Carl Vogt und Evolutionstheorie: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
imported>Joachim Stiller
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:Vogt, Carl (1817-1895).jpg|mini|Carl Vogt]]
Unter einer '''Evolutionstheorie''' versteht man die wissenschaftliche und in sich stimmige Beschreibung der Entstehung und Veränderung der biologischen Einheiten, speziell der [[Art (Biologie)|Arten]], als Ergebnis der organismischen [[Evolution]], d. h. eines Entwicklungsprozesses im Laufe der [[Erdgeschichte]], der stattgefunden hat und andauert. Evolutionstheorien sind naturgemäß jeweils ein Produkt der Zeit ihrer Entstehung und spiegeln die jeweiligen Erkenntnisse, die Faktenlage und die wissenschaftlichen Herangehensweisen der Zeit wider.


'''August Christoph Carl Vogt''' (* [[Wikipedia:5. Juli|5. Juli]] [[Wikipedia:1817|1817]] in [[Wikipedia:Gießen|Gießen]]; † [[Wikipedia:5. Mai|5. Mai]] [[Wikipedia:1895|1895]] in [[Wikipedia:Plainpalais|Plainpalais]]) war ein deutsch-schweizerischer Naturwissenschaftler sowie ein demokratischer Politiker, der nach seiner Einbürgerung in der Schweiz als Reformer der [[Wikipedia:Universität Genf|Universität Genf]] wirkte.  
Da sich die moderne [[Evolutionsbiologie]] mit zahlreichen, teilweise sehr unterschiedlichen Ansätzen und Analysen beschäftigt, wo vielfach temporäre Hypothesen entworfen und später teilweise zugunsten verfeinerter Hypothesen wieder aufgegeben werden, ist es mittlerweile Konsens, dass man nicht von einer eigentlichen und allumfassenden „Evolutionstheorie“ sprechen sollte, sondern dass gewissermaßen ein Theoriengebäude vorliegt, wo viele Erkenntnisstränge von der Paläontologie bis zur Molekularbiologie zusammenfließen und sich wechselseitig zu einer Gesamtsicht ergänzen. Ein Überblick und weiterführende Links über zentrale Inhalte des aktuellen Theoriengebäudes sind unter [[Evolution]], die derzeit diskutierten Hypothesen und Theorien zur Entstehung des Lebens unter [[Chemische Evolution]] abgehandelt.


Im [[Materialismusstreit]] war Vogt ein wesentlicher Vertreter des naturwissenschaftlichen [[Materialismus]]. Er trat entschieden für [[Charles Darwin|Darwins]] [[Evolutionstheorie]] ein und wird von diesem in der Einleitung seines Buchs ''[[Wikipedia:Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl|Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl]]'' namentlich erwähnt. Darwin verhielt sich zu Vogt allerdings sehr distanziert und konnte verhindern, dass ausgerechnet Vogt, wie beabsichtigt, Darwins Buch ''Variation under Domestication'' ins Deutsche übersetzte.<ref>Adrian Desmond, James Moore: ''Charles Darwin''. 2. Aufl. München 1994, S. 612–613</ref>
== Entstehung der Evolutionstheorien ==
[[Datei:Jean-Baptiste Lamarck.jpg|miniatur|Jean-Baptiste de Lamarck (1744–1829), einer der ersten namhaften Evolutionstheoretiker]]
Vage Ideen darüber, wie oder wo Leben entstanden sei, wurden verschiedentlich schon von Gelehrten des antiken Griechenlands geäußert. [[Thales von Milet]] vermutete den Ursprung des Lebens im Wasser, [[Anaximander]] sprach direkt von einer Urzeugung in feuchter Umgebung, [[Aristoteles]] vermutete die Urzeugung im Schlamm und Schmutz. Judentum, Christentum und Islam gingen von einem göttlichen Akt der Schöpfung aus und vertraten das Konzept einer Artkonstanz, dem bis etwa zur [[Aufklärung]] auch viele Gelehrte Europas folgten. Alle diese Hypothesen schienen in ihrer jeweiligen Zeit und unter Beachtung des damaligen Wissensstandes mehr oder weniger überzeugend.<ref>Henry Fairfield Osborn (1905): ''From the Greeks to Darwin: An Outline of the Development of the Evolution Idea''. Macmillan and Co., London.</ref> Sie stellten jedoch keine Theorie dar. Erst im Anschluss entwickelten sich umfassende wissenschaftliche Theoriengebäude auf Basis empirischer Befunde.


