Meditation und Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz Anno 1459: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Gichtel irdischer Mensch.jpg|thumb|Der ganz Irdische, Natürliche, Finstere Mensch in Sternen und Elementen, Johann Georg Gichtel: Theosophia Practica, Berlin/Leipzig 1736]]
[[Bild:Chymische_Hochzeit.gif|thumb|''Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459'', Ausgabe 1616]]
[[Datei:Gichtel wiedergeborener Mensch.jpg|thumb|Der wiedergeborene Mensch In seiner Geburt in Christo, im Herzen, Welcher die Schlange ganz zermalmet, Johann Georg Gichtel: Theosophia Practica, Berlin/Leipzig 1736]]  
Die '''Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459''' erschien 1616 in [[Wikipedia:Straßburg|Straßburg]] bei ''Lazare Zetzner'' erstmals im Druck, nachdem sie zuvor schon einige Zeit als Handschrift im Umlauf war. Entstanden ist sie zwischen 1603 und 1605. Geschildert werden darin die Einweihungserlebnisse des [[Christian Rosenkreutz]], die schließlich zur Begründung des [[Rosenkreuzer-Schulungsweg]]s geführt haben, in Form eines alchemistischen Romans.  
Die '''Meditation''' (von [[Wikipedia:Latein|lat.]] meditatio = ''Nachdenken'') ist eine grundlegende geistige Übung, bei der durch geeignete [[Seelenübungen]] die [[wille]]ntliche [[Konzentration]] auf eine Tätigkeit, eine [[Wahrnehmung]], einen [[Gedanke]]n oder ähnliches die [[Seelenkräfte]] gestärkt und durchformt werden. Es werden dadurch allmählich im [[Astralleib]] [[Lotusblumen|seelische Organe]] ausgebildet, die zu einer höheren geistigen Wahrnehmung und einem damit verbundenen höheren [[Bewusstsein]]szustand führen.  


== [[Katharsis]] ==
== [[Johann Valentin Andreae]] ==
In rechter Weise werden die seelischen Wahrnehmungsorgane aber nur ausgebildet, wenn der Astralleib zuvor einer gründlichen Reinigung ([[Katharsis]]) unterworfen wurde. Geschieht dies nicht, so werden durch die Meditationsübung auch alle noch im Astralleib waltenden negativen Kräfte, wie etwa Eitelkeit, Unehrlichkeit, Neid usw., verstärkt und der Geistesschüler dadurch auf moralisch bedenkliche Abwege geführt. Es gilt daher als [[goldene Regel]] für jedes geistige Erkenntnisstreben:
[[Bild:Johann_Valentin_Andreae.jpg|thumb|left|Johann Valentin Andreae (1586-1654)]]
Die ''Chymische Hochzeit'' erschien zunächst anonym, doch gilt als ihr Autor [[Johann Valentin Andreae]]. Im äußeren Sinn ist das wohl richtig, doch war er nicht mehr als ein Werkzeug der geistigen Welt, denn wie [[Rudolf Steiner]] deutlichlich gemacht hat, war ihr geistiger Urheber gar keine physische Persönlichkeit:


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"Und diese goldene Regel ist: wenn du einen Schritt vorwärts zu machen versuchst in der Erkenntnis geheimer Wahrheiten, so mache zugleich drei vorwärts in der Vervollkommnung deines Charakters zum Guten." {{Lit|{{G|010|65}}}}
"Aber kein Mensch, der die Biographie des Valentin Andrea kennt, wird im Zweifel darüber sein, daß der Valentin Andrea, der später ein philiströser Pastor geworden ist und salbungsvolle andere Bücher schrieb, nicht die «ChymischeHochzeit» geschrieben hat. Es ist ein bloßer Unsinn, zu glauben, daß der Valentin Andrea die «Chymische Hochzeit» geschrieben hat. Denn vergleichen Sie nur einmal die «Chymische Hochzeit» oder die «Reformation der ganzen Welt» oder die anderen Schriften von Valentinus Andrea - physisch war es schon dieselbe Persönlichkeit - mit dem schmalzig Salbungsvollen, Fettig-Öligen, was der Pastor Valentin Andrea, der nur denselben Namen trägt, in seinem späteren Leben dann geschrieben hat. Das ist doch ein höchst merkwürdiges Phänomen! Wir haben einen jungen Menschen, der überhaupt noch kaum erst die Schulzeit vollendet hat, der schreibt solche Dinge nieder wie die «Reformation der ganzen Welt», wie die «Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz», und wir müssen uns anstrengen, den inneren Sinn dieser Schriften zu ergründen. Er selber versteht gar nichts davon, denn das zeigt er später: er wird ein salbungsvoller öliger Pastor. Das ist derselbe Mensch! Und man braucht nur dieses Faktum zu nehmen, so muß man plausibel finden, was ich dazumal dargestellt habe: daß eben die «Chymische Hochzeit» nicht von einem Menschen geschrieben ist, oder nur insofern von einem Menschen geschrieben ist, nun ja - wie der stets angsterfüllte geheime Sekretär von Napoleon seine Briefe geschrieben hat. Aber Napoleon war immerhin ein Mensch, der stark mit seinen Füßen, mit seinen Beinen auf dem Boden stand, war eben eine physische Persönlichkeit. Derjenige, der die «Chymische Hochzeit» geschrieben hat, war nicht eine physische Persönlichkeit, und er hat sich dieses «Sekretärs» bedient, der eben dann später der ölige Pastor Valentin Andrea geworden ist." {{Lit|GA 232, S 143}}
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== Nebenübungen ==
== Inhalt ==


{{Hauptartikel|Nebenübungen}}
Die romanhafte Schilderung der ''Chymischen Hochzeit'' beginnt damit, dass der achtzigjähriger Christian Rosenkreutz, der um 1459 in einer Eremitage am Abhang eines Berges lebte, über ein selbsterlebtes Abenteuer zu berichten beginnt, das er am Vorabend des Ostertages erlebt hat. Die ganze Erzählung erstreckt sich über sieben seelische Tagewerke und beginnt damit, dass Christian Rosenkreutz, tief in die [[Meditation]] versenkt, plötzlich einen grausamen Wind an seine Hütte heranwehen spürt, ein Zeichen dafür, dass er mit seinem [[Bewusstsein]] in die rastlos bewegte [[Äther]]welt eingetreten ist. Da titt plötzlich ein herrliches Weib mit Flügeln voller Augen in blauem Kleid und güldenen Sternen und einer Posaune in der Hand an ihn heran und überrreicht ihm einen Brief, der ihn zu einer königlichen Hochzeit lädt. Auf der Posaune steht ein Name, den Christian Rosenkreutz wohl erkennt, aber nicht preisgeben darf. Die Hochzeit, so erinnert er sich plötzlich, war ihm schon sieben Jahre zuvor angekündigt worden. Das im Brief ebenfalls erwähnte Bild der ''drei Tempel'' bleibt ihm vorerst rätselhaft. Im Traum sieht er sich noch in der selben Nacht in einen Turm versetzt, wo er und unzählige andere in Ketten gelegt der Befreiung harren. Sieben Mal wird ein Seil herabgelassen, an dem manche der Gefangenen - und schließlich beim sechsten Mal auch Christian Rosenkreutz - hochgezogen werden.


Die [[Nebenübungen]], auch die [[Sechs Eigenschaften|sechs Eigenschaften]] genannt, dienen der Stärkung des [[Seelenleben]]s und sind eine wesentliche Vorbedingung für jeden, der eine [[Schulungsweg|geistige Schulung]] anstrebt. Diese Nebenübungen müssen stets die meditativen ''[[Hauptübungen]]'' begleiten. Indem man sich in diesen sechs Eigenschaften übt, wird die [[12-blättrige Lotosblume]], das [[Herzchakra]], regelmäßig ausgebildet, wird aktiv und beginnt sich zu drehen.  
Am dritten Tag erreicht Christian Rosenkreutz auf seiner Wanderung einen Berggipfel, wo er wie auch die Gäste durch eine Waage geprüft werden, deren Gewichte vielfach als die 7 [[Tugend]]en gedeutet werden. [[Rudolf Steiner]] sieht in ihnen die [[Sieben Freie Künste|Sieben Freien Künste]]. Diejenigen, die für tugendhaft befunden werden, dürfen der Hochzeit beiwohnen. Sie erhalten ein Goldenes Vlies und werden der königlichen Familie vorgestellt. Voller Erwartungen einer Hochzeit beizuwohnen, wird aber die königliche Familie geköpft und ihre Teile in sieben Schiffe verladen und auf einer weit abgelegenen Insel in den Olympischen Turm gebracht, der sieben Stockwerke hat. Innerhalb dieses Turmes erleben die Gäste einen Aufstieg und jeder von ihnen nimmt an alchemistischen Operationen teil, die durch einen Greis und eine Frau geführt werden. Aus den königlichen Überresten gewinnt man dabei eine Art flüssiges Destillat, welches ein weißes Ei gebiert. Aus diesem schlüpft wiederum ein Vogel, der gemästet und geköpft wird. Die Gäste werden aufgefordert aus den Überresten zwei winzige Statuen zu formen. Diese werden solang gefüttert, bis sie die Größe eines erwachsenen Menschen erreicht haben und es stellt sich heraus, dass diese der auferstandene König und die Königin sind. Nachdem das Werk vollbracht ist, werden die Gäste durch das Königspaar in den Orden vom Goldenen Stein eingeführt und kehren zum Schloss zurück. Christian Rosenkreutz spielt dabei noch eine weitere besondere Rolle. Da er im Schloss in das Mausoleum eingedrungen war, wurde er von der dort lebenden Venus als Schlosswächter verurteilt. Die Geschichte endet schließlich wieder in der Eremitage des Christian Rosenkreutz, womit nochmals verdeutlicht wird, dass es sich bei den Schilderungen um keine äußeren Erlebnisse, sondern um innere geistige Erfahrungen handelt.


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== Die Initiation durch Manes ==
"Die Nebenübungen bilden die an uns für den physischen Plan
notwendigen Eigenschaften aus, als da sind Gelassenheit, Gedankenkontrolle
usw.
 
Allmählich werden wir dann ein Fach in unserem Herzen, in
unserer Seele haben, in dem wir unser Heiligstes bewahren, in
dem wir Esoteriker sind, während wir draußen im Leben stehen
auf dem physischen Plan. Daß es dabei ohne Kampf nicht abgeht,
das ist selbstverständlich. Als Esoteriker müssen wir ein
Kämpfer werden.
 
Gedanken, die auf uns einstürmen, sind die uns umflatternden
Wesenheiten der geistigen Welt, die, je mehr wir versuchen, sie
abzuhalten, immer stärker auf uns einstürmen. Wir sollten darüber
nicht klagen, nein, «sei froh, daß dem so ist», darf man
dem Schüler sagen, denn das ist ein Erfolg der Meditation, der
zeigt, daß Gedanken eine geistige Macht sind. Mut und Furchtlosigkeit
und Vertrauen, das braucht der Esoteriker." {{Lit|{{G|266b|345}}}}
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== Meditation und Freiheit ==
Die [[Initiation]] des Christian Rosenkreutz im Jahre 1459 erfolgte durch [[Manes]] und war mit einer tieferen Einsicht in das Wesen und die Aufgabe des [[Böse]]n in der Welt verbunden:


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"Nicht wahr, solche Meditationen
"Als ein «höherer Grad» wird innerhalb dieser ganzen Strömung die Initiation des Manes angesehen, der 1459 auch Christian Rosenkreutz initiierte: sie besteht in der wahren Erkenntnis von der Funktion des Bösen. Diese Initiation muss mit ihren Hintergründen noch für lange vor der Menge ganz verborgen bleiben. Denn wo von ihr auch nur ein ganz kleiner Lichtstrahl in die Literatur eingeflossen ist, da hat er Unheil angerichtet, wie durch den edlen Guyau, dessen Schüler Friedrich Nietzsche geworden ist." {{Lit|GA 262, S 24}}
werden einfach gemacht dann, wenn man die Muße für sie findet. Je
öfter, desto besser. Sie werden immer die entsprechende Wirkung
haben. Es sollte gerade bei solchen Meditationen sich wirklich darum
handeln, persönliche Entwickelung anzustreben. Man sollte aus dem,
was sich da dem Geiste ergibt, dann den Zusammenschluß suchen und
findet ihn auch, so daß eigentlich am bedrückendsten sein müßte, wenn
in ganz bestimmter Weise Maßregeln gegeben würden, um diese Meditationen,
sei es von einzelnen oder von einer ganzen Gruppe, wie Sie
sagen, gleichzeitig machen zu lassen. Das alles führt ja auch dazu, daß
die Meditation etwas verliert, was sie eigentlich haben soll. Sehen Sie,
jede Meditation wird beeinträchtigt dadurch, daß man von der Verpflichtung
ausgeht, sie zu machen. Das müssen Sie sehr genau ins Auge
fassen. Jede Meditation wird dadurch beeinträchtigt, daß man von der
Verpflichtung ausgeht, sie machen zu müssen. Deshalb ist es bei den
persönlichen Meditationen durchaus notwendig, daß diese persönliche
Meditation allmählich übergeht in etwas im Menschen, was er seelisch
empfindet wie einen Durst nach der Meditation. Und diejenigen Menschen
machen eigentlich ihre Morgen- und Abendmeditation, die sie zu
machen haben, am richtigsten, denen dürstet nach der Meditation, so
wie der Mensch ißt, wenn ihn hungert. Wenn die Meditation etwas
wird, ohne das man nicht sein kann, daß man der Seele gegenüber fühlt,
als ob es zum ganzen Leben der Seele gehörte, dann ist die Meditation
richtig empfunden." {{Lit|{{G|316|158}}}}
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== Der Unterschied zwischen chymischer und mystischer Hochzeit ==
"Über die Meditation soll man nicht «mystisch» denken, aber man
soll auch nicht leicht über sie denken. Die Meditation muß etwas völlig
Klares sein in unserem heutigen Sinne. Aber sie ist zugleich etwas, zu
dem Geduld und innere Seelenenergie gehört. Und vor allen Dingen
gehört etwas dazu, was niemand einem anderen Menschen geben kann:
es gehört dazu, daß man sich selber etwas versprechen und es dann
halten kann. Wenn der Mensch einmal beginnt, Meditationen zu
machen, so vollzieht er damit die einzige wirklich völlig freie Handlung
in diesem menschlichen Leben. Wir haben in uns immer die Tendenz
zur Freiheit, auch ein gut Teil der Freiheit verwirklicht. Aber
wenn wir nachdenken, werden wir finden: wir sind mit dem einen abhängig
von unserer Vererbung, mit dem anderen von unserer Erziehung,
mit dem dritten von unserem Leben. Und fragen Sie sich, inwiefern
wir imstande sind, das was wir durch Vererbung, durch Erziehung
und durch das Leben uns angeeignet haben, plötzlich zu verlassen. Wir
wären ziemlich dem Nichts gegenübergestellt, wenn wir das plötzlich
verlassen wollten. Wenn wir uns aber vornehmen, abends und morgens
eine Meditation zu machen, damit wir allmählich lernen, in die übersinnliche
Welt hineinzuschauen, dann können wir das jeden Tag unterlassen.
Nichts steht dem entgegen. Und die Erfahrung lehrt auch, daß
die meisten, die mit großen Vorsätzen an das meditative Leben herangehen,
es sehr bald wieder unterlassen. Wir sind darin vollständig frei.
Es ist dieses Meditieren eine urfreie Handlung. Können wir uns trotzdem
treu bleiben, versprechen wir uns, nicht einem anderen, sondern nur
uns selber einmal, daß wir diesem Meditieren treu bleiben, dann ist das
an sich eine ungeheure Kraft im Seelischen, dieses sich einfach treu
bleiben können." {{Lit|{{G|305|79f}}}}
</div>


== Opfer des Intellekts ==
Christian Rosenkreutz bricht auf zu einem Einweihungsweg, der aber nicht, wie der Weg des [[Mystik]]ers, nach innen geht und zur [[Mystische Hochzeit|Mystischen Hochzeit]] mit dem eigenen geistigen [[Wesen]] führt, sondern er wandelt den Pfad des [[Alchemist]]en, der primär nach der Vereinigung mit dem [[Geist]]igen der Außenwelt strebt, das sich hinter der [[Sinneswelt]] verbirgt, und erst dadurch sekundär die eigenen Geistigkeit erkennen will. Er geht gleichsam einen objektiveren - und damit sichereren - Weg als der Mystiker.
Zu beachten ist auch, dass während der Meditation das ''eigene'' Denken zu schweigen hat. Nur wenn wir uns ''unseres'' Denkens enthalten, kann sich die geistige Welt in uns in ''ihrer'' eigenen Gestalt kundgeben. Durch die Meditation wird zwar unsere Denk''kraft'' gestärkt, aber sie dient nun nicht mehr unserem eigenen Nachdenken, sondern sie wird zum seelischen Wahrnehmungsorgan umgebildet. Ohne das [[Opfer des Intellekts]] ist eine höhere geistige Erkenntnis nicht möglich.  


