Anschauende Urteilskraft und Thomas von Aquin: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Anschauende Urteilskraft''' bildet die wesentliche Grundlage von [[Goethe]]s naturwissenschaftlicher Forschungsmethode, mit der er seine [[Farbenlehre]] und [[Metamorphosenlehre]] entwickelt hat, und die ihre Weiterführung in der modernen [[Goetheanistische Naturwissenschaft|goetheanistischen Naturwissenschaft]] gefunden hat, die von [[Rudolf Steiner]] impulsiert wurde.
'''Thomas von Aquin''' (auch ''Thomas Aquinas'' oder  ''Tommaso d'Aquino'', * um [[Wikipedia:1225|1225]] auf Schloss Roccasecca bei [[Wikipedia:Neapel|Neapel]] in Italien; † [[Wikipedia:7. März|7. März]] [[Wikipedia:1274|1274]] in [[Wikipedia:Fossanova|Fossanova]]) italienischer Philosoph und Theologe


Die herkömmliche naturwissenschaftliche Methode, wie sie heute gepflegt wird, beruht darauf, aus der Fülle der sich den [[Sinne]]n darbietenden oder noch besser durch ein Messgerät erfaßbaren Erscheinungen einige wenige, möglichst quantitativ darstellbare Daten auszusondern und zu sehen, ob sie sich in einen gedanklich abstrakt beschreibbaren Zusammenhang stellen lassen. Von den nicht quantifizierbaren Sinnesqualitäten selbst wird dabei abgesehen, das Denken selbst ist bildlos. Wo immer möglich, wird nach einer exakten mathematischen Formulierung der Naturgesetze gesucht. Die Natur wird derart zuerst zu einem abstrakten Gebilde reduziert, über das man dann abgesondert nachdenkt, ohne wieder den Anschluß an das volle Naturwesen zu suchen. Das ist auch nicht anders möglich, wenn man die Natur quantitativ erfassen will, man würde sonst in einer unendlichen Datenflut ertrinken. Dementsprechend konzentriert man sich bei seinen Untersuchungen auch stets auf einen eng umgrenzten Bereich, von dem man annimmt, daß er näherungsweise vom Rest der Welt unabhängig ist und aus sich heraus allein verstanden werden kann.
[[Image:ThomasvonAquindurchCarloCrivelli.jpg|thumb|Thomas von Aquin (postumes Gemälde von Carlo Crivelli, 1476)]]


Mit einer ganz anderen Gesinnung wendete sich Goethe der Natur zu. Gerade den unmittelbaren Sinneseindrücken widmete er seine volle Aufmerksamkeit; sein Denken entfernte sich niemals weit von der unmittelbaren Anschauung, ebenso wie sein Anschauen niemals gedankenlos war. Goethe nennt das die anschauende Urteilskraft. Er schreibt dazu in seinem Aufsatz ''Bedeutende Förderung durch ein einziges geistreiches Wort'':
== Bedeutung für die Geisteswissenschaften ==
Thomas hat die naturwissenschaftliche Herangehensweise der [[Wikipedia:Antike|Antike]], vor allem von [[Aristoteles]], mit dem Christentum vereint. Er musste die wissenschaftliche Herangehensweise, das systematische Fragen und Beantworten, Kategorisieren und Katalogisieren, in der gläubigen Welt der mittelalterlichen [[Wikipedia:Klöster|Klöster]] und der ersten [[Wikipedia:Universität|Universität]]en einbürgern. Die moderne geisteswissenschaftliche Tradition, die dadurch entstand, gilt es heute für [[Rudolf Steiner]] und die, die ihm folgen, andersherum ''im Banne eines echten Interesses für die tiefsten Tatsachen zu halten''.


:"Herr Dr. Heinroth in seiner Anthropologie ... spricht von meinem Wesen und Wirken günstig, ja er bezeichnet meine Verfahrungsart als eine eigentümliche: daß nämlich mein Denkvermögen gegenständlich tätig sei, womit er aussprechen will, daß mein Denken sich von den Gegenständen nicht sondere, daß die Elemente der Gegenstände, die Anschauungen in dasselbe eingehen und von ihm auf das innigste durchdrungen werden, daß mein Anschauen selbst ein Denken, mein Denken ein Anschauen sei, welchem Verfahren genannter Freund seinen Beifall nicht versagen will." {{Lit|Goethes Werke, S 77}}
== Leben ==


{{Anker|sinnlich-übersinnliche Anschauung}}Im Gegensatz zum abstrakten Denken, das die gegenwärtige Naturwissenschaft kennzeichnet, darf man bei Goethe von einem sinnlich-konkreten Denken sprechen. Man kann es auch als '''sinnlich-übersinnliche Anschauung''' bezeichnen. Nur dadurch läßt sich aber die Natur ihrer Wirklichkeit nach erfahren. Rudolf Steiner erläutert das an Goethes [[Anschauung]] der [[Urpflanze]] so:
Thomas von Aquin, auch „Thomas Aquinas“ oder kurz der „Aquinat“ bzw. nur „Thomas“ genannt, wurde kurz vor oder kurz nach Neujahr 1225 im Schloss Roccasecca, von Aquino 9 km entfernt,  als siebter Sohn des Herzogs Landulf aus dem feudalen Hochadel von [[Wikipedia:Aquino|Aquino]] geboren. Mit fünf Jahren wurde er in das [[Wikipedia:Kloster|Kloster]] [[Wikipedia:Monte Cassino|Monte Cassino]] geschickt, wo der Bruder seines Vaters, Sinibald, als [[Abt]] wirkte. Thomas' Familie folgte damit der Tradition, den jüngsten Sohn der Familie in ein geistliches Amt zu geben. Es lag im Interesse der Familie, dass Thomas seinem Onkel nachfolgte. [[Wikipedia:1244|1244]] trat er jedoch gegen den Willen seiner Verwandten bei den erst jüngst als [[Wikipedia:Bettelorden|Bettelorden]] gegründeten [[Wikipedia:Dominikaner|Dominikaner]]n ein. Der Orden entsandte ihn zunächst nach [[Wikipedia:Rom|Rom]] und später, um ihn dem politischen Einfluss seiner Eltern zu entziehen, nach [[Wikipedia:Paris|Paris]]. Auf dem Weg dorthin wurde er jedoch von seinen im Auftrag der Mutter handelnden Brüdern überfallen und auf die Burg [[Wikipedia:Monte San Giovanni Campano|Monte San Giovanni Campano]] gebracht und dort zwei Jahre lang im Schlossturm gefangen gehalten. Die Familie versuchte ihn mit allen Mitteln umzustimmen, doch das vermochte nicht einmal ein Mädchen, das sie ihm brachten: der Gefangene nahm ein glühendes Holzscheit und fuchtelte damit so lange vor ihr herum, bis sie schreiend die Flucht ergriff. Da Thomas unerschütterlich fest bei seinem Entschluss blieb, Mitglied der Dominikaner zu bleiben, gab die Familie schlussendlich nach. Um ihr Gesicht zu wahren, wurde ein Überfall vorgetäuscht und Thomas konnte in seinen Orden zurückkehren.
[[Bild:MonteCassino.jpg|thumb|Monte Cassino]]
Er ging nach [[Wikipedia:Köln|Köln]], wo er von [[Wikipedia:1248|1248]] bis [[Wikipedia:1252|1252]] Schüler von [[Albertus Magnus]] war. Dieser hat für ihn ungefähr die Bedeutung wie [[Johannes der Täufer]] für [[Jesus von Nazareth]] oder [[Herman Grimm]] für [[Rudolf Steiner]]. Von [[Wikipedia:1256|1256]] bis [[Wikipedia:1259|1259]] studierte er in Paris weiter und lehrte dann dort, in [[Wikipedia:Rom|Rom]], in [[Wikipedia:Viterbo|Viterbo]] und in [[Wikipedia:Orvieto|Orvieto]].
Ab [[Wikipedia:1269|1269]] war er als [[Wikipedia:Studienpräfekt|Studienpräfekt]] seines Ordens in [[Wikipedia:Neapel|Neapel]] tätig, wo er [[Wikipedia:1272|1272]] eine Dominikanerschule aufbaute. Der schier unglaublichen Menge seiner Schriften nach zu urteilen liegt es nahe, dem Zeugnis seines Hauptsekretärs zu glauben: Demnach hat der Aquinat immer drei oder vier Sekretären gleichzeitig diktiert.


{{GZ|Die Keimung, das Wachstum, die Umwandlung der
Thomas starb am 7. März 1274 auf der Reise zum [[Wikipedia:Zweites Konzil von Lyon|Zweiten Konzil von Lyon]] im [[Wikipedia:Kloster Fossanova|Kloster Fossanova]]. [[Dante Alighieri|Dante]] ([[Göttliche Komödie#2. Purgatorio / Der Läuterungsberg|Purg. XX. 69]]) deutet an, dass [[Wikipedia:Karl I. (Neapel)|Karl I. von Anjou]] für seinen Tod verantwortlich gewesen sei. [[Wikipedia:Giovanni Villani|Villani]] (IX 218) teilt ein Gerücht mit („si dice“: „man sagt“), demzufolge Thomas von einem Arzt des Königs mit vergiftetem Konfekt ermordet wurde. Nach dieser Darstellung handelte der Arzt zwar nicht im Auftrag des Königs, aber in der Absicht, ihm einen Gefallen zu erweisen, weil er befürchtete, dass ein Mitglied aus dem Geschlecht der gegen Karl rebellierenden Grafen von Aquino in den Kardinalsrang erhoben werden sollte. In unterschiedlichen Versionen, die meist Karl die Verantwortung zuschreiben, wurde das Gerücht vom Giftmord auch in den frühen lateinischen und volkssprachlichen Dantekommentaren kolportiert, die in der Zeit nach Dantes Tod entstanden. [[Wikipedia:Tolomeo da Lucca|Tolomeo da Lucca]], ein ehemaliger Schüler und Beichtvater des Aquinaten, spricht in seiner ''Historia ecclesiastica'' (L. A. Muratori, ''Rerum Italicarum Scriptores'', Bd. XI, S. 1168-69) nur von einer schweren Erkrankung auf der Reise bei der Ankunft in [[Wikipedia:Kampanien|Kampanien]], bietet jedoch keinen Hinweis auf eine unnatürliche Todesursache. Papst [[Wikipedia:Johannes XXII.|Johannes XXII.]] sprach Thomas 1323 heilig. 1567 wurde er in den Rang eines [[Wikipedia:Kirchenlehrer|Kirchenlehrer]]s erhoben. Seine Gebeine wurden am 28. Januar 1369 nach [[Wikipedia:Toulouse|Toulouse]] überführt, wo sie seit 1974 wieder in der Kirche des Dominikanerklosters ''Les Jacobins'' ruhen. (Von 1792 bis 1974 waren sie in der [[Wikipedia:Basilika Saint-Sernin|Basilika Saint-Sernin]] bestattet.)
Organe, die Ernährung und Fortpflanzung des Organismus sich
als sinnlich-übersinnlichen Vorgang vorzustellen, war Goethes Bestreben bei seinen Studien über die Pflanzen- und
die Tierwelt. Er bemerkte, dass dieser sinnlich-übersinnliche
Vorgang in der Idee bei allen Pflanzen derselbe
ist, und dass er nur in der äußeren Erscheinung verschiedene
Formen annimmt. Dasselbe konnte Goethe für die Tierwelt
feststellen. Hat man die Idee der sinnlich-übersinnlichen
Urpflanze in sich ausgebildet, so wird man sie in allen einzelnen
Pflanzenformen wiederfinden. Die Mannigfaltigkeit entsteht
dadurch, dass das der Idee nach Gleiche in der
Wahrnehmungswelt in verschiedenen Gestalten existieren
kann. Der einzelne Organismus besteht aus Organen, die auf ein
Grundorgan zurückzuführen sind. Das Grundorgan der Pflanze
ist das Blatt mit dem Knoten, an dem es sich entwickelt. Dieses
Organ nimmt in der äußeren Erscheinung verschiedene
Gestalten an: Keimblatt, Laubblatt, Kelchblatt, Kronenblatt usw.|6|127}}


