papst, welche die beiden letzten Plätze einnehmen. Aus der Weltseele
das Gefühl hinuntergeht in den ganzen Leib, und der Mensch durch
lässt Noys den Himmel und die Gestirne hervorgehen. Über dem
seinen ganzen Leib will, während dieser Zeit entwickelt sich im
Himmel thront wie in der Gnosis der "außerweltliche Gott". Detailliert
Menschen etwas wie ein feiner, subtiler, intimer Verbrennungsprozeß.
wird das Inventar der Erde beschrieben. Natura lobt ihr Werk wie
 
der Schöpfer in der Genesis (1,10.12.). Sie hatte die Materie geformt,
Der Mensch kann, wenn er zum Initiatenbewußtsein kommt, dieses
den Gestirnen die Bahn gewiesen und die Erde mit dem Samen des
durch die Wärme influenzierte Wollen erleben. Aber das bleibt für das
Lebens begabt. Nun plante sie, ihre Schöpfung durch die Erschaffung
gewöhnliche Bewußtsein ganz im Untergrunde. Das ist nur ein Beispiel
des Menschen zu krönen. Noys rät ihr, Urania und Physis aufzusuchen,
dafür, wie dasjenige, was schon heraufgehoben werden kann in
die sie im fünften, unwandelbaren Element findet. Urania begrüsst
das Initiatenbewußtsein, doch für das gewöhnliche Bewußtsein in den
Natura als leibliche Schwester und steigt mit ihr zum heiligsten
Untergründen bleibt. Man wird zum Beispiel einmal folgendes einsehen, wenn die Dinge, die durch das gestern erwähnte Buch nach und
Himmelsort des Tugaton (= [[Wikipedia:Altgriechische Sprache|griech.]] ''to ágaton'') auf. Dann steigen
nach in die Welt kommen werden, wirklich eingesehen werden. Man
sie durch die Planetensphären, denen je ein antiker Gott als Herrscher
wird einsehen, daß, wenn ein Mensch etwas will und man das mit dem
vorsteht wie in der Gnosis. Die Mondregion ist die Mitte der ''aurea catena'' (goldene Kette), Nabel der oberen und der unteren Welt. Im Lustort (''locus amoenus'') Granusion wohnt Physis mit ihren Töchtern
Initiatenbewußtsein anschaut, es so ist, wie wenn man einen äußeren
Theorie und Praxis. Zusammen mit Noys entwerfen sie die Idee des
Vorgang des Verbrennens einer Kerze oder überhaupt ein wärmeentwickelndes
Menschen, der zugleich göttlich und irdisch sein soll. Das Werk
Licht äußerlich anschaut. Geradeso wie man da von der
schließt mit einer poetischen Beschreibung des Menschen, der sich als
äußeren Anschauung ein klares Bild hat, so kann man das Hineinschlagen
Spiegelung des Makrokosmos im Mikrokosmos erweist." {{Lit|Ribi, S 185f}}
des Gedankens in den Willen so sehen, daß man sagt: Der
Gedanke entwickelt das Gefühl, und aus dem Gefühl geht hinunter -
es bewegt sich beim Menschen von oben nach unten-Wärmeentwickelung,
Flamme; und diese Flamme will. - Es enthüllt sich also nach und
nach." {{Lit|{{G|243|220}}}}
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=== Die Leber als Willensorgan ===
=== Mathematicus ===