Psychische Prozesse, die ''Seelentätigkeit'', sind für Vogt'' nur Funktionen der Gehirnsubstanz'', die Gedanken produziert ähnlich wie die Niere den Urin. Eine unsterbliche ''Seele anzunehmen, die sich des Gehirnes wie eines Instrumentes bedient, mit dem sie arbeiten kann, ist reiner Unsinn''.<ref>C. Vogt: ''Physiologische Briefe''. Stuttgart 1847, S. 206</ref> Vogt behauptete einen direkten, materiellen Einfluss der Nahrung auf den Menschen, seinen Charakter und sein Verhalten: die Schwerfälligkeit der Teltower Rübenbauern sollte etwa aus den aufgenommen Steckrübenatomen stammen. Nach 1848 leugnete Vogt offen die [[Willensfreiheit]] des Menschen.<ref>C. Vogt: ''Untersuchungen über Thierstaaten''. Frankfurt/Main 1851.</ref> Für Vogt gab es, wie sein Kontrahent, der idealistisch gesinnte [[Anatom]] [[Wikipedia:Rudolf Wagner (Mediziner)|Rudolf Wagner]] in der Replik auf Vogt feststellte, nur ''folgerichtige Denker'', die Materialisten, und alle anderen, ''blödsinnige und vernagelte Menschen''.<ref>R. Wagner: ''Ueber Wissen und Glauben''. Göttingen 1854, S. 7; vgl. C. Vogt: ''Physiologische Briefe''. Stuttgart 1847.</ref>
[[Jean-Baptiste de Lamarck]] (1744–1829) schlug 1809 ein Theoriengebäude des [[Transmutation der Arten|Artenwandels]] vor und war damit einer der ersten Evolutionstheoretiker. Er ging von einer [[Vererbung (Biologie)|Vererbung]] erworbener Merkmale aus, eine Betrachtungsweise, die im 19. Jahrhundert (vor der Kenntnis der Grundlagen der [[Genetik]]) noch lange verbreitet war. Selbst Charles Darwin ging 50 Jahre später (1859) davon aus, dass erworbene Eigenschaften weiter gegeben werden können. Das Theoriengebäude Lamarcks wird üblicherweise als [[Lamarckismus]] bezeichnet, wenngleich der Begriff in der Praxis auf den Aspekt der Vererbung erworbener Eigenschaften reduziert wird. Als weitere Komponente seines Theoriengebäudes ist zu nennen, dass er von einer auch heute noch ablaufenden kontinuierlichen Urzeugung von Kleinlebewesen ausging. Ferner nahm er an, dass nicht alle heutigen Arten auf gemeinsame Vorfahren zurückzuführen seien, sondern dass sich beispielsweise Pflanzen und Tiere aus getrennten Urzeugungen entwickelt haben.


Vogt vertrat, ähnlich wie [[Wikipedia:Georg Forster|Georg Forster]], den Standpunkt, dass sich mehrmals unabhängig voneinander menschenähnliche Affen entwickelt hätten, aus denen schließlich verschiedene Menschenarten hervorgegangen (diese These wird ''Polygenismus'' genannt, d.&nbsp;h. die Entstehung der Menschheit aus mehreren Ursprüngen, nicht aus einer einzigen Affe-Mensch-Übergangsform).<ref>[[Wikipedia:Gerhard Heberer|Gerhard Heberer]] (Hrsg.): Menschliche Abstammungslehre. Fortschritte der „Anthropogenie“ 1863–1964. Gustav Fischer, Stuttgart 1965, S. 2–5.</ref> Bereits [[Karl Ernst von Baer]] warnte (in der russischen Zeitschrift ''Naturalist'' 1865) vor den impliziten Folgen dieses Polygenismuskonzeptes.
[[Georges Cuvier]] (1769–1832) kam als vergleichender Anatom und Begründer der Paläontologie durch die Untersuchung zahlreicher [[Fossil]]ien in verschiedenen Ablagerungen zur Erkenntnis, dass die Baupläne der Lebewesen verwandt sind und dass Lebewesen aussterben können. Es maß dem wiederkehrenden Massenaussterben, beispielsweise durch [[Transgression (Geologie)|Meerestransgressionen]], wie er damals annahm, eine zentrale Rolle bei und war dadurch ein Hauptvertreter des [[Katastrophismus]].


In diesen Zusammenhang gehören auch Vogts [[Rassismus|rassistische]] und [[Sexismus|sexistische]] Auffassungen; Vogt argumentierte dabei „wissenschaftlich“, nämlich anatomisch. Schwarze sah er für minderwertig an, am tiefsten stehend schwarze Frauen; die beiden ''Endpunkte'' der Menschheit lagen für den Preußenhasser Vogt ''in den Negern einerseits und in den Germanen andererseits'', eine ''Summe der Unterschiede'', die letztlich ''größer ist als diejenige der Unterschiede zwischen zwei Affenarten''.<ref>''Vorlesungen über den Menschen''. Gießen 1863, S. 216</ref> Schwarze ''erinnern'', so Vogt, ''unwiderstehlich an den Affen: der kurze Hals, die langen, mageren Glieder, der aufgetriebene Hängebauch – Alles dies läßt unverkennbar den verwandten Affen durch die Menschenhülle hervorschimmern.''<ref>''Vorlesungen über den Menschen''. Gießen 1863, S. 218</ref>. Schädel- und Gehirnbau, Zahnlücken, die Krümmung der Wirbelsäule, Extremitätenknochen und Bau von Hand und Fuß (''in der That ein'', so Vogt, ''entschiedener Plattfuß'') zeigten ''entschiedenste Hinneigungen zum thierischen Typus'', die ''intellectuellen Fähigkeiten'' des Schwarzen bleiben ''stationär'' und ''das Individuum, wie die Rasse im Ganzen werden unfähig, weiter vorzuschreiten''.<ref>''Vorlesungen über den Menschen''. Gießen 1863, S. 216–237, 242–243</ref> Die schwarze „Rasse“, prinzipiell unfähig zum Fortschritt und zu höheren Kulturleistungen, wäre evolutiv angesiedelt zwischen den Menschenaffen und den höchststehenden Menschen: ''Die stete Arbeit kennt'' der Schwarze ''nicht, eben so wenig die Voraussicht in die Zukunft; ... im übrigen aber kann man dreist behaupten, daß die ganze Rasse weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart irgend etwas geleistet hat, welches zum Fortschritte des Entwickelungsganges der Menschheit nöthig oder der Erhaltung werth gewesen wäre.''<ref>''Vorlesungen über den Menschen''. Gießen 1863, S. 243</ref>  Zwischen Schwarzen und Menschenaffen würden die angeboren Schwachsinnigen vermitteln: ''Man braucht nur die Schädel des Chimpanse, Idioten und Negers neben einander zu stellen, wie wir hier thun, um zu zeigen, daß der Idiot sich genau zwischen die beiden in jeder Beziehung seinen Platz anweisen läßt.''<ref>''Vorlesungen über den Menschen''. Gießen 1863, S. 251</ref>. Frauen würden ähnlich Kindern oder ''niederen Rassen'' einen evolutionär älteren Zustand konservieren, die ''Ungleichheit der Geschlechter'' werde daher notwendigerweise ''umso größer, je mehr die Civilisation fortgeschritten ist''. Besonders Gehirn- und Schädelbau beweisen nach Vogt, ''daß der Abstand der Geschlechter in Bezug auf die [[Schädel]]höhle mit der Vollkommenheit der Rasse zunimmt, so daß der Europäer weit mehr die Europäerin überragt, als der Neger die Negerin''.<ref>''Vorlesungen über den Menschen''. Gießen 1863, S. 94–95</ref>
[[Étienne Geoffroy Saint-Hilaire]] (1772–1844) stellte sich gegen Thesen von Cuvier und vertrat eine Kontinuität der Entwicklung von den nur fossil bekannten Organismen zu den rezent lebenden. Er postulierte einen Grundplan aller Tiere, der Wirbellosen und der Wirbeltiere, und lieferte sich diesbezüglich weit herum beachtete Auseinandersetzungen (den [[Pariser Akademiestreit]] von 1830) mit Georges Cuvier, der von vier verschiedenen Hauptbauplantypen (Wirbeltiere, Weichtiere, Strahlentiere und Gliedertiere) im Tierreich ausging.  