Wahrnehmung und Denken liefern jeweils für sich genommen nur eine Hälfte der Wirklichkeit, vollständig erfaßt wird sie erst, wenn sich Denken und Wahrnehmung durchdringen. Es ist der Grundirrtum der modernen Wissenschaft, daß sie in dem äußerlich Wahrnehmbaren, sei es direkt mittels der Sinne oder indirekt durch die verschiedensten Meßinstrumente, schon eine Wirklichkeit für sich sieht, von der sie sich ein gedankliches Abbild zu schaffen sucht. Die äußere Welt erscheint ihr objektiv und für sich selbst bestehend, die Gedanken, die sich der Mensch darüber bildet, werden als subjektiv betrachtet. Tatsächlich sind aber Subjekt und Objekt bloße Erscheinungen, die beide von der eigentlichen Wirklichkeit umgriffen werden.
==Philosophie==


:"Dem Denken ist jene Seite der Wirklichkeit zugänglich", sagt [[Rudolf Steiner]], "von der ein bloßes Sinnenwesen nie etwas erfahren würde. Nicht die Sinnlichkeit wiederzukäuen ist es da, sondern das zu durchdringen, was dieser verborgen ist. Die Wahrnehmung der Sinne liefert nur eine Seite der Wirklichkeit. Die andere Seite ist die denkende Erfassung der Welt." {{Lit|{{G|2|62}}}} 
=== Grundsätzliches ===


Das menschliche Erkenntnisvermögen ist eben so gestaltet, daß sich ihm die Wirklichkeit zunächst getrennt von zwei verschieden Seiten her erschließt, mithin solange bloße Erscheinung bleibt, bis er sie durch seine aktive geistige Tätigkeit vereinigt und so zur Wirklichkeit selbst durchbricht, die wie wir bereits gesehen haben, mehr umfaßt als die bloße dingliche Realität. Wie tief der Mensch in die Wirklichkeit der natürlichen Welt einzudringen vermag, wird davon abhängen, wie aufmerksam er ihre sinnliche Seite wahrzunehmen vermag, und wie viel er dem so sinnlich Wahrgenommenen durch sein mehr oder weniger reich entwickeltes Innenleben gedanklich entgegenzutragen vermag. Immer weitere Aspekte der Wirklichkeit können sich so dem Menschen eröffnen, je mehr er seine Beobachtungsgabe schult und je mehr er sein Innenleben bereichert. Ganz richtig sagt daher Goethe:
Die Argumentationen des Aquinaten stützen sich zu einem großen Teil auf die Lehre von [[Aristoteles]], die er – nicht zuletzt mit Hinsicht auf die der [[Wikipedia:Antike|Antike]] unbekannten theologischen Lehren bzw. Einsichten – ausgebaut hat. In der Philosophie werden seine Kommentare zu Aristoteles noch heute als bedeutsam angesehen:
:''„Seine Kommentare sind durchweg klarsichtig, intelligent und von großer Einfühlungsgabe. Allein schon der [[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]]-Kommentar, der eine halbe Million Wörter umfasst, verdient es, als philosophischer Klassiker betrachtet zu werden.“'' ([[Wikipedia:Anthony Kenny|Anthony Kenny]], ''Thomas von Aquin'')


<table align="center"><tr><td>
=== Metaphysik und Ontologie ===
"Kenne ich mein Verhältnis zu mir selbst und zur<br>
Außenwelt, so heiß ich’s Wahrheit.  Und so kann<br>
Jeder seine  eigene  Wahrheit haben, und  es ist<br>
Doch immer dieselbige." ''(Goethe, Maximen und Reflexionen)''
</td></tr></table>


Durch passives Wahrnehmen allein kann die Natur nicht ihrer Wirklichkeit nach erfahren werden, sie will aktiv durch innere Tätigkeit ergriffen sein. Und dazu muß der Mensch innerlich seelisch die selben Schaffenskräfte rege machen, die in der Natur physisch gestaltend wirken.
[[Bild:Aristoteles.jpg|thumb|150px|right|Aristoteles ist der wichtigste philosophiehistorische Bezugspunkt des Thomismus]]
Ein Kernelement der thomistischen [[Wikipedia:Ontologie|Ontologie]] ist die Lehre von der [[Wikipedia:Analogia entis|Analogia entis]]. Sie besagt, dass der Begriff des Seins nicht eindeutig, sondern analog ist, also das Wort „[[Wikipedia:Sein (Philosophie)|Sein]]“ einen unterschiedlichen Sinn besitzt, je nachdem, auf welche Gegenstände es bezogen wird. Danach hat alles, was ist, das Sein und ist durch das Sein, aber es hat das Sein in verschiedener Weise. In höchster und eigentlicher Weise kommt es nur Gott zu: Nur er ''ist'' Sein. Alles andere Sein hat nur Teil am Sein und zwar entsprechend seinem Wesen. In allen geschaffenen Dingen muss also ''[[Wesen]]'' (''essentia'') und ''[[Existenz]]'' (''esse'') unterschieden werden; einzig bei Gott fallen diese zusammen.


:"Die Aufgabe der Erkenntnis ist nicht: etwas schon anderwärts Vorhandenes in begrifflicher Form zu wiederholen, sondern die: ein ganz neues Gebiet zu schaffen, das mit der sinnenfällig gegebenen Welt zusammen erst die volle Wirklichkeit ergibt. Damit ist die höchste Tätigkeit des Menschen, sein geistiges Schaffen, organisch dem allgemeinen Weltgeschehen eingegliedert." {{Lit|{{G|3|11|6}}}}
Auch die Unterscheidung von ''[[Substanz]]'' und ''[[Wikipedia:Akzidenz (Philosophie)|Akzidenz]]'' ist für das System des Thomas bedeutend. Hierzu heißt es: „''Accidentis esse est inesse''“, also „Für ein Akzidenz bedeutet zu ''sein'', an ''etwas'' zu sein“. In die gleiche Richtung geht sein „''Accidens non est ens sed entis''“, also „Ein Akzidenz ist kein ''Seiendes'', sondern ein zu etwas Seiendem ''Gehörendes''“.


Der menschliche Verstand sei ein bloß diskursiver, hatte Immanuel Kant postuliert.  
Eine weitere wichtige Unterscheidung ist die von ''[[Materie]]'' und ''[[Form]]''. Einzeldinge entstehen dadurch, dass die Materie durch die Form bestimmt wird (siehe [[Wikipedia:Hylemorphismus|Hylemorphismus]]). Die Grundformen ''Raum'' und ''Zeit'' haften untrennbar an der Materie. Die höchste Form ist [[Gott]] als Verursacher (''[[Wikipedia:causa|causa]] efficiens'') und als Endzweck (''[[Wikipedia:causa finalis|causa finalis]]'') der Welt. Die ungeformte Urmaterie, d.h. der erste Stoff, ist die ''[[materia prima]]''.  


:"diskursiv (vom lat. ''discurrere'' = auseinanderlaufen) oder sukzessiv nennt man ein Denken, das von einer bestimmten Vorstellung zu einer bestimmten anderen logisch fortschreitet und das ganze Gedankengebilde aus seinen Teilen aufbaut. Im weiteren Sinne wird das Denken diskursiv genannt, insofern es begrifflich ist, im Gegensatz zur intuitiven Erkenntnis durch Anschauung." {{Lit|Schischkoff, S 133}} 
Um die mit dem Werden der Dinge zusammenhängenden Probleme zu lösen, greift Thomas auf die von Aristoteles geprägten Begriffe [[Wikipedia:Akt (Philosophie)|Akt]] und [[Wikipedia:Potenz (Philosophie)|Potenz]] zurück, siehe dazu auch den Artikel [[Wikipedia:Akt-Potenz|Akt-Potenz]]. Weil es in Gott keine (substanzielle) Veränderung gibt, ist er [[Wikipedia:actus purus|actus purus]], also reine Wirklichkeit.


