Charles Webster Leadbeater und Metrum (Musik): Unterschied zwischen den Seiten

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'''Charles Webster Leadbeater''' (* 17.2.1847/16.2.1854, + 29.2.1934 [[Wikipedia:Adyar|Adyar]]), war einer der bekanntesten und umstrittensten Mitglieder der Adyar-TG und Initiator der '''Liberal-Katholischen Kirche'''. Nach dem aktuellen Stand der Forschung wurde C. W. Leadbeater am 16. Februar 1854 in Stockport geboren. Er allerdings gab als seinen Geburtstag den 17. Februar 1847 an.  
Die ''Metrik'' als Wissenschaft vom Metrum in Sprache und Musik ist nicht exakte Natur-, sondern logische [[Geisteswissenschaft]]. Unter Metrum (gr. μέτρον ''métron'', allgemein: Maß, Maßstab, speziell: Silben- und Versmaß) werden – im engeren Sinn – die Gewichts- bzw. Betonungsverhältnisse ([[Akzent (Linguistik)|Akzentuation]]), in der Sprache der Wörter und Sätze, in der Musik der diesen entsprechenden Motive und Phrasen verstanden, durch die der geistige ''[[Bedeutung (Sprachphilosophie)|Bedeutungsinhalt]]'' bzw. ''[[Sinn (Semantik)|Sinngehalt]]'' dieser [[Form (Philosophie)|Formgebilde]] ([[Gestalt|'Gestalten']]) zum Ausdruck gebracht wird.


Als Leadbeater 1883 der [[Theosophische Gesellschaft|Theosophischen Gesellschaft]] beitrat, war er noch Priester der Anglikanischen Kirche. Im folgenden Jahr traf er in London mit [[Helena Petrovna Blavatsky]] zusammen. Bald darauf kam er auch mit seinem Meister (über "Ernst" an K.H.) in brieflichen Kontakt. Am 04.11.1884 verließ er England in Richtung Adyar/Indien als Chela der "Meister der Weisheit". Seine Reise führte ihn u. a. nach Paris, Marseille, Alexandria, Port Said. Am 21.12.1884 traf er in [[Wikipedia:Adyar|Adyar]], dem Hauptquartier der Gesellschaft, ein und nahm "Zufluch beim Buddha".  
In der Sprache beruht der [[Begriff (Philosophie)|Metrumbegriff]] – im weiteren Sinn – auf seiner Bedeutung als Silbenmaß. Gemessen wird erstens die nicht genau bestimmbare quantitative Länge ('quantitierende Metrik') und zweitens das durch die Wortbedeutung festgelegte qualitative Gewicht ('akzentuierende Metrik') der Silben im natürlichen Wort und im künstlichen Vers.


Ab 1895 beschäftigte er sich intensiv mit Forschungen über "Okkulte Chemie" und "Esoterisches Christentum". 1886 bis 1889 lebte er hauptsächlich in Ceylon. Zusammen mit [[Olcott|H. S. Olcott]] bereiste er viele Dörfer, um seine Aufgabe, den Aufbau der Theosophischen Gesellschaft, zu erfüllen. Grundlegend sind seine Arbeiten zu den Farben der [[Aura]] (deutsche Übersetzung: ''Der sichtbare und unsichtbare Mensch'' und ''Gedankenformen'') und der [[Lotosblumen|Chakren]] (deutsche Übersetzung: ''Die Chakren'').  
In der [[Melodie|melodischen]] Dimension der Musik bildet die zeitliche Aufeinanderfolge unterschiedlicher Tondauern den ''Rhythmus'' und '''das Betonungsgefüge''' ('Gewichtung') '''der Töne innerhalb formaler Bildungen''' (also nicht die einfache Aufeinanderfolge unterschiedlicher Tonstärken) das ''Metrum''. Die Tondauer ist ein genaues Zeitmaß, die Tonstärke ein genaues Schwingungsmaß (Amplitude); das (metrische) Tongewicht hingegen ist ein [[idee]]ller Wert, der einem Ton durch seine rangmäßige Beziehung zu mindestens einem weiteren Ton (im Intervall) zukommt.