Nach 1850 geriet er in Gegensatz zu den Sozialisten unter [[Karl Marx]], den er 1845 in Paris kennengelernt hatte. 1860 beschuldigte ihn Marx in seiner Schrift ''[[Wikipedia:Herr Vogt|Herr Vogt]]'', ein bezahlter Agent von Kaiser [[Wikipedia:Napoléon III.|Napoléon III.]] gewesen zu sein, und mitverantwortlich für die Ausweisung [[Wikipedia:Wilhelm Liebknecht|Wilhelm Liebknecht]]s aus der Schweiz 1850.
Charles Darwin (1809–1882) hat seine Theorie schon 1838 entworfen, aber aufgrund des wenig aufgeschlossenen Umfelds in seinem Heimatland und auch weil er viele Erkenntnisse zunächst noch als Hypothesen betrachtete, diese erst 20 Jahre später (1858) vorgetragen und im Folgejahr (1859) veröffentlicht. Sein Theoriengebäude beruhte auf breiten biologisch-naturwissenschaftlichen Beobachtungen, soweit sie damals bekannt waren. Parallel kam auch ein jüngerer Zoologe, [[Alfred Russel Wallace]] (1823–1913) zu sehr ähnlichen Schlüssen. Beide Arbeiten, die bald als [[Darwinismus]] oder Darwinsche Evolutionstheorie bezeichnet wurden, entstanden wohl ganz oder weitgehend unabhängig voneinander. Inhaltliche Unterschiede betrafen etwa die Frage, wie intensiv sich die verschiedenen [[Evolutionsfaktor]]en auswirken und welche bestimmend sind. Die biologische Evolution erklärten beide durch die bessere Anpassung aller Organismen an ihre Umwelt und damit verbunden eine allmählichen Zunahme von [[Wikipedia:Komplexes adaptives System|Komplexität]] (Höherentwicklung und Bauplan-Transformationen).<ref>Ulrich Kutschera (2009): ''Tatsache Evolution. Was Darwin nicht wissen konnte.'' Deutscher Taschenbuch Verlag, München, S. 291–292.</ref>


== Schriften ==
== Weitere geschichtliche Entwicklung ==
* ''Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Geburtshelferkröte. (Alytes obstetricans).'' Jent und Gassman, Solothurn 1842, S. 130.
{{Hauptartikel|Geschichte der Evolutionstheorie}}
* ''Im Gebirg und auf den Gletschern.'' 1843.
[[Datei:Charles Darwin aged 51.jpg|thumb|[[Charles Darwin]] im Alter von 51 Jahren, kurz nach der Veröffentlichung des Buches ''The Origin of Species'']]
* ''Lehrbuch der Geologie und Petrefactenkunde.'' 1846.
* ''Physiologische Briefe.'' 1847.
* ''Die politischen Aufgaben der Opposition in unserer Zeit.'' 1849.
* ''Zoologische Briefe.'' 2 Bände. 1851. ({{DTAW|vogt_briefe01_1851}} Bd. 1, {{DTAW|vogt_briefe02_1851}} Bd. 2)
* ''Untersuchungen über Thierstaaten.'' 1851. ({{DTAW|vogt_thierstaaten_1851}})
* ''Bilder aus dem Thierleben.'' 1852. {{doi|10.5962/bhl.title.1729}}
* ''Köhlerglaube und Wissenschaft. Eine Streitschrift gegen den Hofrat Rudolph Wagner in Göttingen.'' 1855.
* ''Studien zur gegenwärtigen Lage Europas.'' 1859.
* ''Altes und Neues aus Tier- und Menschenleben.'' 2 Bände. 1859.
* ''Vorlesungen über den Menschen, seine Stellung in der Schöpfung und in der Geschichte der Erde.'' 1863.
* ''Nord-Fahrt entlang der Norwegischen Küste, nach dem [[Nordkap]], den Inseln [[Jan Mayen]] und [[Island]].'' 1863.
* ''Physiologie des Geschmacks.'' 1865.
* ''Politische Briefe.'' 1870–1871.
* ''Die Säugetiere in Wort und Bild.'' 1883.
* ''Lehrbuch der praktischen vergleichenden Anatomie.'' 2 Bände. 1885 bis 1895.
* ''Aus meinem Leben. Erinnerungen und Rückblicke.'' Stuttgart 1896, unvollendet.