Auf diese Art lassen sich zwar tote Mechanismen durch die kausale Wechselwirkung ihrer einzelnen Teile erklären, so lassen sich auch allgemeingültige Naturgesetze aufstellen, aber niemals kann aus diesen allgemeinen Gesetzen die einzelne besondere Naturerscheinung abgeleitet werden, sie muß demnach unserem Verstand als zufällig, als bloß entwicklungshistorisch bedingt erscheinen. Aus Newtons Gravitationsgesetz etwa läßt sich die allgemeine Bewegungsform eines die Sonne umkreisenden Körpers ableiten, wie viele Planeten aber die Sonne in welcher Entfernung begleiten, kann daraus nicht bestimmt werden. Die Natur muß sich zwar notwendig den allgemeinen Naturgesetzen fügen, aber nicht ihren besonderen Erscheinungsformen nach begreifen. Diese Denkweise bestimmt noch immer, ja sogar immer mehr die modernen Biowissenschaften. Der Biologe und Nobelpreisträger Jacques Monod hat in seiner mittlerweile klassisch gewordenen Schrift ''Zufall und Notwendigkeit'' {{Lit|Monod}}  davon beredtes Zeugnis abgelegt.
=== Erkenntnistheorie ===


Immerhin hielt Kant auch eine andere Art des Verstandes für denkmöglich, wenn auch dem Menschen grundsätzlich unerreichbar:
Zu den besonders bedeutenden Aussagen der thomistischen [[Erkenntnistheorie]] gehört ihre Definition der [[Wahrheit]]: [[Wikipedia:Gegenstand|Gegenstand]] und [[Verstand]] stimmen überein. (''Adaequatio rei et intellectus'')


:"Nun können wir uns aber auch einen Verstand denken, der, weil er nicht wie der unsrige diskursiv, sondern intuitiv ist, vom Synthetisch-Allgemeinen (der Anschauung eines Ganzen als eines solchen) zum Besondern geht, d.i. vom Ganzen zu den Teilen; der also und dessen Vorstellung des Ganzen die Zufälligkeit der Verbindung der Teile nicht in sich enthält, um eine bestimmte Form des Ganzen möglich zu machen, die unser Verstand bedarf, welcher von den Teilen als allgemeingedachten Gründen zu verschiedenen darunter zu subsummierenden möglichen Formen als Folgen fortgehen muß. Nach der Beschaffenheit unseres Verstandes ist hingegen ein reales Ganze der Natur nur als Wirkung der konkurrierenden bewegenden Kräfte der Teile anzusehen." {{Lit|Kant: [[Wikipedia:Kritik der Urteilskraft|KdU]] §77, [http://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/kant/aa05/405.html AA V, 405ff]}}
Thomas unterscheidet zwischen dem „tätigen Verstand“ (''intellectus agens'') und dem „rezeptiven oder möglichen Verstand“ (''intellectus possibilis''). Der tätige Verstand zeichnet sich vor allem durch die Fähigkeit aus, aus Sinneserfahrungen (sowie bereits geistig Erkanntem) universale Ideen bzw. allgemeingültige (Wesens-)Erkenntnisse zu abstrahieren. Dagegen ist es der rezeptive Verstand, der diese Erkenntnisse aufnimmt und 'speichert'.


Ein derartiges intuitives Erkenntnisvermögen nennt Kant auch „intellectus archetypus“, d.h. einen urbildlichen Verstand. Goethe war sich bewußt, daß er gerade über ein solches sinnlich-übersinnliches urbildliches Anschauungsvermögen verfügte, das Kant dem Menschen grundsätzlich absprechen zu müssen glaubte. In seinem Aufsatz ''Anschauende Urteilskraft'' antwortet er auf die zitierte Stelle Kants:
Hintergrund ist die auf [[Platon]] zurückgehende Lehre, dass die konkreten Dinge ihr Sein und vor allem ihr Wesen den Ideen (''[[Idee|idea]]e'') verdanken, durch die sie bestimmt werden (vgl. [[Ideenlehre]]).


:"Zwar scheint der Verfasser hier auf einen göttlichen Verstand zu deuten, allein wenn wir ja im Sittlichen durch Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit uns in eine obere Region erheben und an das erste Wesen annähern sollen, so dürft‘ es wohl im Intellektuellen derselbe Fall sein, daß wir uns durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur zur geistigen Teilnahme an ihrer Produktion würdig machten. Hatte ich doch erst unbewußt und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, war es mir sogar geglückt, eine naturgemäße Darstellung aufzubauen, so konnte mich nunmehr nichts weiter verhindern, das Abenteuer der Vernunft, wie es der Alte vom Königsberge selbst nennt, mutig zu bestehen." {{Lit|Goethes Werke, S 91}}
Der tätige Verstand kann durch Abstraktion (wörtl. das Abziehen) der Formen (''formae'') aus den einzelbestimmten Dingen, deren Wesenheit bzw. Washeit ("quidditas") sowie in weiteren Schritten die Akzidenzien erkennen. Als letzte bzw. erste Ursache des Seins und Soseins der Dinge erkennt der menschliche Geist Gott (siehe unten), in dessen Geist die ewigen Ideen die Vorbilder für die Formen (''formae'') der Dinge sind.


So spricht sich die Wirklichkeit in zweifacher Weise aus: einmal draußen als Erscheinung in der sinnlichen oder meßbaren Welt, ein anderes Mal im Inneren durch die Sprache des Denkens – und es ist dieselbe Wahrheit, die im Inneren und im Äußeren spricht. Der Physiker [[Wikipedia:Wolfgang Pauli|Wolfgang Pauli]], der mit seinem Ausschließungsprinzip den Aufbau der materiellen Welt beschrieben hat, drückte das in einem Brief einmal so aus:
=== Anthropologie ===


:"Wenn man die vorbewusste Stufe der Begriffe analysiert, findet man immer Vorstellungen, die aus «symbolischen» Bildern mit im allgemeinen starkem emotionalen Gehalt bestehen. Die Vorstufe des Denkens ist ein malendes Schauen dieser inneren Bilder, deren Ursprung nicht allgemein und nicht in erster Linie auf Sinneswahrnehmungen ... zurückgeführt werden kann ....
Thomas' [[Wikipedia:Philosophische Anthropologie|Anthropologie]] weist dem Menschen als leib-geistiges Vernunftwesen einen Platz zwischen den [[Engel]]n und den [[Tier]]en zu. Gestützt auf Aristoteles' ''[[Wikipedia:De Anima|De Anima]]'' zeigt Thomas die geistige [[Seele]], d. h. den [[Geist]] des Menschen als dessen – einzige – Form auf: ''Anima forma corporis''. Weil der Geist ("intellectus") eine einfache, also nicht zusammengesetzte Substanz ist, kann er auch nicht zerstört werden und ist somit [[Unsterblichkeit|unsterblich.]] Der Geist kann auch nach der Trennung vom [[Leib]] seinen Haupttätigkeiten, dem [[Denken]] und [[Wollen]], nachkommen. Die nach der [[Auferstehung]] zu erwartende Wiedervereinigung mit einem neuen Leib kann zwar nicht philosophisch, wohl aber theologisch erwiesen werden.


:Die archaische Einstellung ist aber auch die notwendige Voraussetzung und die Quelle der wissenschaftlichen Einstellung. Zu einer vollständigen Erkenntnis gehört auch diejenige der Bilder, aus denen die rationalen Begriffe gewachsen sind. ... Das Ordnende und Regulierende muss jenseits der Unterscheidung von «physisch» und «psychisch» gestellt werden - so wie Platos's «Ideen» etwas von Begriffen und auch etwas von «Naturkräften» haben (sie erzeugen von sich aus Wirkungen). Ich bin sehr dafür, dieses «0rdnende und Regulierende» «Archetypen» zu nennen; es wäre aber dann unzulässig, diese als psychische Inhalte zu definieren. Vielmehr sind die erwähnten inneren Bilder («Dominanten des kollektiven Unbewussten» nach Jung) die psychische Manifestation der Archetypen, die aber auch alles Naturgesetzliche im Verhalten der Körperwelt hervorbringen, erzeugen, bedingen müssten. Die Naturgesetze der Körperwelt wären dann die physikalische Manifestation der Archetypen. ... Es sollte dann jedes Naturgesetz eine Entsprechung innen haben und umgekehrt, wenn man auch heute das nicht immer unmittelbar sehen kann." {{Lit|Atmanspacher, S 219}}
=== Ethik ===


Oder mit den Worten von Angelus Silesius:
In der [[Ethik]] verbindet Thomas die aristotelische [[Wikipedia:Tugendlehre|Tugendlehre]] mit den christlich-[[Augustinus|augustinischen]] Erkenntnissen. Die Tugenden bestehen demnach im rechten Maß bzw. dem Ausgleich vernunftwidriger Gegensätze. Das ethische Verhalten zeichnet sich durch das Einhalten der Vernunftordnung aus (siehe [[Wikipedia:Naturrecht|Naturrecht]] bzw. [[Wikipedia:Natürliches Sittengesetz|Natürliches Sittengesetz]]) und entspricht damit auch dem göttlichen Gesetzeswillen. Thomas ergänzte die vier klassischen [[Kardinaltugend]]en durch die drei [[Wikipedia:theologische Tugend|christlichen Tugenden]] [[Glaube]], [[Liebe]] und [[Hoffnung]].


:"Der Mensch ist alle Ding‘: ist’s daß ihm eins gebricht, so kennet er fürwahr sein Reichtum selber nicht." {{Lit|Silesius}}
Das höchste Gut ist die ewige [[Wikipedia:Glückseligkeit|Glückseligkeit]], die – im [[Jenseits|jenseitigen]] Leben – durch die unmittelbare [[Anschauung]] Gottes erreicht werden kann. Es zeigt sich daran der Primat der Erkenntnis vor dem Wollen.


Worte, die Rudolf Steiner so kommentiert:
=== Politische Philosophie bzw. Staatsdenken ===


:"Als sinnliches Wesen ist der Mensch ein Ding unter anderen Dingen, und seine sinnlichen Organe bringen ihm als sinnlicher Individualität sinnliche Kunde von den Dingen in Raum und Zeit außer ihm; spricht aber der Geist in dem Menschen, dann gibt es kein Außen und kein Innen; nichts ist hier und nichts ist dort, was geistig ist; nichts ist früher, und nichts ist später: Raum und Zeit sind in der Anschauung des Allgeistes verschwunden." {{Lit|{{G|7|137}}}}
Thomas von Aquin war einer der einflussreichsten Theoretiker für das mittelalterliche [[Wikipedia:Staatsphilosophie|Staatsdenken.]] Dabei sah er den Menschen als ein soziales Wesen, das in einer Gemeinschaft leben muss. In dieser Gemeinschaft tauscht er sich mit seinen Artgenossen aus, und es kommt zu einer [[Wikipedia:Arbeitsteilung]].


Es ist dieselbe Sprache, die sich in der Natur draußen und im Inneren des Menschen offenbart: die Sprache des Geistes, die in Mensch und Natur gleichermaßen waltet. Durch den menschlichen [[Verstand]] wirkt dieser Geist nur mittelbar, denn der Verstand ist ganz an den sinnlichen Begriffen orientiert. Alle [[Metaphysik|metaphysische]] [[Spekulation]] über die rein geistige Grundlage der Welt mit diesem Verstand muß notwendig fruchtlos bleiben. Der Geist läßt sich erst im reinen, sinnlichkeitsfreien Denken, in der intellektuellen Anschauung, ''"im malenden Schauen der inneren Bilder"'' tätig ergreifen.
Für den Staat empfiehlt er die [[Wikipedia:Monarchie|Monarchie]] als beste Regierungsform, denn ein Alleinherrscher, der mit sich selbst eins ist, kann mehr Einheit bewirken als eine [[Wikipedia:Aristokratie|aristokratische]] Elite. Hier müssen sich mehrere einigen, was immer nur zu einem Kompromiss, also einer Angleichung, einer Anpassung, einer Aufgabe seiner eigenen Meinung und Überzeugung führt. Außerdem ist immer dasjenige am besten, was der Natur entspricht, und in der Natur haben alle Dinge nur ''ein'' Höchstes.