Um die Jahrhundertwende begannen sich seine "Anhänger", z. B. [[Annie Besant]], und seine "Feinde" (z. B. Katherine Tingley) zu formieren. Der "Leadbeater-Skandal" weitete sich immer mehr aus. Ihm wurden unmoralische sexuelle Handlungen vorgeworfen. Er lehrte seinen Schülern u. a. Körperhygiene (sich nackt zu waschen) sowie Selbstkontrolle und Befreiung von negativen spirituellen Gedanken durch Masturbation. In langwierigen Gerichtsverhandlungen wurden zwar alle Anschuldigungen widerlegt, doch die Gerüchte hielten sich hartnäckig am Leben. Nach dem Ehrengerichtsverfahren von 1906 trat er aus der Theosophischen Gesellschaft aus, aber schon Ende 1908 öffneten sich für ihn erneut die Tore der Theosophischen Gesellschaft.
== Die Theorie ==
=== Musikmetrum und Sprachmetrum ===


Am 10.02.1909 traf Leadbeater wieder in Adyar ein. Vermutlich im Mai 1909 entdeckte er den 15jährigen Hindu-Knaben [[Krishnamurti]] ("Alcyone" - Der hellste Stern der Plejaden). Auf Grund der schulischen und privaten Umstände nahm Leadbeater ihn in die Obhut der Theosophischen Gesellschaft. Anfang 1910 erhielt er eine Einweihung durch Leadbeater. Er sollte der neue "Weltlehrer" werden und wurde als der wiedergekommene [[Christus]] bezeichnet. Leadbeater bereitete ihn auf diese große Aufgabe vor. 1913 trennte sich [[Rudolf Steiner]] deshalb endgültig von der Theosophischen Gesellschaft. 1929 löst Krishnamurti seinen "Sternenorden" auf und entsagte der ihm aufgenötigten Messiasrolle.  
Sprache und Musik treten erst in ihrer differenzierenden und wertenden Laut- bzw. Klangform, die ja die eigentlich metrische ist, voll in Erscheinung. Die Theorie muss sich daher primär der realen, also tönenden Gestalten von Wort und Satz bzw. von [[Motiv (Musik)|Motiv]] und [[Phrase (Musik)|Phrase]] annehmen, andernfalls operiert sie mit leeren Begriffen. Die höheren Formbildungen wie Vers, Strophe, Periode usw., sind künstliche Gebilde, die nicht zur Metrik, sondern in der Sprache zur Verslehre und in der Musik zur [[Formenlehre]] gehören.


Am 20.02.1914 verließ C. W. Leadbeater Indien in Richtung Neuseeland und Australien. 1915 wurde er in die Freimaurerei aufgenommen. 1916 trat er der Alt-Katholischen-Kirche bei und wurde zum Regionalbischof von Australien geweiht. Am 06.09.1918 wurde der Namen dieser religiösen Gemeinschaft in "Liberal-Katholische-Kirche" geändert.  
Das Sprachmetrum ist an das lexikalisch definierte Wort gebunden, die Silbengewichtung ist zusammen mit der Wortbedeutung gegeben (Beispiele: '''al'''le und Al'''lee''', über'''setzen''' und '''über'''setzen). Die grammatische Silbentrennung missachtet meistens diesen Sachverhalt (Beispiele: Hil-fe, rin-gen).
In der Musik sind die formalen Sinneinheiten, an die das Metrum gebunden ist (Figur, Tonsilbe, Motiv, Phrase), weder a priori bekannt, noch eindeutig dem Notentext oder spontan der Musik zu entnehmen. Sie müssen durch künstlerische, das heißt bewusst-intuitive Analyse gefunden oder bestimmt werden.