'''Übersetzungen:'''
Darwin und Wallace präsentierten im Jahre 1858 ihre Arbeiten zur Theorie der Evolution durch natürliche Selektion gemeinsam in der [[Linnean Society of London]].<ref>A. R. Wallace & C. Darwin (1858): ''On the Tendency of Species to form Varieties, and on the Perpetuation of Varieties and Species by Natural Means of Selection.'' Jour. of the Proc. of the Linnean Society (Zoology), 3, S. 53–62. [http://darwin-online.org.uk/content/frameset?itemID=F350&viewtype=text&pageseq=1]</ref> Diese Veröffentlichung wurde wenig beachtet, aber das von Darwin 1859 veröffentlichte Buch ''[[The Origin of Species]]'' erläuterte das Theoriensystem sehr ausführlich und führte zu der erwarteten gesellschaftlichen und kirchlichen Auseinandersetzung. Darwins spezifische Thesen zur Evolution, wie der [[Gradualismus]] und die [[natürliche Selektion]], stießen auf erhebliche Widerstände. Auch Lamarckisten waren Gegenspieler und argumentierten, dass doch Merkmale durch [[Training]] erworben würden und nicht durch einen [[Selektion (Evolution)|Selektionsprozess]]. Da jedoch alle Experimente zum Nachweis des „Lamarckismus“ scheiterten, wurde diese Theorie schließlich doch zugunsten des „Darwinismus“ fallengelassen. In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich eine immer größere Akzeptanz der Darwinschen Evolutionstheorie.
* [[Wikipedia:Edouard Desor|Edouard Desor]]: ''Die Besteigung des Jungfrauhorns durch Agassiz und seine Gefährten.'' Jent und Gassmann, Solothurn 1842 (Übersetzung von ''L’ascension de la Jungfrau effectuée le 28 août 1841 par MM. Agassiz, Forbes, Du Chatelier et Desor,'' 1841).
* [[Wikipedia:Robert Chambers (Verleger, 1802)|Robert Chambers]]: ''Natürliche Geschichte der Schöpfung des Weltalls, der Erde und der auf ihr befindlichen Organismen.'' Vieweg, Braunschweig 1851; 2., verbesserte Auflage 1858 (Übersetzung von ''[[Wikipedia:Vestiges of the Natural History of Creation|Vestiges of the Natural History of Creation]],'' 1844).


== Literatur ==
Darwin konnte jedoch nicht erklären, wie Merkmale von Generation zu Generation weitergegeben werden und warum sich [[Phänotypische Variation|Variationen]] dieser Merkmale nicht durch Vererbung vermischten. Der Mechanismus dafür wurde erst 1865 (gedruckt 1866) von [[Gregor Mendel]] geliefert, der zeigte, dass Merkmale vielfach in einer genau definierten und vorhersagbaren Weise vererbt werden.<ref>F. Weiling (1991): ''Historical study: Johann Gregor Mendel 1822-1884.'' Am. J. Med. Genet. 40:1, S. 1–25; Diskussion S. 26.</ref> Seine Arbeiten blieben jedoch bis um 1900 unentdeckt, als die Vererbungsgrundlagen unabhängig voneinander durch weitere Wissenschaftler entdeckt, veröffentlicht und propagiert wurden. Allerdings resultierten nun unterschiedliche Berechnungen und Voraussagen hinsichtlich der Geschwindigkeit der Evolution und führten zu einem tiefen Graben zwischen dem mendelschen und dem darwinschen Konzept der Vererbung, denn die nunmehr entdeckten genetischen Befunde legten eine Konstanz der Merkmale nahe. Der Widerspruch zu der Veränderlichkeit der Arten gemäß Darwinscher Evolutionstheorie wurde erst ab 1930 aufgelöst, u.&nbsp;a. durch die Arbeit des Biologen [[Ronald Fisher]]. Das Ergebnis war eine Kombination der Darwin-Wallace'schen Natürlichen Selektion mit den [[Mendelsche Regeln|mendelschen Vererbungsregeln]], die als [[Synthetische Evolutionstheorie|Synthetische Theorie der Evolution]] bezeichnet wurde.<ref>Peter J. Bowler (1989): ''The Mendelian Revolution: The Emergence of Hereditarian Concepts in Modern Science and Society.'' Johns Hopkins University Press, Baltimore. ISBN 978-0-8018-3888-0</ref> Ernst Mayr u.&nbsp;a. erweiterten sie um Erkenntnisse anderer Wissenschaftsgebiete, insbesondere der [[Populationsbiologie]]. Die Synthetische Theorie wurde seitdem kontinuierlich vervollständigt<ref name="KN">Ulrich Kutschera & Karl J. Niklas (2004): ''The modern theory of biological evolution: an expanded synthesis.'' Naturwissenschaften, 91:6, S. 255–276.</ref><ref name="K">Ulrich Kutschera (2008): ''Evolutionsbiologie.'' 3. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.</ref><ref name="Pigliucci-Müller">Pigliucci, Massimo & Müller Gerd B. (2010): ''Evolution - the Extended Synthesis.'' MIT Press, Cambridge.</ref>, zunächst um die [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] als Trägermolekül des Erbgutes durch Oswald Avery im Jahr 1944. Ein knappes Jahrzehnt später erklärten James Watson und Francis Crick durch die Entschlüsselung der molekularen Struktur der DNA im Jahr 1953 die Funktionsweise und somit die physische Basis der Vererbung. Dies ermöglichte unter anderem ein Verständnis des für die Evolution wesentlichen Vorgangs der [[Mutation]]. Seitdem sind Genetik und Molekularbiologie als wichtige zentrale Grundlagenwissenschaften hinzugekommen.
* Kurt Bayertz, Walter Jaeschke, Myriam Gerhard (Hrsg.): ''Weltanschauung, Philosophie und Naturwissenschaft im 19. Jahrhundert. Der Materialismusstreit.'' Band 1. Meiner, Hamburg 2007, ISBN 3787317775.
 