Die [[Leber]] ist das wesentliche [[Organ]], um [[Idee]]n in die Tat umzusetzen.
Bernardus verfasste auch das Gedicht ''Mathematicus''.  Mit "Mathematicus" ist nicht ein Mathematiker gemeint, sondern ein Astrologe, der die Bahnen der Gestirne und die von ihnen abhängigen Schicksale der Menschen errechnet. Dieses in 17 Handschriften erhaltene, in elegischen [[Wikipedia:Distichon|Distichen]] verfasste Gedicht (854 Verse) behandelt die ethische Problematik eines astrologischen [[Fatalismus]] und [[Determinismus]] anhand eines Stoffs aus der Antike. Den Eltern des Helden hat vor dessen Geburt ein Astrologe vorausgesagt, dass das Kind einst seinen Vater ermorden wird. Darauf beschließen sie gemeinsam, das Kind nach der Geburt zu töten. Die Frau vermag diesen Vorsatz aber nicht auszuführen, sondern täuscht ihren Mann und schickt den neugeborenen Knaben an einen fernen Ort, wo er aufgezogen wird. Er erhält den Namen Patricida (Vatermörder). Später bewährt er sich als Feldherr und erlangt dann die Königswürde. Als die Eltern von seinem Ruhm erfahren, gesteht die Frau ihrem Mann die Rettung seines Sohnes. Gemeinsam suchen sie den König auf und enthüllen ihm die ganze Wahrheit. Darauf beschließt der König, sich selbst zu töten. Er bittet die Volksversammlung und den Senat, ihm die Erlaubnis dazu zu erteilen, und legt die Königswürde nieder. – Auffallend ist die Unbefangenheit, mit der Bernardus die von der mittelalterlichen Theologie tabuisierten Themen Determinismus und Selbsttötung behandelt und die Absicht des Helden, lieber seinem eigenen Leben ein Ende zu setzen als den Vater zu töten, in positivem Licht darstellt.      


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=== Experimentarius und weitere Werke ===
"Denn die Crux ist, daß die Leber
Bernardus schrieb wahrscheinlich auch das Gedicht ''Experimentarius'' sowie eine Anzahl kleinerer Gedichte. Im späteren Verlauf des Mittelalters wurden ihm noch andere Werke zugeschrieben, darunter ein Kommentar zu [[Wikipedia:Vergil|Vergil]]s [[Wikipedia:Aeneis|Aeneis]] und ein Kommentar zu [[Wikipedia:Martianus Mineus Felix Capella|Martianus Capella]], die beide unzweifelhaft vom selben Verfasser stammen. Der Kommentar zur Aeneis ist der längste mittelalterliche Kommentar zu diesem Werk, obwohl er unvollständig ist und etwa nach zwei Dritteln des sechsten Buches abbricht. Die Autorschaft ist weiterhin umstritten.<ref>Siehe Stephen Gersh: ''(Pseudo-?) Bernard Silvestris and the Revival of Neoplatonic Virgilian Exegesis'', in: ''Sophies maietores, "Chercheurs de sagesse". Hommage à Jean Pépin'', hg. Marie-Odile Goulet-Cazé, Paris 1992, S. 573-593. Er tritt S. 576-580 in Auseinandersetzung mit der älteren Forschung wieder vorsichtig für Bernardus' Autorschaft ein.</ref>
nicht bloß das Organ ist beim Menschen, das die heutige Physiologie
beschreibt, sie ist im eminentesten Sinne dasjenige Organ, das dem
Menschen die Courage gibt, eine ausgedachte Tat in eine wirklich ausgeführte
umzusetzen. Also wenn es geschieht, daß ich so organisiert bin
als Mensch, daß da ein Tram wegfährt, ich weiß, ich soll nach Basel
fahren - es gibt solche Menschen - ich bin schon da: im letzten Moment
kann ich nicht aufsteigen, es will mich etwas zurückhalten, ich komme
nicht dazu, aufzusteigen! - Sehen Sie, so etwas enthüllt sich manchmal
auf eine merkwürdige Weise, wenn eine Stockung des Willens auftritt.
Wenn aber so etwas auftritt, dann liegt immer ein feiner Leberdefekt
vor. Die Leber vermittelt immer das Umsetzen der vorgenommenen
Ideen in die durch die Gliedmaßen durchgeführten Handlungen." {{Lit|{{G|317|22}}}}
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== Das Wollen ergreift den Leib von außen ==
== Moderne Rezeption ==
[[Wikipedia:C.S. Lewis|C.S. Lewis]] schreibt über Bernardus Silvestris gegen Ende seines [[Wikipedia:Science Fiction|Science-Fiction-Romans]] ''Out of the Silent Planet'' (''Jenseits des Schweigenden Sterns'', erster Band der ''Perelandra''-Trilogie).