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"Nun, nicht wahr, die Meditation besteht aus
"Die Forschungswege des Mystikers und des Alchimisten liegen nach entgegengesetzten Richtungen. Der Mystiker geht unmittelbar in das eigene Geistwesen des Menschen hinein. Sein Ziel ist, was die Mystische Hochzeit genannt werden kann, die Vereinigung der bewußten Seele mit der eigenen geistigen Wesenheit. Der Alchimist will das Geistgebiet der Natur durchwandeln, um nach der erfolgten Wanderung mit den in diesem Gebiet erworbenen Erkenntniskräften das Geistwesen des Menschen zu schauen. Sein Ziel ist die «Chymische Hochzeit», die Vereinigung mit dem Geistgebiet der Natur. Nach dieser Vereinigung erst will er die Anschauung der Menschenwesenheit erleben." {{Lit|GA 35, S 341}}
folgendem: Als moderner Mensch haben Sie jedem Satz gegenüber das
Gefühl, Sie müssen ihn verstehen. Das ist eine ausgesprochene Tätigkeit
des Ich in der gegenwärtigen Inkarnation. Alles dasjenige, was Sie
intellektuell tun, ist eine ausgesprochene Betätigung des Ich. Der Intellekt
ist in der gegenwärtigen Inkarnation [vorherrschend] und alles
übrige ist vom Ich zugedeckt, wirkt höchstens traumhaft hinauf und
ist unbewußt. Dagegen heißt nun meditieren: ausschalten dieses intellektuelle
Streben und den Meditationsinhalt zunächst so nehmen, wie
er gegeben ist, rein, ich möchte sagen zunächst dem Wortlaute nach,
so daß Sie, wenn Sie intellektuell an den Meditationsinhalt herangehen,
bevor Sie den Meditationsinhalt in sich aufnehmen, Ihr Ich in Bewegung
bringen, denn Sie denken nach über den Meditationsinhalt, Sie
haben ihn außer sich. Wenn Sie den Meditationsinhalt, einfach wie er
gegeben ist, in Ihrem Bewußtsein anwesend sein lassen, gar nicht nachdenken,
sondern im Bewußtsein anwesend sein lassen, dann arbeitet in
Ihnen nicht Ihr Ich aus der gegenwärtigen Inkarnation, sondern das
aus der vergangenen. Sie halten stille den Intellekt; Sie versetzen sich
einfach in den Wortinhalt, den Sie innerlich, nicht äußerlich hören, als
Wortinhalt hören. In das versetzen Sie sich, und indem Sie sich in das
versetzen, arbeitet im Meditationsinhalt Ihr innerer Mensch, der nicht
derjenige ist der gegenwärtigen Inkarnation. Dadurch aber wird der
Meditations-inhalt nicht zu etwas, was Sie verstehen sollen, sondern
das real in Ihnen wirkt und so real in Ihnen arbeitet, daß Sie zuletzt
gewahr werden, jetzt habe ich etwas erlebt, was ich früher nicht erleben
konnte. Nehmen Sie einen einfachen Meditationsinhalt, den ich
oftmals gegeben habe: «[[Weisheit lebt im Licht]].» Nun, nicht wahr,
wenn man darüber nachdenkt, kann man darüber furchtbar viel Gescheites,
aber ebensoviel furchtbar Törichtes herausbekommen. Er ist
da, um innerlich gehört zu werden: «Weisheit lebt im Licht.» Da paßt
in Ihnen auf, wenn Sie ihn so innerlich hören, dasjenige, was da ist,
nicht aus der gegenwärtigen Inkarnation, sondern dasjenige, was Sie
sich mitgebracht haben aus früheren Erdenleben. Und das denkt und
das empfindet, und es leuchtet auf nach einiger Zeit in Ihnen etwas,
was Sie früher nicht gewußt haben, was Sie auch nicht aus Ihrem
eigenen Intellekt heraus denken können. Sie sind innerlich viel weiter
als Ihr Intellekt ist. Der enthält nur einen kleinen Ausschnitt dessen,
was da ist." {{Lit|{{G|316|145f}}}}
</div>
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== Hilfsmittel bei der Meditation ==
Die mystische Versenkung in das eigene Innere, die in der mystischen Hochzeit kulminiert, gibt zunächst nur etwas für das subjektive Erleben des Menschen. Sie gibt im besten Sinn etwas für die moralische, für die geistige Entwicklung des einzelnen Menschen. Der Weg des Alchemisten führt weiter, indem die chymische Hochzeit zugleich ein objektives Ereignis in der geistigen Außenwelt ist. Sie arbeitet unmittelbar mit an der geistigen Erneuerung der Welt.
 
=== Der [[Merkurstab]] als Hilfe gegen störende Gedanken, Leidenschaften und Begierden ===
 
{{Hauptartikel|Merkurstab}}


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"Nun ist zweierlei zu berücksichtigen, das wir jetzt besprechen
"Was ist denn der ganze Sinn der menschlichen Erdenentwickelung? Das ist der ganze Sinn der menschlichen Erdenentwickelung, daß sich der Mensch an die Erde anpaßt, daß er die Bedingungen der Erdenentwickelung in sich aufnimmt; daß er hineinträgt in die Zukunft seiner Entwickelung dasjenige, was die Erde ihm geben kann - ich meine jetzt nicht bloß in einer Inkarnation, sondern durch alle Inkarnationen hindurch -, für die spätere Entwickelung ihm geben kann. Das ist der Sinn der Erdenentwickelung. Dieser Sinn der Erdenentwickelung, er kann nur verwirklicht werden dadurch, daß der Mensch gewissermaßen auf der Erde nach und nach vergessen lernte seinen Zusammenhang mit den kosmischen, mit den himmlischen Mächten. Der Mensch lernte vergessen seinen Zusammenhang mit den himmlischen Mächten. Wir wissen ja, daß in alten Zeiten die Menschen ein atavistisches Hellsehen hatten, aber gerade innerhalb dieses atavistischen Hellsehens wirkten ja die himmlischen Mächte in die Menschen hinein. Da hatte der Mensch noch seinen Zusammenhang mit den himmlischen Mächten; da ragte gewissermaßen das Himmelreich in das menschliche Gemüt hinein. Das mußte anders werden, damit der Mensch seine Freiheit entwickeln kann. Der Mensch mußte in seiner Anschauung, in seiner unmittelbaren Wahrnehmung nichts mehr haben von dem himmlischen Reich, damit er der Erde verwandt werde. Aus diesem Grunde aber ist auch die Möglichkeit allein gegeben gewesen, daß der Mensch in der extremsten Zeit der Erdenverwandtschaft eben materialistisch wurde, im fünften Zeitraum, in dem wir selber drinnenstehen. Der Materialismus ist nur der radikalste, extremste Ausdruck der Verwandtschaft des Menschen mit der Erde. Das aber würde bedingen, daß der Mensch wirklich der Erde verfiele, wenn nichts anderes eintreten würde. Der Mensch mußte der Erde verwandt werden, nach und nach ganz das Schicksal der Erde teilen. Er mußte die Wege nehmen, die die Erde selber nimmt, er mußte sich ganz einfügen der Erdenentwickelung, wenn nichts anderes eintreten würde. Er mußte gleichsam mit der Erde sich losreißen vom ganzen Kosmos und sein Schicksal ganz mit dem Schicksal der Erde verbinden.
wollen. Das eine betrifft die, welche noch nicht bis zum Schauen
vorgedrungen sind, das andere die, welche den Zustand der Imagination
erreicht haben. Die ersteren werden, wie Sie es alle erfahren
haben, im Moment, wo sie ihre Meditation beginnen, von
Gedanken, die ihr tägliches Leben, die Außenwelt, ihre Umgebung
betreffen, förmlich bestürmt. Alle Geräusche werden störender
empfunden, alle nicht hierhergehörenden Bilder und Gedanken
aufdringlicher. Kämpfen dagegen würde gar nichts nützen,
denn hinter diesen Gedanken stehen Mächte. Es wäre so,
wie wenn ein Mensch inmitten eines Bienenschwarmes um sich
schlagen wollte, um sich zu wehren: die Bienen würden mit
doppelter Gewalt auf ihn eindringen.


Wir haben nun ein okkultes Mittel, um gegen diese unerwünschten
Das war aber nicht so gemeint für die Menschheit, sondern es war für die Menschheit anders gemeint. Der Mensch sollte auf der einen Seite sich richtig mit der Erde verbinden, aber es sollte Botschaft aus der himmlischen, geistigen Welt herunterkommen, die ihn, trotzdem er durch seine Natur erdenverwandt wird, wiederum hinwegträgt über diese Erdenverwandtschaft. Und dieses Herunterbringen der Himmelsbotschaft, das geschah durch das Mysterium von Golgatha. Daher mußte auf der einen Seite das Wesen, das durch das Mysterium von Golgatha ging, Menschenwesenheit annehmen, aber auf der anderen Seite in sich Himmelswesenheit tragen. Das heißt aber: Wir dürfen uns den Christus Jesus nicht bloß so vorstellen, daß er innerhalb der Menschheitsentwickelung nicht als auch einer sich entwickelt, und sei er auch der Höchste, sondern daß er sich als einer entwickelt, der aufnimmt himmlische Wesenheit, der nicht bloß eine Lehre verbreitet, sondern der in die Erde hereinträgt dasjenige, was aus dem Himmel kommt. Daher ist es wichtig, zu verstehen, was eigentlich die Johannes-Taufe im Jordan ist: daß das nicht bloß eine moralische Handlung ist - ich sage nicht «nicht» eine moralische Handlung ist, sondern «nicht bloß» eine moralische Handlung ist -, sondern eine reale Handlung ist; daß da etwas geschieht, das so wirklich ist, wie die Naturereignisse wirklich sind, das so wirklich ist, wie wenn ich mit irgendeinem Wärmequell etwas erwärme und die Wärme übergeht in das Erwärmte, daß die Christus-Wesenheit übergeht in den Menschen Jesus von Nazareth bei der Johannes-Taufe. Das ist gewiß im höchsten Grade ein Moralisches, aber auch im Naturlaufe ein Wirkliches, wie die Naturerscheinungen wirklich sind. Und darauf kommt es an, daß das verstanden wird, daß man es nicht nur mit irgend etwas zu tun hat, was aus rationalistischen menschlichen Begriffen heraus stammt, die immer nur übereinstimmen mit dem mechanischen, dem physischen oder chemischen Naturlaufe, sondern daß es etwas ist, was als Idee zu gleicher Zeit so in der realen Wirklichkeit drinnensteht, wie die Naturgesetze in der realen Wirklichkeit oder eigentlich die Naturkräfte in der realen Wirklichkeit drinnenstehen.
Gedanken anzugehen, sie zum Schweigen zu bringen,
und zwar ist dieses Mittel, sowohl für das eben Besprochene, wie
für die Störungen, welche die erleiden, die schon das Schauen
erreicht haben, das gleiche. Man stelle sich möglichst deutlich
den [[Merkurstab]] vor: einen leuchtenden Stab, um den sich eine
schwarze Schlange windet, und dann stelle man sich eine helle
vor, die sich der anderen entgegenringelt. Die schwarze Schlange
symbolisiert die materiellen Gedanken, die uns stören: das niedere
Selbst; die helle: die göttlichen Gedanken, das höhere Selbst.
Und wenn wir uns dieses Symbol, wie sich die helle der schwarzen
Schlange entgegenringelt, in seiner ganzen Bedeutung vor
die Seele stellen, so werden alle Störungen schwinden, und wir
können uns in unsere Meditation versenken.


Diejenigen, welche das Schauen erlangt haben, werden durch
Von da aus, wenn man das erfaßt, werden dann auch andere Begriffe viel realer werden, als sie in der Gegenwart sind. Sehen Sie, der alte Alchimist - wir wollen uns jetzt nicht über Alchimie unterhalten, aber wir wollen auf das, was der Alchimist im Auge hatte, blicken; ob das berechtigt oder unberechtigt ist, darüber wollen wir uns nicht unterhalten, das kann vielleicht Gegenstand einer anderen Betrachtung sein -, er hatte im Auge, daß durch seine Vorstellungen nicht bloß etwas vorgestellt wird, sondern etwas geschieht. Sagen wir: Er räucherte. Und hatte er dann die Vorstellung oder sprach sie aus, so versuchte er, in diese Vorstellung eine solche Kraft hineinzubringen, daß die Räuchersubstanz wirklich Formen annahm. Er suchte solche Begriffe, die die Macht haben, in die äußere Naturrealität einzugreifen, nicht bloß innerhalb des Egoistischen des Menschen zu bleiben, sondern in die Naturrealität einzugreifen. Warum? Weil er auch noch von dem Mysterium von Golgatha die Vorstellung hatte, daß da etwas geschah, was in den Naturlauf der Erde eingreift, das ebenso eine Tatsache ist, wie ein Naturvorgang eine Naturtatsache ist.
dieselben Kräfte, welche in den anderen die Alltagsgedanken entfesseln,
in ihren Visionen dadurch gestört, daß sie alle möglichen
Leidenschaften, Begierden und so weiter, die sich im Astralen ausleben,
in Gestalt wilder, oft sehr häßlicher, manchmal auch verführerisch
schöner Tiere sehen. Auch hiergegen ist die Vorstellung
des Stabes Merkurs, des Boten der Götter, das einzige Mittel." {{Lit|{{G|266a|442f}}}}
</div>


=== Das [[Rosenkreuz]] als Hilfe gegen das Gefühl innerer Zersplitterung ===
Sehen Sie, auf diesem beruht ein bedeutungsvoller Unterschied, der in der zweiten Hälfte des Mittelalters und gegen die neuere Zeit, gegen unsere fünfte, auf die griechisch-lateinische folgende Weltenperiode eintrat. In der Kreuzzugszeit, der Zeit des 12., 13., 14., 15., ja 16. Jahrhunderts gab es insbesondere Frauennaturen, welche ihr Gemüt in eine solche Mystik brachten, daß sie dieses innere Erlebnis, das ihnen die Mystik brachte, wie eine Hochzeit empfanden mit dem Geistigen, sei es mit dem Christus, oder sonst etwas. Mystische Hochzeiten feierten zahlreiche asketische Nonnen und so weiter. Ich will mich heute nicht über das Wesen dieser innerlichen mystischen Vereinigungen ergehen; aber es war eben ein innerhalb des Gemüts Verlaufendes, das dann nur mit Worten ausgesprochen werden konnte, das gewissermaßen innerhalb der Vorstellungen, der Empfindungen und noch des Wortes, in das die Empfindungen gekleidet werden können, verlief. Dem setzte dann aus gewissen Vorstellungen und geisteswissenschaftlichen Zusammenhängen heraus ''Valentin Andreae'' seine «Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz» entgegen. Diese chymische Hochzeit, wir würden heute sagen chemische Hochzeit, sie ist auch ein menschliches Erlebnis. Aber wenn Sie sie durchlesen, diese Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz, so werden Sie sehen, daß es sich da nicht bloß um ein Gemütserlebnis handelt, sondern um etwas, was den ganzen Menschen ergreift, nicht bloß sich in Worten ausspricht; was nicht bloß hereingestellt ist wie ein Gemütserlebnis in die Welt, sondern wie ein realer Vorgang, ein Naturvorgang, wo der Mensch mit sich etwas macht, das wie ein Naturvorgang wird. Also etwas, was mehr von Wirklichkeit durchtränkt ist, meint Valentin Andreae mit seiner «Chymischen Hochzeit des Christian Rosenkreutz», als eine bloß mystische Hochzeit etwa der Mechthild von Magdeburg, die eine Mystikerin war. Durch die mystische Hochzeit der Nonnen wurde nur etwas getan für die Subjektivität des Menschen; durch die chymische Hochzeit gab sich der Mensch der Welt hin, durch ihn sollte etwas für die ganze Welt geleistet werden, so wie durch die Naturvorgänge etwas für die ganze Welt geleistet wird. Dies ist nun wiederum im eminent christlichen Sinne gedacht. Begriffe wollten die Menschen, die realer dachten - sei es nun selbst in dem einseitigen Sinne der alten Alchimisten -, Begriffe wollten sie, durch die sie die Wirklichkeit in richtiger Art meistern könnten, durch die sie in die Wirklichkeit richtiger eingreifen könnten, solche Begriffe, die nun wirklich etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben. Die materialistische Zeit hat zunächst über solche Begriffe einen Schleier geworfen. Und die Menschen, während sie heute meinen, gerade recht über die Wirklichkeit zu denken, leben viel mehr in Illusionen als die von ihnen verachteten Menschen zum Beispiel der Alchimistenzeit, welche Begriffe anstrebten, durch die die Wirklichkeit gemeistert werden kann." {{Lit|GA 175, S 80ff}}
 
{{Hauptartikel|Rosenkreuz-Meditation}}
 
<div sytle="margin-left:20px">
"Wenn wir uns nun ganz an unseren Meditationsstoff hingeben,
so erleben wir, je nach unserem Karma, die einen früher,
die anderen später, ein bestimmtes Gefühl. Wir werden die Empfindung
haben, als ob unser Ich sich verlöre, als ob wir uns zersplitterten,
innerlich zerrissen würden. Dieses Gefühl muß sein,
ist ganz richtig bis zu einem gewissen Grade. Wir Menschen
empfinden uns in unserem abgeschlossenen physischen Körper
als eine Einheit. Wir müssen aber bedenken, daß wir etwas sehr
Kompliziertes, Zusammengesetztes sind, daß die Geisterwelt, der
wir zum großen Teile angehören, durchaus nichts Einfaches ist.
An unserem physischen Leibe arbeiteten auf dem Saturn die
Throne, auf der Sonne von anderer Seite her an unserem Ätherleib
die Geister der Weisheit, auf dem Monde wieder von anderer
Seite die Geister der Bewegung am Astralleib und wieder in
einer gewissen Weise auf der Erde am Ich die Geister der Form.
Auf Sonne und Mond arbeiteten an unserem physischen Körper
noch alle möglichen hohen geistigen Wesenheiten. Andere haben
zum Beispiel unseren Kehlkopf gebaut, andere wieder das Herz
oder die Leber; die Fortpflanzungsorgane wurden von anderen
geschaffen als die Verdauungsapparate und so weiter.
 