Im Frühjahr 1933 fuhr Leadbeater nach Adyar, um an der Seite der schwer erkrankten Annie Besant bis zu ihrem Tod am 20.09.1933 zu verweilen. Er leitete ihre Begräbnisfeierlichkeiten.
=== Musikmetrische Begriffe und Zeichen ===


Im Januar des folgenden Jahres kehrte er, bereits schwer krank, zurück nach Australien. Am 29.02.1934 fiel er ins Koma und starb nachmittags.  
Es gibt zwei polare metrische Werte oder Elemente: ein Ton (oder eine kurze Tonfolge) ist schwer (betont) oder leicht (unbetont). Ein betonter Ton wird Schwere oder Hebung genannt (Zeichen: —), ein unbetonter Ton Leichte oder Senkung (Zeichen: ‿), abgeleitet vom Erheben und Absenken der Stimme. Bezüglich der altgriechischen Begriffe [[Arsis und Thesis]] s. d. Die metrischen Elemente können noch differenziert werden, in der Notation erhalten sie dann ein Akzentzeichen.


== Weblinks==
Ein musikalisches Metrum von bestimmter Form heißt Klangfuß, nach dem Vorbild von Wortfuß und Versfuß. Die wichtigsten sind: Trochäus — ‿ , Jambus ‿ — , Daktylus — ‿ ‿ , Amphibrachys ‿ — ‿,  Anapäst ‿ ‿ — , Erster — ‿ ‿ ‿ bis Vierter Päon ‿ ‿ ‿ — .
*[http://www.blavatskaja.de/leadbeater.htm Charles Webster Leadbeater] - Kurzbiografie


[[Kategorie:Theosophie]]
=== Metrum und Takt ===
 
Der 'Takt' dient der Notation des Metrums, er ist ein treues Abbild des metrischen Systems. Er wird in der Musik nicht unmittelbar gehört, sondern wohnt ihr virtuell inne. Will man ihn bewusst erfassen, muss man ihn durch Abzählen, Klopfen, Taktschlagen oder Tanzen mitmachen.
 
Der vollständige Taktbegriff beinhaltet: 1. den gleichmäßigen Grundschlag (Taktschlag, Taktteil, Zählzeit; Beispiele: Pulsschlag); 2. einen Notenwert als relative Zeitdauer des Grundschlags; 3. die Anzahl der Grundschläge, die den Taktumfang bedingen; und 4. das Betonungsmuster oder Metrum dieser Grundschläge, deren erster, die 'Eins', die Taktschwere darstellt.
 
=== Metrum und Rhythmus ===
 
Der Rhythmus ist ein vital-zeitliches, das Metrum ein mental-überzeitliches Prinzip der Musik, ersteres bildet den Unterbau, letzteres den Überbau. Der melodische Bewegungsverlauf basiert auf einem vollkommenen, mathematisch fundierten rhythmischen System. Die in der Notation an ihre graphische Form gebundenen relativen Ton- und Pausendauern, Ganze, Halbe, Viertel, Achtel usw., werden theoretisch als hierarchisch angeordnete Zeitwert-Ebenen beschrieben. Die Hauptebene ist in der Taktbezeichnung angegeben. In der erklingenden Musik aber erlebt man den ganzheitlichen Rhythmus ({{lang|grc|ῥυθμός}} ''rhythmos'' „Rhythmus“, Takt; Gleichmaß, Regelmäßigkeit), die sog. Ebenen existieren nur begrifflich.
 
Dieses exakte rhythmische System bildet die materiale Grundlage für das nicht quantifizierbare metrische System, indem eine bestimmte Tondauer zum Zeitmaß für das einzelne metrische Element (Hebung oder Senkung) und eine bestimmte Tonanzahl zum Betonungsmuster des Taktes werden.
[[Datei:Rh+Metr.tif|300px]]
 
Die Musik in ihrer Klanggestalt hat ihre eigene, organische Struktur, die von den rhythmisch wie metrisch konstituierten Formgestalten gebildet wird, nach denen auch das zugrunde liegende Taktmodell eingerichtet ist.
 
