Kamaloka und Karl Wilhelm Viktor Rössel-Majdan: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Kamaloka''' ([[Sanskrit|skrt.]] काम ''[[kama]]'' „Begierde“ und लोक ''loka'' „Ort“; wörtlich also der „Ort der Begierde“) wird in der [[christlich]]en Terminologie als '''Fegefeuer'''<ref>Der Begriff des „Fegefeuers“, in dem die lässlichen Sünden geläutert werden, wurde von Papst [[Wikipedia:Gregor der Große|Gregor dem Großen]] (* um 540; † 12. März 604) in die christliche [[Theologie]] eingeführt.</ref> oder '''Fegfeuer''' ([[lat.]] '''purgatorium''') bezeichnet und in engen Zusammenhang mit dem [[Partikulargericht]] gesehen, dem sich der [[Mensch]] unmittelbar nach dem [[Tod]] zu unterwerfen habe.
 
== Grundlagen ==
 
Das Kamaloka oder Fegefeuer ist ein Ort oder besser ein Prozess der [[Läuterung]], auf den auch [[Paulus]] im [[Wikipedia:1. Korintherbrief|1. Korintherbrief]] hinweist:
 
{{Zitat|11 Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
12 Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh,
13 so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird's klarmachen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.
14 Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen.
15 Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.|[[Wikipedia:1. Brief des Paulus an die Korinther|1. Brief des Paulus an die Korinther]]|{{BB|1 Kor|3|11-15|LUT}}}}
 
Der deutsche Theologe [[Karl Rahner]] sah in der [[katholisch]]en Lehre vom „Fegfeuer“ zugleich einen möglichen Anschluss an den [[Reinkarnation]]sgedanken der östlichen Weisheit:
 
{{Zitat|Wenn man also einen Zwischenzustand im Schicksal des
Menschen zwischen Tod einerseits und der leibhaftigen Vollendung
des Menschen als ganzem doch wohl nicht bestreiten kann, dann
kann man auch nichts Entscheidendes gegen die Vorstellung eines
personalen Ausreifens in diesem Zwischenzustand sagen, die man
eben mit „Fegfeuer“ oder besser „Reinigungszustand“ oder
„Reinigungsort“ benennt. Aber in welchem Sinne und in welchem
Grade hier noch zeitliche Kategorien angewandt werden können –
sei es als unvermeidliches Vorstellungsmodell, sei es als wirkliche
Sachaussage –, darüber sind wohl in der katholischen Theologie die
Akten noch nicht geschlossen. Auch als orthodoxer katholischer
Christ darf man gegenüber der üblichen traditionellen
Vorstellungsweise gewisse Reserven anbringen. Es sei nur davor
gewarnt, Schwierigkeiten in solchen ''Aussageweisen'' auf das
notwendig festzuhaltende Dogma als solches ohne weiteres
auszudehnen. Hier ist noch vieles zu tun, und manche
Schwierigkeiten gegen die Lehre vom Zwischenzustand, vom
Fegfeuer, können sicher noch ausgeräumt werden. Es sei nur noch
auf die Frage hingewiesen, ob nicht in der katholischen und zunächst
so altmodisch anmutenden Vorstellung von einem
„Zwischenzustand“ ein Ansatz gegeben sein könnte, um besser und
positiv mit der in den östlichen Kulturen so verbreiteten und da als
selbstverständlich betrachteten Lehre von einer „Seelenwanderung“,
„Reinkarnation“ zurechtzukommen, wenigstens unter der
Voraussetzung, daß eine solche Reinkarnation nicht als ein niemals
aufhebbares, zeitlich immer weitergehendes Schicksal des Menschen
verstanden wird.|Karl Rahner|''Grundkurs des Glaubens'', Neunter Gang: Die Eschatologie, Abschnitt: „Zur Lehre vom „Reinigungsort“}}
 