{{LZ|Die besondere Stellung der ''episteme'' oder der "anschauenden Urteilskraft" in Goethes Methodik bringt zugleich ein neues Element in das abendländische Denken ein. Wenn die logischen Traktate des Aristoteles als die Texte, mit denen das abendländische Bewusstsein gestillt wurde, so bemühen sich Goethes wissenschaftlich
Thomas stellt der Monarchie als der besten die Tyrannis als die schlechteste aller denkbaren Regierungsformen gegenüber. Dabei merkt er an, dass aus der Aristokratie leichter eine Tyrannis entstehen kann als aus einer Monarchie.
Schriften eine neue oder zumindest stark vernachlässigte Dimension in die menschliche Forschung zu bringen. Die zeitgenössische Wissenschaft vertritt zwei der
der drei von den Neuplatonikern beschriebenen Arten des Wissens: ''dianoia'' oder Rationalismus, wie er in der strengen mathematischen Formulierung der Physik zum Ausdruck kommt, und den Empirismus, bei dem Beweise zur Untermauerung einer wissenschaftlichen Meinung oder Hypothese gesammelt werden. Der dritte Modus, ''episteme'', war schon immer der Mystik und Offenbarung, d. h. der negativen Gnosis, vorbehalten. Doch Goethe strebt in seiner Wissenschaft danach, die erhabenste der Erkenntnisfähigkeiten Platons in die Sinneswelt zu bringen. Vorläufer dieser Ansicht finden wir vielleicht bei Paracelsus und einigen Alchemisten. Aber Goethe hat es unterlassen, etwas vorwegzunehmen oder oberflächliche Korrespondenzen herzustellen, wie sie bei seinen Zeitgenossen üblich waren, und versuchte vielmehr, sich durch die die Phänomene selbst zu bewegen, auf der Suche nach dem reinsten Ausdruck eines Archetyps, der dann ein weites Feld disparater Phänomene erhellen kann.
Die Mittel, die der Forscher einsetzt, sind weder rein rational noch rein empirisch, sondern das, was Goethe als "rationale Empirie" bezeichnete.
Darunter darf man sich nicht nur eine Mischung oder eine sequentielle Behandlung der Phänomene vorstellen, zunächst empirisch und dann rational, wie man es in der
in der orthodoxen Wissenschaft macht. Vielmehr handelt es sich um eine Art des Studiums, durch das der der Forscher sich allmählich mit den Objekten, die er untersucht, vereinigen kann.|Bamford, S. 238<ref>In eigener Übersetzung aus: Christopher Bamford (Hrsg.): ''Homage to Pythagoras: Rediscovering Sacred Science'', Lindisfarne Books 1994, ISBN 978-0940262638, S. 238 [https://books.google.at/books?id=ECElrc0QakIC&pg=PA238 google]


:„The special place of ''episteme'' or of "intuitive judgment" (anschauende Urteilskraft) in Goethe's methodology simultaneously brings a new element into Western thought. If the logical tracts of Aristotle acted as the texts on which Western consciousness was weaned, then Goethe's scientific writings struggle to inject a new or at least profoundly neglected dimension into human inquiry. Contemporary science espouses two of the three modes of knowing described by neo-Platonists: ''dianoia'' or rationalism as exemplified by the rigorous mathematical formulation of physics, and ''empiricism'' in which evidence is gathered in support of scientific opinion or hypothesis. The third mode, ''episteme'', was always the province of mysticism and revelation - that is, of negative gnosis. Yet Goethe in his science strives to bring the most exalted of Plato's cognitive faculties into the sense world. We may find antecedents of this view in Paracelsus and certain alchemists. But Goethe refrained from anticipating or establishing superficial correspondences so common to his more speculative contemporaries, and rather sought to move through the phenomena themselves, searching for the purest expression of an archetype which could then illumine a broad realm of disparate phenomena. The means which the investigator employ is neither purely rational nor purely empirical, but what Goethe termed "rational empiricism". We should not imagine this as merely a mixture or sequential treatment of phenomena first empirically and then rationally as one has in orthodox science. Rather it is a mode of study through which the investigator may gradually unite with the objects he investigates.</ref>}}
Um die [[Wikipedia:Tyrannei|Tyrannei]] zu verhindern, muss die Gewalt des Alleinherrschers eingeschränkt sein. Ist sie jedoch einmal eingetreten, so soll sie zunächst ertragen werden, denn es könnte ja auch noch schlimmer kommen (z. B. [[Wikipedia:Anarchie|Anarchie]]). Der [[Wikipedia:Tyrannenmord|Tyrannenmord]] ist laut der Lehre der [[Wikipedia:Apostel|Apostel]] jedenfalls keine Heldentat:
 
:''„Denn es ist eine Gnade, wenn jemand deswegen [d. h. wegen der Tyrannis] Kränkungen erträgt und zu Unrecht leidet, weil er sich in seinem Gewissen nach Gott richtet“'' ([[Wikipedia:1. Petrusbrief|1. Petrusbrief]] 2, 19).
 
So schlussfolgert Thomas, dass es besser ist, gegen eine Bedrückung nur nach allgemeinem Beschluss vorzugehen.
 
Wie viele Staatsdenker des Mittelalters zieht auch Thomas von Aquin den organischen Vergleich zum Staatsgebilde heran. Hierbei sieht er den [[Wikipedia:König|König]], als Vertreter Gottes im Staat, als Vernunft und Seele für den menschlichen Körper, dessen Glieder und Organe die Bevölkerung darstellen. Seine Erfüllung findet jedes einzelne Glied in der Tugendhaftigkeit (angelehnt an [[Aristoteles]]).
 
Dennoch sieht Thomas das [[Wikipedia:Priestertum|Priestertum]] über dem Königtum; der Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche steht also in Glaubens- und Sittenfragen über dem König.
 
== Theologie ==
[[Bild:ThomasvonAquindurchBenozzoGozzoli.jpg|thumb|Benozzo Gozzoli, „Triumph des Hl. Thomas von Aquin über Averroes“ (1468/84). - Thomas sitzt zwischen Aristoteles und Platon, vor ihm liegt niedergeworfen Averroes]]
=== Grundsätzliches ===
 
Zu den wesentlichen Verdiensten von Thomas gehört, der [[Wikipedia:Theologie|Theologie]] den Charakter einer [[Wissenschaft]] gegeben zu haben (siehe unten). Zur Klärung der Glaubensgeheimnisse wird dabei die natürliche [[Vernunft]], insbesondere das philosophische Denken des Aristoteles herangezogen. Thomas hat die Gegensätze aufgelöst, die zu seiner Zeit zwischen den Anhängern zweier Philosophen bestanden: denen des [[Augustinus]] (der das Prinzip des menschlichen Glaubens betont) und des wiederentdeckten Aristoteles (der von der Erfahrungswelt und der darauf aufbauenden Erkenntnis ausgeht). Thomas zeigt, dass sich diese beiden Lehren nicht widersprechen, sondern '''''ergänzen,''''' dass also einiges nur durch Glauben und Offenbarung, anderes auch oder nur durch Vernunft erklärt werden kann. Vor allem in dieser [[Wikipedia:Synthese|Synthese]] der antiken Philosophie mit der christlichen Dogmatik, die gerade auch für die Moderne von unabschätzbarer Bedeutung ist, liegt seine Leistung.
 
=== Natürliche Theologie ===
 
Thomas von Aquin legte im Rahmen der Philosophischen bzw. [[Wikipedia:Natürliche Theologie|Natürlichen Theologie]] Argumente dafür dar, dass der Glaube an die Existenz Gottes nicht vernunftwidrig ist, sich also Glaube und Vernunft nicht widersprechen. Seine ''Quinque viae'' („Fünf Wege“), dargestellt in seinem Hauptwerk, der ''[[Wikipedia:Summa theologica|Summa Theologica]]'' (auch ''Summa Theologiae''), hat Thomas zunächst nicht als „[[Wikipedia:Gottesbeweis]]e“ bezeichnet, sie können jedoch als solche aufgefasst werden, da sie rationale Gründe für Gottes Existenz darlegen. Die Argumentationskette endet jeweils mit der Feststellung „das ist es, was alle Gott nennen.“
 
=== Eucharistie ===
 
Prägend wurde Thomas‘ Theologie auch für die katholische [[Wikipedia:Eucharistie|Eucharistie]]lehre. Er wandte die aristotelischen Begriffe der Substanz und der Akzidenzien auf das Geschehen in der [[Wikipedia:heilige Messe|heiligen Messe]] an: Während die Akzidenzien, d. h. die Eigenschaften von [[Wikipedia:Hostie|Brot]] und [[Wikipedia:Messwein|Wein,]] erhalten bleiben, ändert bzw. verwandelt sich die Substanz, d. h. das Wesen ''(nicht'' die Materie) der eucharistischen Gaben in [[Wikipedia:Leib Christi|Leib und Blut]] des auferstandenen [[Christus]] ([[Transsubstantiation]]).
 
=== Hölle ===
 
In seiner ''[[Wikipedia:Summa contra gentiles|Summa contra gentiles]]'' geht Thomas u. a. auch auf die [[Hölle]] ein und übernimmt dabei die Sicht von Augustinus.  Er verwirft auch...
 
''„...den Irrtum derjenigen, die behaupten, dass die Strafen der Gottlosen irgendwann beendet sein werden“'' ([[Apokatastasis]]).
 
Allerdings führt er eine neue Begründung für die angenommene Endlosigkeit und Grauenhaftigkeit solch einer Strafe ein, die aufgrund einer einzigen falschen Entscheidung über den Menschen kommen soll:
 
:''„Die Größe der Strafe entspricht der Größe der Sünde [...] Nun aber wiegt eine Sünde gegen Gott unendlich schwer, denn je höher eine Person steht, gegen die man Sünde begeht, desto schwerer ist die Sünde.“''
 
Er argumentiert auch, dass die Strafen, die die Gottlosen erleiden müssen, sowohl eine psychologische oder seelische Seite ([[Wikipedia:Gottesferne|Gottesferne]]) als auch eine physische Seite (körperliche Schmerzen) haben, so dass die Gottlosen also zweifach gestraft seien.
 