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== Textausgaben und Übersetzungen ==
"Im Schlafe ist ja das Ich aus dem physischen
*Winthrop Wetherbee: ''The Cosmographia of Bernardus Silvestris'', New York 1990 [englische Übersetzung]
Leibe heraus. Im Wollen ist das Ich aus gewissen Orten unseres Organismus
*Bernardus Silvestris, ''Über die allumfassende Einheit der Welt. Makrokosmos und Mikrokosmos'', übersetzt und eingeleitet von Wilhelm Rath, 2. Auflage, J. Ch. Mellinger Verlag, Stuttgart 1989
heraus. Das ist dadurch der Fall, daß an diesem Orte sich in gewissen
*Bernardus Silvestris: ''Mathematicus'', hrsg. von Jan Prelog, übers. von Manfred Heim und Michael Kießlich, EOS Verlag, St. Ottilien 1993. ISBN 3-88096-909-4 [kritische Edition mit deutscher Übersetzung]
Zeitaugenblicken eben nichts mineralisiert, sondern daß da alles
lebt. Aus denjenigen Stellen unseres Organismus, in denen alles lebt,
in denen in dem entsprechenden Augenblicke nichts Mineralisiertes
sich ablöst, abscheidet, da entfalten sich die Willensimpulse. Da wird
aber das Ich ausgestoßen. In das Mineralische wird das Ich hineingezogen.
Mit dem Mineralischen kann es hantieren; mit demjenigen, was
lebendig ist, kann es nicht hantieren. Aus dem wird es herausgetrieben,
wie in der Nacht, wenn wir schlafen, dieses Ich aus dem ganzen physischen
Leibe herausgetrieben wird. Nun ist aber dann das Ich außerhalb
des Leibes. Durch das Mineralisieren wird das Ich in den Leib
hineingetrieben. Durch das Vitalisieren wird das Ich aus Teilen des
Leibes herausgetrieben. Es ist dann gerade so außerhalb dieser Teile,
wie es im Schlafe ganz außerhalb des physischen Leibes ist. Und wir
können daher sagen: bei einer Willensbetätigung sind immer Teile des
Ich außerhalb derjenigen Orte des physischen Leibes, denen sie eigentlich
zugeteilt sind. Und wo sind dann diese Teile des Ich, die außerhalb
der ihnen entsprechenden Teile des physischen Leibes sind? Nun,
sie sind eben außerhalb, im übrigen Räume. Sie sind eingegliedert in
die Kräfte, welche diesen Raum durchweben. Wir sind, indem wir
unseren Willen betätigen, mit einem Teil unseres Ich außerhalb unser.
Wir gliedern uns Kräfte ein, die durch die Welt gelegt sind. Wenn ich
einen Arm bewege, so bewege ich ihn nicht durch etwas, was im Inneren
des Organismus entspringt, sondern durch eine Kraft, die außerhalb
meines Armes ist, und in die das Ich hineinkommt dadurch, daß es
aus gewissen Orten meines Armes herausgetrieben wird. Im Wollen
komme ich außerhalb meines Leibes, und durch Kräfte, die außerhalb
meiner liegen, bewege ich mich. Man hebt das Bein nicht durch Kräfte,
die im Inneren sind, sondern man hebt das Bein durch Kräfte, die tatsächlich
von außerhalb wirken; ebenso den Arm. Während man also
im Denken nach innen getrieben wird durch das Verhältnis des Ich
zu dem mineralisierten Teil des menschlichen Organismus, wird man
im Wollen geradeso wie im Schlafe nach außen getrieben. Und niemand
versteht das Wollen, der nicht den Menschen als kosmisches Wesen
auffaßt, der nicht hinausgeht aus den Grenzen des menschlichen Leibes,
der nicht weiß, daß der Mensch im Wollen sich außerhalb seines Leibes
liegende Kräfte eingliedert." {{Lit|{{G|209|131}}}}
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== Die schöpferische Kraft des Willens ==
Der Wille ist nur die Vorstufe eines [[schöpferisch]]en Vorgangs, der von [[Rudolf Steiner]] auch als das "große Opfer" bezeichnet wird. Bei diesem Vorgang gibt sich ein Wesen einem anderen Wesen so sehr hin, dass die Wirkungen dieser [[Hingabe]] und der damit hingegebenen Kräfte sogar bis ins Physische hineinwirken. Durch einen solchen Schöpfungsvorgang wird, laut Rudolf Steiner, ein Universum geboren. Rudolf Steiner beschreibt als Beispiel, dass man sich vorstellen kann, um diesen Vorgang zu begreifen, man würde sein Spiegelbild, das eine Illusion ist, dadurch beleben, dass man sich diesem so sehr hingibt, dass man stirbt.
 