Nun bekommt der Meditant in einem gewissen Stadium das
Gefühl, als ob er sich an alle diese Mächte aufteilen, ihnen preisgegeben
würde, sich an sie verlöre. Derjenige, der noch nicht das
Schauen erlangt hat, wird dann ein Gefühl des Nichts haben, wie
wenn die Meditation ihm gar keine Früchte trage. Dieses Gefühl
ist sehr deprimierend, aber es birgt noch keine große Gefahr,
weder für den Meditanten noch für die Meditation an sich. Der
Schauende wird in diesem Zustand wie eine Stimme hören, die
Stimme einer Gestalt, die er auch bald sehen wird, und diese wird
ihm einflüstern, daß die Welt, die er sieht, nichts ist, nur die
Schöpfung seiner eigenen Illusion. Das ist die Versuchung, die
an ihn herantritt von der Seite, die den Menschen mit aller Gewalt
zurückhalten will in der Sinnenwelt, in der Materie, die ihn
nicht aufsteigen lassen will in die geistigen Welten. Und diese
Versuchung ist eine große Gefahr. Da ist uns wiederum ein okkultes
Mittel gegeben. Stellen wir uns am Schlusse jeder Meditation
das [[Rosenkreuz]] vor. Das Rosenkreuz ist das Symbol für das
Mysterium von Golgatha. Das Kreuz, das Zeichen des Todes, aus
dem mit dem Blute, das aus den fünf Wunden floß, als Zeichen
des Lebens die Rosen sprießen. Wenn wir uns dieses Symbol in
seiner ganzen Bedeutung vor die Seele führen, werden wir gegen
die Macht, die uns in Versuchung führt, eine unbesiegliche Waffe
haben. Und warum? Weil Christus durch seinen Tod, in dem
Augenblick, da sein Blut floß, mit dem Astralleib der Erde sich
vereinigte und ihm neues Leben und Licht brachte. In diesem
Astralleib wohnt Er als das Astrallicht, das in der Finsternis leuchtet.
In diesem Astrallicht sehen wir, wenn wir das Schauen erreicht
haben. Das Rosenkreuz ist also das Symbol für das Licht,
das die Mächte der Finsternis besiegt." {{Lit|{{G|266a|443f}}}}
</div>
</div>


== Stärkung des [[Wille]]ns im [[Denken]] ==
== Literatur ==
#Johann Valentin Andreä: ''Die Chymische Hochzeit des Christian Rosencreutz'', gedeutet und kommentiert von Bastiaan Baan, Verlag Urachhaus, Stuttgart 2001
#Rudolf Steiner: ''Philosophie und Anthroposophie'', [[GA 35]] (1984)
#Rudolf Steiner: ''Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha'', [[GA 175]] (1996)
#Rudolf Steiner: ''Mysteriengestaltungen'', [[GA 232]] (1998)
#Rudolf Steiner / Marie Steiner-von Sivers: ''Briefwechsel und Dokumente 1901–1925'', 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, [[GA 262]] (2002)


<div style="margin-left:20px">
{{GA}}
"Das reine Denken ist die Meditation. Die Meditation führt in das Leben der übersinnlichen Welt hinein.
Nun ist schon eine Meditation, überhaupt ein reines Denken, ein wirklich reines Denken, nicht möglich, ohne den Willen weiterzubilden. Dieses reine Denken als Tatbestand am Menschen ist ja nicht anders möglich als durch eine besonders intensive Anstrengung, eine besonders intensive Betätigung des Willens. Alles dasjenige aber, was man betätigt, übt man, bildet man aus. Und es ist eine ganz besondere Ausbildung des Willens, wenn man zum reinen Denken übergeht oder aus dem reinen Denken heraus in die Meditation übergeht. Man kann durchaus sagen: Schon diese ganze Entwicklung des zunächst ja in unklaren Vorstellungen lebenden Menschen zum reinen Denken hin und dann zur Meditation hin, diese ganze Anstrengung ist im wesentlichen Willenserziehung. Daher ist auch schon das, was man nötig hat zum wirklichen Begreifen geisteswissenschaftlicher Erkenntnisse, wesentlich eine Willensanstrengung. Und derjenige, der sich bemüht, auf geisteswissenschaftliche Erkenntnisse einzugehen, der übt Willensanstrengung, und er übt damit überhaupt seinen Willen. Daher kann man sagen, daß es für die heutige Menschheit ganz gut wäre, wenn sie zunächst wenigstens auf geisteswissenschaftliche Erkenntnisse eingehen würde, denn sie würde dadurch den Willen wirklich ausbilden, sie würde den Willen stärken." {{Lit|{{G|073a|74f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Wie wird man eigentlich innerlich immer geistiger und geistiger?
Man wird nicht dadurch geistiger, daß man möglichst viele Gedanken
aus der Umwelt aufnimmt, denn diese Gedanken geben ja doch nur,
ich möchte sagen, die Außenwelt, die eine sinnlich-physische ist, in
Bildern wieder. Dadurch, daß man möglichst den Sensationen des Lebens
nachläuft, dadurch wird man nicht geistiger. Geistiger wird man
durch die innere willensgemäße Arbeit innerhalb der Gedanken. Daher
besteht auch Meditieren darinnen, daß man sich nicht einem beliebigen
Gedankenspiel hingibt, sondern daß man wenige, leicht überschaubare,
leicht prüfbare Gedanken in den Mittelpunkt seines Bewußtseins
rückt, aber mit einem starken Willen diese Gedanken in den Mittelpunkt
seines Bewußtseins rückt. Und je stärker, je intensiver dieses
innere Willensstrahlen wird in dem Elemente, wo eben die Gedanken
sind, desto geistiger werden wir. Wenn wir Gedanken von der äußeren
physisch-sinnlichen Welt aufnehmen - und wir können ja nur solche
aufnehmen zwischen Geburt und Tod - , dann werden wir dadurch,
wie Sie leicht einsehen können, unfrei, denn wir werden hingegeben an
die Zusammenhänge der äußeren Welt; wir müssen dann so denken, wie
es uns die äußere Welt vorschreibt, insofern wir nur den Gedankeninhalt
ins Auge fassen; erst in der inneren Verarbeitung werden wir frei.
 
Nun gibt es eine Möglichkeit, ganz frei zu werden, frei zu werden
in seinem inneren Leben, wenn man den Gedankeninhalt, insofern er
von außen kommt, möglichst ausschließt, immer mehr und mehr ausschließt,
und das Willenselement, das im Urteilen, im Schlüsseziehen
unsere Gedanken durchstrahlt, in besondere Regsamkeit versetzt. Dadurch
aber wird unser Denken in denjenigen Zustand versetzt, den
ich in meiner «[[Philosophie der Freiheit]]» genannt habe das reine Denken.
Wir denken, aber im Denken lebt nur Wille. Ich habe das besonders
scharf betont in der Neuauflage der «Philosophie der Freiheit» 1918. Dasjenige, was da in uns lebt, lebt in der Sphäre des Denkens.
Aber wenn es reines Denken geworden ist, ist es eigentlich ebensogut
als reiner Wille anzusprechen. So daß wir aufsteigen dazu, uns
vom Denken zum Willen zu erheben, wenn wir innerlich frei werden,
daß wir gewissermaßen unser Denken so reif machen, daß es ganz
und gar durchstrahlt wird vom Willen, nicht mehr von außen aufnimmt,
sondern eben im Willen lebt. Gerade dadurch aber, daß wir
immer mehr und mehr den Willen im Denken stärken, bereiten wir
uns vor für das, was ich in der «Philosophie der Freiheit» die moralische
Phantasie genannt habe, was aber aufsteigt zu den moralischen Intuitionen,
die dann unseren gedankegewordenen Willen oder willegewordenen
Gedanken durchstrahlen, durchsetzen. Auf diese Weise
heben wir uns heraus aus der physisch-sinnlichen Notwendigkeit,
durchstrahlen uns mit dem, was uns eigen ist und bereiten uns vor für
die moralische Intuition. Und auf solchen moralischen Intuitionen beruht
doch alles das, was den Menschen von der geistigen Welt aus
zunächst erfüllen kann. Es lebt also auf dasjenige, was Freiheit ist,
dann, wenn wir gerade in unserem Denken immer mächtiger und
mächtiger werden lassen den Willen." {{Lit|{{G|202|201f}}}}
</div>
 
=== [[Wille]] und [[Gefühl]] ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Sie sehen, daß dasjenige, was hier in der physischen Welt gewissermaßen
am schwächsten ist im Menschen, der Wille und die Gefühlsimpulse
- sie sind ja der schwächste Teil der menschlichen Seele in der physischen
Welt und der unklarste -, daß dasjenige, über das wir am wenigsten
Herr sind, eine besondere Bedeutung gewinnt, um wahrzunehmen
in der geistigen Welt. Dagegen ist das, was hier in der physischen Welt
am allerstärksten ist, das Vorstellen - wir leben ja sogar am liebsten in
unseren Illusionen und Vorstellungen, weil wir da am allermeisten Herr
sein können -, es ist am schwächsten in der geistigen Welt.
 
Mit Illusionen kann man in der geistigen Welt nicht viel anfangen, die
verdecken einem noch die flutende Gedankenwesen-Einheit. Worauf es
ankommt, ist nicht eine Ausbildung unseres Vorstellungslebens, sondern
eine Ausbildung unseres Willens- und Gefühlslebens; und das ist ja das
Wesentliche der Meditation. Bei der Meditation kommt es nicht darauf
an, was wir vorstellen, sondern darauf - ich habe das immer wieder und
wieder betont -, daß man vorstellt mit innerer Kraft. Auf die innere
Energie, auf die Kraft, auf den Willen kommt es an, und auf das Fühlen
und Empfinden während wir meditieren, also auf ein Willenselement,
das wir im Meditieren entwickeln, und das wir stärker entwickeln, wenn
wir uns so anstrengen müssen, wie wir uns bei einer Meditation anstrengen
sollen, aber geistig anstrengen sollen.
 
Am meisten feindlich entgegen steht dem wirklichen Fortschritt hinein
in die geistige Welt die Sucht zu träumen, sich über die äußere
Wirklichkeit Illusionen zu bilden, aus dem Grunde, weil wir dadurch
unseren Willen immer schwächer und schwächer machen. Man macht
den Willen am schwächsten, wenn man geradezu die Parasiten des
Vorstellungslebens kultiviert, wenn man sich über alle möglichen äußeren
Dinge Illusionen macht, wie überhaupt der Weg in die geistige Welt
nicht dadurch beschritten wird, daß man sich vom Leben entfernt,
sondern dadurch, daß man sich klar wird über die Dinge des Lebens.
Nicht eine Verarmung des äußeren Lebens, sondern eine Bereicherung
des Lebens muß uns in die geistige Welt hineinführen. Die Menschen
möchten so gerne nicht durch Stärke, sondern durch Schwäche in die
geistige Welt hineinwachsen. Schwäche ist es, wenn einen die äußere
Welt, die Welt des äußeren Lebens nicht interessiert, wenn man die
Goethesche Maxime nicht erfüllen kann: «Erkenne dich, leb' mit der
Welt in Frieden.»" {{Lit|{{G|161|133f}}}}
</div>
 
== Grundlagen des richtigen Meditierens ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Es handelt sich darum, daß wir irgendeine Vorstellung oder einen
Vorstellungskomplex in den Mittelpunkt unseres Bewußtseins rücken.
Es kommt gar nicht darauf an, welches der Gehalt dieses Vorstellungskomplexes
ist; aber er soll unmittelbar sein, er soll so sein, daß er keine
Reminiszenzen aus der Erinnerung oder dergleichen vorstellt. Daher
ist es gut, wenn wir ihn nicht aus unserem Erinnerungsschatze heraufholen,
sondern uns von einem anderen, der erfahren ist in solchen
Dingen, die Meditation geben lassen, nicht, weil der auf uns irgendeine
Suggestion ausüben will, sondern weil wir sicher sein können, daß dasjenige,
was wir dann meditieren, etwas Neues für uns ist. Wir könnten
ebensogut irgendein altes Werk, das wir ganz sicher noch nicht gelesen
haben, nehmen, und uns einen Meditationssatz daraus suchen. Es handelt
sich darum, daß wir uns nicht aus dem Unterbewußten und Unbewußten
einen Satz heraufholen, der uns überwältigt. Das ist nicht
überschaubar, weil sich alle möglichen Empfindungsreste und Gefühlsreste
hineinmischen. Es handelt sich darum, daß es so überschaubar sein
soll, wie ein Mathematiksatz überschaubar ist.
 
Nehmen wir etwas ganz Einfaches, den Satz: [[Im Lichte lebt die Weisheit]]. - Das ist zunächst gar nicht darauf zu prüfen, ob es wahr ist.
Es ist ein Bild. Aber es kommt nicht darauf an, daß wir irgendwie mit
dem Inhalte als solchem uns anders beschäftigen, sondern daß wir ihn
innerlich seelisch überschauen, daß wir darauf ruhen mit dem Bewußtsein.
Wir werden es anfangs nur zu einem sehr kurzen Ruhen mit dem
Bewußtsein auf einem solchen Inhalte bringen. Immer länger und länger
wird die Zeit werden.
 
Worauf kommt es denn an? Es kommt darauf an, daß wir den ganzen
seelischen Menschen zusammennehmen, um all das, was in uns
Denkkraft, Empfindungskraft ist, auf den einen Inhalt zu konzentrieren.
Geradeso wie die Muskeln der Arme stark werden, wenn wir
mit ihnen arbeiten, so verstärken sich die seelischen Kräfte dadurch,
daß sie immer wieder und wieder auf einen Inhalt gerichtet werden.
Möglichst sollte dieser eine Inhalt durch Monate, vielleicht durch Jahre
derselbe bleiben. Denn die seelischen Kräfte müssen zur wirklichen
übersinnlichen Forschung erst gestärkt, erkraftet werden.
 
Wenn man in dieser Weise fortübt, dann kommt der Tag, ich möchte
sagen, der große Tag, an dem man eine ganz bestimmte Beobachtung
macht, die Beobachtung, daß man allmählich in einer seelischen Tätigkeit
ist, die ganz unabhängig vom Leibe ist. Und man merkt auch: Vorher
war man mit allem Denken und Empfinden vom Leibe abhängig,
mit dem Vorstellen vom Sinnes-Nervensystem, mit dem Fühlen vom
Zirkulationssystem und so weiter; jetzt fühlt man sich in einer geistigseelischen
Tätigkeit, welche völlig unabhängig von jeder Leibestätigkeit
ist. Und das merkt man daran, daß man nunmehr in die Lage
kommt, etwas im Kopfe selber in Vibration zu versetzen, das vorher
ganz unbewußt geblieben ist. Man macht nämlich jetzt eine merkwürdige
Entdeckung. Man macht die Entdeckung, worin der Unterschied
des Schlafens vom Wachen besteht. Dieser Unterschied besteht
nämlich darin, daß wenn man wacht, etwas in dem ganzen menschlichen
Organismus vibriert, nur nicht im Haupte: da ist dasselbe, was
sonst im übrigen menschlichen Organismus in Bewegung ist, in Ruhe." {{Lit|{{G|305|80f}}}}
</div>
 
=== Loslösung des Erlebens vom Leib ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Vor allen Dingen möchte ich ein wichtiges Moment hervorheben,
das die Initiationserkenntnis auszeichnet. Das ist dies, daß der Mensch
immer mehr und mehr fühlt, je weiter er vordringt in dem Erleben des
Übersinnlichen, wie ihm seine eigene Leiblichkeit entschwindet, das
heißt mit Bezug auf das, woran diese Leiblichkeit im gewöhnlichen
Leben beteiligt ist. Fragen wir uns einmal, wie unsere Urteile im Leben
zustande kommen. Wir wachsen auf, entwickeln uns als Kind. Es setzt
sich in unserem Leben Sympathie und Antipathie fest. Sympathie und
Antipathie mit Naturerscheinungen, Sympathie und Antipathie vor
allen Dingen mit anderen Menschen. An alledem ist unser Körper beteiligt.
Wir legen selbstverständlich da hinein diese Sympathie und
Antipathie, die zum großen Teil sogar in physischen Vorgängen unseres
Leibes ihren Grund haben. In dem Augenblicke, in dem der zu Initiierende
in die übersinnliche Welt aufsteigt, lebt er sich in eine Welt
ein, worin ihm diese Sympathie und Antipathie, die mit der Körperlichkeit
zusammenhängen, für das Verweilen im Übersinnlichen immer
fremder und fremder werden. Er ist demjenigen entrückt, womit er
durch seine Leiblichkeit zusammenhängt. Er muß, wenn er wiederum
das gewöhnliche Leben aufnehmen will, sich gewissermaßen erst wieder
hineinstecken in seine gewöhnlichen Sympathien und Antipathien,
was sonst ja selbstverständlich geschieht. Wenn man des Morgens aufwacht,
steckt man in seinem Leibe darinnen, entwickelt dieselbe Liebe
zu den Dingen und Menschen, dieselbe Sympathie oder Antipathie,
die man vorher gehabt hat. Das geschieht von selbst. Wenn man nun
im Übersinnlichen verweilt und wiederum zu seinen Sympathien und
Antipathien zurück will, dann muß man das mit Anstrengung tun,
muß man gewissermaßen untertauchen in seine eigene Leiblichkeit.
Dieses Entrücktwerden der eigenen Leiblichkeit, das ist eine der Erscheinungen,
die zeigt, daß man wirklich etwas vorwärtsgekommen
ist. Überhaupt ist das Auftreten von weitherzigen Sympathien und
Antipathien das, was dem Initiierten allmählich sich einverleibt." {{Lit|{{G|214|130f}}}}
</div>
 
==== Erleben im Ätherleib ====
 
<div style="margin-left:20px">
"Dem Meditieren muß zu Hilfe kommen die Übung in
der Charakterstärke, inneren Wahrhaftigkeit, Ruhe des
Seelenlebens, völliger Besonnenheit. Denn nur wenn die
Seele von diesen Eigenschaften durchzogen ist, wird sie
das, was im Meditieren als ein Vorgang sich bildet, der
ganzen menschlichen Organisation allmählich einprägen.
Ist durch solches Üben der richtige Erfolg eingetreten,
dann erlebt man sich im ätherischen Organismus. Das
Gedankenerlebnis erhält eine neue Form. Man erlebt die
Gedanken nicht nur in der abstrakten Form wie früher,
sondern so, daß man in ihnen Kräfte fühlt. Die vorher
erfahrenen Gedanken können nur gedacht werden; sie
haben keine Macht zu einer Aktivität. Die Gedanken, die
man jetzt erlebt, haben eine Macht wie die Wachstumskräfte,
die den Menschen vom kleinen Kinde zum Erwachsenen
umbilden. Eben deshalb aber ist es notwendig,
daß die Meditation in richtiger Art ausgeführt
wird. Denn greifen in sie unterbewußte Kräfte ein, ist sie
nicht ein in voller Besonnenheit rein seelisch-geistig verlaufender
Akt, so werden Impulse entwickelt, die so
wie die natürlichen Wachstumskräfte in den eigenen
menschlichen Organismus eingreifen. Das darf in keiner
Art geschehen. Der eigene physische und ätherische Organismus
muß durch die Meditation völlig unberührt
bleiben. Man kommt bei richtiger Meditation dazu, mit
dem neu entwickelten Gedanken-Kräfte-Inhalt außerhalb
des eigenen physischen und ätherischen Organismus zu
leben. Man hat das Äther-Erleben; und der eigene Organismus
gelangt zu dem persönlichen Erleben in ein Verhältnis
einer relativen Objektivität. Man schaut ihn an,
und er strahlt in Gedankenform zurück, was man im
Äther erlebt.
 