* Annette Wittkau-Horgby: ''Materialismus.'' Habilitationsschrift. Universität Hannover 1997. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3525013752.
Gemeinsam bilden diese und weitere Bausteine und Grundlagen den Lehr- und Forschungsinhalt der heutigen modernen Evolutionsbiologie.
* Fredrick Gregory: ''Scientific Materialism in Nineteenth Century Germany.'' Springer, Berlin u.&nbsp;a. 1977, ISBN 902770760X.
 
* Christian Jansen: ''Politischer Streit mit harten Bandagen. Zur brieflichen Kommunikation unter den emigrierten Achtunvierzigern - unter besonderer Berücksichtigung der Kontroverse zwischen Marx und Vogt''. In: Jürgen Herres, Manfred Neuhaus (Hrsg.): ''Politische Netzwerke durch Briefkommunikation. Brierfkultur der politischen Oppositionsbewegungen im 19. Jahrhundert''. Akademie Verlag, Berlin 2002. ISBN 3-05-003688-5, S. 49–100.
== Erkenntnis und Glaube ==
* Hermann Misteli: ''Carl Vogt. Seine Entwicklung vom angehenden naturwissenschaftlichen Materialisten zum idealen Politiker der Paulskirche (1817–1849).'' Gebr. Leemann, Zürich 1938.
Ungeachtet des wissenschaftlich schlüssigen und immer weiter untermauerten Theoriengebäudes der biologischen Evolution bezweifeln Teile der Bevölkerung die Realität des biologischen Evolutionsprozesses und der Evolutionstheorie. Protagonisten einer vielfach [[Kreationismus|kreationistischen]] Argumentsweise sind meist religiös inspirierte Gruppen, primär aus dem fundamentalistischen Bereich der drei [[Abrahamitische Religionen|abrahamitischen Religionen]] [[Judentum]], [[Christentum]] und [[Islam]], deren strikte Anhänger die vielfach bildhafte Sprache religiöser Schriften bezüglich der Entstehung der Erde und der lebenden Organismen wörtlich interpretieren. Die entsprechenden schriftlich formulierten [[Schöpfung]]smythen stammen aus dem ersten und zweiten Jahrtausend vor Christus, lassen aber eine noch frühere mündliche Entstehungszeit vermuten, die wenigstens bis in die [[Sumer|sumerisch]]-[[akkad]]ische Zeit [[Mesopotamien|Alt-Mesopotamiens]] zurückreicht. Die Übertragung der damaligen Interpretationen in die heutigen Kenntnisse der realen Welt ist als unwissenschaftlich zu werten.
* [[Karl Marx]]: ''[[Herr Vogt]].'' London 1860.
 
* {{ADB|40|181|189|Vogt, Carl|Ernst Krause|ADB:Vogt, Carl}}
Als einflussreicher Ursprung einer neuerlichen Evolutionstheorie-Skepsis im 20. und 21. Jahrhundert gilt der [[Christlicher Fundamentalismus|christliche Fundamentalismus]], wie er in Teilen der [[Vereinigte Staaten|USA]] propagiert wird und von dort auf andere Erdregionen übergegriffen hat. In den Strömungen des Islam sind nicht-wissenschaftliche Argumentationsweisen und eine rein religiös begründete Betrachtung der irdischen Lebewesen generell weit verbreitet.
* Artikel "''In einem Genfer Landhause''" in: ''Die Gartenlaube'', Bd. 1867 (Teil 1), S. 148–152.
 