=== Mystik ===
 
Am [[Wikipedia:Nikolaus von Myra|Nikolaustag]] 1273 soll Thomas laut einem Bericht des Bartholomäus von Capua während einer Feier der heiligen Messe von etwas ihn zutiefst Berührendem betroffen worden sein und anschließend jegliche Arbeit an seinen Schriften eingestellt haben. Auf die Aufforderung zur Weiterarbeit soll er mit den Worten reagiert haben:
{{Zitat|''Alles, was ich geschrieben habe, kommt mir vor wie Stroh im Vergleich zu dem, was ich gesehen habe.''<ref>„omnia quae scripsi videntur michi palee“. So der Bericht des Bartholomäus von Capua unter Berufung auf Reginald von Piperno, den Sekretär des Thomas, vgl. M..-H. Laurent (Hg.): ''Processus canonizationis Neapoli'' S. Thomae, Fontes vitae sancti Thomae Aquinatis 4, in: Revue Thomiste 38-39 (1933-34), S. 265-497, [http://www.corpusthomisticum.org/bprcneap.html#PCN79 79], S. 377; C. Le Brun-Gouanvic: ''Edition critique de l’Ystoia sancti Thome de Aquino de Guillaume de Tocco'', 2 Bände, Montréal 1987, 47, S. 347; James A. Weisheipl: ''Thomas von Aquin'', Sein Leben und seine Theologie, Graz 1980, 293f; Torrell 1995, 302 / Torrell 2005, 274.</ref>}}
 
In der [[Wikipedia:Hagiographie|Hagiographie]] wird dieser Ausspruch als Reaktion auf eine [[Wikipedia:Gotteserfahrung|Gotteserfahrung]] gedeutet. Einige Biographen mutmaßen auch , ihm sei kurz zuvor eine [[Nahtodeserfahrung]] zuteil geworden.
 
=== Liturgie ===
 
Von ihm stammen die [[Wikipedia:Sequenz (Hymnus)|Sequenzen]] zu [[Wikipedia:Fronleichnam|Fronleichnam]] ''[[Wikipedia:Lauda Sion|Lauda Sion]]'' sowie die eucharistischen Hymnen ''[[Wikipedia:Pange Lingua|Pange Lingua]]'' („Das Geheimnis lasst uns künden“) - dessen letzten beiden Strophen als ''[[Wikipedia:Tantum ergo|Tantum ergo]]'' ("Lasst uns tiefgebeut verehren") oft selbständig gesungen werden - und ''[[Wikipedia:Adoro te devote|Adoro te devote]]'' („Gottheit tief verborgen“):
 
{| align="center"
!
! width="30px" |
!
|-
|bgcolor="#e7e7e7"|
Adoro te devote, latens Deitas<br>
Quae sub his figuris vere latitas:<br>
Tibi se cor meum totum subiicit,<br>
quia te contemplans totum deficit.<br>
 
|
|
''Gottheit tief verborgen, betend nah‘ ich Dir.''<br>
''Unter diesen Zeichen bist Du wahrhaft hier:''<br>
''Sieh, mit ganzem Herzen geb' ich Dir mich hin,''<br>
''weil vor solchem Wunder ich nur Armut bin.''<br>
 
|}
 
::([[Wikipedia:Gotteslob|Gotteslob]] Nr. 546)
 
Das ''Tantum ergo'' – die letzten beiden Strophen des ''Pange lingua'' – wird in der katholischen Kirche häufig bei der [[Wikipedia:Anbetung|eucharistischen Anbetung]] gesungen.
 
=== Dreieinigkeit ===
 
[[bild:RublevTrinitaet.gif|thumb|Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljow]]
Die [[Dreieinigkeit]] bzw. Dreifaltigkeit oder Trinität Gottes ist zwar ein Geheimnis ([[Mysterium]]), sie kann nach Thomas jedoch unter Zuhilfenahme der göttlichen, d. h. biblischen [[Offenbarung]] teilweise „verstanden“ werden. Demnach ist der eine Gott in drei Personen ([[Wikipedia:Subsistenz|Subsistenz]]en), die ''eine'' göttliche Natur und darum gleich ewig und allmächtig sind. Weder der Begriff der „Zeugung“ beim Sohn ([[Jesus]]) noch derjenige der „Hauchung“ beim [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] darf im [[Wikipedia:Biblische Exegese|wörtlichen bzw. weltlichen Sinne]] verstanden werden. Vielmehr ist die zweite und dritte Person Gottes die ewige Selbsterkenntnis und Selbstbejahung der ersten Person Gottes, d. h. [[Gottvater|Gott Vaters.]] Weil bei Gott Erkenntnis bzw. Wille und (sein) Wesen mit seinem Sein zusammenfallen, ist seine vollkommene Selbsterkenntnis und Selbstliebe von seiner Natur, also göttlich.
 
=== Sonstiges ===
 
Zu den heute schwer nachvollziehbaren Teilen von Thomas‘ Lehre gehört es, dass er sich für die Hinrichtung von [[Wikipedia:Häretiker|Häretiker]]n ausgesprochen hat, deren Vergehen er im Vergleich zu Falschmünzern, welche damals dem Tode überliefert wurden, als schwerwiegender ansieht. ([[Wikipedia:Falschmünzer-Vergleich|Falschmünzer-Vergleich]]) (''Summa theologiae'', II-II, qu. 11, art. 3).
 
Auch war er gegen das Zinsnehmen, musste jedoch im Laufe seiner Beschäftigung mit dem Thema von einem vollständigen [[Wikipedia:Zinsverbot|Verbot]] zurückstehen.
 
== Nachleben ==
 
Thomas von Aquin wurde 1323 von Papst Johannes XXII. [[Wikipedia:Heiligsprechung|heiliggesprochen.]] Sein Werk und seine Ideen wurden [[1879]] unter Papst [[Wikipedia:Leo XIII.|Leo XIII.]] zur Grundlage aller katholischer Schulen erhoben, und damit bestimmt sein Werk die [[Wikipedia:römisch-katholische Kirche|römisch-katholische]] Lehre. Auch das [[Wikipedia:Zweites Vatikanisches Konzil|Zweite Vatikanische Konzil]] empfiehlt Thomas ausdrücklich als den Lehrer, nach dessen Lehre sich die Theologie sowie die Philosophie im Studium der zukünftigen Priester zu richten haben (Optatam totius). Die [[Wikipedia:Enzyklika|Enzyklika]] ''[[Wikipedia:Fides et Ratio]]'' und das neue Kirchenrecht haben diese Empfehlung erneut bestätigt.
 
In der evangelischen Kirche nimmt Thomas eine vergleichbare Stellung ein.
 
Schon um [[Wikipedia:1300|1300]] trat der [[Wikipedia:Franziskaner|Franziskaner]] [[Johannes Duns Scotus]] gegen Thomas auf und gründete die [[Wikipedia:Philosophie|philosophisch]]-theologische Schule der [[Wikipedia:Scotismus|Scotisten]], mit der die [[Wikipedia:Thomist|Thomist]]en an den Universitäten in Fehde lebten. Thomas‘ Anhänger verteidigten die strenge Lehre [[Augustin|Augustins]] von der Gnade und bestritten die [[Unbefleckte Empfängnis]] [[Maria (Mutter Jesu)|Mariens, der Mutter Jesu.]] In der Frage der unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter hat sich die spätere Kirche von den Zweifeln, die in der thomistischen Schule häufig anzutreffen sind, abgegrenzt, wobei umstritten bleibt, inwieweit Thomas tatsächlich ein Gegner des [[Wikipedia:Dogma|Dogmas]] war.
 
Um 1900 herum gab es eine thomistische Renaissance ([[Wikipedia:Joseph Bernhart|Bernhart]]). In Deutschland bemüht sich heute besonders die „[[Wikipedia:Deutsche Thomas-Gesellschaft|Deutsche Thomas-Gesellschaft]]“ (Sitz in [[Wikipedia:Berlin|Berlin]]) um die Weiterführung seines Erbes.
 
Auch [[Ramon Llull]] hat sich gegen die thomististische Scholastik ausgesprochen und damit indirekt die jahrelange [[Wikipedia:Index Librorum Prohibitorum|Indizierung]] der Werke und die Verfolgung der [[Wikipedia:Lullismus|Lullisten]] bewirkt.
 
== Werke ==
 
Im Gegensatz zu anderen großen Philosophen wie etwa [[Albertus Magnus]], der verschiedene Ämter innehatte, gab sich Thomas ganz der Wissenschaft hin. Er schuf ein monumentales Werk, das man in fünf Kategorieren einteilen kann:
 
#Schriften, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unterricht entstanden sind: [[Bild:SummaTheologiae.jpg|thumb|200px|Manuskriptseite einer mittelalterlichen Kopie der „Summa Theologica“]]
#*''[[Wikipedia:Sentenzenkommentar|Sentenzenkommentar]]''
#*''Quaestiones [[Wikipedia:Quodlibet (Begriffsklärung)|quodlibetales]]''
#*''Quaestiones disputatae''
#*''[[Wikipedia:Über die Wahrheit|Über die Wahrheit]]''
#*''[[Wikipedia:De ente et essentia|Über Seiendes und Wesenheit]]''
#Kommentare zu den Schriften von Aristoteles:
#*zur [[Wikipedia:Logik (Aristoteles)|Logik]]
#*zur [[Wikipedia:Physik (Aristoteles)|Physik]]
#*zu [[Wikipedia:De Caelo|De caelo et mundi]]
#*zu ''De generatione et corruptione''
#*zu ''Meteora''
#*zu ''[[Wikipedia:De anima|De anima]]''
#*zu ''De sensu et sensato''
#*zur [[Wikipedia:Ethik (Aristoteles)|Ethik]]
#*zur [[Wikipedia:Politik (Aristoteles)|Politik]]
#*zur [[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]]
#**Weitere Kommentare zu:
#*[[Dionysius Areopagita]], ''De divinis nominibus''
#*Dionysius Areopagita''[[Wikipedia:Liber de causis|Liber de causis]]''
#*[[Wikipedia:Boethius|Boethius]], ''De trinitate''
#*Boethius, ''De hebdomadibus''
#Kleinere Schriften und Streitschriften wie
#*''Über das Böse''
#*''Über Lüge und Irrtum''
#*''Über die Vollkommenheit des geistlichen Lebens''
#*''[[Wikipedia:Über die Einheit des Intellekts gegen die Averoisten|Über die Einheit des Intellekts gegen die Averoisten]]''
#*''Compendium theologiae''
#Systematische (Haupt)-Werke:
#*''[[Wikipedia:Summa contra gentiles|Summa contra gentiles]]''
#*''[[Wikipedia:Summa theologica|Summa theologica]]''
#Kommentare zur Bibel
#*Zu Hiob
#*Zu Psalmen (Psalm 1–51)
#*Zu Jeremia
#*Zu den Klageliedern Jeremias
#*Zu Jesaja
#*[[Wikipedia:Katene|Katenenkommentare]] zu den vier Evangelien (''Catena aurea'')
#*Vorlesungen zu Matthäus und Johannes
#*Vorlesungen zu den Briefen des Apostels Paulus
#Hymnen zum [[Wikipedia:Fronleichnam|Fronleichnam]]sfest
#*[[Wikipedia:Pange Lingua|Pange Lingua]] mit den Schlusstrophen [[Wikipedia:Tantum ergo|Tantum ergo]], Gotteslob 541-544
#*[[Wikipedia:Lauda Sion|Lauda Sion]], dt. Gotteslob 545
#*[[Wikipedia:Adoro te devote|Adoro te devote]], dt. Gotteslob 546
 
Die ''Summa contra gentiles'' und insbesondere die ''Summa theologica'' bilden einen Höhepunkt von Thomas` Schaffen. Sein Werk wurde im [[Wikipedia:19. Jahrhundert|19. Jahrhundert]] von der [[Wikipedia:katholische Kirche|katholischen Kirche]] zur Grundlage der [[Wikipedia:Christliche Philosophie|christlichen Philosophie]] erklärt.
 