=== Metrum und Form ===
 
Vom Taktmetrum können abstrakte Formen, ''Metren'', abgeleitet werden. Der Zweiertakt liefert den Trochäus und Jambus, der Dreiertakt den Daktylus, Anapäst und Amphibrachys, der Vierertakt die vier Päone. In der erklingenden Musik werden diese Metren durch ihre künstlerische, besonders rhythmische Form zu ''Klangfüßen''.
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Wird ein Taktteil rhythmisch unterteilt, so wird eine weitere Zeitwert-Ebene aktiv, so dass ein dritter Klangfuß abgeleitet werden kann, z. B. wenn im Zweiertakt eine Viertelnote zu zwei Achtelnoten wird:
[[Datei:MetrRh_a.tif|180px]]
 
Und umgekehrt führt ein doppelter Notenwert zum Wegfall eines metrischen Elements und damit eines Klangfußes.
 
== Die Praxis ==
=== Der Takt ===
{{Hauptartikel|Takt (Musik)}}
 
Der notierte Takt liefert optisch ein klares Bild des einem Musikstück zugrunde liegenden ''metrischen Systems''. Der Nenner des Taktbruchs bezeichnet die einzelne Schlagdauer, der Zähler die Anzahl dieser Dauern (pro Takt), und der Taktstrich den ersten Schlag als Schwere und damit die übrigen als Leichte. Die häufigsten Taktarten sind der Zweier- oder ''binäre'', der Dreier- oder ''ternäre'' und der Vierer- oder ''quaternäre'' Takt.
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Auch die Schlagfiguren der Chor- und Orchesterleiter machen den Takt sichtbar:
[[Datei:Schlagfigur1-4.tif|330px]]
 
=== Taktmetrum und Rhythmus ===
 
Der 'Takt' kann bereits durch den Rhythmus allein verändert werden, daher muss immer zwischen dem theoretischen, starren Metrum des Taktschemas und dem erklingenden, sich unaufhörlich verwandelnden Metrum der Musik unterschieden werden:
[[Datei:MetrRh_c2.tif|280px]]
 
=== Die Synkope ===
 
Eine Spannung oder Reibung zwischen dem Taktmetrum und dem Musikmetrum führt zur sogenannten [[Synkope (Musik)|Synkope]] (von gr. συν-κοπτειν ''syn-koptein'', zusammenschlagen, -stoßen), die je nach Lage im Takt von unterschiedlicher Stärke ist. Im folgenden Beispiel wird die schwere Silbe [un-] auf der Takt-Eins zur eigentlich leichten Takt-Drei noch gesteigert. Das wird damit erklärt, dass die folgende, schwere Takt-Eins auf die Takt-Drei zurück verlagert wird; in Wirklichkeit aber bestimmt immer das Motiv, welches hier das Wort "unverstanden" vertont, den Takt, und nicht der Takt das Motiv. Auch sollten rhythmische Bildungen nicht in den Synkopenbegriff einbezogen werden, andernfalls verwässert man ihn. Die musikalische Synkope ist ein rein metrisches Phänomen.
[[Datei:Synk unverstand.tif|280px]]
 
=== Motiv- und Phrasenmetrum ===
 
Das Metrum ist untrennbar an die musikalischen Formbildungen der Figuren, Motive, Phrasen und Themen gebunden, in welchen sich neben der klangsinnlichen Tonhöhenordnung und dem vitalen Rhythmus der ideelle Gehalt der Musik ausspricht, der selbstverständlich nicht begrifflicher, sondern klangbildlicher Natur ist. Für die Notation dieser Formbildungen gibt es keine verbindlichen Schriftzeichen. Wird aber die Melodie nur dem Taktmetrum unterworfen, so kann sie bis zur Unkenntlichkeit entstellt werden.
 