* Helge Dvorak: ''Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, Band I Politiker, Teil 6: T–Z'', Heidelberg 2005, S. 156–159.
Die meisten christlichen Kirchen Europas erkennen die wissenschaftliche Evolutionstheorie dem Prinzip nach an und versuchen etwa in der [[Theistische Evolution|theistischen Evolution]] einen Kompromiss. So erklärte die [[Römisch-katholische Kirche]] in einer Botschaft von Papst [[Johannes Paul II.]] am 22. Oktober 1996 die Vereinbarkeit der Evolutionstheorie mit dem christlichen Glauben.<ref> {{Internetquelle | url=https://w2.vatican.va/content/john-paul-ii/it/messages/pont_messages/1996/documents/hf_jp-ii_mes_19961022_evoluzione.html| titel=Johannes Paul II: Messagio di Giovanni Paolo II ai partecipanti alla plenaria della pontificia accademia delle scienze, 22.10.1996, vatican.va | zugriff=2017-06-23}}</ref><ref>{{Internetquelle | url=http://www.rsng.de/diskurs/schwerpunkt-id/1996-johannes-paul-ii-zur-evolutionstheorie.html| titel=1996: Johannes Paul II. zur Evolutionstheorie, forum-grenzfragen.de | zugriff=2017-06-23}}</ref> Die [[Evangelische Kirche in Deutschland]] distanziert sich ebenfalls vom Kreationismus.<ref>[https://www.ekd.de/news_2008_04_01_2_ekd_text_94.htm ''Evangelische Kirche zieht klare Trennlinie zu Kreationismus.''] Auf: ''ekd.de'' vom 1. April 2008, abgerufen am 10. Juli 2018</ref>
* Deutsche Monats-Hefte, Band 3, S. 388 [http://books.google.de/books?id=O9dbCPOoGqgC&pg=PA388 Digitalisat]
 
== Siehe auchb ==
* {{WikipediaDE|Evolutionstheorie}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wiktionary|Evolutionstheorie}}
{{Wikisource}}
{{Wikisource}}
{{Commons}}{{Wikiquote|Carl Vogt|Carl Vogt}}
* [http://www.martin-neukamm.de Homepage der AG EvoBio]


== Einzelbelege ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
<references/>


{{Normdaten|TYP=p|GND=118769014|LCCN=n/86/138215|VIAF=27222938}}
{{Normdaten|TYP=s|GND=4071051-8}}
 
{{SORTIERUNG:Vogt, Carl}}
 
[[Kategorie:Deutscher]]
[[Kategorie:Schweizer]]
[[Kategorie:Geboren 1817]]
[[Kategorie:Gestorben 1895]]
[[Kategorie:Mann]]


{{Personendaten
[[Kategorie:Evolutionsbiologie]]
|NAME=Vogt, Carl
[[Kategorie:Evolution]]
|ALTERNATIVNAMEN=Vogt, August Christoph Carl (vollständiger Name)
|KURZBESCHREIBUNG=deutsch-schweizerischer Naturwissenschaftler und Politiker
|GEBURTSDATUM=5. Juli 1817
|GEBURTSORT=[[Gießen]]
|STERBEDATUM=5. Mai 1895
|STERBEORT=[[Plainpalais]]
}}


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 5. Dezember 2018, 17:41 Uhr

Unter einer Evolutionstheorie versteht man die wissenschaftliche und in sich stimmige Beschreibung der Entstehung und Veränderung der biologischen Einheiten, speziell der Arten, als Ergebnis der organismischen Evolution, d. h. eines Entwicklungsprozesses im Laufe der Erdgeschichte, der stattgefunden hat und andauert. Evolutionstheorien sind naturgemäß jeweils ein Produkt der Zeit ihrer Entstehung und spiegeln die jeweiligen Erkenntnisse, die Faktenlage und die wissenschaftlichen Herangehensweisen der Zeit wider.

Da sich die moderne Evolutionsbiologie mit zahlreichen, teilweise sehr unterschiedlichen Ansätzen und Analysen beschäftigt, wo vielfach temporäre Hypothesen entworfen und später teilweise zugunsten verfeinerter Hypothesen wieder aufgegeben werden, ist es mittlerweile Konsens, dass man nicht von einer eigentlichen und allumfassenden „Evolutionstheorie“ sprechen sollte, sondern dass gewissermaßen ein Theoriengebäude vorliegt, wo viele Erkenntnisstränge von der Paläontologie bis zur Molekularbiologie zusammenfließen und sich wechselseitig zu einer Gesamtsicht ergänzen. Ein Überblick und weiterführende Links über zentrale Inhalte des aktuellen Theoriengebäudes sind unter Evolution, die derzeit diskutierten Hypothesen und Theorien zur Entstehung des Lebens unter Chemische Evolution abgehandelt.

Entstehung der Evolutionstheorien

Jean-Baptiste de Lamarck (1744–1829), einer der ersten namhaften Evolutionstheoretiker

Vage Ideen darüber, wie oder wo Leben entstanden sei, wurden verschiedentlich schon von Gelehrten des antiken Griechenlands geäußert. Thales von Milet vermutete den Ursprung des Lebens im Wasser, Anaximander sprach direkt von einer Urzeugung in feuchter Umgebung, Aristoteles vermutete die Urzeugung im Schlamm und Schmutz. Judentum, Christentum und Islam gingen von einem göttlichen Akt der Schöpfung aus und vertraten das Konzept einer Artkonstanz, dem bis etwa zur Aufklärung auch viele Gelehrte Europas folgten. Alle diese Hypothesen schienen in ihrer jeweiligen Zeit und unter Beachtung des damaligen Wissensstandes mehr oder weniger überzeugend.[1] Sie stellten jedoch keine Theorie dar. Erst im Anschluss entwickelten sich umfassende wissenschaftliche Theoriengebäude auf Basis empirischer Befunde.