== Anmerkungen ==
 
<references/>


== Literatur ==
== Literatur ==
* H. Atmanspacher, H. Primas, E. Wertenschlag-Birkhäuser (Hrsg.), ''Der Pauli-Jung-Dialog'', Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1995
* Goethes Werke, ''Vollständige Ausgabe in vierzig Teilen'', Auf Grund der Hempelschen Ausgabe, Deutsches Verlagshaus Bong u. Co, Berlin Leipzig Wien Stuttgart, 38. Teil
* Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, § 77
* Jacques Monod: ''Zufall und Notwendigkeit'', Deutscher Taschenbuchverlag (dtv 1069), München 1975
* Georgi Schischkoff: ''Philosophisches Wörterbuch'', Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1978
* Angelus Silesius: ''Cherubinischer Wandersmann'', I. Buch, 140.
* Herbert Rowland (Hrsg.): ''Goethe, Chaos, and Complexity'', BRILL/RODOPI 2001, ISBN 978-9042015661
* Christopher Bamford (Hrsg.): ''Homage to Pythagoras: Rediscovering Sacred Science'', Lindisfarne Books 1994, ISBN 978-0940262638
* David Seamon, [[Arthur Zajonc]]: ''Goethe's Way of Science: A Phenomenology of Nature'', State University of New York Press 1998, ISBN 978-0791436820
* [[Ernst-Michael Kranich]]: ''Thinking Beyond Darwin'', Lindisfarne Press 1999, ISBN 978-0940262935; eBook {{ASIN|B008YZGSTA}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung'', [[GA 2]] (1980); zit. nach der Taschenbuchausgabe [[TB 629]] {{Schriften|2}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Wahrheit und Wissenschaft'', [[GA 3]] (1980); zit. nach [[TB 628]] {{Schriften|3}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Goethes Weltanschauung'', [[GA 6]] (1990), ISBN 3-7274-0060-9; '''Tb 625''', ISBN 978-3-7274-6250-4 {{Schriften|6}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung'', [[GA 7]] {{Schriften|7}}


{{GA}}
=== Einführungen ===
 
*Marie-Dominique Chenu: ''Thomas von Aquin. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.'' 6. Aufl. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1992, ISBN 3-499-50045-0
*[[Wikipedia:Martin Grabmann|Martin Grabmann]]: ''Thomas von Aquin. Persönlichkeit und Gedankenwelt. Eine Einführung.'' 8. Aufl. Kösel, München 1949.
*[[Wikipedia:Hans Meyer (Philosoph)|Hans Meyer]]: ''Thomas von Aquin. Sein System und seine geistesgeschichtliche Stellung.'' 2. Aufl. Schöningh, Paderborn 1961.
*[[Wikipedia:Josef Pieper|Josef Pieper]]: ''Thomas von Aquin – Leben und Werk.'' 4. Aufl. Kösel, München 1990, ISBN 3-46640-114-3
 
=== Editionen für den interessierten Laien ===
*Die deutsche Thomas-Ausgabe = Summa theologica. Übers. von Dominikanern u. Benediktinern Deutschlands u. Österreichs. Vollst., ungekürzte dt.-lat. Ausg.. - Graz [u.a.] : Styria - Früher teilw. im Pustet-Verl., Salzburg, teilw. im Kerle-Verl., Heidelberg u. Verl. Styria Graz, Wien, Köln, 1933ff.,  34 Bde. (noch unvollendet)
 
*Summe der Theologie. Hrsg. u. übers. von Joseph Bernhart (Auswahl). Stuttgart: Kröner. Bd. 1: Gott und Schöpfung, ISBN 3-520-10503-9; Bd. 2: Die sittliche Weltordnung, ISBN 3-520-10603-5; Bd. 3: Der Mensch und das Heil, ISBN 3-520-10903-4
 
*Über die Herrschaft der Fürsten. Übers. von Friedrich Schreyvogl. Nachw. von Ulrich Matz. [Nachdr.] Stuttgart : Reclam, 1994(Universal-Bibliothek ; 9326)ISBN 3-15-009326-0
 
== Weblinks ==
 
{{Commons|Thomas von Aquin}}
{{Wikisource|Thomas von Aquin}}
{{Wikisource|Scriptor:Thomas Aquinas|Thomas Aquinas|lang=la}}
{{Wikiquote|Thomas von Aquin}}
 
=== Werke ===


== Einzelnachweise ==
*[http://www.corpusthomisticum.org/iopera.html Sämtliche Werke online (Lateinisch)]
*[http://www.aristoteles-heute.de/SeinAlsGanzesUnbewegtDt/Theologie/summa/InhaltD/summa.html ''Summa Theologica] deutsch – lateinisch
*[http://www.intratext.com/bti/ Bibliotheca Thomistica IntraText]: Texte, Konkordanzen und Frequenzlisten


<references />
[[Kategorie:Biographie]]
[[Kategorie:Mann|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Philosoph|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Philosoph des Mittelalters|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Erkenntnistheoretiker|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Kirchenlehrer|Thomas von Aquin]] <!-- Kirchenlehrer nach Vornamen sortiert.-->
[[Kategorie:Katholischer Theologe (13. Jh.)|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Ökonom (13. Jh.)|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Dogmatiker|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Dominikaner|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Autor|Aquin, Thomas von]]


[[Kategorie:Naturwissenschaften]][[Kategorie:Goetheanismus]] [[Kategorie:Erkenntnistheorie]] [[Kategorie:Wahrheit]]
{{Personendaten|
NAME=Thomas von Aquin
|ALTERNATIVNAMEN=Thomas Aquinas, Tommaso d'Aquino
|KURZBESCHREIBUNG=italienischer [[Theologe]] und [[Philosoph]] des Mittelalters
|GEBURTSDATUM=um [[1225]]
|GEBURTSORT=bei [[Aquino]]
|STERBEDATUM=7. März 1274
|STERBEORT=[[Fossanova]]
}}

Version vom 10. Juni 2012, 15:17 Uhr

Thomas von Aquin (auch Thomas Aquinas oder Tommaso d'Aquino, * um 1225 auf Schloss Roccasecca bei Neapel in Italien; † 7. März 1274 in Fossanova) italienischer Philosoph und Theologe

Datei:ThomasvonAquindurchCarloCrivelli.jpg

Bedeutung für die Geisteswissenschaften

Thomas hat die naturwissenschaftliche Herangehensweise der Antike, vor allem von Aristoteles, mit dem Christentum vereint. Er musste die wissenschaftliche Herangehensweise, das systematische Fragen und Beantworten, Kategorisieren und Katalogisieren, in der gläubigen Welt der mittelalterlichen Klöster und der ersten Universitäten einbürgern. Die moderne geisteswissenschaftliche Tradition, die dadurch entstand, gilt es heute für Rudolf Steiner und die, die ihm folgen, andersherum im Banne eines echten Interesses für die tiefsten Tatsachen zu halten.

Leben

Thomas von Aquin, auch „Thomas Aquinas“ oder kurz der „Aquinat“ bzw. nur „Thomas“ genannt, wurde kurz vor oder kurz nach Neujahr 1225 im Schloss Roccasecca, von Aquino 9 km entfernt, als siebter Sohn des Herzogs Landulf aus dem feudalen Hochadel von Aquino geboren. Mit fünf Jahren wurde er in das Kloster Monte Cassino geschickt, wo der Bruder seines Vaters, Sinibald, als Abt wirkte. Thomas' Familie folgte damit der Tradition, den jüngsten Sohn der Familie in ein geistliches Amt zu geben. Es lag im Interesse der Familie, dass Thomas seinem Onkel nachfolgte. 1244 trat er jedoch gegen den Willen seiner Verwandten bei den erst jüngst als Bettelorden gegründeten Dominikanern ein. Der Orden entsandte ihn zunächst nach Rom und später, um ihn dem politischen Einfluss seiner Eltern zu entziehen, nach Paris. Auf dem Weg dorthin wurde er jedoch von seinen im Auftrag der Mutter handelnden Brüdern überfallen und auf die Burg Monte San Giovanni Campano gebracht und dort zwei Jahre lang im Schlossturm gefangen gehalten. Die Familie versuchte ihn mit allen Mitteln umzustimmen, doch das vermochte nicht einmal ein Mädchen, das sie ihm brachten: der Gefangene nahm ein glühendes Holzscheit und fuchtelte damit so lange vor ihr herum, bis sie schreiend die Flucht ergriff. Da Thomas unerschütterlich fest bei seinem Entschluss blieb, Mitglied der Dominikaner zu bleiben, gab die Familie schlussendlich nach. Um ihr Gesicht zu wahren, wurde ein Überfall vorgetäuscht und Thomas konnte in seinen Orden zurückkehren.

Monte Cassino

Er ging nach Köln, wo er von 1248 bis 1252 Schüler von Albertus Magnus war. Dieser hat für ihn ungefähr die Bedeutung wie Johannes der Täufer für Jesus von Nazareth oder Herman Grimm für Rudolf Steiner. Von 1256 bis 1259 studierte er in Paris weiter und lehrte dann dort, in Rom, in Viterbo und in Orvieto.

Ab 1269 war er als Studienpräfekt seines Ordens in Neapel tätig, wo er 1272 eine Dominikanerschule aufbaute. Der schier unglaublichen Menge seiner Schriften nach zu urteilen liegt es nahe, dem Zeugnis seines Hauptsekretärs zu glauben: Demnach hat der Aquinat immer drei oder vier Sekretären gleichzeitig diktiert.