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"Jenes höchste Prinzip, das im Menschen das Atma ist, das er am Ende seiner irdischen oder sagen wir seiner jetzigen planetarischen Laufbahn ausbilden wird, können wir im Sinne der Geistes- oder Geheimwissenschaft dadurch charakterisieren, daß wir seine Urwesenheit mit etwas vergleichen, das dem heutigen Menschen nur andeutungsweise bekannt ist: nämlich mit dem, was der Mensch als Wille in sich hat. Willensartiger Natur, eine Art Wollen ist der Grundcharakter dieses höchsten göttlichen Prinzipes im Menschen. Was beim Menschen heute am schwächsten ausgebildet ist in seiner inneren Wesenheit, der Wille, das wird in der Zukunft, wenn der Mensch immer höher und höher steigen wird, sein vorzüglichstes Prinzip sein.
 
Heute ist der Mensch im wesentlichen ein erkennendes Wesen, und sein Wille ist eigentlich noch nach den mannigfaltigsten Seiten hin eingeschränkt. Der Mensch kann die Welt um sich herum, bis zu einem gewissen Grade, in ihrer Universalität begreifen. Denken Sie aber, wie wenig er von dem, was er begreifen kann, auch zu wollen vermag, wie wenig er Macht über das hat, was er erkennen kann. Was er aber heute noch nicht hat, das wird ihm die Zukunft bringen: Sein Wille wird immer mächtiger werden, bis er sein großes Ziel erreicht haben wird, welches man in der Geisteswissenschaft das große Opfer nennt. Dieses besteht in jener Macht des Willens, wo das Wesen, das da will, imstande ist, sich ganz hinzugeben, nicht nur das Wenige hinzugeben, was der Mensch mit seinen schwachen Gefühls- und Willensmächten hinzugeben vermag, sondern das ganze Sein hinzugeben, als eine bis ins Stoffliche hineingehende Wesenheit sich ausfließen zu lassen.
 
Sie werden eine Vorstellung bekommen von dem, was damit gemeint ist, von dem großen Opfer, der höchsten Ausprägung des Willens in der Gottnatur, wenn Sie sich folgendes vorstellen: Denken Sie sich, Sie stünden vor einem Spiegel, und Ihr Bild schaut Sie aus diesem Spiegel an. Dieses Bild ist eine Illusion, die Ihnen vollständig gleicht. Denken Sie ferner, Sie wären dadurch gestorben, daß Sie Ihr eigenes Sein, Ihr Fühlen, Denken, Ihr Wesen hinopfern, um dieses Bild zu beleben, dieses Bild zu dem zu machen, was Sie selbst sind. Sich selbst aufzuopfern und sein Leben an das Bild abzugeben, das ist es, was die Geisteswissenschaft zu allen Zeiten die Emanation, das Ausfließen, genannt hat. Wenn Sie das tun könnten, dann würden Sie sehen, daß Sie nicht mehr da sind, weil Sie alles abgegeben haben zur Auferweckung des Lebens und des Bewußtseins im Bilde.
 
Wenn der Wille auf solcher Stufe angelangt ist, daß er zu vollbringen imstande ist, was man das große Opfer nennt, dann schafft, schöpft er ein Universum, groß oder klein, und dieses Universum ist ein Spiegelbild, das seine Aufgabe durch das Wesen des Schöpfers selbst bekommt. Dadurch haben wir charakterisiert, was der schöpferische Wille in der göttlichen Wesenheit ist." {{Lit|{{G|096|208f}}}}
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== Sommerwille und Winterwille ==
 
{{Hauptartikel|Sommerwille und Winterwille}}
 
Die Qualität des Willens ändert sich im [[Jahreslauf]]. [[Rudolf Steiner]] hat daher zwischen dem [[Sommerwille]]n und dem [[Winterwille]]n unterschieden. Der Sommerwille trägt die [[Gedanke]]n hinaus in die Weiten der Welt; der Winterwille hingegen trägt die Gedanken in den menschlichen [[Kopf]] hinein.
 