Gesund ist dieses Erleben, wenn man in den Zustand
kommt, durch den man in völlig freier Willkür abwechseln
kann zwischen einem Dasein im Äther und einem
solchen in seinem physischen Leibe. Liegt etwas vor, was
einen in das Ätherdasein hineinzwingt, dann ist der Zustand
kein richtiger. Man muß in sich und außer sich nach
völlig freier Orientierung sein können." {{Lit|{{G|025|24f}}}}
</div>
 
==== Loslösung der Denkkraft vom Leib ====
 
<div style="margin-left:20px">
"Die Methode der Initiation lehrt intime Übungen der Seele. Wie
wir im alltäglichen Leben auf die leibliche Umgebung wirken, so müssen
wir unsere Seele in die Lage bringen, geistig-seelisch auf den Makrokosmos
zu wirken und Eindrücke aus ihm zu bekommen. Wir müssen
unsere an das leibliche Leben gebundenen geistig-seelischen Kräfte freizumachen
suchen. Drei Seelenkräfte sind im gewöhnlichen Leben mit
dem Leibe verbunden, die durch die [[Initiation]] frei werden. Die erste
Kraft der Seele ist die Denkkraft. Wir verwenden sie im gewöhnlichen
Leben zur Bildung der Gedanken, zu Vorstellungen der uns umgebenden
Dinge. Versuchen wir, uns in die Natur dieser Denkkraft zu versetzen.
Was geschieht, wenn wir denken und uns Vorstellungen machen?
Auch die physische Wissenschaft wird zugeben, jedesmal, wenn wir
einen Gedanken fassen, der sich auf etwas Sinnliches bezieht, findet in
unserem Gehirn ein Zerstörungsprozeß statt. Feine Strukturen des Gehirns
müssen wir zerstören, die Ermüdung zeigt das zur Genüge, Was
das alltägliche Denken zerstört, das wird wieder hergestellt im Schlaf.
 
Durch die Methode der Initiation erlangen wir einen Zustand,
durch den wir die Denkkraft frei bekommen von dem physischen Gehirn:
es wird dann nichts zerstört. Das erreichen wir in der Meditation,
Konzentration, Kontemplation. Diese sind gewisse Vorgänge in
unserer Seele, die sich vom gewöhnlichen Seelenleben unterscheiden.
Diejenigen Vorstellungen und Seelenvorgänge, die im gewöhnlichen
Leben uns erfüllen, sind wenig geeignet, in unserer Seele die Meditation
zu erzeugen; man muß andere dazu wählen. Um konkret zu sprechen,
soll ein Beispiel gegeben werden. Stellen Sie sich zwei Gläser vor, das
eine leer, das andere halb gefüllt. Dann stellen Sie sich vor, wir füllen
Wasser aus dem halb gefüllten Glase in das leere, und nun stellen wir
uns vor, das halb gefüllte würde immer voller und voller dabei werden.
Der Materialist findet so etwas närrisch. Aber bei einer Vorstellung,
die zur Meditation geeignet ist, handelt es sich nicht um etwas
im physischen Sinne Wirkliches, sondern um etwas, das Seelenvorstellungen
bildet. Gerade weil sich eine solche Vorstellung auf nichts Wirkliches
bezieht, lenkt sie unseren Sinn ab vom Wirklichen. Ein Symbol
aber kann sie sein, nämlich für den Seelenvorgang, der mit dem Geheimnis
der Liebe verknüpft ist. Bei dem Vorgange der Liebe verhält
es sich wie mit dem halb gefüllten Glas, aus dem man in ein leeres gießt
und das dabei doch voller wird. Die Seele wird nicht leerer, sie wird
voller in dem Maße, wie sie gibt. Eine solche Bedeutung kann dieses
Symbol haben.
 
Wenn wir eine solche Vorstellung so behandeln, daß wir alle Seelenkräfte
auf sie hinwenden, dann ist dies eine Meditation. Wir müssen
bei einer solchen Vorstellung alles andere vergessen, auch uns selbst.
Unser gesamtes Seelenleben muß lange auf sie gerichtet sein, etwa eine
Viertelstunde lang. Es genügt nicht, einmal oder wenige Male eine solche
Übung zu machen; sie muß immer wiederholt werden. Je nach der
Veranlagung des Individuums wird sich zeigen, daß das Seelenleben
sich dabei verändert. Wir bemerken, daß wir dabei eine solche Denkkraft
entwickeln, die das Gehirn nicht zerstört. Wer eine solche Entwickelung
durchmacht, wird erkennen, daß die Meditation keine Ermüdung
hervorruft und das Gehirn nicht zerstört. Dem scheint zu
widersprechen, daß Anfänger bei der Meditation einschlafen. Aber dieses
rührt davon her, daß wir im Beginn noch an der äußeren Welt hängen
und noch nicht die Gedanken vom Gehirn befreit haben. Haben
wir durch wiederholte Anstrengungen die Denkkräfte vom Gehirn befreit,
haben wir das Meditieren ohne Ermüdung erreicht, dann tritt
eine Umwandlung in unserem ganzen menschlichen Leben ein. Wie
wir bisher im Schlafe ohne Bewußtsein außerhalb des Körpers waren,
so sind wir es jetzt bewußt. Und wie wir unser Ich im alltäglichen Leben
in unserer Haut denken, so erleben wir uns nach der Meditation
außerhalb unseres Leibes. Der Leib wird ein Objekt, auf das wir hinschauen.
Jetzt aber lernen wir das noch anders kennen als im Schlafe.
Wir lernen es wie magnetische Kräfte kennen, die uns an unseren Leib
ketten. Er ist etwas, in das wir untertauchen wollen. Und wir erkennen,
es sind dieselben Kräfte, die jeden Morgen uns zu unserem physischen
Körper ziehen, die wir vor der Geburt uns aus der geistigen Welt
herausgeholt haben, und die uns veranlaßt haben, die Vererbungsströmungen
aufzusuchen, um einen neuen Körper zu finden. Wir erfahren
dadurch, warum wir uns zu unseren Eltern und Ahnen hingezogen
fühlen." {{Lit|{{G|150|60ff}}}}
</div>
 
==== Loslösung der Sprachkraft bzw. des Gefühls vom Leib ====
 
<div style="margin-left:20px">
"Wie wir die Denkkraft loslösen, so können wir auch die
Kraft loslösen, die wir zum sprachlichen Ausdruck verwenden. Die
materialistische Wissenschaft sagt, die motorischen Sprachorgane hätten
ihr Zentrum im sogenannten Brocaschen Sprachorgan. Aber nicht
das Brocasche Organ hat die Sprache gebildet, sondern diese hat jenes
gebildet.
 
Die Denkkraft wirkt zerstörend, die Sprache, die aus der sozialen
Umgebung kommt, wirkt aufbauend. Nun können wir diese Kraft, die
das Brocasche Organ aufbaut, loslösen. Das erreichen wir dadurch, daß
wir unsere Meditation durchtränken mit Gefühlswerten. Wenn ich meditiere:
Im Lichte strahlet Weisheit - , so spiegelt auch das keine äußere
Wahrheit, aber einen tiefen Sinn hat es, eine tiefe Bedeutung. Wenn wir
unser Gefühl damit durchdringen: Wir wollen leben mit dem ganzen
Lichte, das Weisheit strahlt - , dann fühlen wir, wie wir die Kraft ergreifen,
die sonst im Worte zum Ausdruck kommt, und die nun in unserer
Seele lebt. Wenn man vom goldenen Schweigen spricht, so bezieht
sich das darauf: Wir haben in unserer Seele eine Kraft, die das
Wort schafft. - Wir können sie ergreifen wie die Denkkraft. Dann
überwinden wir die Zeit, wie wir durch das Ergreifen der Denkkraft
den Raum überwinden. Was für das alltägliche Leben ein Erinnern ist
bis zur Kindheit, das dehnt sich dann aus über das vorgeburtliche Leben.
Das ist der Weg, um Erfahrungen zu bekommen über das Leben
vom letzten Tode bis zu unserer jetzigen Geburt, und zugleich der
Weg, die Entwickelung der Menschheit zu durchschauen. Wir durchschauen
die Kräfte, die die Evolution der Menschengeschichte leiten." {{Lit|{{G|150|62f}}}}
</div>
 
==== Loslösung der Willenskraft vom Leib ====
 
<div style="margin-left:20px">
"Dann wird noch eine dritte Kraft durch die Meditation selbständig.
Nicht nur das Gehirn und den Kehlkopf, sondern auch die Blutzirkulation
und das Herz ergreift sie. In schwacher Form wirkend, fühlen
wir sie beim Erröten und Erblassen. Da greift ein Seelisches in die
Pulsation des Blutes ein und geht bis zum Herzen. Diese Seelenkraft
kann herausgezogen werden aus der Pulsation des Blutes und eine selbständige
Seelenkraft werden. Dieses geschieht durch Meditation, da
wo der Wille sich mit der Meditation verbindet. Wir meditieren: Im
Lichte erstrahlet Weisheit. - Aber wir fassen den Entschluß, unser Wollen
so damit zu verbinden, daß wir mitgehen wollen mit dieser strahlenden
Weisheit in der Evolution der Menschheit. Wenn wir zu solcher
Willensmeditation kommen, dann erreichen wir, daß die Willenskräfte
in die Seele einströmen. Diese Kräfte kann man erfassen und herausziehen
aus dem Blute - man kann sie zwar nicht ganz herausziehen -,
dann bilden sie eine hellseherische Kraft, durch die wir hinauskommen
über unsere Erde. Wir lernen unsere Erde erkennen als einen wiederverkörperten
Planeten, der sich neu verkörpern wird und wir Menschen
mit ihm. So wachsen wir durch die geistig-seelische Welt hinein
in den Makrokosmos. In gewisser Weise erfahren wir, wie das Leben
zwischen Tod und Geburt entgegengesetzt sein muß dem Leben in einer
Inkarnation. Denn was der Mensch da nach dem Tode erlebt, befreit
vom Körper, das erfährt ja der Initiierte. Nehmen wir das Hauptcharakteristikum
dessen, was sich uns dargeboten hat im leibfreien Zustande.
Es ist dasselbe Erlebnis wie im Leben nach dem Tode. Im Mikrokosmos
lebend, nehmen wir wahr durch das physische Organ der
Sinne. Nach dem Tode sehen wir auf den Körper wie der Initiierte.
Nicht wahrnehmen kann man da, was die Sinnesorgane wahrnehmen.
Der Initiierte kann das Leben zwischen Tod und neuer Geburt erkennen,
weil er schon hier den Übergang vom Mikrokosmos zum Makrokosmos
gefunden hat." {{Lit|{{G|150|63f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Sowie man beginnt zu meditieren, zieht sich der Ätherleib zusammen.
Dadurch entsteht eine innerliche Wärme, denn der
Wärmeäther, der niederste Äther - über ihm kommt der Lichtäther,
Tonäther, Lebensäther - ist es, der sich zusammenzieht.
Wenn man darauf achtet, was man dann außer sich hat, so wird
man wahrnehmen, daß das etwas ist wie hinfließend, [wie] eine
Art religiöser Hingabe, wie moralische Wärme im Weltenäther.
Und man wird gewahr, daß das, was man in sich hat, etwas anderes
ist: wie ein Sich-Schämen-Müssen dieser moralischen Weltenwärme
gegenüber. Das will der Mensch nicht gern, er mag
sich nicht schämen, er weicht dem aus. Und daher sagt er, er
mache keine Fortschritte. Er verbirgt sich vor sich selber.
Nur durch Entfaltung seines Willenswesens kann er da weiter
kommen. Und wenn er da sagt: ich kann nicht - so heißt das
nur: ich will nicht! Ich will meinen Willen nicht entfalten." {{Lit|{{G|266c|252}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn wir auf eine solche Weise meditieren, daß unsere Meditation
mit Impulsen des Willens erfüllt wird, so halten wir eine Kraft zurück,
die sonst in die Pulsation des Blutes übergehen würde. Sie können
leicht beobachten, daß das Leben unseres inneren Ich in das
Pulsieren des Blutes übergehen kann, wenn Sie sich daran erinnern,
daß wir blaß werden, wenn wir uns fürchten, und erröten, wenn wir
uns schämen. Das ist der Übergang der Seelenkraft in das Pulsieren
des Blutes. Wenn diese selbe Kraft, die das Blut beeinflußt, so in
Tätigkeit tritt, daß sie nicht in das Physische hinuntersteigt, sondern
nur in der Seele bleibt, dann fängt diese dritte Meditation an, die
wir durch Willensimpulse beeinflussen können." {{Lit|{{G|152|29}}}}
</div>
 
=== Ausbildung der [[Lotosblumen]] ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Derjenige, der diese drei Formen der okkulten Entwickelung durchmacht,
fühlt, wenn er nur Denkkraft freimacht, als ob er ein Organ
an der Nasenwurzel hätte. Dieses Organ wird als Lotusblume beschrieben,
durch welches er dieses Ich oder Selbst bemerken kann,
das weit in den Raum ausgedehnt ist.
 
Derjenige, welcher durch Meditation Gedanken, durchdrungen von
Gefühlen, entwickelt hat, wird sich allmählich durch diese entwickelte
Kraft, die sonst Sprache geworden wäre, der sogenannten sechzehnblättrigen
Lotusblume in der Gegend des Kehlkopfes bewußt. Mit
Hilfe dieser sogenannten Lotusblume kann er das begreifen, was mit
zeitlichen Dingen vom Anfang der Erde bis ans Ende derselben
verbunden ist. Durch dieses Organ lernt man auch in Wirklichkeit
die okkulte Bedeutung des Mysteriums von Golgatha erkennen, von
welcher wir in unserem nächsten Vortrag sprechen werden.
 
Durch die zurückgehaltene Seelenkraft, die im normalen alltäglichen
Leben sich bis in das Blut und seine Pulsation ausdehnen würde,
wird ein Organ in der Gegend des Herzens entwickelt, das in meinem
Buch «Die Geheimwissenschaft im Umriß» beschrieben wird und
durch welches man die Evolution verstehen kann, die man im Okkultismus
als Saturn, Sonne und Mond bezeichnet, die früheren Inkarnationen
unserer Erde." {{Lit|{{G|152|29f}}}}
</div>
 
== [[Gebet]] und Meditation ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Man muß unterscheiden zwischen Gebet und Meditation. Das
gewöhnliche Gebet dient heute zumeist einer Befriedigung des eigenen
Selbstes. Die wahre Meditation aber ist ein Vollziehen des geistigen
Willens, der den Zeitgeist in sich trägt. Wo solche Meditation
geübt wird, da vermag eine geistige Kraft in das irdische Geschehen
hineinzuwirken. Geistige Welten wollen heute in das irdische Geschehen
hineinwirken, aber sie können dieses nur, wenn durch
menschliche Meditation Raum dafür geschaffen wird. Es geschieht
dadurch etwas wie eine Aussparung im physischen Felde, in die sich
geistige Wesen mit ihren Wirkungen hineinbegeben können." {{Lit|{{G|266c|436}}}}<ref>Ausspruch Dr. Steiners nach Aufzeichnungen
einzelner Freunde.</ref>
</div>
 
== Die Stufen der höheren Erkenntnis ==
[[Datei:Rosenkreuzoval.gif|thumb|200px|[[Rosenkreuz-Meditation]] - Das [[Rosenkreuz]] mit 7 roten Rosen]]
Drei Stufen der höheren Erkenntnis können wir unterscheiden: die [[Imagination]], die [[Inspiration]] und die [[Intuition]].
 
=== Bildhaftes Denken zur Vorbereitung der Imagination ===
 
Zur Vorbereitung der Imagination muss der Meditierende ein klares bildhaftes Denken entwickeln.
 