Jean-Baptiste de Lamarck (1744–1829) schlug 1809 ein Theoriengebäude des Artenwandels vor und war damit einer der ersten Evolutionstheoretiker. Er ging von einer Vererbung erworbener Merkmale aus, eine Betrachtungsweise, die im 19. Jahrhundert (vor der Kenntnis der Grundlagen der Genetik) noch lange verbreitet war. Selbst Charles Darwin ging 50 Jahre später (1859) davon aus, dass erworbene Eigenschaften weiter gegeben werden können. Das Theoriengebäude Lamarcks wird üblicherweise als Lamarckismus bezeichnet, wenngleich der Begriff in der Praxis auf den Aspekt der Vererbung erworbener Eigenschaften reduziert wird. Als weitere Komponente seines Theoriengebäudes ist zu nennen, dass er von einer auch heute noch ablaufenden kontinuierlichen Urzeugung von Kleinlebewesen ausging. Ferner nahm er an, dass nicht alle heutigen Arten auf gemeinsame Vorfahren zurückzuführen seien, sondern dass sich beispielsweise Pflanzen und Tiere aus getrennten Urzeugungen entwickelt haben.

Georges Cuvier (1769–1832) kam als vergleichender Anatom und Begründer der Paläontologie durch die Untersuchung zahlreicher Fossilien in verschiedenen Ablagerungen zur Erkenntnis, dass die Baupläne der Lebewesen verwandt sind und dass Lebewesen aussterben können. Es maß dem wiederkehrenden Massenaussterben, beispielsweise durch Meerestransgressionen, wie er damals annahm, eine zentrale Rolle bei und war dadurch ein Hauptvertreter des Katastrophismus.

Étienne Geoffroy Saint-Hilaire (1772–1844) stellte sich gegen Thesen von Cuvier und vertrat eine Kontinuität der Entwicklung von den nur fossil bekannten Organismen zu den rezent lebenden. Er postulierte einen Grundplan aller Tiere, der Wirbellosen und der Wirbeltiere, und lieferte sich diesbezüglich weit herum beachtete Auseinandersetzungen (den Pariser Akademiestreit von 1830) mit Georges Cuvier, der von vier verschiedenen Hauptbauplantypen (Wirbeltiere, Weichtiere, Strahlentiere und Gliedertiere) im Tierreich ausging.

Charles Darwin (1809–1882) hat seine Theorie schon 1838 entworfen, aber aufgrund des wenig aufgeschlossenen Umfelds in seinem Heimatland und auch weil er viele Erkenntnisse zunächst noch als Hypothesen betrachtete, diese erst 20 Jahre später (1858) vorgetragen und im Folgejahr (1859) veröffentlicht. Sein Theoriengebäude beruhte auf breiten biologisch-naturwissenschaftlichen Beobachtungen, soweit sie damals bekannt waren. Parallel kam auch ein jüngerer Zoologe, Alfred Russel Wallace (1823–1913) zu sehr ähnlichen Schlüssen. Beide Arbeiten, die bald als Darwinismus oder Darwinsche Evolutionstheorie bezeichnet wurden, entstanden wohl ganz oder weitgehend unabhängig voneinander. Inhaltliche Unterschiede betrafen etwa die Frage, wie intensiv sich die verschiedenen Evolutionsfaktoren auswirken und welche bestimmend sind. Die biologische Evolution erklärten beide durch die bessere Anpassung aller Organismen an ihre Umwelt und damit verbunden eine allmählichen Zunahme von Komplexität (Höherentwicklung und Bauplan-Transformationen).[2]

Weitere geschichtliche Entwicklung

Charles Darwin im Alter von 51 Jahren, kurz nach der Veröffentlichung des Buches The Origin of Species

Darwin und Wallace präsentierten im Jahre 1858 ihre Arbeiten zur Theorie der Evolution durch natürliche Selektion gemeinsam in der Linnean Society of London.[3] Diese Veröffentlichung wurde wenig beachtet, aber das von Darwin 1859 veröffentlichte Buch The Origin of Species erläuterte das Theoriensystem sehr ausführlich und führte zu der erwarteten gesellschaftlichen und kirchlichen Auseinandersetzung. Darwins spezifische Thesen zur Evolution, wie der Gradualismus und die natürliche Selektion, stießen auf erhebliche Widerstände. Auch Lamarckisten waren Gegenspieler und argumentierten, dass doch Merkmale durch Training erworben würden und nicht durch einen Selektionsprozess. Da jedoch alle Experimente zum Nachweis des „Lamarckismus“ scheiterten, wurde diese Theorie schließlich doch zugunsten des „Darwinismus“ fallengelassen. In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich eine immer größere Akzeptanz der Darwinschen Evolutionstheorie.