In der Vokalmusik lässt sich das Problem vom Text her lösen: das Wortmetrum ist für die Vertonung verbindlich. Abweichungen zwischen Sprach- und Musikmetrum gehören zur künstlerischen Natur der Sache. Dem Anfang des folgenden Schubert-Liedes sind die vorliegenden drei metrischen Ebenen, das Taktmetrum, das Sprachmetrum und (rot) das Musikmetrum, eingezeichnet.
[[Datei:S AmBrunnen.tif|530px]]
 
Am Fugenthema C-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier II von J. S. Bach wird gezeigt, wie die Motive nach Umfang und Metrum aus dem reinen Notentext gewonnen werden. Sie sind mit einer Klammer formal und innerhalb der Klammer metrisch bezeichnet. Das Thema, das eine Phrase darstellt, besteht aus zwei verschiedenen Motiven, das erste kann auch als zweisilbig aufgefasst werden, das zweite, das den Anfang des ersten (die erste Silbe) aufgreift, wird mit geringer Änderung eine Stufe höher wiederholt (Sequenz). Das erste Motiv gehorcht dem Takt, die beiden folgenden setzen sich über ihn hinweg. Selbstverständlich muss das alles auditiv zum Ausdruck kommen, andernfalls wird schlecht oder falsch gespielt
[[Datei:MetrBaFugeC.tif|550px]]
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Takt und Rhaythmus}}
* {{WikipediaDE|Metrum (Musik)}}
 
== Literatur ==
* Peter Benary: ''Rhythmik und Metrik. Eine praktische Anleitung'' (= ''Musik-Taschen-Bücher. Theoretica.'' 7 = ''TB.'' 254). 2. Auflage. Musikverlag Gerig, Köln 1973, ISBN 3-89007-004-3.
* Walther Dürr, Walter Gerstenberg: ''Rhythmus, Metrum, Takt.'' In: ''Die Musik in Geschichte und Gegenwart.'' Band 11: ''Rasch – Schnyder von Wartensee.'' Bärenreiter, Kassel u. a. 1963, Sp. 383–419.
* Robert Jourdain: ''Das wohltemperierte Gehirn. Wie Musik im Kopf entsteht und wirkt.'' Spektrum – Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 1998, ISBN 3-8274-0224-7.
* Otto Paul: ''Deutsche Metrik.'' 3., vermehrte und verbesserte Auflage. Hueber, München 1950.
* Egon Sarabèr: ''Methode und Praxis der Musikgestaltung.'' Papierflieger-Verlag, Clausthal-Zellerfeld 2011, ISBN 978-3-86948-171-5.
* Egon Sarabèr: ''Die Kunst des Notenlesens. Für Anfänger und Fortgeschrittene.'' 2., verbesserte Auflage 2018, Papierflieger-Verlag, Clausthal-Zellerfeld, ISBN 978-3-86948-626-0.
* Manfred Spitzer: ''Musik im Kopf. Hören, Musizieren, Verstehen und Erleben im neuronalen Netzwerk.'' 2. Auflage. Schattauer, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-7945-2940-7.
 
== Weblinks ==
{{Commonscat|Rhythm and meter|Metrum}}
 
[[Kategorie:Takt und Rhythmus|!]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 5. Juli 2019, 05:06 Uhr

Die Metrik als Wissenschaft vom Metrum in Sprache und Musik ist nicht exakte Natur-, sondern logische Geisteswissenschaft. Unter Metrum (gr. μέτρον métron, allgemein: Maß, Maßstab, speziell: Silben- und Versmaß) werden – im engeren Sinn – die Gewichts- bzw. Betonungsverhältnisse (Akzentuation), in der Sprache der Wörter und Sätze, in der Musik der diesen entsprechenden Motive und Phrasen verstanden, durch die der geistige Bedeutungsinhalt bzw. Sinngehalt dieser Formgebilde ('Gestalten') zum Ausdruck gebracht wird.