<div style="margin-left:20px">
"Nun, dieses ganze Üben beruht ja darauf, daß man von einem
Eingehen auf die Sinneseindrücke absieht. Den Sinneseindrücken gibt
man sich nicht hin im Meditieren, man gibt sich allein dem Gedankenleben
hin. Dieses Gedanken leben aber muß, durch ein festes Ruhen auf
gewissen leicht überschaubaren Gedanken, zu einer solchen Lebendigkeit,
zu einer solchen Intensität gebracht werden, wie es sonst nur das
äußere Sinnesleben hat. Sie wissen ja, es ist etwas ganz anderes, wenn
wir den äußeren Sinneseindrücken hingegeben sind, als wenn wir mit
dem gewöhnlichen Bewußtsein nur unserer blassen, unlebendigen Gedankenwelt
hingegeben sind. Die Sinneseindrücke wirken lebendig,
intensiv auf uns. Wir sind an sie hingegeben. Die Gedanken verblassen,
sie werden abstrakt, sie werden kalt. Aber darin besteht gerade das
Wesen des Meditierens, daß wir es durch Übung dahin bringen, in dem
bloßen Gedankenweben mit einer solchen Intensität und Lebhaftigkeit
darinnen zu leben wie sonst im äußeren Sinnesleben. Wenn man
einen Meditationsgedanken in einer solchen inneren Lebendigkeit erfassen
kann, wie sie sonst vorhanden ist, wenn man sich einer Farbe
hingibt, dann hat man den Meditationsgedanken in der richtigen Weise
ins Leben hereingestellt. Alles das aber muß mit einer solchen inneren
Freiheit geschehen, wie eben das normale Gedankenweben und das
sinnliche Wahrnehmen geschieht. Wie wir uns da nicht nebulosen Stimmungen,
mystischen Verträumtheiten hingeben, wenn wir die äußere
Welt beobachten, wie wir da nicht zum Schwärmer werden, so dürfen
wir es auch nicht, wenn wir in dieser Weise richtig meditieren. Genau
dieselbe Stimmung muß in diesem Meditieren enthalten sein, wie sonst
im äußerlichen, sinnlichen Wahrnehmen.
 
Das ist das Eigentümliche der anthroposophischen Methode, daß sie
die Sinneswahrnehmung geradezu zum Muster nimmt. Sonstige nebulose
Mystiker findet man ja, die sagen: Sinneswahrnehmungen - etwas
sehr Minderwertiges! Die muß man verlassen. Man muß ins Traumhafte,
ins Mystische, ins Sinnesabgewandte sich versetzen! - Dadurch
kommt natürlich nur ein halber Schlaf zustande, nicht ein wirkliches
Meditieren. Die Anthroposophie verfolgt den entgegengesetzten Weg:
Sie nimmt sich das Sinneswahrnehmen geradezu zum Muster in bezug
auf seine Qualität, Intensität, in bezug auf seine Lebhaftigkeit. So daß
sich der Mensch in diesem Meditieren so frei bewegt, wie er sich in
der Sinneswahrnehmung sonst bewegt. Er fürchtet sich dabei gar nicht,
daß er zum trockenen Nüchterling wird. Die Dinge, die er auf diese
Weise in aller Objektivität erlebt, die halten ihn schon von der trockenen
Philistrosität ab und er hat nicht nötig, wegen der Objekte, die er
erlebt, um der Überwindung der Alltäglichkeit willen sich in traumhafte
Nebulositäten zu erheben.
 
Indem der Mensch also richtig meditiert, gelangt er dazu, sich in
Gedanken frei zu bewegen. Dadurch aber werden die Gedanken selber
befreit von ihrem vorherigen abstrakten Charakter, sie werden bildhaft.
Und das tritt jetzt beim vollen Wachbewußtsein ein, mitten unter dem
anderen gesunden Denken. Das darf man nämlich nicht verlieren. Der
Halluzinant, der Schwärmer, der ist in dem Momente, wo er halluziniert,
schwärmt, ganz Halluzinant, ganz Schwärmer, da setzt er den
gesunden Menschenverstand ganz weg; das darf derjenige, der die hier
beschriebenen Methoden befolgt, nicht. Der hat immer den gesunden
Menschenverstand neben sich. Den nimmt er durch all dasjenige mit,
was er da im bildhaften Gedankenleben erlebt. Und was tritt dadurch
ein? Ja, sehen Sie: bei vollem Wachzustande tritt dasjenige ein, was
sonst nur das unbewußte Leben formt an der Bildhaftigkeit des Traumes.
Aber das ist gerade der Unterschied der Imagination gegenüber
dem Traume: beim Traume wird alles in uns gemacht; dann dringt es
aus unerkannten Tiefen herein in das Wachleben, und wir können es
nur hinterher beobachten. Bei der Imagination, bei der Vorbereitung
zur Imagination, beim meditativen Inhalt machen wir das selbst, was
sonst in uns gemacht wird. Wir werfen uns auf zu Schöpfern von Bildern,
die nicht bloße Phantasiebilder sind, sondern an Intensität, an
Lebendigkeit sich von den Phantasiebildern ebenso unterscheiden wie
die Traumbilder von den bloßen Phantasiebildern. Aber wir machen
das alles selbst, und darauf kommt es an. Und indem wir es selbst
machen, sind wir auch von einer gründlichen Illusion befreit, die nämlich
darinnen besteht, daß man dasjenige, was man so selber macht,
als eine Kundgebung aus der objektiven Außenwelt ansehen könnte.
Das wird man nie, denn man ist sich bewußt, daß man dieses ganze
Bildgewebe selber macht. Der Halluzinant, der hält seine Halluzinationen
für Wirklichkeit. Er hält Bilder für Wirklichkeit, weil er sie ja
nicht selber macht, weil er weiß, daß sie gemacht werden. Dadurch
entsteht für ihn die Täuschung, daß sie Wirklichkeit seien. Derjenige,
der sich durch Meditation für die Imagination vorbereitet, kann gar
nicht in den Fall kommen, das, was er da selber ausbildet, für wirkliche
Bilder zu halten. Eine erste Stufe zur übersinnlichen Erkenntnis wird
gerade darinnen bestehen, daß man illusionsfrei wird dadurch, daß
man das ganze Gewebe, das man jetzt als die innere Fähigkeit, Bilder
von solcher Lebendigkeit, wie sonst die Traumbilder sind, hervorzurufen,
daß man das in völlig freier Willkür gestaltet. Und man müßte
selbstverständlich ja jetzt verrückt sein, wenn man das für Wirklichkeit
hielte!" {{Lit|{{G|303|75ff}}}}
</div>
 
==== Loslösung des Denkens von der eigenen Persönlichkeit ====
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn man nur bei der Denkarbeit
bleibt, die sich im gewöhnlichen Leben entwickelt, ist das
Denken zu schwach, zu kraftlos, zu wenig energisch, um in
die geistige Welt einzutreten. Man muß gewissermaßen erst
von dem gewöhnlichen Leben das Denken loslösen, damit
man dann mit seiner Individualität in das losgelöste Denken
hineinschlüpfen und sich so aus dem Leibe herausziehen
kann.
 
Wie kann man es nun machen, daß man sein Denken
gewissermaßen von seinem gewöhnlichen Wesen loslöst?
Das kann man dadurch zustandebringen, daß man gewisse
Gedanken - es kommt gar nicht darauf an, welche Gedanken
das sind, am besten bildhafte Gedanken, die man leicht
überschaut, bei denen man sicher ist, daß man sie in dem
Moment, wo man sie hegt, wirklich bildet, so daß sie nicht
Reminiszenzen sein können von Erlebnissen — in energischer
Meditation, in energischer Konzentration durchdenkt.
Solch eine Übung muß allerdings oftmals gemacht werden.
Dadurch aber, daß man solche Übungen wiederholt, daß man
immer wiederum auf denselben Gedankenkomplex zurückkommt,
löst man aus dem Bereiche des gewöhnlichen Lebens
diesen Denkkomplex heraus, man übergibt ihn der Welt,
man läßt ihn mit sich selbst leben. Wenn ich heute einen
bestimmten Denkkomplex habe, mich ganz in ihn vertiefe,
dann von ihm abkomme, das gewöhnliche Leben verfolge,
dann ist er nicht etwa völlig vernichtet, dann lebt er weiter,
und er kann nach einiger Zeit heraufgeholt werden und
wiederum in mein Bewußtsein gebracht werden. Das Leben,
das er so weiterlebt, das lebt er gewissermaßen ohne meine
Persönlichkeit, die unmittelbar an das stofflich-leibliche
Leben gebunden ist. Das Denken ist der geistigen Welt übergeben.
Den Gedanken hat man hineinfließen lassen in das
geistige Leben, und er wird wiederum aus demselben herausgezogen.
Wenn man die nötige Geduld und Ausdauer
hat, bringt man es dahin, nach verhältnismäßig langer Zeites
können Tage, Wochen, Monate, Jahre sein — einem Gedanken
wieder zu begegnen, den man also losgelöst hat aus
dem Bereich des subjektiven Lebens, den man dem unbekannten
Weltenwirken übergeben hat, so daß er ohne uns
fortfließt. Wenn man dann gewahr wird, was er geworden
ist, ohne daß unsere an die Leiblichkeit gebundene Seele
eingegriffen hat, dann macht man an dieser Gedankenbegegnung
nach und nach jene bedeutsamen Erlebnisse durch,
die es einem zur inneren Gewißheit bringen, daß man in
dem Gedankenleben als in einem Geistigen lebt. Daß man
sich jetzt dem Gedankenleben, das sich also zuerst losgelöst
hat von uns, selber übergibt, mit dem losgelösten Gedankenleben
selber von den stofflich-leiblichen Vorgängen
loskommt - eine Begegnung eines Gedankenkomplexes mit
anderen Gedankenkomplexen, die oftmals nach Jahren
eintreten kann, mit jenen Tatsachen, die zwischen den
Gedanken verlaufen —, das sind die für die nächste Stufe
der Geist-Erkenntnis wichtigsten inneren Erlebnisse." {{Lit|{{G|066|46ff}}}}
</div>


=== [[Imagination]] ===
== Weblinks ==
 
#[[Bild:Adobepdf_small.gif]] [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/bibliothek/alchemie/Johann_Valentin_Andreae_Chymische_Hochzeit_Christiani_Rosencreutz_Anno_1459.pdf Johann Valentin Andreae: ''Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459'']
Die [[Erleuchtung]] wird erreicht, wenn sich die Tätigkeit der durch die Meditation ausgebildeten astralischen Organe im [[Ätherleib]] abdrückt. Der Geistesschüler hat dann das [[Imagination|imaginative Bewusstsein]] ausgebildet, das im die [[Geistige Welt]] in seelischen Bilder vor das innere Auge rückt. Die wahre Bedeutung dieser geistigen Bilder kann aber auf dieser Erkenntnisstufe noch nicht mit völliger Sicherheit erkannt werden.
#[[Bild:Adobepdf_small.gif]] [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/anthroposophie/Rudolf_Steiner/DIE_CHYMISCHE_HOCHZEIT_DES_CHRISTIAN_ROSENKREUTZ.pdf Rudolf Steiner: ''Die Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz'']
 
<div style="margin-left:20px">
"Durch die Meditationsübungen, die zur imaginativen Erkenntnis führen
sollen, wird das gesamte seelische Innenleben des Menschen verwandelt.
Ebenso werden verwandelt die Beziehungen der Menschenseele
zur umliegenden Welt. Es handelt sich ja darum, daß Meditieren in
dem Sinne, wie es in den letzten Vorträgen hier gemeint war, besteht in
einem Konzentrieren aller Seelenkräfte auf einen bestimmten, leicht
überschaulichen Vorstellungskomplex. Es ist wichtig, daß man dies ins
Auge faßt: ein leicht überschaulicher Vorstellungskomplex, ein solcher,
auf den das Geistig-Seelische des Menschen in der unmittelbaren Gegenwart
alle Aufmerksamkeit verwenden kann, so daß während des
Ruhens der Seele auf diesem Vorstellungskomplex nichts in sie einfließt
von irgendwie unterbewußten oder unbewußten oder irgendwie aus der
Erinnerung heraufspielenden Seeleneindrücken.
 
Man muß, wenn die imaginative Erkenntnis in der richtigen Weise
herbeigeführt werden soll, beim Meditieren den ganzen Vorstellungskomplex,
dem man sich mit allen Seelenkräften hingibt, so vor sich haben
wie etwa ein mathematisches Problem, so daß in das Meditieren
nichts hineinspielt von gefühlsbetonten Vorstellungen oder von willensdurchzogenen
Vorstellungen. Wenn man sich einem mathematischen
Problem hingibt, weiß man in jedem Augenblick, daß man mit
der Seelentätigkeit in dem verharrt, was man unmittelbar vor dem Seelenauge
hat. Man weiß, daß nichts Emotionelles, nichts Gefühlsmäßiges,
keine Reminiszenzen aus dem verflossenen Leben in das hineinkommen
dürfen, was man sich vorstellt und was zur Urteilsfällung in
dem betreffenden Problem führt. In einer solchen Seelenverfassung
muß man auch sein bei dem richtigen Meditieren.
 
Dann ist es am besten, wenn man sich möglichst einem solchen Vorstellungskomplex
hingibt, der einem ganz neu ist, von dem man weiß,
daß man ihn ganz gewiß noch niemals gedacht hat. Denn wenn man
einfach aus der Erinnerung etwas heraufholen würde, so könnte man ja
gar nicht wissen, was da alles an unbewußten, gefühlsmäßigen Impulsen
hineinspielt. Es ist daher für den Meditanten außerordentlich gut,
wenn er sich von einem erfahrenen Geistesforscher raten läßt, denn dieser
wird darauf sehen, daß der Meditierende einen Vorstellungsinhalt
habe, über den er ganz gewiß bisher nicht gedacht haben kann, so daß
dasjenige, was nunmehr meditiert wird, zum ersten Male in das Bewußtsein
eintritt, nichts Erinnerungsmäßiges, nichts von Instinktivem
hineinspielen kann und nur das Geistig-Seelische bei diesem Meditieren
engagiert ist.
 
Wenn dann eine solche Meditation, die an einem Tage nur kurz zu
sein braucht, immer wiederholt wird, dann kommt endlich ein Seelenzustand
zustande, der den Menschen ganz deutlich fühlen läßt: Jetzt
lebst du in einer inneren Tätigkeit, die sich losgelöst hat von dem physischen
Leibe; jetzt lebst du in einer Tätigkeit, die anders ist, als wenn
du deine Denktätigkeit oder deine Gefühls- oder Willenstätigkeit innerhalb
des physischen Leibes auslösest. - Was einem da besonders
entgegentritt, das ist, daß man deutlich fühlt: Man lebt in einer von der
physischen Körperlichkeit getrennten Welt. - Man lebt sich eben allmählich
in die ätherische Welt hinein und das fühlt man daran, daß der
eigene Organismus, der physische Organismus, den Charakter einer relativen
Objektivität annimmt. Man schaut gewissermaßen von außen
auf diesen physischen Organismus hin, so wie man sonst vom Innern
dieses physischen Organismus auf äußere Gegenstände schaut. Aber
was sich im inneren Erleben zeigt, daß das Meditieren von Erfolg begleitet
war, das ist, daß die Gedanken gewissermaßen dichter werden,
daß sie nicht nur den Charakter tragen, den sie sonst haben, nämlich
den des Abstrakten, sondern daß man in den Gedanken etwas erlebt,
was ähnlich ist den Wachstumskräften, die einen vom kleinen Kinde
zum erwachsenen Menschen gemacht haben, oder den Kräften, die täglich
in einem tätig sind, wenn der Stoffwechsel den Leib versorgt.
 
Das Denken nimmt durchaus einen realen Charakter an. Und gerade
weil das Denken einen realen Charakter annimmt, so daß man sich jetzt
in dem Denken fühlt, wie man sich früher in seinen Wachstumsprozessen
oder in seinen Lebensprozessen gefühlt hat, gerade aus dem Grunde
muß dieses imaginative Denken auf die eben beschriebene Art erworben
sein. Denn wenn man es so erworben hätte, daß Unbewußtes, vielleicht
sogar Körperliches beim Meditieren mitgespielt hätte, so würden
jene Kräfte, jene Realitäten, die man jetzt im übersinnlichen Denken erlebt,
auch wiederum zurückspielen in den physischen und in den ätherischen
menschlichen Organismus. Sie würden sich dort vereinigen mit
den Wachstumskräften, mit den Ernährungskräften und man würde,
indem man dann in einem solchen realen Denken verharrt, seinen physischen
und seinen ätherischen Organismus verändern. Das darf aber
auf keine Weise sein!" {{Lit|{{G|215|45ff}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn Sie sich so vorstellen, daß der Mensch, der zum geringen
Teile ein fester Leib ist, zum großen Teile Wasser, Luft und die darinnen vibrierende Wärme, so werden Sie es auch nicht mehr so sehr
unglaubhaft finden, daß da etwas noch Feineres in uns ist. Und dieses
Feinere will ich jetzt den Ätherleib nennen. Dieser Ätherleib, der ist
feiner als die Luft. Er ist so fein, daß er uns durchzieht, ohne daß wir
im gewöhnlichen Leben etwas davon wissen. Dieser Ätherleib, der ist
es, welcher im Wachen in innerlicher Bewegung ist, in einer regelmäßigen
Bewegung im ganzen übrigen menschlichen Leib, nur nicht im
Kopfe. Im Kopfe ist der Ätherleib innerlich ruhig.
 
