Valentinus

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Valentinus, auch: Valentinos, Valentin, Valentinian oder Valentius († nach 160), war ein christlich-gnostischer Lehrer und galt den Kirchenvätern als [Erz]Häretiker (griech. αἱρεσιάρχης πρῶτος, airesiarches protos).

Leben

Über das Leben von Valentinus ist wenig bekannt. Das Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon schätzt, dass er etwa um 100 geboren wurde. Nach Epiphanius wurde er in Phrenobis (Ägypten) geboren und in Alexandria ausgebildet, wahrscheinlich von Basilides. Er habe seine Lehre in Ägypten verbreitet, bevor er nach Rom ging.[1] Nach Irenäus von Lyon kam er unter Bischof Hyginus († 142) nach Rom und wirkte dort unangefochten als freier theologischer Lehrer bis in die Zeit von Bischof Anicetus (zirka 154–166).[2] Eine ähnliche Stellung als freier theologischer Lehrer in Rom hatte sein Zeitgenosse Justin der Märtyrer. Nach Epiphanius war er auch in Zypern, aufgrund der Quellenlage ist jedoch nicht klar, ob das vor oder nach seinem Aufenthalt in Rom war.

Nachdem zwei Drittel der erhaltenen Texte von Valentinus bei Clemens von Alexandria stehen, stellt Markschies die These auf, dass Valentinus seine Lehre bereits in Alexandria ausformuliert hatte.[3]

Werke

Valentinus schrieb Lehrbriefe, Predigten und Hymnen, die von seinen Schülern gesammelt wurden. Erhalten sind neun kleine Fragmente. Clemens von Alexandria erwähnt eine dogmatische Schrift „Über die drei Naturen“ (griech. περ τρὶν φυσὲων, per trìn physèon), die jedoch verschollen ist. Nach Schaff ist möglicherweise ein Fragment davon bei Photios (Biblioteca CCXXX) erhalten.[4] Verschiedene andere Schriften wie das Evangelium der Wahrheit, der Diognetbrief, der Rheginosbrief, und der Naassenerpsalm und die Pistis Sophia wurden Valentinus von einzelnen Autoren zugeschrieben, mehrheitlich wird seine Autorschaft jedoch abgelehnt.[3]

Nach dem Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon zeugen die Werke von poetischem Gestaltungsvermögen.[3] Nach Schaff stellt Tertullian die Hymnen von Valentinus bezüglich Poesie auf die gleiche Stufe wie die Psalmen Davids.[4]

Von Valentinus vertretene Lehren

Über die Lehren von Valentinus kann wenig ausgesagt werden, da die meisten Quellen nicht zwischen seiner Lehre und der späterer Valentianer unterscheiden.

  • Der Mensch wurde durch Engel zwar unvollkommen geschaffen, aber vom obersten Gott nach einem himmlischen Vorbild im Akt der Schöpfung perfektioniert.
  • Die Welt ist eine wohlgeordnete und von Gottes Geist durchwirkte Schöpfung.
  • Die Offenbarung des höchsten Gottes, die durch seinen Sohn Jesus Christus erfolgt, reinigt das verdorbene Herz des Menschen.
  • Der irdische Jesus von Nazaret wird als göttliches Wesen verstanden: Er isst und trinkt, hat aber keine Verdauung.

Valentinianismus

Der Valentinianismus war eine der am weitesten verbreiteten gnostisch-christlichen Bewegungen. Irenäus erwähnt Ptolemäus, Herakleon und Theodot als Schüler von Valentinus. Der von ihnen weiter entwickelte Valentinianismus existierte in einer westlichen (Ptolemäus, Herakleon) und östlichen (Theodot) Form. Hippolytus erwähnt einen Axionicos und einen Ardesianes (nach Schaff vermutlich identisch mit Bardesanes) für die östliche Form.

Rezeption

In der Rezeption von Valentinian gibt es große Unterschiede. Die Kirchengeschichte bis ins 19. Jahrhundert sieht ihn in unkritischer Wiederholung antiker Quellen als Erzketzer und macht keinen oder kaum einen Unterschied zwischen Valentinus und Valentinianern.[4][5]. Die Encyclopædia Britannica von 1911 geht davon aus, dass Valentinian nicht, wie Markion, von Anfang an mit der Kirche brach, sondern lange seinen Status innerhalb der Kirche bewahrte.[6]

Für Daniel Dawson geht Valentinus sehr frei und kreativ mit biblischen Texten um und sieht den eigentlichen Ursprung der Wahrheit in visionären Erfahrungen, die die Schrift interpretieren. Nach ihm verwandelt Valentinus das Drama der Schrift in ein „Psychodrama“.[7] John Behr sieht Valentinus als den Führer einer Gruppe von Christen, die zur Spekulation neigen. Für ihn verschwimmt bei Valentinus der Unterschied zwischen Schrift und Kommentar, Schrift und Interpretation.[8] Markschies, der sich bei seiner Beurteilung der Lehre auf die direkten Fragmente von Valentinus beschränkt, beschreibt ihn als „Denker, der allenfalls den Weg zu den großen Systemen der 'Gnosis' bereitet, ihn aber noch nicht selbst geht“.[9]

Das Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon sieht die Frage, ob Valentinus zur Gnosis zu rechnen sei, als offen an.[3] Nach dem Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon finden sich bei Origenes ähnliche Elemente wie in der Theologie von Valentinus.[3]

Anmerkungen

  1. Epiphanius von Salamis: Panárion, 31,2,1f. und 7,1 f.
  2. Irenäus von Lyon: Adversus haereses, III 4,3
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Klaus-Gunther Wesseling: Valentinos In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 12, Bautz, Herzberg 1997, ISBN 3-88309-068-9, Sp. 1067–1084.
  4. 4,0 4,1 4,2 Philip Schaff: New Schaff-Herzog Encyclopedia of Religious Knowledge, Valentinus and his School
  5. Catholic encyclopedia: Valentinus and Valentinians
  6. Encyclopedia Britannica 1911: Valentinus
  7. Daniel Dawson: Allegorical Readers and Cultural Revision in Ancient Alexandria, 1992, S 165, 168
  8. John Behr: The Way to Nicea. 2001, S. 20–22.
  9. Markschies: Die Gnosis. 22006, S. 90.

Literatur

Weblinks


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