In der Sprache beruht der Metrumbegriff – im weiteren Sinn – auf seiner Bedeutung als Silbenmaß. Gemessen wird erstens die nicht genau bestimmbare quantitative Länge ('quantitierende Metrik') und zweitens das durch die Wortbedeutung festgelegte qualitative Gewicht ('akzentuierende Metrik') der Silben im natürlichen Wort und im künstlichen Vers.

In der melodischen Dimension der Musik bildet die zeitliche Aufeinanderfolge unterschiedlicher Tondauern den Rhythmus und das Betonungsgefüge ('Gewichtung') der Töne innerhalb formaler Bildungen (also nicht die einfache Aufeinanderfolge unterschiedlicher Tonstärken) das Metrum. Die Tondauer ist ein genaues Zeitmaß, die Tonstärke ein genaues Schwingungsmaß (Amplitude); das (metrische) Tongewicht hingegen ist ein ideeller Wert, der einem Ton durch seine rangmäßige Beziehung zu mindestens einem weiteren Ton (im Intervall) zukommt.

Die Theorie

Musikmetrum und Sprachmetrum

Sprache und Musik treten erst in ihrer differenzierenden und wertenden Laut- bzw. Klangform, die ja die eigentlich metrische ist, voll in Erscheinung. Die Theorie muss sich daher primär der realen, also tönenden Gestalten von Wort und Satz bzw. von Motiv und Phrase annehmen, andernfalls operiert sie mit leeren Begriffen. Die höheren Formbildungen wie Vers, Strophe, Periode usw., sind künstliche Gebilde, die nicht zur Metrik, sondern in der Sprache zur Verslehre und in der Musik zur Formenlehre gehören.

Das Sprachmetrum ist an das lexikalisch definierte Wort gebunden, die Silbengewichtung ist zusammen mit der Wortbedeutung gegeben (Beispiele: alle und Allee, übersetzen und übersetzen). Die grammatische Silbentrennung missachtet meistens diesen Sachverhalt (Beispiele: Hil-fe, rin-gen). In der Musik sind die formalen Sinneinheiten, an die das Metrum gebunden ist (Figur, Tonsilbe, Motiv, Phrase), weder a priori bekannt, noch eindeutig dem Notentext oder spontan der Musik zu entnehmen. Sie müssen durch künstlerische, das heißt bewusst-intuitive Analyse gefunden oder bestimmt werden.

Musikmetrische Begriffe und Zeichen

Es gibt zwei polare metrische Werte oder Elemente: ein Ton (oder eine kurze Tonfolge) ist schwer (betont) oder leicht (unbetont). Ein betonter Ton wird Schwere oder Hebung genannt (Zeichen: —), ein unbetonter Ton Leichte oder Senkung (Zeichen: ‿), abgeleitet vom Erheben und Absenken der Stimme. Bezüglich der altgriechischen Begriffe Arsis und Thesis s. d. Die metrischen Elemente können noch differenziert werden, in der Notation erhalten sie dann ein Akzentzeichen.

Ein musikalisches Metrum von bestimmter Form heißt Klangfuß, nach dem Vorbild von Wortfuß und Versfuß. Die wichtigsten sind: Trochäus — ‿ , Jambus ‿ — , Daktylus — ‿ ‿ , Amphibrachys ‿ — ‿, Anapäst ‿ ‿ — , Erster — ‿ ‿ ‿ bis Vierter Päon ‿ ‿ ‿ — .

Metrum und Takt

Der 'Takt' dient der Notation des Metrums, er ist ein treues Abbild des metrischen Systems. Er wird in der Musik nicht unmittelbar gehört, sondern wohnt ihr virtuell inne. Will man ihn bewusst erfassen, muss man ihn durch Abzählen, Klopfen, Taktschlagen oder Tanzen mitmachen.

Der vollständige Taktbegriff beinhaltet: 1. den gleichmäßigen Grundschlag (Taktschlag, Taktteil, Zählzeit; Beispiele: Pulsschlag); 2. einen Notenwert als relative Zeitdauer des Grundschlags; 3. die Anzahl der Grundschläge, die den Taktumfang bedingen; und 4. das Betonungsmuster oder Metrum dieser Grundschläge, deren erster, die 'Eins', die Taktschwere darstellt.