== Der Läuterungsprozess in den niederen Bereichen der Seelenwelt ==
 
Unmittelbar nach dem [[Tod]] erlebt der [[Mensch]] zunächst für etwa zwei bis drei Tage ein umfassendes [[Lebenspanorama]], das ihm sein vergangenes Erdenleben in Gleichzeitigkeit vor das [[Bewusstsein]] stellt. Während dieser kurzen, als beglückend empfundenen Zeit zerstreut sich sein [[Ätherleib]] bis auf einen kleinen Rest im [[Weltenäther]]. Erst danach tritt der [[Tote]] in den Zustand des Kamalokas ein, das die 3 bzw. 4 niederen Partien der [[Seelenwelt]] ([[Astralwelt]]) umfasst, in denen der Mensch jene [[Begierde]]n ablegen muss, die nur mittels des mit dem Tode abgelegten [[Physischer Leib|physischen Leibes]] befriedigt werden könnten und die ihn noch an das vergangene Erdenleben fesseln. Ein großer Teil des [[Astralleib|Astralleibs]] wird hier abgelegt und geht in der allgemeinen Astralwelt auf. Im Kamaloka begegnet der Mensch den geistig-kosmischen Kräften der [[Mondensphäre]] (siehe auch → [[Leben nach dem Tod]]).
 
<div style="margin-left:20px">
"Die erste Zeit nach dem Tode — das wurde ja schon gesagt — ist
eigentlich für den Menschen ausgefüllt mit einer Art von Zusammenhang
mit dem letzten Erdenleben. Es ist eine Art von Herauswachsen
aus dem letzten Erdenleben, so daß in der Tat in diesen
ersten Zeiten nach dem Tode alles das fortdauert, was im Erdenleben
den menschlichen Astralleib ergriffen hat. Was diesen
menschlichen Astralleib beschäftigt hat, die Art der Affekte, die Art
der Leidenschaften, die Art der Gefühle, das dauert fort. Und weil
der Mensch hier in der physischen Verkörperung alle diese Dinge
bewußt nur erlebt, wenn er innerhalb seines physischen Leibes ist,
so ist natürlich das Erlebnis all dieser im Astralleib befindlichen
Kräfte wesentlich anders, wenn der Mensch durch das Gebiet
durchgeht, das da liegt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt.
Es ist dieses Erleben im wesentlichen durchzogen in normalen
Fällen — es gibt davon viele Ausnahmen — in den ersten Zeiten
nach dem Tode von einer gewissen Entbehrung, hervorgerufen dadurch,
daß der Mensch in seinem Astralleibe leben muß, ohne
daß ihm der physische Leib zur Verfügung steht. Der Mensch
drängt darnach, noch seinen physischen Leib zu haben; das hält den
Menschen eine kürzere oder längere Zeit — man darf es schon so
nennen - im normalen Falle in der Sphäre der Erde zurück. Alles
Kamaloka verläuft ja eigentlich in der Sphäre zwischen der Erde
und der Mondenbahn; aber das eigentliche für den Menschen bedeutungsvolle
Kamaloka verläuft viel näher der Erde als, sagen wir,
der Mondenbahn." {{Lit|{{G|140|266f}}}}
</div>
 
Solange wir auf Erden in einem [[Physischer Leib|physischen Leib]] verkörpert sind, wird das, was wir seelisch erleben, sehr wesentlich durch die [[Sinnenwelt|sinnliche Außenwelt]] und die eigenen körperlichen Bedürfnisse bestimmt. Diese Erlebnisse hören mit dem [[Tod]] auf. Die sinnliche Wahrnehmung ist nicht mehr möglich und auch die unmittelbar durch den physischen Körper erregten Empfindungen, etwa das Hunger- oder Durstgefühl, verschwinden. Wenn uns hungert oder dürstet, heißt das ja nur, dass wir innerlich wahrnehmen, wie die eigenen Lebensprozesse durch mangelnde Nahrungszufuhr beeinträchtigt werden. Anders ist es allerdings, wenn sich der Feinschmecker nach dem anregenden Geschmack köstlicher Speisen sehnt. Dabei handelt es sich nicht um ein bloßes Hungergefühl, sondern der Feinschmecker hat während des Erdenlebens eine seelische Begierde nach bestimmten lustvollen Geschmackserlebnissen erworben. Diese seelische Begierde hat zwar keine unmittelbare körperliche Ursache, kann aber nur mittels des körperlichen Werkzeuges befriedigt werden. Das ist nach dem Tod nicht mehr möglich, aber die Seele sehnt sich dennoch weiterhin nach solchen Erlebnissen, und sie wird so lange darunter leiden, dass diese Sehnsüchte nicht mehr befriedigt werden können, bis sie sich dieser rein seelischen Begierden, die sich aber nur in einem physischen Leib ausleben können, entwöhnt hat.
 