Thomas starb am 7. März 1274 auf der Reise zum Zweiten Konzil von Lyon im Kloster Fossanova. Dante (Purg. XX. 69) deutet an, dass Karl I. von Anjou für seinen Tod verantwortlich gewesen sei. Villani (IX 218) teilt ein Gerücht mit („si dice“: „man sagt“), demzufolge Thomas von einem Arzt des Königs mit vergiftetem Konfekt ermordet wurde. Nach dieser Darstellung handelte der Arzt zwar nicht im Auftrag des Königs, aber in der Absicht, ihm einen Gefallen zu erweisen, weil er befürchtete, dass ein Mitglied aus dem Geschlecht der gegen Karl rebellierenden Grafen von Aquino in den Kardinalsrang erhoben werden sollte. In unterschiedlichen Versionen, die meist Karl die Verantwortung zuschreiben, wurde das Gerücht vom Giftmord auch in den frühen lateinischen und volkssprachlichen Dantekommentaren kolportiert, die in der Zeit nach Dantes Tod entstanden. Tolomeo da Lucca, ein ehemaliger Schüler und Beichtvater des Aquinaten, spricht in seiner Historia ecclesiastica (L. A. Muratori, Rerum Italicarum Scriptores, Bd. XI, S. 1168-69) nur von einer schweren Erkrankung auf der Reise bei der Ankunft in Kampanien, bietet jedoch keinen Hinweis auf eine unnatürliche Todesursache. Papst Johannes XXII. sprach Thomas 1323 heilig. 1567 wurde er in den Rang eines Kirchenlehrers erhoben. Seine Gebeine wurden am 28. Januar 1369 nach Toulouse überführt, wo sie seit 1974 wieder in der Kirche des Dominikanerklosters Les Jacobins ruhen. (Von 1792 bis 1974 waren sie in der Basilika Saint-Sernin bestattet.)

Philosophie

Grundsätzliches

Die Argumentationen des Aquinaten stützen sich zu einem großen Teil auf die Lehre von Aristoteles, die er – nicht zuletzt mit Hinsicht auf die der Antike unbekannten theologischen Lehren bzw. Einsichten – ausgebaut hat. In der Philosophie werden seine Kommentare zu Aristoteles noch heute als bedeutsam angesehen:

„Seine Kommentare sind durchweg klarsichtig, intelligent und von großer Einfühlungsgabe. Allein schon der Metaphysik-Kommentar, der eine halbe Million Wörter umfasst, verdient es, als philosophischer Klassiker betrachtet zu werden.“ (Anthony Kenny, Thomas von Aquin)

Metaphysik und Ontologie

Aristoteles ist der wichtigste philosophiehistorische Bezugspunkt des Thomismus

Ein Kernelement der thomistischen Ontologie ist die Lehre von der Analogia entis. Sie besagt, dass der Begriff des Seins nicht eindeutig, sondern analog ist, also das Wort „Sein“ einen unterschiedlichen Sinn besitzt, je nachdem, auf welche Gegenstände es bezogen wird. Danach hat alles, was ist, das Sein und ist durch das Sein, aber es hat das Sein in verschiedener Weise. In höchster und eigentlicher Weise kommt es nur Gott zu: Nur er ist Sein. Alles andere Sein hat nur Teil am Sein und zwar entsprechend seinem Wesen. In allen geschaffenen Dingen muss also Wesen (essentia) und Existenz (esse) unterschieden werden; einzig bei Gott fallen diese zusammen.

Auch die Unterscheidung von Substanz und Akzidenz ist für das System des Thomas bedeutend. Hierzu heißt es: „Accidentis esse est inesse“, also „Für ein Akzidenz bedeutet zu sein, an etwas zu sein“. In die gleiche Richtung geht sein „Accidens non est ens sed entis“, also „Ein Akzidenz ist kein Seiendes, sondern ein zu etwas Seiendem Gehörendes“.

Eine weitere wichtige Unterscheidung ist die von Materie und Form. Einzeldinge entstehen dadurch, dass die Materie durch die Form bestimmt wird (siehe Hylemorphismus). Die Grundformen Raum und Zeit haften untrennbar an der Materie. Die höchste Form ist Gott als Verursacher (causa efficiens) und als Endzweck (causa finalis) der Welt. Die ungeformte Urmaterie, d.h. der erste Stoff, ist die materia prima.

Um die mit dem Werden der Dinge zusammenhängenden Probleme zu lösen, greift Thomas auf die von Aristoteles geprägten Begriffe Akt und Potenz zurück, siehe dazu auch den Artikel Akt-Potenz. Weil es in Gott keine (substanzielle) Veränderung gibt, ist er actus purus, also reine Wirklichkeit.

Erkenntnistheorie

Zu den besonders bedeutenden Aussagen der thomistischen Erkenntnistheorie gehört ihre Definition der Wahrheit: Gegenstand und Verstand stimmen überein. (Adaequatio rei et intellectus)

Thomas unterscheidet zwischen dem „tätigen Verstand“ (intellectus agens) und dem „rezeptiven oder möglichen Verstand“ (intellectus possibilis). Der tätige Verstand zeichnet sich vor allem durch die Fähigkeit aus, aus Sinneserfahrungen (sowie bereits geistig Erkanntem) universale Ideen bzw. allgemeingültige (Wesens-)Erkenntnisse zu abstrahieren. Dagegen ist es der rezeptive Verstand, der diese Erkenntnisse aufnimmt und 'speichert'.

Hintergrund ist die auf Platon zurückgehende Lehre, dass die konkreten Dinge ihr Sein und vor allem ihr Wesen den Ideen (ideae) verdanken, durch die sie bestimmt werden (vgl. Ideenlehre).

Der tätige Verstand kann durch Abstraktion (wörtl. das Abziehen) der Formen (formae) aus den einzelbestimmten Dingen, deren Wesenheit bzw. Washeit ("quidditas") sowie in weiteren Schritten die Akzidenzien erkennen. Als letzte bzw. erste Ursache des Seins und Soseins der Dinge erkennt der menschliche Geist Gott (siehe unten), in dessen Geist die ewigen Ideen die Vorbilder für die Formen (formae) der Dinge sind.

Anthropologie

Thomas' Anthropologie weist dem Menschen als leib-geistiges Vernunftwesen einen Platz zwischen den Engeln und den Tieren zu. Gestützt auf Aristoteles' De Anima zeigt Thomas die geistige Seele, d. h. den Geist des Menschen als dessen – einzige – Form auf: Anima forma corporis. Weil der Geist ("intellectus") eine einfache, also nicht zusammengesetzte Substanz ist, kann er auch nicht zerstört werden und ist somit unsterblich. Der Geist kann auch nach der Trennung vom Leib seinen Haupttätigkeiten, dem Denken und Wollen, nachkommen. Die nach der Auferstehung zu erwartende Wiedervereinigung mit einem neuen Leib kann zwar nicht philosophisch, wohl aber theologisch erwiesen werden.

Ethik

In der Ethik verbindet Thomas die aristotelische Tugendlehre mit den christlich-augustinischen Erkenntnissen. Die Tugenden bestehen demnach im rechten Maß bzw. dem Ausgleich vernunftwidriger Gegensätze. Das ethische Verhalten zeichnet sich durch das Einhalten der Vernunftordnung aus (siehe Naturrecht bzw. Natürliches Sittengesetz) und entspricht damit auch dem göttlichen Gesetzeswillen. Thomas ergänzte die vier klassischen Kardinaltugenden durch die drei christlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung.

Das höchste Gut ist die ewige Glückseligkeit, die – im jenseitigen Leben – durch die unmittelbare Anschauung Gottes erreicht werden kann. Es zeigt sich daran der Primat der Erkenntnis vor dem Wollen.

Politische Philosophie bzw. Staatsdenken

Thomas von Aquin war einer der einflussreichsten Theoretiker für das mittelalterliche Staatsdenken. Dabei sah er den Menschen als ein soziales Wesen, das in einer Gemeinschaft leben muss. In dieser Gemeinschaft tauscht er sich mit seinen Artgenossen aus, und es kommt zu einer Wikipedia:Arbeitsteilung.

Für den Staat empfiehlt er die Monarchie als beste Regierungsform, denn ein Alleinherrscher, der mit sich selbst eins ist, kann mehr Einheit bewirken als eine aristokratische Elite. Hier müssen sich mehrere einigen, was immer nur zu einem Kompromiss, also einer Angleichung, einer Anpassung, einer Aufgabe seiner eigenen Meinung und Überzeugung führt. Außerdem ist immer dasjenige am besten, was der Natur entspricht, und in der Natur haben alle Dinge nur ein Höchstes.

Thomas stellt der Monarchie als der besten die Tyrannis als die schlechteste aller denkbaren Regierungsformen gegenüber. Dabei merkt er an, dass aus der Aristokratie leichter eine Tyrannis entstehen kann als aus einer Monarchie.

Um die Tyrannei zu verhindern, muss die Gewalt des Alleinherrschers eingeschränkt sein. Ist sie jedoch einmal eingetreten, so soll sie zunächst ertragen werden, denn es könnte ja auch noch schlimmer kommen (z. B. Anarchie). Der Tyrannenmord ist laut der Lehre der Apostel jedenfalls keine Heldentat:

„Denn es ist eine Gnade, wenn jemand deswegen [d. h. wegen der Tyrannis] Kränkungen erträgt und zu Unrecht leidet, weil er sich in seinem Gewissen nach Gott richtet“ (1. Petrusbrief 2, 19).

So schlussfolgert Thomas, dass es besser ist, gegen eine Bedrückung nur nach allgemeinem Beschluss vorzugehen.

Wie viele Staatsdenker des Mittelalters zieht auch Thomas von Aquin den organischen Vergleich zum Staatsgebilde heran. Hierbei sieht er den König, als Vertreter Gottes im Staat, als Vernunft und Seele für den menschlichen Körper, dessen Glieder und Organe die Bevölkerung darstellen. Seine Erfüllung findet jedes einzelne Glied in der Tugendhaftigkeit (angelehnt an Aristoteles).

Dennoch sieht Thomas das Priestertum über dem Königtum; der Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche steht also in Glaubens- und Sittenfragen über dem König.

Theologie

Benozzo Gozzoli, „Triumph des Hl. Thomas von Aquin über Averroes“ (1468/84). - Thomas sitzt zwischen Aristoteles und Platon, vor ihm liegt niedergeworfen Averroes

Grundsätzliches

Zu den wesentlichen Verdiensten von Thomas gehört, der Theologie den Charakter einer Wissenschaft gegeben zu haben (siehe unten). Zur Klärung der Glaubensgeheimnisse wird dabei die natürliche Vernunft, insbesondere das philosophische Denken des Aristoteles herangezogen. Thomas hat die Gegensätze aufgelöst, die zu seiner Zeit zwischen den Anhängern zweier Philosophen bestanden: denen des Augustinus (der das Prinzip des menschlichen Glaubens betont) und des wiederentdeckten Aristoteles (der von der Erfahrungswelt und der darauf aufbauenden Erkenntnis ausgeht). Thomas zeigt, dass sich diese beiden Lehren nicht widersprechen, sondern ergänzen, dass also einiges nur durch Glauben und Offenbarung, anderes auch oder nur durch Vernunft erklärt werden kann. Vor allem in dieser Synthese der antiken Philosophie mit der christlichen Dogmatik, die gerade auch für die Moderne von unabschätzbarer Bedeutung ist, liegt seine Leistung.