Metrum und Rhythmus

Der Rhythmus ist ein vital-zeitliches, das Metrum ein mental-überzeitliches Prinzip der Musik, ersteres bildet den Unterbau, letzteres den Überbau. Der melodische Bewegungsverlauf basiert auf einem vollkommenen, mathematisch fundierten rhythmischen System. Die in der Notation an ihre graphische Form gebundenen relativen Ton- und Pausendauern, Ganze, Halbe, Viertel, Achtel usw., werden theoretisch als hierarchisch angeordnete Zeitwert-Ebenen beschrieben. Die Hauptebene ist in der Taktbezeichnung angegeben. In der erklingenden Musik aber erlebt man den ganzheitlichen Rhythmus (ῥυθμός rhythmos „Rhythmus“, Takt; Gleichmaß, Regelmäßigkeit), die sog. Ebenen existieren nur begrifflich.

Dieses exakte rhythmische System bildet die materiale Grundlage für das nicht quantifizierbare metrische System, indem eine bestimmte Tondauer zum Zeitmaß für das einzelne metrische Element (Hebung oder Senkung) und eine bestimmte Tonanzahl zum Betonungsmuster des Taktes werden. Datei:Rh+Metr.tif

Die Musik in ihrer Klanggestalt hat ihre eigene, organische Struktur, die von den rhythmisch wie metrisch konstituierten Formgestalten gebildet wird, nach denen auch das zugrunde liegende Taktmodell eingerichtet ist.

Metrum und Form

Vom Taktmetrum können abstrakte Formen, Metren, abgeleitet werden. Der Zweiertakt liefert den Trochäus und Jambus, der Dreiertakt den Daktylus, Anapäst und Amphibrachys, der Vierertakt die vier Päone. In der erklingenden Musik werden diese Metren durch ihre künstlerische, besonders rhythmische Form zu Klangfüßen. Datei:MetrenForm.tif

Wird ein Taktteil rhythmisch unterteilt, so wird eine weitere Zeitwert-Ebene aktiv, so dass ein dritter Klangfuß abgeleitet werden kann, z. B. wenn im Zweiertakt eine Viertelnote zu zwei Achtelnoten wird: Datei:MetrRh a.tif

Und umgekehrt führt ein doppelter Notenwert zum Wegfall eines metrischen Elements und damit eines Klangfußes.

Die Praxis

Der Takt

Hauptartikel: Takt (Musik)

Der notierte Takt liefert optisch ein klares Bild des einem Musikstück zugrunde liegenden metrischen Systems. Der Nenner des Taktbruchs bezeichnet die einzelne Schlagdauer, der Zähler die Anzahl dieser Dauern (pro Takt), und der Taktstrich den ersten Schlag als Schwere und damit die übrigen als Leichte. Die häufigsten Taktarten sind der Zweier- oder binäre, der Dreier- oder ternäre und der Vierer- oder quaternäre Takt. Datei:MetrenTakt.tif

Auch die Schlagfiguren der Chor- und Orchesterleiter machen den Takt sichtbar:

Taktmetrum und Rhythmus

Der 'Takt' kann bereits durch den Rhythmus allein verändert werden, daher muss immer zwischen dem theoretischen, starren Metrum des Taktschemas und dem erklingenden, sich unaufhörlich verwandelnden Metrum der Musik unterschieden werden: Datei:MetrRh c2.tif