:"Am leichtesten erhält man von dem Zustande, in dem die Seele in der nächsten Zeit nach dem Tode lebt, eine Vorstellung durch folgende Überlegung. Man nehme ein ziemlich krasses Beispiel dazu: die Genüsse eines Feinschmeckers. Er hat seine Lust am Gaumenkitzel durch die Speisen. Der Genuß ist natürlich nichts Körperliches, sondern etwas Seelisches. In der Seele lebt die Lust und auch die Begierde nach der Lust. Zur Befriedigung der Begierde ist aber das entsprechende körperliche Organ, der Gaumen und so weiter, notwendig. Nach dem Tode hat nun die Seele eine solche Begierde nicht sogleich verloren, wohl aber hat sie das körperliche Organ nicht mehr, welches das Mittel ist, die Begierde zu befriedigen. Es ist nun –zwar aus einem anderen Grunde, der aber ähnlich, nur weit stärker wirkt – für den Menschen so, wie wenn er in einer Gegend, in der weit und breit kein Wasser ist, brennenden Durst litte. So leidet die Seele brennend an der Entbehrung der Lust, weil sie das körperliche Organ abgelegt hat, durch das sie die Lust haben kann. So ist es mit allem, wonach die Seele verlangt und das nur durch die körperlichen Organe befriedigt werden kann. Es dauert dieser Zustand (brennender Entbehrung) so lange, bis die Seele gelernt hat, nicht mehr nach solchem zu begehren, was nur durch den Körper befriedigt werden kann. Und die Zeit, welche in diesem Zustande verbracht wird, kann man den Ort der Begierden nennen, obgleich man es natürlich nicht mit einem «Orte» zu tun hat." {{lit|{{G|9|111|50}}}}
 
In den alten Überlieferungen wird immer wieder von einer solchen Läuterungszeit gesprochen, welche die Seele nach dem Tod durchzumachen hat, egal ob man sie nun gemäß der jüdisch-christlichen Tradition Fegefeuer nennt, oder der indischen Anschauung folgend als Kamaloka (wörtlich: Ort der Begierde) bezeichnet. Man sollte darin weniger ein göttlich verordnetes Strafgericht sehen, das wäre zu schulmeisterlich gedacht, sondern vielmehr einen notwendigen geistgemäßen Prozess, durch den die Seele den irdischen Verhältnissen entwächst und offen für ihr neues seelisch-geistiges Dasein wird, das ihrer innersten Natur eigentlich viel mehr entspricht. Dieser Prozess läuft ganz zwangsläufig ab, egal ob wir ihn aus unserem Wesenkern, aus unserem Ich her bejahen oder verneinen. Wenn die Seele also nach dem Tod der irdischen Begierden entkleidet wird, ist damit noch keineswegs gesagt, dass deswegen das Ich schon gelernt hat, diesen freiwillig zu entsagen. Die freie Wahl, sich der Begierde hinzugeben oder sie zu vermeiden, ist nur während des Erdenlebens möglich, wo diese Begierde grundsätzlich auch immer wieder befriedigt werden kann. Und diese freie Wahl allein entscheidet eigentlich über den moralischen Wert des Menschen. Daraus erhellt sich die einzigartige Bedeutung des irdischen Daseins. Ein Ort der beständigen Versuchung ist die Erde für den Menschen, zugleich aber auch ein Ort, der uns ermöglicht, uns moralisch zu bewähren. Mit dem Tod wird die große Summe unseres Lebens gezogen; mit der moralischen Qualität, die wir uns bis dahin erworben haben, müssen wir unseren Weg in das körperlose Dasein antreten. Von nun an vermögen wir daran nichts mehr zu ändern. Unser eigener moralischer Wert kann nicht mehr erhöht oder vermindert werden. Dafür aber lernen wir nun, den erreichten moralischen Reifegrad immer besser einzuschätzen. Die Selbsterkenntnis ist nach dem Tod radikal und beleuchtet die verborgensten Winkel unseres Seelenlebens.
 
{{Zitat|Die Erlösung ist kein Werk
des Enthusiasmus, sondern einer Liebe, die Wahrheit
ist. Gottes Gnade ist alles; aber nicht so, daß deswegen
die irdische Tat, das Fehlen im Gefüge des Lebens,
die Schiefheit und Lücke im Sein einfach nichts
wären. Sie sind etwas, und zwar vor Gott, welcher die
Wahrheit ist. Und seine Liebe besteht nicht darin, die
endlichen Mängel wegzufegen, sondern sie in die
Wahrheit zu bringen und aufzuarbeiten; jeden von ihnen,
auch den kleinsten; und jeden ganz, bis in die
letzte Tiefe und die feinste Faser.
 