Im Schlafe ist das anders. Das Schlafen beginnt damit und dauert
dann in der Art und Weise an, daß der Ätherleib auch im Kopfe anfängt
in Bewegung zu sein. So daß wir im Schlafe als ganzer Mensch,
nach Kopf und übrigem Menschen, einen innerlich bewegten Ätherleib
haben. Und wenn wir träumen, sagen wir, beim Aufwachen, dann
ist es so, daß wir die letzten Bewegungen des Ätherleibes gerade im
Aufwachen noch wahrnehmen. Die stellen sich uns als die Träume
dar. Die letzten Kopf-Ätherbewegungen nehmen wir beim Aufwachen
noch wahr; beim schnellen Aufwachen kann das nicht der Fall sein.
Wer lange in der Weise, wie ich es angedeutet habe, meditiert, der
kommt aber in die Lage, in den ruhigen Ätherleib des Kopfes allmählich
Bilder hineinzuformen. Das nenne ich in dem Buche, das ich angeführt
habe, Imaginationen. Und diese Imaginationen, die unabhängig
vom physischen Leibe im Ätherleib erlebt werden, sind der erste übersinnliche
Eindruck, den wir haben können. Der bringt uns dann in
die Lage, ganz abzusehen von unserem physischen Leibe, und unser
Leben bis zu der Geburt hin in seinem Handeln, in seiner Bewegung
wie in einem Bilde anzuschauen. Was oftmals von den Leuten beschrieben
wird, die im Wasser untergesunken, am Ertrinken waren: daß sie
ihr Leben rückwärtsschauend in bewegten Bildern gesehen haben - das
kann hier systematisch ausgebildet werden, so daß man alle Ergebnisse
unseres gegenwärtigen Erdenlebens darinnen sehen kann.
Das erste, was die Initiationserkenntnis gibt, ist die Anschauung
des eigenen seelischen Lebens. Das ist allerdings anders, als man es
gewöhnlich vermutet. Gewöhnlich vermutet man in der Abstraktion
dieses seelische Leben als etwas, das aus Vorstellungen gewoben
ist. Wenn man es in seiner wahren Gestalt entdeckt, da ist es etwas
Schöpferisches, da ist es zugleich dasjenige, was in unserer Kindheit
gewirkt hat, was unser Gehirn plastisch gebildet hat, was den übrigen
Leib durchdringt und in ihm eine plastische, bildsame Tätigkeit bewirkt,
indem es unser Wachen, sogar unsere Verdauungstätigkeit jeden
Tag bewirkt.
 
Wir sehen dieses innerlich Tätige im Organismus als den Ätherleib
des Menschen. Das ist kein räumlicher Leib, das ist ein zeitlicher Leib.
Daher können Sie auch als Raumesform den Ätherleib nur beschreiben,
wenn Sie sich bewußt sind, Sie tun dabei dasselbe, wie wenn Sie einen
Blitz abmalen. Wenn Sie den Blitz abmalen, malen Sie natürlich einen
Augenblick; Sie halten den Augenblick fest. Den menschlichen Ätherleib
kann man auch nur so räumlich festhalten, daß das ein Augenblick
ist. In Wirklichkeit haben wir einen physischen Raumesleib und
einen Zeitleib, einen Ätherleib, der immer in Bewegung ist. Und es
bekommt nur einen Sinn, von dem Ätherleib zu sprechen, wenn wir
von diesem als Zeitleib sprechen, den wir als Einheit überschauen bis zu
unserer Geburt hin, von dem Augenblick ab, wo wir in die Lage kommen,
diese Entdeckung zu machen. Das ist das erste, was wir an übersinnlichen
Anlagen in uns selbst zunächst entdecken können." {{Lit|{{G|214|128ff}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Voll in dieser Tätigkeit, in die sich da der
Mensch durch das imaginative Erkennen einfügt, lebt eigentlich nur das
ganz kleine Kind, bevor es sprechen gelernt hat. Denn indem es sprechen
lernt, indem sich die Sprache im Seelenleben herausbildet, sondern
sich aus den allgemeinen Wachstums- und sonstigen Lebenskräften jene
Kräfte ab, die dann als abstraktes Denken erlebt werden. Das Kind hat
dieses abstrakte Denken noch nicht. Die Metamorphose eines Teiles der
Wachstums- und Lebenskräfte zu Denkkräften hat sich noch nicht
vollzogen. Daher ist das Kind gegenüber dem Kosmos in einer Tätigkeit,
in die man sich wieder zurückversetzt fühlt durch das imaginative
Erkennen, nur, daß das Kind es unbewußt erlebt. Der imaginative
Denker erlebt es vollbewußt in klarer Besonnenheit.
 
Für den Menschen, der nicht das imaginative Denken erringt, ist es
unmöglich, dasjenige zu überschauen, was da spielt zwischen dem
menschlichen ätherischen Organismus und dem Ätherischen im Kosmos.
Das Kind kann es nicht schauen, obwohl es das unmittelbar erlebt,
weil es noch kein abstraktes Denken hat; der Mensch mit dem gewöhnlichen
Bewußtsein kann es nicht schauen, weil er sein abstraktes
Denken noch nicht durch Meditation vertieft hat. Vertieft er es durch
Meditation, dann schaut er vollbewußt im Grunde genommen jenes
Wechselspiel des ätherischen menschlichen Organismus mit dem Ätherischen
im Kosmos, in dem noch ungeteilt das ganz kleine Kind lebt.
Und so möchte man den paradoxen Satz aussprechen: Der allein ist ein
wirklicher Philosoph, der als reifer Mensch wiederum in seiner Seelenverfassung
zum ganz kleinen Kinde werden kann, der aber die Gabe
sich erworben hat, diese Seelenverfassung des kleinen Kindes in einem
wacheren Zustande zu erleben, als das Wachsein des gewöhnlichen Bewußtseins
ist, und wiederum heraufzuholen in sein ganzes Seelenleben
das, was man war als ganz kleines Kind, bevor man durch die Sprache
zum abstrakten Denken übergegangen ist. - Und das, was man so erlebt,
vollbewußt zu überschauen, das gibt den Philosophen der modernen
Zeit. Der Philosoph der modernen Zeit lebt in der - vollbewußten -
Verfassung des ganz kleinen Kindes, bevor es sprechen gelernt hat." {{Lit|{{G|215|50}}}}
</div>
 
==== Verwandtschaft mit dem künstlerischen Erleben ====
 
<div style="margin-left:20px">
"Was
man da im Erkennen dieses ätherischen Wesens ausführt, das ist ähnlich
und doch wiederum sehr unähnlich nicht der gewöhnlich naturalistisch-
abstrakten Erkenntnisweise, sondern der künstlerischen Betätigung.
Man muß vielmehr ein gestaltendes Denken entwickeln, ein Denken,
das in einer gewissen Beziehung schon an die besondere Vorstellungsweise
des Künstlers erinnert. Allerdings, es ist auch wiederum der
künstlerischen Vorstellungsweise sehr unähnlich. Denn dasjenige, was
der Künstler bildet, bleibt innerhalb des Wesens der Phantasie stehen.
Die phantasievoll bildende Tätigkeit ist im eminentesten Sinne an die
Leiblichkeit, an die Körperlichkeit gebunden, ist nicht eine Tätigkeit
frei von der Leiblichkeit. Die Tätigkeit, die man in der imaginativen
Erkenntnis ausübt, ist frei von der Leiblichkeit, und deswegen ergreift
sie auch ein Reales. Die Schöpfungen des Künstlers sind nicht so, daß
sie sich als Reales in die Welt hineinstellen können. Sie werden noch niemals
die Vorstellung gehabt haben von der Venus von Milo, daß sie
anfängt weiterzuschreiten und auf Sie zuzukommen. Dasjenige, was
der Künstler bildet, ist doch nicht Realität. Ebensowenig werden Sie,
wenn Sie auf einem Gemälde einen Teufel gesehen haben, die Befürchtung
haben hegen können, daß der Teufel, der da gemalt ist, Sie holen
könnte. Es ist die Art und Weise, wie der Künstler sich in die Realität
hineinstellt, an die menschliche physische Realität gebunden, taucht
aber nicht in die geistig-seelische Realität hinein. Dasjenige, was in
imaginativer Erkenntnis erobert wird, das taucht in eine wirkliche
Realität, in ein Geschehen ein." {{Lit|{{G|303|88f}}}}
</div>
 
=== [[Inspiration]] ===
 
Eine noch höhere Stufe der geistigen Erkenntnis wird erreicht, wenn durch fortgesetzte Meditation die imaginativen Bilder willentlich unterdrückt und bei vollem Wachen ein Zustand völliger Leere im Bewusstsein hergestellt wird. Dann beginnt sich das Bewusstsein alsbald mit [[Inspiration]]en zu erfüllen, durch sich die [[Geistige Wesen|Wesen]] der geistigen Welt in ihrer wahren geistigen Bedeutung und in ihrem Verhältnis zueinander auszusprechen beginnen. Erst auf dieser Erkenntnisstufe kann eine sichere geistige Erkenntnis errungen werden.
 
<div style="margin-left:20px">
"Nun, die nächste Etappe in diesem Meditieren besteht darinnen,
daß man sich wiederum die Fähigkeit erwirbt, diese Bilder, die etwas
Faszinierendes haben, und die, wenn der Mensch sie nicht in vollständiger
Freiheit wie beim Meditieren entwickelt, tatsächlich sich wie die
Parasiten festsetzen, daß man diese Bilder aus dem Bewußtsein wiederum
ganz verschwinden lassen kann, daß man auch die innere Willkür
erhält, diese Bilder, wenn man will, wiederum völlig verschwinden
zu lassen. Diese zweite Etappe ist so notwendig wie die erste. So wie
im Leben gegenüber dem Erinnern das Vergessen notwendig ist - sonst
würden wir immer mit der ganzen Summe unserer Erinnerungen herumgehen
- , so ist auf dieser ersten Stufe des Erkennens das Abwerfen
der imaginativen Bilder so notwendig als das Weben, das Gestalten
dieser imaginativen Bilder.
 
Aber, indem man das alles durchgemacht hat, durchgeübt hat, hat
man etwas mit dem Seelischen vollzogen, was man vergleichen könnte
damit, wenn man einen Muskel immerfort gebraucht, wenn man ihn
immerfort übt, so wird er stark. Man hat jetzt eine Übung in der Seele
dadurch vollzogen, daß man Bilder weben, Bilder gestalten lernt, und
sie wiederum unterdrückt, und daß das alles vollständig in dem Bereich
unseres freien Willens steht. Sehen Sie, man ist dadurch, daß man
die Imagination ausgebildet hat, zu der bewußten Fähigkeit gekommen,
Bilder zu gestalten, wie sie sonst das unbewußte Leben des Traums
gestaltet, da drüben in der Welt, die man sonst mit seinem gewöhnlichen
Bewußtsein nicht überblickt, die in die Zustände zwischen dem
Einschlafen und Aufwachen hineinverlegt sind. Jetzt entfaltet man
diese selbe Tätigkeit bewußt herüber. Man entfaltet also in jener Meditation,
die abzielt auf das imaginative Erkennen, den Willen, die
Fähigkeit zu erringen, bewußt Bilder zu schaffen, und wiederum die
Fähigkeit, bewußt Bilder aus dem Bewußtsein wegzuschaffen. Dadurch
kommt eine andere Fähigkeit.
 
Diese Fähigkeit ist eine solche, die sonst unwillkürlich vorhanden
ist nicht während des Schlafens, sondern im Momente des Aufwachens
und Einschlafens. Der Moment des Aufwachens und Einschlafens kann
sich so gestalten, daß man das, was man vom Einschlafen bis zum Aufwachen
erlebt hat, in den Traumresten herübernimmt, dann von dorther
dasjenige, was drüben ist, beurteilt. Es kann uns aber auch dasjenige,
dem wir uns öffnen beim Aufwachen, gleich so überraschen,
daß alle Erinnerung an den Traum hinuntersinkt. Im allgemeinen kann
man sagen: In den Träumen ragt etwas Chaotisches, etwas wie erratische
Gebilde von einem außer dem gewöhnlichen Wachleben Liegenden
in das Wachleben herein. Es ragt dadurch herein, daß der Mensch
während des Schlafens die bildhafte, die Imaginationen schaffende
Tätigkeit entwickelt. Entwickelt er im Wachleben die Imaginationen
schaffende Tätigkeit und die Imaginationen wegschaffende Tätigkeit,
kann er also aus seiner Vorbereitung zur Imagination zu einem bewußtseinsleeren
Zustand kommen: dann ist es so wie ein Aufwachen, und
dann dringen von jenseits des Sinnesteppichs - was ich jetzt hier in der
Zeichnung mit einem roten Kreis bezeichnet habe —, da dringen dann
auf den durch die Meditation entwickelten Gedankenbahnen diejenigen
Wesenhaftigkeiten durch den Sinnesteppich durch in uns ein, die
jenseits dieses Sinnesteppichs sind. Wir durchstoßen den Sinnesteppich,
wenn wir nach den gemachten Bildern mit leerem Bewußtsein verharren;
dann kommen die Bilder herein durch Inspiration aus dem Jenseits
der Sinneswelt. Wir treten in diejenige Welt ein, die jenseits der
Sinneswelt liegt. Wir bereiten uns durch das imaginative Leben zur
Inspiration vor. Und die Inspiration besteht darinnen, daß wir bewußt
so etwas erleben können wie sonst unbewußt den Moment des
Aufwachens. Wie im Moment des Aufwachens in unser waches Seelenleben
etwas von jenseits des wachen Seelenlebens hereinkommt, so
kommt dann, wenn wir durch die Imagination unser Seelenleben so
ausgebildet haben, wie ich es geschildert habe, etwas von jenseits des
Bewußtseins des Sinnesteppichs herein.
 
Wir erleben auf diese Weise die geistige Welt, die hinter der Sinneswelt
ist. Es ist durchaus das, was als solche Fähigkeiten zur übersinnlichen
Erkenntnis angeeignet wird, eine Fortsetzung desjenigen, was
der Mensch schon im gewöhnlichen Leben als Fähigkeit hat. Und darauf
beruht Anthroposophie, daß solche Fähigkeiten weiter ausgebildet
werden. Sie muß sich aber dabei ganz und gar auf dasjenige stützen,
was sich der Mensch durch ein zeitliches Erfassen der Lebens- und
Daseinsläufe aneignet." {{Lit|{{G|303|78ff}}}}
</div>
 
==== Erleben des [[Ätherleib]]s - das [[Lebenstableau]] ====
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn Sie nun die Ubungsrichtung so weit fortsetzen, daß Sie es bis
zur Unterdrückung der selbstgemachten Imagination gebracht haben,
bis zur Leerheit des Bewußtseins und dennoch realen geistig-seelischen
Inhalt erleben, dann wird das erste sein, was Sie erleben, ein Tableau
Ihres bisherigen Erdenlebens so ungefähr bis zur Geburt hin. Den physischen
Leib sehen Sie dabei nicht. Der physische Leib entschwindet
einem, wenn man also zum leibfreien Wahrnehmen kommt. Aber alles
das bleibt vor der Seele stehen, was man erlebt hat, was sonst unbewußte
Erinnerungsströmung ist, aus der die einzelnen Erinnerungen
auftauchen. Das tritt jetzt vor die Seele hin, aber nicht so wie in der
gewöhnlichen Erinnerung, sondern so, daß es auf einmal da ist, daß es
gewissermaßen ein Zeitorganismus ist, ein in sich beweglicher Zeitorganismus." {{Lit|{{G|303|84f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn man sich in dieses Lebenstableau hineinlebt, dann findet man:
in diesem Lebenstableau ist etwas viel realer als in der bloßen Erinnerung.
Die Erinnerungsvorstellungen sind neutrale, die keine innere
Kraft haben, die gewissermaßen daliegen, die wir aufnehmen können,
die aber keine innere Kraft haben. Dasjenige, was im Lebenstableau
enthalten ist, hat innere Kraft und enthält zugleich diejenigen Kräfte,
die den Menschen bilden, die innerlich bildend wirken, die zum Beispiel
beim Kinde, wo das Gehirn zunächst noch nicht seine vollständige
plastische Ausgestaltung hat, sondern erst im Laufe der ersten Lebensjahre
ausgestaltet wird, als übersinnliche Bildekräfte wirken. Diese
übersinnlichen Bildekräfte lernt man jetzt kennen, \ndem sie in diesem
Lebenstableau drinnen enthalten sind. Man ergreift also nicht etwas
bloß abstrakt Vorstellungsmäßiges, sondern man ergreift eine Realität,
einen Zeitlauf, der krafterfüllt ist: und das ist der feinere Leib, von
dem wir sprechen, Ätherleib, auch Bildekräfteleib genannt, der ein abgeschlossenes
Bild im Räume nur gibt als ein augenblicklich Festgehaltenes
in einem fortwährenden Strömen. Dieser Ätherleib ist in fortwährender
Bewegung. Und wenn man versucht, ihn zu malen, so malt
man eigentlich etwas Unwirkliches auf, etwas, was nur einen Augenblick
dauern könnte, denn der nächste Zustand ist schon gleich wieder
ein anderer und der frühere war ein anderer. Es ist eben durchaus ein
Zeitenleib, der aber als Kräfteleib, als Bildekräfteleib dem Wachstum
und auch dem Stoffwechsel des menschlichen Organismus zugrunde
liegt, von dem wir als von einem feineren, ätherischeren Leibe sprechen.
Das Wort ätherisch darf uns dabei nicht an das erinnern, wie es in der
Physik gebraucht wird, sondern nur an dasjenige, was eben vorhin
charakterisiert und so genannt worden ist." {{Lit|{{G|303|87f}}}}
</div>
 
==== Geistesgegenwart ====
 
<div style="margin-left:20px">
"Nun hat diese Erkenntnis aber noch ein Charakteristikon. Sie werden
auch darüber in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse
der höheren Welten?» Aufschlüsse finden. Man muß sich nämlich noch
etwas aneignen, wenn man zu dieser inspirierten Erkenntnis kommen
will. Das ist Geistesgegenwart. Geistesgegenwart hat man, wenn man,
in irgendeine Lebenssituation gebracht, schnell handeln kann, nicht erst
nachklappt mit seinem Urteil, bis die Gelegenheit zum Handeln schon
vorüber ist. Man muß gerade durch solche Dinge sich üben, die einem
notwendig machen, schnell zu handeln, schnell zuzugreifen, weil nämlich
dasjenige, was durch Inspiration auftritt, schnell vorüberhuscht;
im Status nascendi, im Momente des Entstehens entschwindet es auch
schon. Man muß die Aufmerksamkeit schnell darauf werfen können." {{Lit|{{G|303|86f}}}}
</div>
 
==== Verwandtschaft mit dem moralischen Erleben ====
 
<div style="margin-left:20px">
"Und wenn wir uns zur inspirierten herauferheben, dann werden
die Inspirationen, die wir in unserem Bewußtsein tragen, so sein, daß
wir sie wieder Erlebnissen vergleichen können, die ihnen ähnlich und
doch wiederum unähnlich sind; und das sind die moralischen Erlebnisse
und ist das Auffassen moralischer Ideen. Ähnlich sind die Inspirationen
aus der geistigen Welt den moralischen Ideen dadurch, daß
man qualitativ dasselbe tut, wenn man die inspirierten Vorstellungen
erlebt, wie man tut, wenn man moralische Ideen und Ideale in seinem
Bewußtsein anwesend sein läßt. Diesem Qualitativen des innerlichen
Erlebens nach sind auch die Inspirationen dem moralischen Ideale-
Erleben ähnlich; aber sie sind wiederum total verschieden dadurch,
daß ja das moralische Ideal, das wir fassen, nicht die innerliche Aktivität
hat, sich durch eigene Kraft zu verwirklichen. Unser moralisches
Ideal ist zunächst machtlos, ohnmächtig in der Welt. Wir müssen es
durch unsere physische Persönlichkeit verwirklichen. Wir müssen es
auf dem Umwege durch unsere physische Persönlichkeit in die Welt
hineinstellen. An sich bleibt das moralische Ideal ein bloßer Gedanke.
Das ist die Inspiration nicht. Wir vollziehen sie so, daß sie qualitativ
ähnlich ist dem moralischen Vorstellen, dem moralischen Impuls; aber
sie erweist sich durch ihr Drinnenstehen in der Welt als ein Reales, als
ein Mächtiges, als dasjenige, was so wirkt, wie Naturkräfte wirken.
Man taucht also in eine Welt ein, die man so zu denken hat, wie man
die moralische denkt, die aber eine von vornherein durch ihre eigene
Kraft reale ist." {{Lit|{{G|303|89f}}}}
</div>
 
=== [[Intuition]] ===
Die höchste Erkenntnisstufe, die [[Intuition]], führt schließlich zu einer vollkommen Einswerdung mit den Wesen der geistigen Welt, in dem das eigene Bewusstsein unmittelbar in dem ihren erwacht.
 