<div style="margin-left:20px">
"... der Sommerwille führt uns hinaus in die
Weiten der Welt. Der Sommerwille, der warme Wille trägt überallhin
unsere Gedanken. Der Winterwille, der trägt die Gedanken in unseren
Kopf, in unser Haupt herein." {{Lit|{{G|232|54}}}}
</div>
 
== Denken, Fühlen und Wollen und Luzifer und Ahriman ==
 
[[Denken]], [[Fühlen]] und Wollen liegt eine einheitliche Seelentätigkeit zugrunde, nur macht die [[luzifer]]ische Tätigkeit das Wollen jung und die [[ahrimanisch]]e Tätigkeit das Denken alt. Im Fühlen stehen Luzifer und Ahriman im Kampf miteinender.
 
<div style="margin-left:20px">
"Die luziferische Tätigkeit macht das Wollen jung. Unsere Seelentätigkeit,
durchzogen von Luziferischem, ist Wollen. Wenn das Luziferische
in unserer Seelentätigkeit überwiegt, wenn in unserer Seele nur
Luzifer seine Kräfte geltend macht, so ist das Wollen. Luzifer wirkt verjüngend
auf den Gesamtstrom unserer Seelentätigkeit. Wenn Ahriman
dagegen hauptsächlich seine Wirkungen äußert in unserer Seelentätigkeit,
dann verhärtet er unsere Seelentätigkeit, sie wird alt, und das ist
das Denken. Dieses Denken, dieses Gedankenhaben ist gar nicht möglich
im gewöhnlichen Leben, ohne daß in dem ätherischen Leibe Ahriman
seine Kräfte entfaltet. Man kann im Seelenleben, insofern es sich
im Ätherleibe äußert, nicht ohne Ahriman und Luzifer auskommen.
 
[[Bild:GA158_134.gif|center|500px|Zeichnung aus GA 158, S 134]]
 
Würde Luzifer sich ganz zurückziehen von unserem ätherischen Leibe,
dann würden wir kein luziferisches Feuer haben zum Wollen. Würde
Ahriman sich ganz zurückziehen von unserem Seelenleben, dann würden
wir niemals die Kühle des Denkens entwickeln können. In der
Mitte von beiden ist eine Region, wo sie miteinander kämpfen. Hier
durchdringen sie sich, Luzifer und Ahriman, hier spielen ihre Tätigkeiten
ineinander. Das ist die Region des Fühlens. In der Tat, so erscheint
der menschliche Ätherleib, daß man darinnen wahrnehmen
kann das luziferische Licht und die ahrimanische Härte. Wenn man
den menschlichen Ätherleib überblickt, so ist das natürlich nicht so angeordnet,
wie hier (auf der Zeichnung) symbolisch, sondern da ist ein
Durcheinander. Da sind Einschiebsel, in denen der Ätherleib undurchsichtig
erscheint, so, wie wenn er, ich möchte sagen, Eiseinschläge hätte.
Figuren treten im Ätherleibe auf, die man vergleichen kann mit Eisfiguren,
wie sie auf Fensterscheiben erscheinen. Das sind die Verhärtungen
in dem Ätherleibe. An solchen Stellen wird er undurchsichtig.
Das sind aber die Auslebungen des Gedankenlebens im Ätherleibe. Dieses
Gefrieren des Ätherleibes an gewissen Stellen rührt von Ahriman
her, der seine Kräfte da hineinschickt durch das Denken.
 
[[Bild:GA158_135.gif|center|200px|Zeichnung aus GA 158, S 135]]
 
An andern Stellen des Ätherleibes ist es so, als wenn er Vakuolen,
ganz lichte Stellen in sich hätte, die durchsichtig sind, die glänzend,
lichtglitzernd sind. Da sendet Luzifer seine Strahlen, seine Kräfte hinein,
das sind die Willenszentren im Ätherleibe. Und in dem, was dazwischen
liegt, wo gleichsam fortwährende Tätigkeit ist im Ätherleibe,
ist es so, daß man sieht, hier ist eine harte Stelle, aber nun wird sie sogleich
von einer solchen Lichtstelle gefaßt und aufgelöst. Ein fortwährendes
Festwerden und Wiederauflösen. Das ist der Ausdruck der
Gefühlstätigkeit im Ätherleibe." {{Lit|{{G|158|133ff}}}}
</div>