Die Synkope

Eine Spannung oder Reibung zwischen dem Taktmetrum und dem Musikmetrum führt zur sogenannten Synkope (von gr. συν-κοπτειν syn-koptein, zusammenschlagen, -stoßen), die je nach Lage im Takt von unterschiedlicher Stärke ist. Im folgenden Beispiel wird die schwere Silbe [un-] auf der Takt-Eins zur eigentlich leichten Takt-Drei noch gesteigert. Das wird damit erklärt, dass die folgende, schwere Takt-Eins auf die Takt-Drei zurück verlagert wird; in Wirklichkeit aber bestimmt immer das Motiv, welches hier das Wort "unverstanden" vertont, den Takt, und nicht der Takt das Motiv. Auch sollten rhythmische Bildungen nicht in den Synkopenbegriff einbezogen werden, andernfalls verwässert man ihn. Die musikalische Synkope ist ein rein metrisches Phänomen. Datei:Synk unverstand.tif

Motiv- und Phrasenmetrum

Das Metrum ist untrennbar an die musikalischen Formbildungen der Figuren, Motive, Phrasen und Themen gebunden, in welchen sich neben der klangsinnlichen Tonhöhenordnung und dem vitalen Rhythmus der ideelle Gehalt der Musik ausspricht, der selbstverständlich nicht begrifflicher, sondern klangbildlicher Natur ist. Für die Notation dieser Formbildungen gibt es keine verbindlichen Schriftzeichen. Wird aber die Melodie nur dem Taktmetrum unterworfen, so kann sie bis zur Unkenntlichkeit entstellt werden.

In der Vokalmusik lässt sich das Problem vom Text her lösen: das Wortmetrum ist für die Vertonung verbindlich. Abweichungen zwischen Sprach- und Musikmetrum gehören zur künstlerischen Natur der Sache. Dem Anfang des folgenden Schubert-Liedes sind die vorliegenden drei metrischen Ebenen, das Taktmetrum, das Sprachmetrum und (rot) das Musikmetrum, eingezeichnet.

Am Fugenthema C-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier II von J. S. Bach wird gezeigt, wie die Motive nach Umfang und Metrum aus dem reinen Notentext gewonnen werden. Sie sind mit einer Klammer formal und innerhalb der Klammer metrisch bezeichnet. Das Thema, das eine Phrase darstellt, besteht aus zwei verschiedenen Motiven, das erste kann auch als zweisilbig aufgefasst werden, das zweite, das den Anfang des ersten (die erste Silbe) aufgreift, wird mit geringer Änderung eine Stufe höher wiederholt (Sequenz). Das erste Motiv gehorcht dem Takt, die beiden folgenden setzen sich über ihn hinweg. Selbstverständlich muss das alles auditiv zum Ausdruck kommen, andernfalls wird schlecht oder falsch gespielt Datei:MetrBaFugeC.tif

Siehe auch

Literatur

  • Peter Benary: Rhythmik und Metrik. Eine praktische Anleitung (= Musik-Taschen-Bücher. Theoretica. 7 = TB. 254). 2. Auflage. Musikverlag Gerig, Köln 1973, ISBN 3-89007-004-3.
  • Walther Dürr, Walter Gerstenberg: Rhythmus, Metrum, Takt. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Band 11: Rasch – Schnyder von Wartensee. Bärenreiter, Kassel u. a. 1963, Sp. 383–419.
  • Robert Jourdain: Das wohltemperierte Gehirn. Wie Musik im Kopf entsteht und wirkt. Spektrum – Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 1998, ISBN 3-8274-0224-7.
  • Otto Paul: Deutsche Metrik. 3., vermehrte und verbesserte Auflage. Hueber, München 1950.
  • Egon Sarabèr: Methode und Praxis der Musikgestaltung. Papierflieger-Verlag, Clausthal-Zellerfeld 2011, ISBN 978-3-86948-171-5.
  • Egon Sarabèr: Die Kunst des Notenlesens. Für Anfänger und Fortgeschrittene. 2., verbesserte Auflage 2018, Papierflieger-Verlag, Clausthal-Zellerfeld, ISBN 978-3-86948-626-0.
  • Manfred Spitzer: Musik im Kopf. Hören, Musizieren, Verstehen und Erleben im neuronalen Netzwerk. 2. Auflage. Schattauer, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-7945-2940-7.

Weblinks

Commons: Metrum - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema


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