Wie soll das aber geschehen, wenn die Zeit vorüber
ist, und der Mensch nichts mehr tun kann?
 
Er kann leiden, antwortet die Kirche. Und zwar
kommt sein Leiden aus seinem Zustande selbst und ist
zugleich dessen Überwindung.
 
Wenn ein solcher Mensch ins Licht Gottes tritt, sieht
er sich mit dessen Augen. Er liebt Gottes Heiligkeit
und haßt sich selbst, weil er ihr widerspricht. Sein Zustand
dringt ihm ins Gefühl. Was er vorher nur war,
vielleicht ahnte, erlebt er jetzt. Er durchlebt sich als
den, der er vor Gott ist, und das muß ein unausdenkbarer
Schmerz sein. Aber dieser Schmerz wirkt. In
ihm läutert sich die Gesinnung und zieht ihre Konsequenzen,
bis sie ihr Maß des guten Willens erreicht
hat. Sie dringt in die lebendigen Kräfte und durchglüht
sie, bis sie ganz von ihr erfaßt und in reine Bereitschaft
gelangt sind. Sie durchwaltet das Sein, bis
der Mensch nicht nur gut will, sondern das Gute als
Form seiner Wirklichkeit gewonnen hat. In diesem
Werden sind Sterben und Aufleben zu einem wunderbaren
und erschreckenden Geheimnis verbunden.
Immerfort wird ein Tod erlitten, aus dem sich das
neue Leben erhebt.
 
Selbst auf die Leere des Nichtgetanen erstreckt sich
dieses Geschehen. Nicht so, daß es bewirkte, was
nicht getan worden ist, sei es nun doch; das wäre Zauberei.
Es muß aber das geben, daß in der Hingabe des
Geschöpfes an den umschaffenden Willen Gottes das
Versäumte nachgeholt wird, sonst bleibt auf dem
Grunde von Allem Verzicht oder Verzweiflung. Das
nicht bestandene Leiden muß nachbestanden, die
nicht erkannte Wahrheit muß nacherkannt, die nicht
vollbrachte Liebe muß nachvollbracht werden können.
Nicht als Ersatz, Einmaliges ist nicht zu ersetzen;
aber es gibt Hinweise auf dieses Geheimnis der
Nachholbarkeit. Vor allem die Reue. Echte Reue ist
kein bloßer Schmerz über das Verfehlte; der würde
nur den Mangel unterstreichen. Auch kein bloßer
Wille, es das nächstemal besser zu machen; der würde
das Geschehene stehen lassen. In der Reue nimmt der
Mensch das Gewesene auf, durchdringt es erkennend
und beurteilend, mit Verstand und Willen und Gesinnung
- aber vor Gott, dem Lebendigen und Heiligen [...]
 
»Gericht« bedeutet, daß der Mensch
im heiligen Lichte Gottes sich ganz sieht: die Zustände
und die Ursachen, das Zufällige und das Wesentliche,
das Äußere, Innere und Innerste, das bisher
schon Gekannte und das Verborgene, ob es nun bloß
zu tief lag, oder vergessen war, oder verdrängt und
zugeschüttet wurde - alles. Und er sieht es ohne jeden
Schutz. Was sonst unempfindlich macht: Stolz, Eitelkeit,
Ablenkung, Gleichgültigkeit - alles das ist weg.
Er ist ganz offen, ganz fühlend, ganz gesammelt. Und
er will. Er steht auf Seiten der Wahrheit gegen sich
selber. Er ist bereit, seinem eigenen Leben, all dem
Versäumten, Halben, Wirren darin standzuhalten. In
einem geheimnisvollen Leiden stellt das Herz sich der
Reue zur Verfügung und überliefert sich so der heiligen
Macht des Schöpfergeistes. Daraus wird das Versäumte
neu geschenkt. Das Falschgemachte wird in
Ordnung gerückt. Das Böse umgelebt und ins Gute
hinübergebracht. Nicht äußerlich verbessernd, sondern
so, daß alles durch das in der Reue wirkende Geheimnis
der umschaffenden Gnade hindurchgeht und
neu ersteht.
 