Darwin konnte jedoch nicht erklären, wie Merkmale von Generation zu Generation weitergegeben werden und warum sich Variationen dieser Merkmale nicht durch Vererbung vermischten. Der Mechanismus dafür wurde erst 1865 (gedruckt 1866) von Gregor Mendel geliefert, der zeigte, dass Merkmale vielfach in einer genau definierten und vorhersagbaren Weise vererbt werden.[4] Seine Arbeiten blieben jedoch bis um 1900 unentdeckt, als die Vererbungsgrundlagen unabhängig voneinander durch weitere Wissenschaftler entdeckt, veröffentlicht und propagiert wurden. Allerdings resultierten nun unterschiedliche Berechnungen und Voraussagen hinsichtlich der Geschwindigkeit der Evolution und führten zu einem tiefen Graben zwischen dem mendelschen und dem darwinschen Konzept der Vererbung, denn die nunmehr entdeckten genetischen Befunde legten eine Konstanz der Merkmale nahe. Der Widerspruch zu der Veränderlichkeit der Arten gemäß Darwinscher Evolutionstheorie wurde erst ab 1930 aufgelöst, u. a. durch die Arbeit des Biologen Ronald Fisher. Das Ergebnis war eine Kombination der Darwin-Wallace'schen Natürlichen Selektion mit den mendelschen Vererbungsregeln, die als Synthetische Theorie der Evolution bezeichnet wurde.[5] Ernst Mayr u. a. erweiterten sie um Erkenntnisse anderer Wissenschaftsgebiete, insbesondere der Populationsbiologie. Die Synthetische Theorie wurde seitdem kontinuierlich vervollständigt[6][7][8], zunächst um die DNA als Trägermolekül des Erbgutes durch Oswald Avery im Jahr 1944. Ein knappes Jahrzehnt später erklärten James Watson und Francis Crick durch die Entschlüsselung der molekularen Struktur der DNA im Jahr 1953 die Funktionsweise und somit die physische Basis der Vererbung. Dies ermöglichte unter anderem ein Verständnis des für die Evolution wesentlichen Vorgangs der Mutation. Seitdem sind Genetik und Molekularbiologie als wichtige zentrale Grundlagenwissenschaften hinzugekommen.

Gemeinsam bilden diese und weitere Bausteine und Grundlagen den Lehr- und Forschungsinhalt der heutigen modernen Evolutionsbiologie.

Erkenntnis und Glaube

Ungeachtet des wissenschaftlich schlüssigen und immer weiter untermauerten Theoriengebäudes der biologischen Evolution bezweifeln Teile der Bevölkerung die Realität des biologischen Evolutionsprozesses und der Evolutionstheorie. Protagonisten einer vielfach kreationistischen Argumentsweise sind meist religiös inspirierte Gruppen, primär aus dem fundamentalistischen Bereich der drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam, deren strikte Anhänger die vielfach bildhafte Sprache religiöser Schriften bezüglich der Entstehung der Erde und der lebenden Organismen wörtlich interpretieren. Die entsprechenden schriftlich formulierten Schöpfungsmythen stammen aus dem ersten und zweiten Jahrtausend vor Christus, lassen aber eine noch frühere mündliche Entstehungszeit vermuten, die wenigstens bis in die sumerisch-akkadische Zeit Alt-Mesopotamiens zurückreicht. Die Übertragung der damaligen Interpretationen in die heutigen Kenntnisse der realen Welt ist als unwissenschaftlich zu werten.

Als einflussreicher Ursprung einer neuerlichen Evolutionstheorie-Skepsis im 20. und 21. Jahrhundert gilt der christliche Fundamentalismus, wie er in Teilen der USA propagiert wird und von dort auf andere Erdregionen übergegriffen hat. In den Strömungen des Islam sind nicht-wissenschaftliche Argumentationsweisen und eine rein religiös begründete Betrachtung der irdischen Lebewesen generell weit verbreitet.

Die meisten christlichen Kirchen Europas erkennen die wissenschaftliche Evolutionstheorie dem Prinzip nach an und versuchen etwa in der theistischen Evolution einen Kompromiss. So erklärte die Römisch-katholische Kirche in einer Botschaft von Papst Johannes Paul II. am 22. Oktober 1996 die Vereinbarkeit der Evolutionstheorie mit dem christlichen Glauben.[9][10] Die Evangelische Kirche in Deutschland distanziert sich ebenfalls vom Kreationismus.[11]

Siehe auchb

Weblinks

 Wiktionary: Evolutionstheorie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikisource: Evolutionstheorie – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Henry Fairfield Osborn (1905): From the Greeks to Darwin: An Outline of the Development of the Evolution Idea. Macmillan and Co., London.
  2. Ulrich Kutschera (2009): Tatsache Evolution. Was Darwin nicht wissen konnte. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, S. 291–292.
  3. A. R. Wallace & C. Darwin (1858): On the Tendency of Species to form Varieties, and on the Perpetuation of Varieties and Species by Natural Means of Selection. Jour. of the Proc. of the Linnean Society (Zoology), 3, S. 53–62. [1]
  4. F. Weiling (1991): Historical study: Johann Gregor Mendel 1822-1884. Am. J. Med. Genet. 40:1, S. 1–25; Diskussion S. 26.
  5. Peter J. Bowler (1989): The Mendelian Revolution: The Emergence of Hereditarian Concepts in Modern Science and Society. Johns Hopkins University Press, Baltimore. ISBN 978-0-8018-3888-0
  6. Ulrich Kutschera & Karl J. Niklas (2004): The modern theory of biological evolution: an expanded synthesis. Naturwissenschaften, 91:6, S. 255–276.
  7. Ulrich Kutschera (2008): Evolutionsbiologie. 3. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
  8. Pigliucci, Massimo & Müller Gerd B. (2010): Evolution - the Extended Synthesis. MIT Press, Cambridge.
  9. Johannes Paul II: Messagio di Giovanni Paolo II ai partecipanti alla plenaria della pontificia accademia delle scienze, 22.10.1996, vatican.va. Abgerufen am 23. Juni 2017.
  10. 1996: Johannes Paul II. zur Evolutionstheorie, forum-grenzfragen.de. Abgerufen am 23. Juni 2017.
  11. Evangelische Kirche zieht klare Trennlinie zu Kreationismus. Auf: ekd.de vom 1. April 2008, abgerufen am 10. Juli 2018


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Evolutionstheorie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.