== Literatur ==
== Literatur ==
*Christine Ratkowitsch: ''Die Cosmographia des Bernardus Silvestris. Eine [[Wikipedia:Theodizee|Theodizee]]'', Köln 1995. ISBN 3-412-03595-5
*Alfred Ribi: ''Eros und Abendland'', Peter Lang Verlag, Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien, 2005. ISBN 978-3-03910-243-3
*Frank Teichmann: ''Der Mensch und sein Tempel, Bd. 4: Chartres - Schule und Kathedrale'', Urachhaus Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 978-3878386889


#Rudolf Steiner: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften'', [[GA 1]] (1987), ISBN 3-7274-0011-0 {{Schriften|001}}
== Weblinks ==
#Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1974), Berlin, 28. Januar 1907
{{PND|118994077}}
#Rudolf Steiner: ''Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt'', [[GA 153]] (1997), ISBN 3-7274-1530-4 {{Vorträge|153}}
#Rudolf Steiner: ''Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt'', [[GA 158]] (1993), ISBN 3-7274-1580-0 {{Vorträge|158}}
#Rudolf Steiner: ''Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen'', [[GA 178]] (1992), ISBN 3-7274-1780-3 {{Vorträge|178}}
#Rudolf Steiner: ''Entsprechungen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos'', [[GA 201]] (1987), ISBN 3-7274-2012-X {{Vorträge|201}}
#Rudolf Steiner: ''Nordische und mitteleuropäische Geistimpulse'', [[GA 209]] (1982), ISBN 3-7274-2090-1 {{Vorträge|209}}
#Rudolf Steiner: ''Das Initiaten-Bewußtsein. Die wahren und die falschen Wege der geistigen Forschung.'', [[GA 243]] (2004), ISBN 3-7274-2430-3 {{Vorträge|243}}
#Rudolf Steiner: ''Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik'', [[GA 293]] (1992), ISBN 3-7274-2930-5 {{Vorträge|293}}
#Rudolf Steiner: ''Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft. Zur Therapie und Hygiene'', [[GA 314]] (1989), ISBN 3-7274-3141-5 {{Vorträge|314}}
#Rudolf Steiner: ''Menschenwesen, Menschenschicksal und Welt-Entwickelung'', [[GA 226]] (1988), ISBN 3-7274-2260-2 {{Vorträge|226}}
#Rudolf Steiner: ''Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst. Spirituelle Werte in Erziehung und sozialem Leben.'', [[GA 305]] (1991), ISBN 3-7274-3050-8 {{Vorträge|305}}
#Rudolf Steiner: ''Heilpädagogischer Kurs'', [[GA 317]] (1995), ISBN 3-7274-3171-7 {{Vorträge|317}}
#Rudolf Steiner: ''Anthroposophische Menschenerkenntnis und Medizin'', [[GA 319]] (1994), ISBN 3-7274-3190-3 {{Vorträge|319}}
#Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik, I'', [[GA 320]] (2000), ISBN 3-7274-3200-4 {{Vorträge|320}}
#Rudolf Steiner: ''Soziale Zukunft'', [[GA 332a]] (1977), ISBN 3-7274-3325-6 {{Vorträge|332a}}


{{GA}}
== Einzelnachweise ==
<references/>


[[Kategorie:Seele]] [[Kategorie:Seelenkräfte]]
[[Kategorie:Katholischer Theologe]]  
[[Kategorie:Philosoph (Mittelalter)]]
[[Kategorie:Schule von Chartres]]
[[Kategorie:Geboren im 12. Jahrhundert]]
[[Kategorie:Gestorben im 12. Jahrhundert]]
[[Kategorie:Mann]]
{{Wikipedia}}

Version vom 17. Juni 2022, 04:11 Uhr

Bernardus Silvestris war einer der bedeutendsten Lehrer der Schule von Chartres im 12. Jahrhundert. Weder sein Geburtsdatum, noch sein Sterbedatum ist bekannt und auch über sein Leben ist nichts überliefert. Bernardus hat zwei bedeutende Werke hinterlassen, zum einen einen Kommentar zur Aeneide des Vergil und zum andern das bedeutende, auch als die Cosmographia bezeichnete, enzyklopädische Werk De mundi universitate libri duo sive megacosmus et microcosmus (Über die allumfassende Einheit der Welt).