Das ist die Läuterung, von der die Kirche spricht.|[[Wikipedia:Romano Guardini|Romano Guardini]]|''Die letzten Dinge'', S. 50ff.}}
 
[[Datei:Heidelberg cpg 144 Elsässische Legenda Aurea 338r St. Patricks Fegefeuer.jpg|mini|300px|Darstellung des Fegefeuers in der elsässischen [[Legenda Aurea]] von 1419, [[Wikipedia:Universitätsbibliothek Heidelberg|Universitätsbibliothek Heidelberg]].]]
Nach und nach enthüllen sich dem Toten so die tieferen Bereiche des Seelenlebens, die während des irdischen Daseins weitgehend nur unterbewusst erlebt wurden. Eine Umwendung des ganzen seelischen Erlebens findet gleichsam statt. Was wir während des Erdenlebens wach bewusst erlebt haben, wird nach dem Tod weitgehend bedeutungslos, während alle die Erlebnisse, die wir auf Erden mehr oder weniger verschlafen haben, nun immer deutlicher vor das Bewusstsein gerückt werden. Schichte für Schichte unseres Seelenlebens wird nun gleichsam abgetragen und bewusst gemacht. Wenn das Lebenspanorama, das uns einen Gesamtüberblick über die äußeren Ereignisse des vergangenen Lebens gegeben hat, wenige Tage nach dem Tod weitgehend abgeklungen ist, beginnen wir auf die inneren Seelenerlebnisse zurückzuschauen, und zwar zeitlich rückläufig, beginnend mit dem Moment des Todes. Immer weiter schauen wir so Schritt für Schritt zurück auf all die tieferen seelischen Empfindungen, die während des abgelebten irdischen Daseins unbewusst durch unsere Seele gezogen sind, bis wir das Tor der Geburt bzw. Empfängnis erreichen.
 
Bedeutsam sind da vor allem jene Seelenerlebnisse, die uns während des irdischen Lebens mit unseren Mitmenschen verbunden haben. Für unser oberflächliches Alltagsbewusstsein mag es ja so scheinen, als könnten wir nicht mit erleben, was in der Seele der Menschen, denen wir begegnen, vorgeht. Es scheint, als könnten wir sie nur ganz äußerlich betrachten und erschließen daraus vielleicht ganz vage, was ihr Gemüt bewegen könnte. Tatsächlich tauchen wir aber bei jeder Begegnung mit einem anderen Menschen unbewusst sehr tief in dessen Seelenleben ein, so sehr, dass sich unsere Seele für kurze Momente immer wieder geradezu in die seelische Eigenart und Erlebnisweise des Mitmenschen verwandelt. Bewusst werden uns von diesen bedeutsamen Erlebnissen aber meist nur ganz leise Reflexe, durch die wir uns dem einen Menschen zugetan fühlen, einem anderen gegenüber geradezu eine instinktive Antipathie entwickeln. Das hängt meist sehr stark davon ab, wie weit unsere verborgenen seelischen Gewohnheiten mit denen unserer Mitmenschen zusammenstimmen. Eigentlich vollzieht sich jeder soziale Kontakt so, dass wir uns rhythmisch abwechselnd ganz in die Seele des anderen versenken und uns dann wiederum ganz in unser Eigenwesen zurückziehen. Wenn wir etwa einem anderen Menschen mit heftiger Antipathie entgegentreten, dann erleben wir bewusst nur diese unsere Ablehnung. Unbewusst leben wir uns aber auch in die andere Seele ein und spüren den Schmerz oder Zorn, den wir durch unsere Ablehnung ausgelöst haben. Dass wir das heute alles nicht bewusst mitbekommen, hat schon seinen guten Grund. Wir würden uns sonst sehr leicht die Grenzen zwischen unserem seelischen Eigenwesen und dem unserer Mitmenschen zu einem einzigen kollektiven Bewusstseinstrom verschwimmen. Wir würden sehr leicht uns selbst verlieren, wie das ähnlich auch im Traumbewusstsein geschieht. In älteren Zeiten, wo bei den meisten Menschen das Individualbewusstsein noch nicht sehr stark ausgebildet war, lebte man auch tatsächlich sehr viel stärker in diesem traumartigen kollektiven Bewusstsein und noch kaum in sich selbst. Heute muss das Selbstbewusstsein immer mehr ausgebildet werden, wodurch wir allerdings Gefahr laufen, uns ganz in unserem Ego zu verhärten. Dadurch würden letztlich alle sozialen Bindungen, die sich einstmals ganz instinktiv aus dem kollektiven Bewusstsein ergeben haben, zerstört werden und die Menschheit müsste sich in einem unaufhörlichen Kampf aller gegen alle aufreiben. Ansätze dazu sind ja heute bereits genug zu bemerken. Abhilfe dagegen kann aber sicher nicht dadurch geschaffen werden, dass wir unser mühsam erworbenes Selbstbewusstsein wieder aufgeben; wir können nicht mehr zu dem alten kollektiven Empfinden zurückkehren. Vielmehr muss unser Selbstbewusstsein einmal so stark werden, dass es sich voll und ganz in die Seele des anderen versenken kann und doch jedes Mal wieder zu sich selbst zurückfindet. Das erfordert allerdings sehr viel seelische Kraft, ist aber die einzige reale Hoffnung für ein gesundes künftiges soziales Zusammenleben, das nicht mehr auf unbewusste Instinkte, sondern auf waches Mitgefühl gegründet ist.
 