==== Verwandtschaft mit dem religiösen Empfinden ====
 
Die Intuition verlangt die vollkommene Hingabe an das Objekt und ist darin dem [[religiös]]en Empfinden ähnlich, das allerdings nur ein [[subjektiv]] inneres Erleben ist, während die Intuition unmittelbar in die [[Realität]] eintaucht.
 
<div style="margin-left:20px">
"Und wenn man in der Inspiration so weit gekommen ist, daß man
nun darinnensteht in einer geistig-seelischen Welt, daß einem die geistigseelische
Welt einen Inhalt gibt, dann ist zum vollen Erleben dieser
geistig-seelischen Welt noch etwas notwendig. Dann muß man in diese
geistig-seelische Welt etwas hineintragen, was eben durchaus nicht in
unserer abstrakten Gedankenwelt ist. Man muß hineintragen die Hingabe
an das Objekt. Man lernt doch eine Wesenheit oder eine Kraft
in der geistig-seelischen Welt nicht voll kennen, wenn man nicht mit
dem eigenen Wesen in Liebe ganz hinübergehen, ganz einströmen kann
in das, was sich einem in der Inspiration darbietet. Die Inspiration ist
gewissermaßen zunächst nur eine Offenbarung des Geistig-Seelischen.
Das innere Wesen enthüllt sich einem, wenn man sich selber in liebevoller
Hingabe in dasjenige ausgießt, wovon man inspiriert wird. Und
indem man in dieser Weise, lebensvoll erhöht, die geistig-seelische Realität
erlebt, ist man in der Intuition darinnen.
 
Das ist die intuitive Erkenntnis. Schatten von der Intuition sind
ja auch schon im gewöhnlichen Leben vorhanden, und die Schatten
der Intuition leben sich im religiösen Empfinden, im religiösen Fühlen
aus. Dasjenige, was im religiösen Fühlen nur innerlich ist, ohne daß
man in einer besonderen Welt darinnensteht, das ist in der geistigen
Intuition voll erfüllt mit Realität. So daß die geistige Intuition ähnlich
und wiederum ganz verschieden ist von dem bloß religiösen Empfinden.
Das bloß religiöse Empfinden bleibt subjektiv. Bei der geistigen
Intuition strömt das Innenwesen in die Objektivität hinüber, lebt in der
geistig-seelischen Realität darinnen, so daß man sagen kann: Ähnlich
und unähnlich dem religiösen Vorstellen ist die intuitive Art der übersinnlichen
Erkenntnis." {{Lit|{{G|303|90f}}}}
</div>
 
== Devotionelle Stimmung zum Abschluss der Meditation ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Der letzte Teil der Meditation ist dann das Erzeugen der devotionellen
Stimmung in sich gegenüber dem, was Einem das Höchste,
das Göttliche ist. Da kommt nicht diese oder jene Vorstellung
vom Göttlichen in Betracht, sondern diejenige, welche uns - nach
unserer Subjektivität - wirklich intim ist. Dem Christen kann es
Christus, dem Hindu der «Meister», dem Mohammedaner «Mohammed» sein, ja es kann sich ein moderner Wissenschafter in die «göttliche
Natur» devotionell versenken. Es kommt auf das devotionelle
Gefühl an, nicht auf die Vorstellung, die man sich vom «Göttlichen»
macht." {{Lit|{{G|264|71}}}}
</div>
 
== Erlebnisse nach der Meditation ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Nach der Meditation ist es gut, eine Ruhepause eintreten zu
lassen, die Seele ganz leer zu machen und nur zu warten, welche
Imaginationen uns aus höheren Welten kommen. - Viel hängt
auch ab von der Stimmung, Verfassung unserer Seele: nur aus
voller Andacht und Freude, nur mit größter Hingabe sollen wir
an unsere Übungen herangehen. Die Erlebnisse, die sich einstellen,
sind sehr verschieden je nach der Individualität und dem
Karma des Meditanten. Aus der Fülle derselben möchte ich
heute zwei herausgreifen:
 
Das eine ist das Hinausgehobensein in den Raum, in die Unendlichkeit.
Man fühlt sich wie erweitert, wie emporgehoben;
damit ist natürlich verknüpft ein Verlassen des Körpers. Bei
diesem Emporgehobenwerden sieht man eine Rötung; gelblichrötliche
Wolken kommen uns entgegen, aus denen sich nach
und nach Gestalten herauskristallisieren. Dieses Erlebnis löst aus
ein Gefühl der Wonne, der Glückseligkeit.
 
Daneben tritt ein zweites Erlebnis auf, das des Hinuntertauchens,
des Versinkens in die Tiefe. Dabei hat man ein Gefühl
des Verengens, des Zusammenschnürens. Die geistigen Wesenheiten,
die man bei diesem Untertauchen empfindet, erscheinen
einem in blau-violetten Farbenerglänzungen. Sie lösen in uns aus
ein Gefühl ehrfürchtigen Erschauerns und veranlassen den Menschen,
eine Art Selbstschau über sich zu halten. Sie zeigen dem
Menschen, wie er wirklich ist, alle seine Fehler und Irrtümer,
alle seine moralischen Schwächen in ihrer ganzen Größe und
Verwerflichkeit.
 
Zwar sind wir durch die [[Rückschau]], die wir alle Abend anstellen,
schon darauf hingelenkt; aber mit dem physischen Bewußtsein
ist der Mensch doch nicht fähig, so klar zu erkennen.
Diese aus der Tiefe auftauchenden Wesen bringen uns auch
dazu, deutlich zu sehen, was Gewohnheitsfehler und falsches
Denken in uns hervorbringen. Die Wesenheiten, die uns in bläulich-
violettem Licht erscheinen und uns unsere Fehler zur Anschauung
bringen, gehören den Angeloi an, während die oberen,
die rötlich-gelben Lichtgestalten, die ihm gleich der strafenden
Gerechtigkeit sein Urteil sprechen, den Archangeloi angehören.
Diese Erlebnisse können auch in anderer Weise an den Menschen
herantreten, nämlich durch Klänge, Töne. Das ist dann
noch viel schauriger, noch viel schwerer zu ertragen, wenn ihm
auf diese Weise sein Urteil mit Donnerstimme von dem Erzengel
verkündet wird. Aber wenn der Mensch bis zu dieser
Stunde gekommen ist, die eintritt, nachdem er die Erscheinung
mit dem Hüter der Schwelle gehabt hat, dann muß er sich eben
das Erschauern (Furcht) abgewöhnt haben." {{Lit|{{G|266c|89f}}}}
</div>
 
== Wirkungen der Meditation ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Eine Frucht der Meditation ist, ein Gefühl dafür zu bekommen,
daß wir eine Verbindung anstreben und eingehen mit den Wesen
der höheren Hierarchien und dies als Gefühl des Aufgenommenseins
in die höheren Welten, des Angekommenseins an dem Ort,
wo wir urständen, erleben, warm, lebendig. Warm lebendig muß
das Gefühl sein des Aufgenommenseins in die geistige Welt." {{Lit|{{G|266b|343}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Jeder, der Meditationsübungen
ausführt, weiß, wie nach Jahren, nachdem er Meditationsübungen
ausgeführt hat, die ganze Art, wie er über die
Welt denkt, eine andere wird, als sie früher war. Er weiß,
wie er in anderer Weise Leidenschaft mit Wünschen, und
diese wieder mit Gedanken und so weiter verbindet. Er
weiß, daß ein anderes Wesen, wenn auch in feinerer Weise,
aus ihm geworden ist, das wahrgenommen werden muß.
Sonst ist immer das Ich der Mittelpunkt des Wollens. Von
dem Ich gehen die Strahlen des Wollens gleichsam aus, ergießen
sich in die Gefühle, in die Handlungen. Bei diesem
Wollen stellt sich der Mensch gewissermaßen außerhalb
seines Ich und bringt durch das Wollen das Ich selber vorwärts.
Daher ist die wahre Meditation dazu besonders
geeignet, daß er der Zuschauer seines Wollens wird, daß er
sich gewissermaßen außerhalb seiner zu versetzen weiß und
gerade so, wie man Naturvorgänge anschauen lernt, auch
dieses sein eigenes Wollen mit Gelassenheit anschauen lernt.
Sonst steckt man mit allen Leidenschaften, mit allen Wünschen,
mit allen Affekten in seinem Wollen drinnen. Dieses
überwindet man für gewisse Augenblicke des Lebens, und
man lernt, Zuschauer seines Wollens zu werden." {{Lit|{{G|065|560}}}}
</div>
 
== Beispiele ==
In seiner Schrift «[[GA 10|Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?]]» ([[GA 10]]) hat [[Rudolf Steiner]] einige grundlegende Meditationen geben, so etwa die [[Samenkorn-Meditation]]. Eine weitere Meditation von großer Bedeutung, die Steiner in seiner «[[GA 13|Geheimwissenschaft im Umriß]]» ([[GA 13]])schildert, ist die [[Rosenkreuz-Meditation]]. Weitere grundlegende Beispiele finden sich in «[[Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen]]» ([[GA 16]]).
 
== Siehe auch ==
 
*[[Achtsamkeit]]
*[[Aufmerksamkeit]]
*[[Konzentration]]
*[[Kontemplation]]
*[[Nebenübungen]]
*[[Seelenübungen]]
 
== Anmerkungen ==
 
<references/>
 
==Literatur==
#Rudolf Steiner: ''Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?'', [[GA 10]] (1904/05), Kapitel ''Kontrolle der Gedanken und Gefühle''
#Rudolf Steiner: ''Drei Schritte der Anthroposophie. Philosophie – Kosmologie – Religion'', [[GA 25]] (1999), ISBN 3-7274-0252-0 {{Schriften|025}}
#Rudolf Steiner: ''Aus dem mitteleuropäischen Geistesleben'', [[GA 65]] (2000), ISBN 3-7274-0650-X {{Vorträge|065}}
#Rudolf Steiner: ''Geist und Stoff, Leben und Tod'', [[GA 66]] (1988), ISBN 3-7274-0660-7 {{Vorträge|066}}
#Rudolf Steiner: ''Fachwissenschaften und Anthroposophie'', [[GA 73a]] (2005), ISBN 3-7274-0735-2 {{Vorträge|073a}}
#Rudolf Steiner: ''Die Welt des Geistes und ihr Hereinragen in das physische Dasein'', [[GA 150]] (1980), ISBN 3-7274-1500-2 {{Vorträge|150}}
#Rudolf Steiner: ''Vorstufen zum Mysterium von Golgatha '', [[GA 152]] (1990), ISBN 3-7274-1520-7 {{Vorträge|152}}
#Rudolf Steiner: ''Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung'', [[GA 161]] (1999), ISBN 3-7274-1610-6 {{Vorträge|161}}
#Rudolf Steiner: ''Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physische des Menschen'', [[GA 202]] (1993), ISBN 3-7274-2020-0 {{Vorträge|202}}
#Rudolf Steiner: ''Das Geheimnis der Trinität'', [[GA 214]] (1999), ISBN 3-7274-2140-1 {{Vorträge|214}}
#Rudolf Steiner: ''Die Philosophie, Kosmologie und Religion in der Anthroposophie'', [[GA 215]] (1980), ISBN 3-7274-2152-5 {{Vorträge|215}}
#Rudolf Steiner: ''Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914'', [[GA 264]] (1987), ISBN 3-7274-2650-0 {{Schule|264}}
#Rudolf Steiner: ''Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, Band I: 1904 – 1909'', [[GA 266/1|GA 266a]] (1995), ISBN 3-7274-2661-6 {{Schule|266a}}
#Rudolf Steiner: ''Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, Band II: 1910 – 1912'', [[GA 266/2|GA 266b]] (1996), ISBN 3-7274-2662-4 {{Schule|266b}}
#Rudolf Steiner: ''Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, Band III: 1913 und 1914; 1920 – 1923'', [[GA 266/3|GA 266c]] (1998), ISBN 3-7274-2663-2 {{Schule|266c}}
#Rudolf Steiner: ''Esoterische Unterweisungen für die erste Klasse der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum 1924'', [[GA 270]] I-IV (1999),  ISBN 3-7274-2700-0 {{Schule|270}}
#Rudolf Steiner: ''Der Meditationsweg der Michaelschule in neunzehn Stufen''. Rudolf Steiners esoterisches Vermächtnis aus dem Jahre 1924, Perseus Vlg. Basel 2011
#Rudolf Steiner: ''Der Meditationsweg der Michaelschule, Ergänzungsband''. Die Wiederholungsstunden in Prag, Bern, London und Dornach, Perseus Vlg., Basel 2011
#Rudolf Steiner: ''Die gesunde Entwickelung des Menschenwesens. Eine Einführung in die anthroposophische Pädagogik und Didaktik.'', [[GA 303]] (1978), ISBN 3-7274-3031-1 {{Vorträge|303}}
#Rudolf Steiner: ''Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst. Spirituelle Werte in Erziehung und sozialem Leben.'', [[GA 305]] (1991), ISBN 3-7274-3050-8 {{Vorträge|305}}
#Rudolf Steiner: ''Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heikunst'', [[GA 316]] (2003), ISBN 3-7274-3160-1 {{Vorträge|316}}
#Rudolf Steiner: ''Ausgewählte Gebete, Meditationen und mantrische Sprüche'', BOD, Norderstedt 2012
 
{{GA}}


[[Kategorie:Schulungsweg]] [[Kategorie:Meditation]]
[[Kategorie:Schulungsweg]] [[Kategorie:Rosenkreuzer]]

Version vom 30. April 2007, 09:04 Uhr

Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459, Ausgabe 1616

Die Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459 erschien 1616 in Straßburg bei Lazare Zetzner erstmals im Druck, nachdem sie zuvor schon einige Zeit als Handschrift im Umlauf war. Entstanden ist sie zwischen 1603 und 1605. Geschildert werden darin die Einweihungserlebnisse des Christian Rosenkreutz, die schließlich zur Begründung des Rosenkreuzer-Schulungswegs geführt haben, in Form eines alchemistischen Romans.