Leben

Über Bernardus' Leben ist wenig bekannt. André Vernet, der Herausgeber von Bernardus' Hauptwerk Cosmographia, gibt an, dass er von 1085 bis 1178 gelebt habe, andere Forscher nennen 1160 als Todesjahr. Gesichert ist, dass die Cosmographia 1147 Papst Eugen III. vorgelegt wurde. Es gibt Hinweise darauf, dass Bernardus einer spanischen philosophischen Tradition verbunden war. Wahrscheinlich stammte er aus Tours, denn dass er mit dieser Stadt und ihrer Umgebung vertraut war, zeigen die genauen Beschreibungen in der Cosmographia. Auch spätere mittelalterliche Autoren haben ihn mit Tours in Verbindung gebracht.

Mit Sicherheit studierte und lehrte Bernardus in Chartres, wo die bedeutendste Kathedralschule Westeuropas, die Schule von Chartres, bis zum Aufkommen der Universitäten im späteren 12. Jahrhundert ihren Sitz hatte. Im 19. und im frühen 20. Jahrhundert wurde angenommen, dass Bernardus Silvestris mit Bernhard von Chartres identisch sei, doch diese Identifikation ist als falsch erwiesen worden und wird heute nicht mehr vertreten.

Werke

Cosmographia

Bernardus bekanntestes Werk ist die Cosmographia (De mundi universitate libri duo sive megacosmus et microcosmus), der er auch seinen Beinamen verdankt, da er darin die Materie als silva (griech. hyle) bezeichnet. Die Cosmographia ist ein episches Gedicht über die Erschaffung der Welt aus der Sicht eines stark vom Platonismus geprägten hochmittelalterlichen Denkers. Dieses Gedicht beeinflusste Geoffrey Chaucer und andere durch seinen bahnbrechenden Gebrauch der Allegorie zur Diskussion metaphysischer und wissenschaftlicher Fragen. Bernardus greift darin auf Ideen aus dem Timaios-Kommentar des Calcidius zurück.

"Am Beginn sehnt sich das formlose Chaos nach harmonischer Ordnung. Natura erhebt darüber Klage bei Noys (= griech. νοῦς), die eine weibliche Emanation der Gottheit ist. Im Semitischen ist die Heilige Geist weiblich. Noys ist der Intellekt des höchsten Gottes und die Vorsehung, in welchem er wie in einem Spiegel den Ablauf der Zeiten sieht. Es treten die Kulturheroen und wichtigsten Beispielfiguren auf. Die Exponenten der klassischen Antike sind dem Autor wichtiger als die Jungfrau Maria und der Papst, welche die beiden letzten Plätze einnehmen. Aus der Weltseele lässt Noys den Himmel und die Gestirne hervorgehen. Über dem Himmel thront wie in der Gnosis der "außerweltliche Gott". Detailliert wird das Inventar der Erde beschrieben. Natura lobt ihr Werk wie der Schöpfer in der Genesis (1,10.12.). Sie hatte die Materie geformt, den Gestirnen die Bahn gewiesen und die Erde mit dem Samen des Lebens begabt. Nun plante sie, ihre Schöpfung durch die Erschaffung des Menschen zu krönen. Noys rät ihr, Urania und Physis aufzusuchen, die sie im fünften, unwandelbaren Element findet. Urania begrüsst Natura als leibliche Schwester und steigt mit ihr zum heiligsten Himmelsort des Tugaton (= griech. to ágaton) auf. Dann steigen sie durch die Planetensphären, denen je ein antiker Gott als Herrscher vorsteht wie in der Gnosis. Die Mondregion ist die Mitte der aurea catena (goldene Kette), Nabel der oberen und der unteren Welt. Im Lustort (locus amoenus) Granusion wohnt Physis mit ihren Töchtern Theorie und Praxis. Zusammen mit Noys entwerfen sie die Idee des Menschen, der zugleich göttlich und irdisch sein soll. Das Werk schließt mit einer poetischen Beschreibung des Menschen, der sich als Spiegelung des Makrokosmos im Mikrokosmos erweist." (Lit.: Ribi, S 185f)