All das, was wir so heute noch weitgehend verschlafen, kommt uns im Leben nach dem Tod um so deutlicher zu Bewusstsein.
 
:"Also darauf kommt es nicht an bei der Prüfung unserer Kamalokazeit, ob unsere Wünsche, Begierden, Leidenschaften und so weiter im Oberwusstsein, im Ich-Bewusstsein sind, sondern ob sie auch im [[Astralwelt|astralischen]], im Unterbewusstsein sind. Beide wirken in gleicher Weise nach dem Tode, und die Wünsche und Begierden, die wir verhüllt haben hier im Leben, die wirken eigentlich noch intensiver nach dem Tode." {{Lit|{{G|140|113}}}}
 
Was wir auch immer an seelischen Wirkungen in anderen Seelenwesen erregt haben, werden wir dann sehr intensiv nacherleben. Alle Freude und Heiterkeit, die wir ihnen schenken konnten, leuchtet uns auf, aber all die Schmerzen und Leiden, die wir ihnen zugefügt haben. Wenn wir andere Menschen gekränkt, beleidigt oder verletzt haben, werden wir all das nach dem Tod genau so erleben als wäre es uns selbst geschehen. Und das betrifft wirklich alle beseelten Wesen, mit denen wir im Erdenleben zu tun hatten, also nicht nur unsere Mitmenschen, sondern auch die Tiere, denen wir Lust oder Leid bereitet haben. Was dann in der Seele eines Toten vorgehen mag, der sich während seines Erdenlebens im „Dienste der Wissenschaft“ zu grausamen Tierversuchen hergegeben hat, kann man sich vielleicht ausmalen. Alle diese Erlebnisse lehren uns jedenfalls sehr bald unseren eigenen moralischen Wert treffend und schonungslos zu beurteilen. Ändern können wir in unserem körperlosen Dasein daran zunächst nichts – darauf wurde bereits hingewiesen. So wie wir nur auf Erden ''schuldig'' werden können, so ist es uns auch nur im irdischen Leben möglich, aus eigener Kraft Wiedergutmachung zu üben und unsere Mitgeschöpfe seelisch in dem Maße zu fördern, in dem wir sie zuvor geschädigt haben.
 
== Das Kamaloka an der Grenze der physisch-ätherischen und der astralen Welt ==
 
Das Kamaloka ist dort, wo sich die drei obersten Bereiche der [[physisch-ätherische Welt|physisch-ätherischen Welt]] ([[Lichtäther]], [[Klangäther]] und [[Lebensäther]]) mit den drei untersten Regionen der [[Astralwelt]] ([[Begierdenglut]], [[fließende Reizbarkeit]] und [[Region der Wünsche]]) überschneiden; das ist zugleich die [[sublunare Sphäre]]:
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn wir vom physischen Plan ausgehen, so haben wir hier (es wird gezeichnet) sieben Unterabteilungen
des physischen Planes; dann kämen sieben Unterabteilungen
des Astralplanes. Von diesen fallen die drei untersten mit den
drei obersten des physischen Planes zusammen. Wir müssen den
Astralplan mit dem physischen Plan so zusammengeschoben betrachten,
daß die drei obersten Partien des physischen Planes zugleich
die drei untersten Partien des Astralplanes sind. Wir können
von einer Randzone sprechen, das ist die, welche unsere Seelen nach
dem Tode nicht verlassen können, wenn sie durch Begierden noch
an die Erde gefesselt sind. Man nennt sie Kamaloka." {{Lit|{{G|101|223}}}}
</div>
 
[[Datei:GA_101_223.gif|center|350px|Kamaloka]]
 