Natürliche Theologie

Thomas von Aquin legte im Rahmen der Philosophischen bzw. Natürlichen Theologie Argumente dafür dar, dass der Glaube an die Existenz Gottes nicht vernunftwidrig ist, sich also Glaube und Vernunft nicht widersprechen. Seine Quinque viae („Fünf Wege“), dargestellt in seinem Hauptwerk, der Summa Theologica (auch Summa Theologiae), hat Thomas zunächst nicht als „Wikipedia:Gottesbeweise“ bezeichnet, sie können jedoch als solche aufgefasst werden, da sie rationale Gründe für Gottes Existenz darlegen. Die Argumentationskette endet jeweils mit der Feststellung „das ist es, was alle Gott nennen.“

Eucharistie

Prägend wurde Thomas‘ Theologie auch für die katholische Eucharistielehre. Er wandte die aristotelischen Begriffe der Substanz und der Akzidenzien auf das Geschehen in der heiligen Messe an: Während die Akzidenzien, d. h. die Eigenschaften von Brot und Wein, erhalten bleiben, ändert bzw. verwandelt sich die Substanz, d. h. das Wesen (nicht die Materie) der eucharistischen Gaben in Leib und Blut des auferstandenen Christus (Transsubstantiation).

Hölle

In seiner Summa contra gentiles geht Thomas u. a. auch auf die Hölle ein und übernimmt dabei die Sicht von Augustinus. Er verwirft auch...

„...den Irrtum derjenigen, die behaupten, dass die Strafen der Gottlosen irgendwann beendet sein werden“ (Apokatastasis).

Allerdings führt er eine neue Begründung für die angenommene Endlosigkeit und Grauenhaftigkeit solch einer Strafe ein, die aufgrund einer einzigen falschen Entscheidung über den Menschen kommen soll:

„Die Größe der Strafe entspricht der Größe der Sünde [...] Nun aber wiegt eine Sünde gegen Gott unendlich schwer, denn je höher eine Person steht, gegen die man Sünde begeht, desto schwerer ist die Sünde.“

Er argumentiert auch, dass die Strafen, die die Gottlosen erleiden müssen, sowohl eine psychologische oder seelische Seite (Gottesferne) als auch eine physische Seite (körperliche Schmerzen) haben, so dass die Gottlosen also zweifach gestraft seien.

Mystik

Am Nikolaustag 1273 soll Thomas laut einem Bericht des Bartholomäus von Capua während einer Feier der heiligen Messe von etwas ihn zutiefst Berührendem betroffen worden sein und anschließend jegliche Arbeit an seinen Schriften eingestellt haben. Auf die Aufforderung zur Weiterarbeit soll er mit den Worten reagiert haben:

Alles, was ich geschrieben habe, kommt mir vor wie Stroh im Vergleich zu dem, was ich gesehen habe.[1]

In der Hagiographie wird dieser Ausspruch als Reaktion auf eine Gotteserfahrung gedeutet. Einige Biographen mutmaßen auch , ihm sei kurz zuvor eine Nahtodeserfahrung zuteil geworden.

Liturgie

Von ihm stammen die Sequenzen zu Fronleichnam Lauda Sion sowie die eucharistischen Hymnen Pange Lingua („Das Geheimnis lasst uns künden“) - dessen letzten beiden Strophen als Tantum ergo ("Lasst uns tiefgebeut verehren") oft selbständig gesungen werden - und Adoro te devote („Gottheit tief verborgen“):

Adoro te devote, latens Deitas
Quae sub his figuris vere latitas:
Tibi se cor meum totum subiicit,
quia te contemplans totum deficit.

Gottheit tief verborgen, betend nah‘ ich Dir.
Unter diesen Zeichen bist Du wahrhaft hier:
Sieh, mit ganzem Herzen geb' ich Dir mich hin,
weil vor solchem Wunder ich nur Armut bin.

(Gotteslob Nr. 546)

Das Tantum ergo – die letzten beiden Strophen des Pange lingua – wird in der katholischen Kirche häufig bei der eucharistischen Anbetung gesungen.

Dreieinigkeit

Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljow

Die Dreieinigkeit bzw. Dreifaltigkeit oder Trinität Gottes ist zwar ein Geheimnis (Mysterium), sie kann nach Thomas jedoch unter Zuhilfenahme der göttlichen, d. h. biblischen Offenbarung teilweise „verstanden“ werden. Demnach ist der eine Gott in drei Personen (Subsistenzen), die eine göttliche Natur und darum gleich ewig und allmächtig sind. Weder der Begriff der „Zeugung“ beim Sohn (Jesus) noch derjenige der „Hauchung“ beim Heiligen Geist darf im wörtlichen bzw. weltlichen Sinne verstanden werden. Vielmehr ist die zweite und dritte Person Gottes die ewige Selbsterkenntnis und Selbstbejahung der ersten Person Gottes, d. h. Gott Vaters. Weil bei Gott Erkenntnis bzw. Wille und (sein) Wesen mit seinem Sein zusammenfallen, ist seine vollkommene Selbsterkenntnis und Selbstliebe von seiner Natur, also göttlich.

Sonstiges

Zu den heute schwer nachvollziehbaren Teilen von Thomas‘ Lehre gehört es, dass er sich für die Hinrichtung von Häretikern ausgesprochen hat, deren Vergehen er im Vergleich zu Falschmünzern, welche damals dem Tode überliefert wurden, als schwerwiegender ansieht. (Falschmünzer-Vergleich) (Summa theologiae, II-II, qu. 11, art. 3).

Auch war er gegen das Zinsnehmen, musste jedoch im Laufe seiner Beschäftigung mit dem Thema von einem vollständigen Verbot zurückstehen.

Nachleben

Thomas von Aquin wurde 1323 von Papst Johannes XXII. heiliggesprochen. Sein Werk und seine Ideen wurden 1879 unter Papst Leo XIII. zur Grundlage aller katholischer Schulen erhoben, und damit bestimmt sein Werk die römisch-katholische Lehre. Auch das Zweite Vatikanische Konzil empfiehlt Thomas ausdrücklich als den Lehrer, nach dessen Lehre sich die Theologie sowie die Philosophie im Studium der zukünftigen Priester zu richten haben (Optatam totius). Die Enzyklika Wikipedia:Fides et Ratio und das neue Kirchenrecht haben diese Empfehlung erneut bestätigt.

In der evangelischen Kirche nimmt Thomas eine vergleichbare Stellung ein.

Schon um 1300 trat der Franziskaner Johannes Duns Scotus gegen Thomas auf und gründete die philosophisch-theologische Schule der Scotisten, mit der die Thomisten an den Universitäten in Fehde lebten. Thomas‘ Anhänger verteidigten die strenge Lehre Augustins von der Gnade und bestritten die Unbefleckte Empfängnis Mariens, der Mutter Jesu. In der Frage der unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter hat sich die spätere Kirche von den Zweifeln, die in der thomistischen Schule häufig anzutreffen sind, abgegrenzt, wobei umstritten bleibt, inwieweit Thomas tatsächlich ein Gegner des Dogmas war.

Um 1900 herum gab es eine thomistische Renaissance (Bernhart). In Deutschland bemüht sich heute besonders die „Deutsche Thomas-Gesellschaft“ (Sitz in Berlin) um die Weiterführung seines Erbes.

Auch Ramon Llull hat sich gegen die thomististische Scholastik ausgesprochen und damit indirekt die jahrelange Indizierung der Werke und die Verfolgung der Lullisten bewirkt.

Werke

Im Gegensatz zu anderen großen Philosophen wie etwa Albertus Magnus, der verschiedene Ämter innehatte, gab sich Thomas ganz der Wissenschaft hin. Er schuf ein monumentales Werk, das man in fünf Kategorieren einteilen kann:

  1. Schriften, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unterricht entstanden sind: Datei:SummaTheologiae.jpg
  2. Kommentare zu den Schriften von Aristoteles:
  3. Kleinere Schriften und Streitschriften wie
  4. Systematische (Haupt)-Werke:
  5. Kommentare zur Bibel
    • Zu Hiob
    • Zu Psalmen (Psalm 1–51)
    • Zu Jeremia
    • Zu den Klageliedern Jeremias
    • Zu Jesaja
    • Katenenkommentare zu den vier Evangelien (Catena aurea)
    • Vorlesungen zu Matthäus und Johannes
    • Vorlesungen zu den Briefen des Apostels Paulus
  6. Hymnen zum Fronleichnamsfest

Die Summa contra gentiles und insbesondere die Summa theologica bilden einen Höhepunkt von Thomas` Schaffen. Sein Werk wurde im 19. Jahrhundert von der katholischen Kirche zur Grundlage der christlichen Philosophie erklärt.

Anmerkungen

  1. „omnia quae scripsi videntur michi palee“. So der Bericht des Bartholomäus von Capua unter Berufung auf Reginald von Piperno, den Sekretär des Thomas, vgl. M..-H. Laurent (Hg.): Processus canonizationis Neapoli S. Thomae, Fontes vitae sancti Thomae Aquinatis 4, in: Revue Thomiste 38-39 (1933-34), S. 265-497, 79, S. 377; C. Le Brun-Gouanvic: Edition critique de l’Ystoia sancti Thome de Aquino de Guillaume de Tocco, 2 Bände, Montréal 1987, 47, S. 347; James A. Weisheipl: Thomas von Aquin, Sein Leben und seine Theologie, Graz 1980, 293f; Torrell 1995, 302 / Torrell 2005, 274.

Literatur

Einführungen

  • Marie-Dominique Chenu: Thomas von Aquin. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 6. Aufl. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1992, ISBN 3-499-50045-0
  • Martin Grabmann: Thomas von Aquin. Persönlichkeit und Gedankenwelt. Eine Einführung. 8. Aufl. Kösel, München 1949.
  • Hans Meyer: Thomas von Aquin. Sein System und seine geistesgeschichtliche Stellung. 2. Aufl. Schöningh, Paderborn 1961.
  • Josef Pieper: Thomas von Aquin – Leben und Werk. 4. Aufl. Kösel, München 1990, ISBN 3-46640-114-3

Editionen für den interessierten Laien

  • Die deutsche Thomas-Ausgabe = Summa theologica. Übers. von Dominikanern u. Benediktinern Deutschlands u. Österreichs. Vollst., ungekürzte dt.-lat. Ausg.. - Graz [u.a.] : Styria - Früher teilw. im Pustet-Verl., Salzburg, teilw. im Kerle-Verl., Heidelberg u. Verl. Styria Graz, Wien, Köln, 1933ff., 34 Bde. (noch unvollendet)
  • Über die Herrschaft der Fürsten. Übers. von Friedrich Schreyvogl. Nachw. von Ulrich Matz. [Nachdr.] Stuttgart : Reclam, 1994(Universal-Bibliothek ; 9326)ISBN 3-15-009326-0

Weblinks

Commons: Thomas von Aquin - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikisource: Thomas von Aquin – Quellen und Volltexte
 Wikisource: Thomas Aquinas – Quellen und Volltexte (latina)

Werke