Mathematicus

Bernardus verfasste auch das Gedicht Mathematicus. Mit "Mathematicus" ist nicht ein Mathematiker gemeint, sondern ein Astrologe, der die Bahnen der Gestirne und die von ihnen abhängigen Schicksale der Menschen errechnet. Dieses in 17 Handschriften erhaltene, in elegischen Distichen verfasste Gedicht (854 Verse) behandelt die ethische Problematik eines astrologischen Fatalismus und Determinismus anhand eines Stoffs aus der Antike. Den Eltern des Helden hat vor dessen Geburt ein Astrologe vorausgesagt, dass das Kind einst seinen Vater ermorden wird. Darauf beschließen sie gemeinsam, das Kind nach der Geburt zu töten. Die Frau vermag diesen Vorsatz aber nicht auszuführen, sondern täuscht ihren Mann und schickt den neugeborenen Knaben an einen fernen Ort, wo er aufgezogen wird. Er erhält den Namen Patricida (Vatermörder). Später bewährt er sich als Feldherr und erlangt dann die Königswürde. Als die Eltern von seinem Ruhm erfahren, gesteht die Frau ihrem Mann die Rettung seines Sohnes. Gemeinsam suchen sie den König auf und enthüllen ihm die ganze Wahrheit. Darauf beschließt der König, sich selbst zu töten. Er bittet die Volksversammlung und den Senat, ihm die Erlaubnis dazu zu erteilen, und legt die Königswürde nieder. – Auffallend ist die Unbefangenheit, mit der Bernardus die von der mittelalterlichen Theologie tabuisierten Themen Determinismus und Selbsttötung behandelt und die Absicht des Helden, lieber seinem eigenen Leben ein Ende zu setzen als den Vater zu töten, in positivem Licht darstellt.

Experimentarius und weitere Werke

Bernardus schrieb wahrscheinlich auch das Gedicht Experimentarius sowie eine Anzahl kleinerer Gedichte. Im späteren Verlauf des Mittelalters wurden ihm noch andere Werke zugeschrieben, darunter ein Kommentar zu Vergils Aeneis und ein Kommentar zu Martianus Capella, die beide unzweifelhaft vom selben Verfasser stammen. Der Kommentar zur Aeneis ist der längste mittelalterliche Kommentar zu diesem Werk, obwohl er unvollständig ist und etwa nach zwei Dritteln des sechsten Buches abbricht. Die Autorschaft ist weiterhin umstritten.[1]

Moderne Rezeption

C.S. Lewis schreibt über Bernardus Silvestris gegen Ende seines Science-Fiction-Romans Out of the Silent Planet (Jenseits des Schweigenden Sterns, erster Band der Perelandra-Trilogie).

Textausgaben und Übersetzungen

  • Winthrop Wetherbee: The Cosmographia of Bernardus Silvestris, New York 1990 [englische Übersetzung]
  • Bernardus Silvestris, Über die allumfassende Einheit der Welt. Makrokosmos und Mikrokosmos, übersetzt und eingeleitet von Wilhelm Rath, 2. Auflage, J. Ch. Mellinger Verlag, Stuttgart 1989
  • Bernardus Silvestris: Mathematicus, hrsg. von Jan Prelog, übers. von Manfred Heim und Michael Kießlich, EOS Verlag, St. Ottilien 1993. ISBN 3-88096-909-4 [kritische Edition mit deutscher Übersetzung]

Literatur

  • Christine Ratkowitsch: Die Cosmographia des Bernardus Silvestris. Eine Theodizee, Köln 1995. ISBN 3-412-03595-5
  • Alfred Ribi: Eros und Abendland, Peter Lang Verlag, Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien, 2005. ISBN 978-3-03910-243-3
  • Frank Teichmann: Der Mensch und sein Tempel, Bd. 4: Chartres - Schule und Kathedrale, Urachhaus Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 978-3878386889

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siehe Stephen Gersh: (Pseudo-?) Bernard Silvestris and the Revival of Neoplatonic Virgilian Exegesis, in: Sophies maietores, "Chercheurs de sagesse". Hommage à Jean Pépin, hg. Marie-Odile Goulet-Cazé, Paris 1992, S. 573-593. Er tritt S. 576-580 in Auseinandersetzung mit der älteren Forschung wieder vorsichtig für Bernardus' Autorschaft ein.
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