 
<center>
{|
|-
! physisch-ätherische Welt !! Astralwelt
|-
|  ||width="250px"| [[Region des Seelenlebens]]
|-
|  || [[Region der tätigen Seelenkraft]]
|-
|  || [[Region des Seelenlichtes]]
|-
|  || [[Region von Lust und Unlust]]
|-
| [[Lebensäther]] || [[Region der Wünsche]]
|-
| [[Klangäther]] || [[Region der fließenden Reizbarkeit]]  || Kamaloka
|-
| [[Lichtäther]] || [[Region der Begierdenglut]]
|-
| [[Feuer]]/[[Wärmeäther]] ||
|-
| [[Luft]] ||
|-
| [[Wasser]] ||
|-
| [[Erde (Element)|Erde]] ||
|}
</center>
 
== Erdgebundene Tote ==
 
{{Hauptartikel|Erdgebundene Tote}}
 
In manchen Fällen werden die [[Tote]]n länger als üblich an die [[Erdensphäre]] gebunden. Oft wird dieses für den Toten nur schwer zu ertragende Erlebnis dadurch verursacht, dass der [[Mensch]] es während des Erdenlebens versäumt hat, sich [[Begriffe]] und [[Vorstellung]]en zu bilden, die über das [[irdisch]]e [[Dasein]] hinausreichen. Es können aber auch Sorgen für zurückgelassene Freunde, Verwandte und Kinder oder unerfüllte Aufgaben sein, die den Toten noch lange an das Erdendasein fesseln. Man kann dann den Toten helfen, indem man ihre Aufgaben und Pflichten übernimmt. Für die Erde selbst und die hier zurückgelassenen Menschen stellen die erdgebundenen Toten ein großes Problem dar, denn ''„vieles von dem, was an zerstörenden Kräften wirkt innerhalb der Erdensphäre, kommt von solchen in diese Erdensphäre gebannten Toten.“'' {{Lit|{{G|182|20}}}}
 
<div style="margin-left:20px">
"Seelen, welche überhaupt nicht viel von dem entwickelt haben,
was Empfindungen und Gefühle sind, die sozusagen über das Erdenleben
hinausgehen, bleiben auch recht lange mit der Sphäre des
Erdenlebens verbunden, verbunden durch ihr eigenes Begehren.
Wenn ein Mensch — das ist ja sogar, man möchte sagen, äußerlich
leicht einzusehen — ein ganzes Leben nur solche Gefühle und Empfindungen
in sich ausgebildet hat, die sich durch Leibesorgane,
durch Verhältnisse der Erde befriedigen lassen, dann kann er auch
nicht anders, als eine gewisse längere Zeit mit der Sphäre der Erde
verbunden bleiben. Man kann durch ganz andere Triebe und Begierden
noch, als man gewöhnlich wähnt, mit der Erdensphäre verbunden
bleiben. Zum Beispiel recht ehrgeizige Menschen, denen
es besonders darum zu tun ist, innerhalb der Erdenverhältnisse
dieses oder jenes zu gelten, die den allergrößten Wert darauf legen,
solche Geltung zu haben, die von Urteilen innerhalb der Erdenmenschheit
abhängig ist, die entwickeln damit auch in ihrem Astralleibe
einen Affekt, der sie längere Zeit sozusagen zu erdgebundenen
Seelen macht. Es gibt mannigfaltige Gründe, welche den Menschen
so in der Erdensphäre zurückhalten. Und das weitaus meiste, was
auf medialem Wege aus den geistigen Welten für die Menschen
vermittelt wird, das stammt eigentlich aus solchen Seelen und ist
im wesentlichen das, was diese Seelen abzustreifen streben.
 
Es braucht nicht einmal immer daran gedacht zu werden, daß
solche Seelen durch ganz unedle Motive, obwohl das meist der Fall
ist, an die Erde gebunden bleiben; es können auch Sorgen sein,
welche für das empfunden werden, was man auf der Erde zurückgelassen
hat. Solche Sorgen für zurückgelassene Freunde, Verwandte,
Kinder, können auch in gewisser Weise wie eine Art
Schwere wirken und die Seele in der Erdensphäre zurückhalten.
Und es ist gut, gerade auch auf diesen Punkt das Augenmerk zu
lenken, aus dem Grunde nämlich, weil wir, wenn wir diesen Punkt
berücksichtigen, auch dadurch den Toten in einer gewissen Weise
helfen können. Wenn wir wissen, daß zum Beispiel ein Hingestorbener
diese oder jene Sorge für Lebende empfinden kann - und
man kann ja in dieser Beziehung gar manches wissen —, so ist es gut
für die weitere Entwickelung des Toten, diese Sorge ihm abzunehmen.
Man erleichtert das Leben eines Toten in der Tat dadurch,
daß man ihm zum Beispiel abnimmt die Sorge um ein Kind, das er
unversorgt zurückgelassen hat. Wenn man also etwas tut für das
Kind, so nimmt man in der Tat dem Toten eine Sorge ab, und es
ist dies gerade ein rechter Liebesdienst. Denn stellen wir uns nur
einmal die Situation vor. Solch ein Toter hat ja nicht die Mittel an
der Hand, seinen Sorgen auch tatsächlich abzuhelfen; er kann oftmals
nicht das tun, was die Lage irgendeines zurückgelassenen
Kindes, Verwandten, Freundes, erleichtern könnte von seiner Welt
aus, und er ist oftmals — das ist ein in vielen Fällen außerordentlich
bedrückendes Gefühl für den seherischen Beobachter — verurteilt,
diese Sorge so lange zu tragen, bis sich von selbst oder
durch Umstände die Lage des Zurückgelassenen bessert. Wenn
wir also etwas dazu tun, sie zu bessern, so ist die Folge diese, daß
wir dem Toten einen rechten Liebesdienst erwiesen haben.
Es ist oftmals sogar beobachtet worden, daß irgendeine Persönlichkeit
hingestorben ist, die sich das oder jenes für das Leben noch
vorgenommen hatte. Sie hing an einem solchen Vorsatz. Wir helfen
ihr, wenn wir versuchen, unsererseits das zu tun, was sie gerne
getan hätte. Das alles sind Dinge, die eigentlich gar nicht schwierig
zu begreifen sind, die aber wirklich einmal ins Auge gefaßt werden
sollen, weil sie mit der seherischen Beobachtung durchaus übereinstimmen.
 
Nun gibt es ja noch sehr viele Dinge, welche den Menschen
lange festhalten können sozusagen in der Äthersphäre der Erde.
Dann aber wächst er über diese Äthersphäre hinaus, und zum Teil
habe ich ja schon geschildert, wie dieses Hinauswachsen geschieht." {{Lit|{{G|140|267f}}}}
</div>
 
==Literatur==
{{Glomer|lebensphasen/sterben-tod-und-geistiges-leben|Sterben, Tod und geistiges Leben}}
* [[Wikipedia:Romano Guardini|Romano Guardini]]: ''Die letzten Dinge: Die christliche Lehre vom Tode, der Läuterung nach dem Tode, Auferstehung, Gericht und Ewigkeit'', Topos Verlag 2008 (1. Aufl. 1952), ISBN 978-3836704618
* [[Karl Rahner]]: ''Grundkurs des Glaubens'', 2. Auflage, Herder Verlag 2008, ISBN 978-3451288227, eBook {{ASIN|B00P693HC8}}
*Rudolf Steiner: ''Theosophie - Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung'', [[GA 9]] (1904), Kapitel ''Die Seele in der Seelenwelt nach dem Tode'' {{Schriften|009}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Mythen und Sagen. Okkulte Zeichen und Symbole'', [[GA 101]] (1992) {{Vorträge|101}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Okkulte Untersuchungen über das Leben zwischen Tod und neuer Geburt'', [[GA 140]] (1961) {{Vorträge|140}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Der Tod als Lebenswandlung'', [[GA 182]] (1996), ISBN 3-7274-1820-6 {{Vorträge|182}}
* [[Martin Burckhardt]]: Die Erlebnisse nach dem Tode. Der nachtodliche Weg des Menschen durch die übersinnliche Welt. Eine Zusammenfassung von Schilderungen Rudolf Steiners, Edition Verlag Die Pforte, Dornach 1996
* [[Rudolf Steiner]]: ''Geisteswissenschaftliche Menschenkunde'', [[GA 107]] (1988), ISBN 3-7274-1070-1 {{Vorträge|107}}, Vortrag 7: Das Vergessen
 
{{GA}}
 
== Einzelanchweise ==
<references />
 
[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Anthroposophie]]
[[Kategorie:Leben zwischen Tod und neuer Geburt]]
[[Kategorie:Tod]]

Aktuelle Version vom 1. Februar 2010, 09:23 Uhr

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