Johann Valentin Andreae

Johann Valentin Andreae (1586-1654)

Die Chymische Hochzeit erschien zunächst anonym, doch gilt als ihr Autor Johann Valentin Andreae. Im äußeren Sinn ist das wohl richtig, doch war er nicht mehr als ein Werkzeug der geistigen Welt, denn wie Rudolf Steiner deutlichlich gemacht hat, war ihr geistiger Urheber gar keine physische Persönlichkeit:

"Aber kein Mensch, der die Biographie des Valentin Andrea kennt, wird im Zweifel darüber sein, daß der Valentin Andrea, der später ein philiströser Pastor geworden ist und salbungsvolle andere Bücher schrieb, nicht die «ChymischeHochzeit» geschrieben hat. Es ist ein bloßer Unsinn, zu glauben, daß der Valentin Andrea die «Chymische Hochzeit» geschrieben hat. Denn vergleichen Sie nur einmal die «Chymische Hochzeit» oder die «Reformation der ganzen Welt» oder die anderen Schriften von Valentinus Andrea - physisch war es schon dieselbe Persönlichkeit - mit dem schmalzig Salbungsvollen, Fettig-Öligen, was der Pastor Valentin Andrea, der nur denselben Namen trägt, in seinem späteren Leben dann geschrieben hat. Das ist doch ein höchst merkwürdiges Phänomen! Wir haben einen jungen Menschen, der überhaupt noch kaum erst die Schulzeit vollendet hat, der schreibt solche Dinge nieder wie die «Reformation der ganzen Welt», wie die «Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz», und wir müssen uns anstrengen, den inneren Sinn dieser Schriften zu ergründen. Er selber versteht gar nichts davon, denn das zeigt er später: er wird ein salbungsvoller öliger Pastor. Das ist derselbe Mensch! Und man braucht nur dieses Faktum zu nehmen, so muß man plausibel finden, was ich dazumal dargestellt habe: daß eben die «Chymische Hochzeit» nicht von einem Menschen geschrieben ist, oder nur insofern von einem Menschen geschrieben ist, nun ja - wie der stets angsterfüllte geheime Sekretär von Napoleon seine Briefe geschrieben hat. Aber Napoleon war immerhin ein Mensch, der stark mit seinen Füßen, mit seinen Beinen auf dem Boden stand, war eben eine physische Persönlichkeit. Derjenige, der die «Chymische Hochzeit» geschrieben hat, war nicht eine physische Persönlichkeit, und er hat sich dieses «Sekretärs» bedient, der eben dann später der ölige Pastor Valentin Andrea geworden ist." (Lit.: GA 232, S 143)

Inhalt

Die romanhafte Schilderung der Chymischen Hochzeit beginnt damit, dass der achtzigjähriger Christian Rosenkreutz, der um 1459 in einer Eremitage am Abhang eines Berges lebte, über ein selbsterlebtes Abenteuer zu berichten beginnt, das er am Vorabend des Ostertages erlebt hat. Die ganze Erzählung erstreckt sich über sieben seelische Tagewerke und beginnt damit, dass Christian Rosenkreutz, tief in die Meditation versenkt, plötzlich einen grausamen Wind an seine Hütte heranwehen spürt, ein Zeichen dafür, dass er mit seinem Bewusstsein in die rastlos bewegte Ätherwelt eingetreten ist. Da titt plötzlich ein herrliches Weib mit Flügeln voller Augen in blauem Kleid und güldenen Sternen und einer Posaune in der Hand an ihn heran und überrreicht ihm einen Brief, der ihn zu einer königlichen Hochzeit lädt. Auf der Posaune steht ein Name, den Christian Rosenkreutz wohl erkennt, aber nicht preisgeben darf. Die Hochzeit, so erinnert er sich plötzlich, war ihm schon sieben Jahre zuvor angekündigt worden. Das im Brief ebenfalls erwähnte Bild der drei Tempel bleibt ihm vorerst rätselhaft. Im Traum sieht er sich noch in der selben Nacht in einen Turm versetzt, wo er und unzählige andere in Ketten gelegt der Befreiung harren. Sieben Mal wird ein Seil herabgelassen, an dem manche der Gefangenen - und schließlich beim sechsten Mal auch Christian Rosenkreutz - hochgezogen werden.

Am dritten Tag erreicht Christian Rosenkreutz auf seiner Wanderung einen Berggipfel, wo er wie auch die Gäste durch eine Waage geprüft werden, deren Gewichte vielfach als die 7 Tugenden gedeutet werden. Rudolf Steiner sieht in ihnen die Sieben Freien Künste. Diejenigen, die für tugendhaft befunden werden, dürfen der Hochzeit beiwohnen. Sie erhalten ein Goldenes Vlies und werden der königlichen Familie vorgestellt. Voller Erwartungen einer Hochzeit beizuwohnen, wird aber die königliche Familie geköpft und ihre Teile in sieben Schiffe verladen und auf einer weit abgelegenen Insel in den Olympischen Turm gebracht, der sieben Stockwerke hat. Innerhalb dieses Turmes erleben die Gäste einen Aufstieg und jeder von ihnen nimmt an alchemistischen Operationen teil, die durch einen Greis und eine Frau geführt werden. Aus den königlichen Überresten gewinnt man dabei eine Art flüssiges Destillat, welches ein weißes Ei gebiert. Aus diesem schlüpft wiederum ein Vogel, der gemästet und geköpft wird. Die Gäste werden aufgefordert aus den Überresten zwei winzige Statuen zu formen. Diese werden solang gefüttert, bis sie die Größe eines erwachsenen Menschen erreicht haben und es stellt sich heraus, dass diese der auferstandene König und die Königin sind. Nachdem das Werk vollbracht ist, werden die Gäste durch das Königspaar in den Orden vom Goldenen Stein eingeführt und kehren zum Schloss zurück. Christian Rosenkreutz spielt dabei noch eine weitere besondere Rolle. Da er im Schloss in das Mausoleum eingedrungen war, wurde er von der dort lebenden Venus als Schlosswächter verurteilt. Die Geschichte endet schließlich wieder in der Eremitage des Christian Rosenkreutz, womit nochmals verdeutlicht wird, dass es sich bei den Schilderungen um keine äußeren Erlebnisse, sondern um innere geistige Erfahrungen handelt.

Die Initiation durch Manes

Die Initiation des Christian Rosenkreutz im Jahre 1459 erfolgte durch Manes und war mit einer tieferen Einsicht in das Wesen und die Aufgabe des Bösen in der Welt verbunden:

"Als ein «höherer Grad» wird innerhalb dieser ganzen Strömung die Initiation des Manes angesehen, der 1459 auch Christian Rosenkreutz initiierte: sie besteht in der wahren Erkenntnis von der Funktion des Bösen. Diese Initiation muss mit ihren Hintergründen noch für lange vor der Menge ganz verborgen bleiben. Denn wo von ihr auch nur ein ganz kleiner Lichtstrahl in die Literatur eingeflossen ist, da hat er Unheil angerichtet, wie durch den edlen Guyau, dessen Schüler Friedrich Nietzsche geworden ist." (Lit.: GA 262, S 24)

Der Unterschied zwischen chymischer und mystischer Hochzeit

Christian Rosenkreutz bricht auf zu einem Einweihungsweg, der aber nicht, wie der Weg des Mystikers, nach innen geht und zur Mystischen Hochzeit mit dem eigenen geistigen Wesen führt, sondern er wandelt den Pfad des Alchemisten, der primär nach der Vereinigung mit dem Geistigen der Außenwelt strebt, das sich hinter der Sinneswelt verbirgt, und erst dadurch sekundär die eigenen Geistigkeit erkennen will. Er geht gleichsam einen objektiveren - und damit sichereren - Weg als der Mystiker.

"Die Forschungswege des Mystikers und des Alchimisten liegen nach entgegengesetzten Richtungen. Der Mystiker geht unmittelbar in das eigene Geistwesen des Menschen hinein. Sein Ziel ist, was die Mystische Hochzeit genannt werden kann, die Vereinigung der bewußten Seele mit der eigenen geistigen Wesenheit. Der Alchimist will das Geistgebiet der Natur durchwandeln, um nach der erfolgten Wanderung mit den in diesem Gebiet erworbenen Erkenntniskräften das Geistwesen des Menschen zu schauen. Sein Ziel ist die «Chymische Hochzeit», die Vereinigung mit dem Geistgebiet der Natur. Nach dieser Vereinigung erst will er die Anschauung der Menschenwesenheit erleben." (Lit.: GA 35, S 341)

Die mystische Versenkung in das eigene Innere, die in der mystischen Hochzeit kulminiert, gibt zunächst nur etwas für das subjektive Erleben des Menschen. Sie gibt im besten Sinn etwas für die moralische, für die geistige Entwicklung des einzelnen Menschen. Der Weg des Alchemisten führt weiter, indem die chymische Hochzeit zugleich ein objektives Ereignis in der geistigen Außenwelt ist. Sie arbeitet unmittelbar mit an der geistigen Erneuerung der Welt.

"Was ist denn der ganze Sinn der menschlichen Erdenentwickelung? Das ist der ganze Sinn der menschlichen Erdenentwickelung, daß sich der Mensch an die Erde anpaßt, daß er die Bedingungen der Erdenentwickelung in sich aufnimmt; daß er hineinträgt in die Zukunft seiner Entwickelung dasjenige, was die Erde ihm geben kann - ich meine jetzt nicht bloß in einer Inkarnation, sondern durch alle Inkarnationen hindurch -, für die spätere Entwickelung ihm geben kann. Das ist der Sinn der Erdenentwickelung. Dieser Sinn der Erdenentwickelung, er kann nur verwirklicht werden dadurch, daß der Mensch gewissermaßen auf der Erde nach und nach vergessen lernte seinen Zusammenhang mit den kosmischen, mit den himmlischen Mächten. Der Mensch lernte vergessen seinen Zusammenhang mit den himmlischen Mächten. Wir wissen ja, daß in alten Zeiten die Menschen ein atavistisches Hellsehen hatten, aber gerade innerhalb dieses atavistischen Hellsehens wirkten ja die himmlischen Mächte in die Menschen hinein. Da hatte der Mensch noch seinen Zusammenhang mit den himmlischen Mächten; da ragte gewissermaßen das Himmelreich in das menschliche Gemüt hinein. Das mußte anders werden, damit der Mensch seine Freiheit entwickeln kann. Der Mensch mußte in seiner Anschauung, in seiner unmittelbaren Wahrnehmung nichts mehr haben von dem himmlischen Reich, damit er der Erde verwandt werde. Aus diesem Grunde aber ist auch die Möglichkeit allein gegeben gewesen, daß der Mensch in der extremsten Zeit der Erdenverwandtschaft eben materialistisch wurde, im fünften Zeitraum, in dem wir selber drinnenstehen. Der Materialismus ist nur der radikalste, extremste Ausdruck der Verwandtschaft des Menschen mit der Erde. Das aber würde bedingen, daß der Mensch wirklich der Erde verfiele, wenn nichts anderes eintreten würde. Der Mensch mußte der Erde verwandt werden, nach und nach ganz das Schicksal der Erde teilen. Er mußte die Wege nehmen, die die Erde selber nimmt, er mußte sich ganz einfügen der Erdenentwickelung, wenn nichts anderes eintreten würde. Er mußte gleichsam mit der Erde sich losreißen vom ganzen Kosmos und sein Schicksal ganz mit dem Schicksal der Erde verbinden.

Das war aber nicht so gemeint für die Menschheit, sondern es war für die Menschheit anders gemeint. Der Mensch sollte auf der einen Seite sich richtig mit der Erde verbinden, aber es sollte Botschaft aus der himmlischen, geistigen Welt herunterkommen, die ihn, trotzdem er durch seine Natur erdenverwandt wird, wiederum hinwegträgt über diese Erdenverwandtschaft. Und dieses Herunterbringen der Himmelsbotschaft, das geschah durch das Mysterium von Golgatha. Daher mußte auf der einen Seite das Wesen, das durch das Mysterium von Golgatha ging, Menschenwesenheit annehmen, aber auf der anderen Seite in sich Himmelswesenheit tragen. Das heißt aber: Wir dürfen uns den Christus Jesus nicht bloß so vorstellen, daß er innerhalb der Menschheitsentwickelung nicht als auch einer sich entwickelt, und sei er auch der Höchste, sondern daß er sich als einer entwickelt, der aufnimmt himmlische Wesenheit, der nicht bloß eine Lehre verbreitet, sondern der in die Erde hereinträgt dasjenige, was aus dem Himmel kommt. Daher ist es wichtig, zu verstehen, was eigentlich die Johannes-Taufe im Jordan ist: daß das nicht bloß eine moralische Handlung ist - ich sage nicht «nicht» eine moralische Handlung ist, sondern «nicht bloß» eine moralische Handlung ist -, sondern eine reale Handlung ist; daß da etwas geschieht, das so wirklich ist, wie die Naturereignisse wirklich sind, das so wirklich ist, wie wenn ich mit irgendeinem Wärmequell etwas erwärme und die Wärme übergeht in das Erwärmte, daß die Christus-Wesenheit übergeht in den Menschen Jesus von Nazareth bei der Johannes-Taufe. Das ist gewiß im höchsten Grade ein Moralisches, aber auch im Naturlaufe ein Wirkliches, wie die Naturerscheinungen wirklich sind. Und darauf kommt es an, daß das verstanden wird, daß man es nicht nur mit irgend etwas zu tun hat, was aus rationalistischen menschlichen Begriffen heraus stammt, die immer nur übereinstimmen mit dem mechanischen, dem physischen oder chemischen Naturlaufe, sondern daß es etwas ist, was als Idee zu gleicher Zeit so in der realen Wirklichkeit drinnensteht, wie die Naturgesetze in der realen Wirklichkeit oder eigentlich die Naturkräfte in der realen Wirklichkeit drinnenstehen.

Von da aus, wenn man das erfaßt, werden dann auch andere Begriffe viel realer werden, als sie in der Gegenwart sind. Sehen Sie, der alte Alchimist - wir wollen uns jetzt nicht über Alchimie unterhalten, aber wir wollen auf das, was der Alchimist im Auge hatte, blicken; ob das berechtigt oder unberechtigt ist, darüber wollen wir uns nicht unterhalten, das kann vielleicht Gegenstand einer anderen Betrachtung sein -, er hatte im Auge, daß durch seine Vorstellungen nicht bloß etwas vorgestellt wird, sondern etwas geschieht. Sagen wir: Er räucherte. Und hatte er dann die Vorstellung oder sprach sie aus, so versuchte er, in diese Vorstellung eine solche Kraft hineinzubringen, daß die Räuchersubstanz wirklich Formen annahm. Er suchte solche Begriffe, die die Macht haben, in die äußere Naturrealität einzugreifen, nicht bloß innerhalb des Egoistischen des Menschen zu bleiben, sondern in die Naturrealität einzugreifen. Warum? Weil er auch noch von dem Mysterium von Golgatha die Vorstellung hatte, daß da etwas geschah, was in den Naturlauf der Erde eingreift, das ebenso eine Tatsache ist, wie ein Naturvorgang eine Naturtatsache ist.

Sehen Sie, auf diesem beruht ein bedeutungsvoller Unterschied, der in der zweiten Hälfte des Mittelalters und gegen die neuere Zeit, gegen unsere fünfte, auf die griechisch-lateinische folgende Weltenperiode eintrat. In der Kreuzzugszeit, der Zeit des 12., 13., 14., 15., ja 16. Jahrhunderts gab es insbesondere Frauennaturen, welche ihr Gemüt in eine solche Mystik brachten, daß sie dieses innere Erlebnis, das ihnen die Mystik brachte, wie eine Hochzeit empfanden mit dem Geistigen, sei es mit dem Christus, oder sonst etwas. Mystische Hochzeiten feierten zahlreiche asketische Nonnen und so weiter. Ich will mich heute nicht über das Wesen dieser innerlichen mystischen Vereinigungen ergehen; aber es war eben ein innerhalb des Gemüts Verlaufendes, das dann nur mit Worten ausgesprochen werden konnte, das gewissermaßen innerhalb der Vorstellungen, der Empfindungen und noch des Wortes, in das die Empfindungen gekleidet werden können, verlief. Dem setzte dann aus gewissen Vorstellungen und geisteswissenschaftlichen Zusammenhängen heraus Valentin Andreae seine «Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz» entgegen. Diese chymische Hochzeit, wir würden heute sagen chemische Hochzeit, sie ist auch ein menschliches Erlebnis. Aber wenn Sie sie durchlesen, diese Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz, so werden Sie sehen, daß es sich da nicht bloß um ein Gemütserlebnis handelt, sondern um etwas, was den ganzen Menschen ergreift, nicht bloß sich in Worten ausspricht; was nicht bloß hereingestellt ist wie ein Gemütserlebnis in die Welt, sondern wie ein realer Vorgang, ein Naturvorgang, wo der Mensch mit sich etwas macht, das wie ein Naturvorgang wird. Also etwas, was mehr von Wirklichkeit durchtränkt ist, meint Valentin Andreae mit seiner «Chymischen Hochzeit des Christian Rosenkreutz», als eine bloß mystische Hochzeit etwa der Mechthild von Magdeburg, die eine Mystikerin war. Durch die mystische Hochzeit der Nonnen wurde nur etwas getan für die Subjektivität des Menschen; durch die chymische Hochzeit gab sich der Mensch der Welt hin, durch ihn sollte etwas für die ganze Welt geleistet werden, so wie durch die Naturvorgänge etwas für die ganze Welt geleistet wird. Dies ist nun wiederum im eminent christlichen Sinne gedacht. Begriffe wollten die Menschen, die realer dachten - sei es nun selbst in dem einseitigen Sinne der alten Alchimisten -, Begriffe wollten sie, durch die sie die Wirklichkeit in richtiger Art meistern könnten, durch die sie in die Wirklichkeit richtiger eingreifen könnten, solche Begriffe, die nun wirklich etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben. Die materialistische Zeit hat zunächst über solche Begriffe einen Schleier geworfen. Und die Menschen, während sie heute meinen, gerade recht über die Wirklichkeit zu denken, leben viel mehr in Illusionen als die von ihnen verachteten Menschen zum Beispiel der Alchimistenzeit, welche Begriffe anstrebten, durch die die Wirklichkeit gemeistert werden kann." (Lit.: GA 175, S 80ff)

Literatur

  1. Johann Valentin Andreä: Die Chymische Hochzeit des Christian Rosencreutz, gedeutet und kommentiert von Bastiaan Baan, Verlag Urachhaus, Stuttgart 2001
  2. Rudolf Steiner: Philosophie und Anthroposophie, GA 35 (1984)
  3. Rudolf Steiner: Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha, GA 175 (1996)
  4. Rudolf Steiner: Mysteriengestaltungen, GA 232 (1998)
  5. Rudolf Steiner / Marie Steiner-von Sivers: Briefwechsel und Dokumente 1901–1925, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, GA 262 (2002)
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

  1. Johann Valentin Andreae: Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459
  2. Rudolf Steiner: Die Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz