Rationalismus und Literatur: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Rationalismus''' ({{laS|''ratio''}} [[Vernunft]]) bezeichnet [[Philosophie|philosophische]] Strömungen und Projekte, die rationales [[Denken]] beim Erwerb und bei der Begründung von Wissen für vorrangig oder sogar für allein hinreichend halten. Damit verbunden ist eine Abwertung anderer [[Erkenntnis]]­quellen, etwa Sinneserfahrung ([[Empirie]]) oder religiöser [[Offenbarung]] und Überlieferung. Positionen, die der auf sich gestellten menschlichen Vernunft nur für begrenzte Gegenstandsbereiche oder gar kein objektives Wissen zutrauen, wie etwa die Spielarten des [[Irrationalismus]] und der „Vernunftskepsis“, die auch einigen Vertretern der [[Postmoderne]] zugeschrieben werden, gelten daher als „anti-rationalistisch“.
[[Achselhaare)]]


In der Philosophiegeschichte wird „Rationalismus“ im engeren Sinne meist als Etikett für Denker wie [[Descartes]], [[Spinoza]] oder [[Leibniz]] verwendet, um sie den Vertretern des (britischen) [[Empirismus]] (u.&nbsp;a. [[Thomas Hobbes]], [[John Locke]] und [[David Hume]], gelegentlich sogar [[George Berkeley]]) gegenüberzustellen; diese Etikettierungen sind zwar traditionell üblich, werden inzwischen aber von zahlreichen Philosophiehistorikern in Frage gestellt.<ref>Vgl. z.&nbsp;B. Louis E. Loeb: ''From Descartes to Hume'', Continental Metaphysics and the Development of Modern Philosophy, Cornell University Press, Ithaca, New York 1981; Anthony Kenny (Hrsg.): ''Rationalism, Empiricism and Idealism'', Oxford University Press, Oxford 1986; Peter J. Markie: Art. ''Rationalism'', in: Routledge Encyclopedia of Philosophy, §&nbsp;1.</ref>
[[Samenleiter]]


In anderen Kontexten der Philosophie wird „Rationalismus“ auch systematisch, ohne zwingend historische Bezüge gebraucht: in der [[Epistemologie]] für Positionen, für die Wissen aus reiner Vernunft möglich ist (ein Vertreter dieser Position ist etwa [[Laurence BonJour]]); oder in der [[Metaethik]] für Positionen, die für moralisches Handeln verlangen, dass es nach rationalen Strukturen rekonstruierbar ist und dass ein moralisches Urteil von den Normen für moralische Begründungen abhängt. Abweichende Bedeutung nimmt der Begriff Rationalismus auch in der [[Religionsphilosophie]] ein (s. den Abschnitt zur Verwendung in [[#Rationalismus in Religionsphilosophie und Theologie|Religionsphilosophie und Theologie]]).
[[Eileiter]]


== Begriffsverwendung ==
[[Datei:Fragonard, The Reader.jpg|mini|''Lesende Frau'' (Ölgemälde von Jean-Honoré Fragonard, 1770/72)]]
=== Rationalismus als frühneuzeitliche Strömung ===
[[Datei:Nobel2008Literature news conference1.jpg|mini|Bekanntgabe des [[Nobelpreis für Literatur|Literaturnobelpreisträgers]] in Stockholm (2008)]]
Bereits in dem frühsten Begriffsbeleg von 1539 ist der Rationalist jemand, „der dem reinen Denken größere Bedeutung für die Erkenntnis beimißt als der Erfahrung“.<ref>G. Gawlick: „Rationalismus I“, in: ''Historisches Wörterbuch der Philosophie'', HWPh Bd. 8 S. 30301 bzw. HWPh Bd. 8, 1992, S. 44, mit Bezug auf A. Hatzfeld/A. Darmesteter: ''Dict. de la langue franç.'', Paris 1890–93 s.v.</ref> Der frühneuzeitliche Rationalismus vertritt die Ansicht, dass der Verstand die objektive Struktur der [[Realität|Wirklichkeit]] erkennen kann, sowohl auf physikalischem, [[Metaphysik|metaphysischem]] als auch moralischem Gebiet und dass dabei auf ein Wissen vor jeder Sinneserfahrung (Wissen [[a priori]]) zurückgegriffen wird. In seinen Argumentationsformen folgt er den Beweisverfahren der klassischen Geometrie ([[more geometrico]]). Der frühneuzeitliche Rationalismus führt dabei verschiedene [[Scholastik|scholastische]] Positionen fort. Historisch lässt man den Rationalismus üblicherweise mit [[René Descartes]] beginnen und kennzeichnet [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] und dessen Rezipienten als Hauptvertreter ([[Georg Friedrich Meier (Philosoph)|Georg Friedrich Meier]], [[Alexander Gottlieb Baumgarten]], [[Christian Wolff (Philosoph)|Christian Wolff]] u.&nbsp;a.).


Einen zeitgenössischen Gegenbegriff stellte der [[Empirismus]]“ dar, womit die Auffassung gemeint ist, dass alle Erkenntnis primär auf [[Sinn (Wahrnehmung)|sinnlicher]] Wahrnehmung beruhe und es kein Wissen a priori gebe (''tabula rasa''). Die nachträgliche Gegenüberstellung von Rationalismus und Empirismus entstammt aber erst der Zeit Ende des 18.&nbsp;Jahrhunderts. Vertretern beider Positionen war gemeinsam, dass sie die [[Offenbarung]] als Quelle von Weltwissen für überflüssig hielten oder sogar ablehnten. Der Gegensatz zwischen Rationalismus und Empirismus wird klassisch wie folgt beschrieben: Ein Rationalist legt seiner philosophischen Welterklärung vor allem deduktive Schlussfolgerungen zu Grunde, während ein Empirist nur [[Hypothese]]n akzeptiert, die sich induktiv durch nachvollziehbare Beobachtungen bestätigen lassen.
'''Literatur''' ist seit dem 19. Jahrhundert der Bereich aller mündlich (etwa durch [[Vers]]&shy;formen und [[Sprechrhythmus|Rhythmus]]) oder [[Schrift|schriftlich]] fixierten [[Sprache|sprachlichen]] Zeugnisse. Man spricht in diesem „weiten“ Begriffsverständnis im Hinblick auf die hier gegebene schriftliche Fixierung etwa von [[Wikipedia:Fachliteratur|Fachliteratur]]oder, im Bereich der [[Musik]], von „Notenliteratur“ ([[Wikipedia:Partitur|Partitur]]en) bzw. ganz allgemein von „Literatur“ im Sinne der Gesamtheit oder von Teilen schriftlich notierter Musik.
Es ist aber nicht pauschal so, dass als Rationalisten bezeichnete Autoren die sinnliche Erfahrung als Erkenntnisquelle generell ablehnen würden – und Empiristen die Vernunft. Tatsächlich sind in den Texten rationalistischer Philosophen immer auch empiristische Elemente zu finden und umgekehrt.


=== Rationalismus in Religionsphilosophie und Theologie ===
Die öffentliche Literaturdiskussion und -analyse ist demgegenüber seit dem 19. Jahrhundert auf Werke ausgerichtet, denen besondere Bedeutung als [[Kunst]] zugesprochen werden kann, und die man im selben Moment von [[Wikipedia:Triviallitertur|Trivialliteratur]] und ähnlichen Werken ohne vergleichbare „literarische“, sprich künstlerische Qualität, abgrenzt. Die Literatur zählt zu den [[Wikipedia:Kunstgattung|Gattungen der Kunst]].
Im Kontext von Religionsphilosophie und Theologie bezeichnet „[[Theologischer Rationalismus|Rationalismus]]“ Positionen, die der menschlichen Vernunft ein Wissen vom Göttlichen zutrauen und die eine philosophische Theologie, ohne die Voraussetzung einer [[Offenbarung]] oder Gnade, für zulässig und durchführbar halten. Ein alternativer Name für diese Positionen ist auch „[[Intellektualismus]]“. Eine solche Position ist eng mit bestimmten theologischen Inhalten verbunden, die als Folge oder als Voraussetzung des rationalen Zugangs gelten können, z.&nbsp;B, dass göttliches Wollen und Handeln logischen und metaphysischen Regeln folgt und aus Gründen geschieht. Dazu tritt üblicherweise die Annahme stabiler und erkennbarer [[Ontologie|ontologischer]] Strukturen und [[Moral|moralischer]] Prinzipien und Kriterien, denen sich der Göttliche Wille fügt oder die ihm entsprechen, was dazu führen kann, dass Gott von einigen Vertretern mit einer Art höchster Vernunft identifiziert wird. Die Gegenpositionen vertreten demgegenüber, dass das göttliche Wollen und Handeln völlig willkürlich erfolgt ([[Voluntarismus]]), oder dass die einzelnen Zeitmomente je momentan von Gott verursacht werden und nur scheinbar einen Ablauf von Ereignissen darstellen ([[Okkasionalismus]]). Beide Gegenpositionen wollen damit erreichen, dass der göttliche Wille an keine logischen oder sonstige Prinzipien gebundenen ist und somit rational unverständlich bleiben muss. Sowohl in der [[Mu'tazila|islamischen Theologie]] wie der christlichen [[Scholastik]] und der [[Rationale Theologie|rationalen Theologie]] der [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärungsepoche]] werden derartige Kontroversen debattiert.


In etwas abweichender und eher selten gewordener Verwendung kann „Rationalismus“ in der Theologie oder Theologiegeschichte auch meinen, dass z.&nbsp;B. Aspekte der Personalität des Göttlichen, die sich (tatsächlich oder vermeintlich) nicht mit starken Ansprüchen einer Rationalisierbarkeit vereinbaren lassen, für verzichtbar gehalten werden. Umgekehrt wird dann z.&nbsp;B. von „Voluntarismus“ gesprochen, wenn das Göttliche durchaus als Person mit Willen, Ausübung von Handlungen usw. beschrieben bzw. konzipiert wird.
Das Wort ''Literatur'' wurde bis in das 19. Jahrhundert hinein regulär für die Wissenschaften verwendet. Mit Literatur sind üblicherweise veröffentlichte Schriften gemeint. Die Gesamtheit der veröffentlichten Schriften eines Fachgebietes bzw. zu einer bestimmten Thematik oder Zielsetzung bildet ein ''Schrifttum''. Nur eingeschränkt und nicht über den Buchhandel zugängliche [[Wikipedia:Publikation|Publikation]]en werden als ''[[Wikipedia:graue Literatur|graue Literatur]]'' zusammengefasst. Eine Besonderheit bilden die auf Selfpublishing-Plattformen, wie [[Books on Demand]] (www.bod.de) veröffentlichten Werke, die man zwar im Buchhandel bestellen kann, die dort aber - für gewöhnlich - nicht bereits vorrätig sind.


== Ideengeschichte ==
== Begriffsdifferenzierung ==
=== 16.–17. Jahrhundert ===
Die heutige begriffliche Differenzierung, die im weitesten Sinne alle sprachliche Überlieferung umfasst und dabei ein enges Feld „literarischer“ Kunstwerke konstituiert, richtete sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts ein. Das Wort stand zuvor für [[Gelehrsamkeit]], die Wissenschaften, die Produktion der [[res publica literaria]] und der frühmodernen [[scientific community]], seltener auch lediglich für Schriften der [[Griechische Literatur|griechischen]] und [[Lateinische Literatur|lateinischen]] [[Antike]].
Der Rationalismus knüpft in vielem an die Begrifflichkeit und Methode der lateinischen [[Scholastik]] an, beansprucht für sich aber, ein selbständiger Neuansatz zu sein. Dem ging ein sich vor allem im [[Frankreich]] des frühen 17. Jahrhunderts ausbreitender Unmut über die angebliche „unfruchtbare Spitzfindigkeiten“ scholastischer Debatten voraus; dieser Unmut ist auch auf einen allgemeinen Wunsch nach Beendigung der konfessionellen [[Religionskrieg|Konflikte]] zurückzuführen. Die mit metaphysischen Argumenten bestrittenen theologischen Debatten würden, so ein damals häufig vorgebrachter Vorwurf, lediglich dem moralischen [[Skeptizismus]] den Weg bereiten. Demgegenüber versuchte der Rationalismus, methodisch strikt nachvollziehbar zu argumentieren und in der Begründung auf die Interpretation von Autoritäten zu verzichten. Dabei erfolgte eine Verschiebung der thematischen Aufmerksamkeit von der religiösen [[Eschatologie|Heilslehre]] hin zur technischen Naturbeherrschung, wie es [[Francis Bacon]] vorgeschlagen hatte. Der [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretische]] Rationalismus fand auch in anderen Bereichen der Philosophie Anwendung, etwa der Ethik und der Rechtsphilosophie. So wurde die Meinung vertreten, dass sich die elementaren Grundsätze menschlicher [[Moral]] und des [[Naturrecht]]s aus reiner Vernunft ergäben (siehe [[Samuel von Pufendorf]], [[Thomas Hobbes]], [[Baruch de Spinoza]] im weiteren Sinne auch [[Immanuel Kant]], [[G. W. F. Hegel]] u.&nbsp;a.). In der [[Religionsphilosophie]] folgte zunächst der [[Deismus]] rationalistischen Ansätzen, wenn er fundamentale religiöse Prinzipien postuliert, die erkennbar sind. Das lässt eine historische Offenbarung überflüssig erscheinen und führte zum [[Theologischer Rationalismus|theologischen Rationalismus]].


Als Begründer des klassischen Rationalismus (auch als „[[Intellektualismus]]“ bezeichnet) gilt [[René Descartes]], der dabei wichtige Anregungen von [[Marin Mersenne]] erhielt. Descartes beginnt eine Reformation von [[Wissenschaft]] und [[Philosophie]] nach dem Vorbild der [[More geometrico|Geometrie]]. Dabei dient ihm der axiomatische Aufbau von [[Euklids Elemente]]n als Muster. Demnach lassen sich universelle Grundsätze mit Hilfe des Verstandes aus Grundbegriffen erschließen. Alle übrigen Fragen der Philosophie und [[Naturwissenschaft]]en können durch [[Deduktion]] von [[Theorem]]en aus diesen Grundsätzen und deren Anwendung auf spezifische Probleme ([[Korollar]]e) beantwortet werden. Descartes behauptete, dass solche Grundsätze mit Hilfe der Sinneswahrnehmung nicht erschlossen werden könnten. Die sinnliche Wahrnehmung wurde als eine vom Verstand unterschiedene Quelle der Wahrnehmung betrachtet, die aber nur unscharfe und ungewisse Erkenntnisse hervorbringt, die vor Descartes’ methodischem [[Cogito ergo sum|Zweifel]] keinen Bestand haben. Die Herkunft dieser Grundbegriffe bzw. die Frage, was zu ihrem Umfang gehört, war eine offene Frage des rationalistischen Forschungsprogramms.
Die Neudefinition des Wortes geschah im Wesentlichen unter Einfluss neuer Literaturzeitschriften und ihnen folgender Literaturgeschichten, die zwischen 1730 und 1830 sich schrittweise den [[belles lettres]], den schönen Wissenschaften öffneten, dem Bereich modischer und eleganter Bücher des internationalen Marktes und die dabei Werken der [[Poesie]] ein zentrales Interesse schenkten.


In dieser Phase standen dem Rationalismus moralische Skeptiker wie [[Pierre Bayle]] oder [[Apologet]]en wie [[Blaise Pascal]] entgegen, die dem Verstand und der Vernunft die Fähigkeit absprachen, zu allgemein gültigen und unbezweifelbaren Sätzen über die Moral oder das Verhältnis von Seele, Welt und Gott zu erlangen.
Es wurde im selben Prozess selbstverständlich, dass Literatur


=== 18. Jahrhundert ===
* nach Überlieferungen in einzelnen Sprachen zergliedert wird in die „Literaturen“ der einzelnen [[Nation]]en oder [[Region]]en,
[[Nicolas Malebranche]] in Frankreich, der niederländische Philosoph [[Baruch Spinoza]] und der deutsche Universalgelehrte [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] und andere entwickelten den cartesianischen Rationalismus weiter und begründeten seine Position als philosophische Hauptströmung an den kontinentaleuropäischen Universitäten des [[Zeitalter der Aufklärung|18. Jahrhunderts]]. Dabei gerieten sie nicht nur in Konflikt mit orthodoxen Positionen aller christlichen Konfessionen, sondern auch mit Anhängern des Materialisten [[Pierre Gassendi]], des Empiristen [[John Locke]] oder etwa den Schülern [[Isaac Newton]]s, wenn auch zum Teil nur aus wissenschaftshistorischen Zufällen (z.&nbsp;B. dem [[Gottfried Wilhelm Leibniz#Prioritätsstreit|Prioritätsstreit]]).
* gruppiert wird unter den zentralen „[[Gattung (Literatur)|literarischen Gattungen]], die im Blick auf die [[Aristoteles|Aristotelische]] [[Poetik]] neu definiert wurden,
* zu verstehen ist in einem historischen Prozess, der [[Kultur#Entstehung der Kultur|Kultur]]- und [[Literaturgeschichte]],
* nach dem Adressaten betrachtet wird in Kategorien wie [[Kinder- und Jugendliteratur]], [[Frauenliteratur]],
* grundsätzlich nach Anspruchsniveaus unterschieden wird in „hohe“ (oder „anspruchsvolle“) Literatur und „[[Trivialliteratur]].


Der [[Empirismus]] stellte die Grundbegriffe der Rationalisten in Frage, gerade weil diese nicht aus der Sinneswahrnehmung stammen sollten. Dem Empiristen zufolge kann – grob gesprochen – aber nur das als Erkenntnis anerkannt werden, was aus Beobachtungen abgeleitet wurde und durch sie bestätigt wird. Der erkenntnistheoretische [[Skeptizismus]] von [[David Hume]] nimmt die Kritikpunkte, die beide Strömungen gegeneinander vorbringen, gleichermaßen auf: empiristische Induktion kann nicht zu streng allgemeingültigen Sätzen führen; die rationalistische Deduktion ruht auf ungewissen Voraussetzungen. Der Rationalismus findet schließlich bei [[Christian Wolff (Philosoph)|Christian Wolff]] zu einem System vom enzyklopädischer Vollständigkeit.
Besprochen wird in den nationalen [[Philologie]]n (wie der [[Germanistik]], der [[Romanistik]], der [[Anglistik]]), die die Ausgestaltung der nationalen Literaturen im 19. Jahrhundert im Wesentlichen vorantrieben, nahezu ausschließlich „hohe“ Literatur. Welche Werke unter welchen Gesichtspunkten besprochen werden, ist seitdem Gegenstand einer Debatte um die Bedeutung, die Werke in der jeweiligen Gesellschaft gewinnen. Der jeweilige „[[Kanon (Literatur)|Kanon]]“ einer Nationalliteratur wird in der öffentlichen (und angreifbaren) Würdigung der „[[Kunst|künstlerischen]]“ Qualität festgelegt, sowie in kontroversen [[Textinterpretation]]en der [[Fiktion]]en, die Titeln tiefere Bedeutung zusprechen. In der neuen Ausgestaltung übernahm die Literatur im 19. Jahrhundert in den westlichen [[Säkularisierung|säkularen]] Nationen Funktionen, die zuvor die Religionen und ihre Textgrundlagen als Debatten- und Bildungsgegenstände innehatten.


[[Immanuel Kant]], auch ein [[Vordenker der Aufklärung]], verstand seine [[Transzendentalphilosophie]] ausdrücklich als eine Vermittlung von Rationalismus und Empirismus. Der deduktiv-rationalistische Aufbau wird unter verschiedenen Vorbehalten auch dann akzeptiert, wenn für Grundbegriffe keine Grundlage aus Wahrnehmungen der Sinne vorliegt, allerdings nur dann, wenn diese Begriffe aus einer Analyse von [[transzendental]]en Strukturen der Vernunft und der Wahrnehmung selbst stammen, also aus einer ''[[Kritik der reinen Vernunft]]''. Die Grundstrukturen der erkennbaren Welt können so in Grundsätzen ausgesprochen werden, die als [[Synthetisches Urteil a priori|synthetische Urteile a priori]] aus der Verbindung der Formen der Sinnlichkeit und des Verstandes hervorgehen. Sinnlichkeit und Vernunft sind für Kant keine separaten Stränge der Erkenntnis, sondern gemeinsam die „Stämme“ der in vernunftmäßige Regeln passenden Erfahrung.
In neuerer Zeit wurde das Thema der digitalen Schriftlichkeit ein Diskussionsgebiet der Literaturwissenschaft und Medienwissenschaft. Gerade bei dieser Art von Literatur ist es nicht mehr möglich, nach Kriterien zu beurteilen, die man für Literatur vergangener Jahrhunderte entwickelt hatte. Siehe dazu: [[Internet#Digitale Schriftlichkeit|Digitale Schriftlichkeit]].


=== 19. Jahrhundert – Gegenwart ===
== Etymologie und Begriffsgeschichte ==
Rationalistische Positionen sind gegenwärtig Teil in unterschiedlichen [[Erkenntnistheorie]]n, in den überwiegend deutschen [[Diskurstheorie]]n, in ökonomischen Theorien wie der [[Spieltheorie]] und der [[Theorie der rationalen Entscheidung|Rationalen Entscheidungstheorie]] und in überwiegend anglo-amerikanischen Theorien [[Internationale Beziehungen|internationaler Beziehungen]]. Dabei handelt es sich jedoch nicht immer um rationalistische Positionen im engeren Sinne (s.&nbsp;o.), gemeinsam ist ihnen aber, dass sie [[Rationalität]] in Denken und Handeln voraussetzen. Der Unterschied zwischen Rationalismus und Rationalitätstheorien wird jedoch auch von den Gegnern dieser Positionen oft nur unscharf gesehen. Das zeigt sich mit Blick auf den [[Irrationalismus]] der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts (in der [[Romantik]]) als Gegenbegriff aufgebaut wurde.
Das Wort Literatur ist eine erst in der Frühmoderne in Mode kommende Ableitung des [[Lateinische Sprache|lateinischen]] ''littera'', der „Buchstabe“. Der Plural ''litterae'' gewann bereits in der Antike eigene Bedeutungen als „Geschriebenes“, „Dokumente“, „Briefe“, „Gelehrsamkeit“, „Wissenschaft(en)“. Im [[Französische Sprache|Französischen]] und [[Englische Sprache|Englischen]] blieb diese Bedeutung erhalten in ''lettres'' und ''letters'' als Synonym für „Wissenschaften“.


Im Rahmen der Kulturkritik entfaltete sich eine breite Kritik am Rationalismus, u.&nbsp;a. bei [[Oswald Spengler]] und bei [[Martin Heidegger]], später bei zahlreichen Philosophen der französischen [[Nietzsche-Rezeption#Seit den 1970ern|Nietzsche-Rezeption]] und des [[Poststrukturalismus]] mit recht unterschiedlichen Stoßrichtungen. Gegen diese Positionen und in Bezug auf weitere philosophische Entwicklungen haben sich in verschiedenen systematischen Bereichen rationalistische Neuansätze gewandt, so u.&nbsp;a. moderne Vertreter des [[Theologischer Rationalismus|Theologischen Rationalismus]], der [[Kritischer Rationalismus|Kritische Rationalismus]] im Bereich der [[Wissenschaftstheorie]].
Das heutige Sprechen von Literatur entwickelte sich auf einem Umweg über das Deutsche und seine Äquivalente für die französische Wortfügung „[[belles lettres]]“. Im Laufe des 17. Jahrhunderts setzte sich die französische Wortkombination für einen neuen Bereich eleganter Bücher auf dem europäischen Markt durch. Die zeitgenössische deutsche Übersetzung war hierfür „galante Wissenschaften“, was dem Publikumsanspruch Rechnung trug wie dem modischen Geschmack: Leser beiderlei Geschlechts lasen diese Ware und bestanden darauf, dass sie eine ganze eigene Wissenschaft benötigte, keine akademische pedantische. Als mit dem frühen 18. Jahrhundert das Wort [[galant]] in Kritik geriet, setzte sich ein Sprechen von „schönen Wissenschaften“ durch, das im späten 18. Jahrhundert an Tragfähigkeit verlor, da es hier zunehmend um Poesie und Romane ging, eine unwissenschaftliche Materie. Das Sprechen von „schöner Literatur“ erlaubte es schließlich das engere im weiteren Begriffsfeld zu benennen. Man sprach ab Mitte des 18. Jahrhunderts von „Literatur“ mit der Option, jeweilige Schwerpunkte legen zu können. Mit dem Adjektiv „schöne“ wurde das Zentrum bezeichnet, das Literatur im engeren Sinn wurde. Je klarer das Zentrum definiert wurde, desto entbehrlicher wurde im 20. Jahrhundert die weitere Verwendung des Adjektivs.


Dabei kommt es oft zur kritischen Ausdifferenzierungen des Rationalitätsbegriffs. Besonders einflussreich ist die „kommunikative Rationalität“, wie sie von [[Jürgen Habermas]] geprägt und mit [[Karl-Otto Apel]] und vielen anderen Philosophen gemeinsam entwickelt wurde. [[Julian Nida-Rümelin]] vertritt im deutschen Sprachraum prominent eine „strukturelle Rationalität“ auf der sich auch seine „rationalen Ethik“ gründet.<ref>Julian Nida-Rümelin: ''Strukturelle Rationalität. Ein philosophischer Essay über praktische Vernunft'', Ditzingen 2001; Ders.: ''Rationale Ethik''. In: Pieper, Annemarie (Hrsg.), Geschichte der neueren Ethik. Gegenwart. Bd. 2, Francke: Tübingen u.&nbsp;a. (1992), S. 154–172.</ref> In den Arbeiten von [[Herbert Schnädelbach#Vernunftreflexion und Rationalitätstheorie|Herbert Schnädelbach]] werden drei basale Typen der Rationalität benannt, die durch ihn angestoßene Debatte unterscheidet mittlerweile rund fünfzig verschiedene Rationalitätstypen.
Aus dem Wort „belles lettres“ ging im deutschen Buchhandel das Wort „[[Belletristik]]“ hervor, das heute eine Nachbarstellung einnimmt. Der Buchhandel führte die Verengung des Literaturbegriffs auf Dichtung der Nation, wie sie im 19. Jahrhundert geschah, am Ende nicht durch. Für Verlage ist der internationale Markt unterhaltender Titel ein unverzichtbares Geschäftsfeld. Man kann innerhalb der Belletristik ein kleineres Feld der Klassiker der Literatur abgrenzen und dieses wiederum international sortieren.


Das Wort Literatur hat seine zentrale Bedeutung in Literaturgeschichten, Literaturzeitschriften, in der Literaturkritik und Literaturtheorie. In all diesen Bereichen geht es deutlich darum, Kontroversen über Literatur zu erzeugen. Mit der Belletristik wird im Deutschen eher ein unkontroverses, uneingeschränktes Feld ohne eigene Geschichte beibehalten. Es gibt bezeichnenderweise keine „Belletristikgeschichte“, keine „Belletristikkritik“ und keine nationalen „Belletristiken“, dafür jedoch „Literaturgeschichte“, und „Literaturkritik“ wie „Nationalliteraturen“.<ref>Siehe Rainer Rosenberg: „Eine verworrene Geschichte. Vorüberlegungen zu einer Biographie des Literaturbegriffs“, ''Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik'', 77 (1990), 36-65 und Olaf Simons: ''Marteaus Europa oder Der Roman, bevor er Literatur wurde'' (Amsterdam/ Atlanta: Rodopi, 2001), S. 85–94.</ref>
== Definitionen ==
Der heutige Literaturbegriff spiegelt den Wortgebrauch der letzten zweihundert Jahre wider. Er zeichnet sich dabei gleichzeitig durch die Aufnahme einer Reihe historischer Kontroversen aus, die den modernen Streit darüber, welche Werke es verdienen sollten, als Literatur besprochen zu werden, fruchtbar in ihrer teilweisen Unvereinbarkeit bestimmen. Literaturstudenten wird seit dem 19. Jahrhundert die Beherrschung eines Handwerkszeugs der Textanalyse nach den verschiedenen Traditionen der Poetik, der Rhetorik, und der Textinterpretation abverlangt, die dem literarischen Text tiefere kulturelle Bedeutung beimessen soll. Moderne Schulen der Literaturtheorie nahmen hier einzelne Fragestellungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und divergierenden Wünschen an einen Kanon wichtigster Werke der jeweils zu schreibenden Literaturgeschichte auf.
=== Ästhetik und kunstvolle Sprachbeherrschung ===
Die Vorstellung, dass Literatur ein Bereich besonders schöner Texte sein sollte, ist Erbmasse der antiken und frühneuzeitlichen [[Poesie]]&shy;diskussion. Der alternative Blick auf kunstvolle Sprachbeherrschung geht dagegen auf die Diskussion antiker [[Rhetorik]] zurück. Während sich die Rhetorik als weitgehend unkontroverse, zweckorientierte Kunst handhaben ließ, bestand über die Frage des Schönen in der Poesie ein langer Streit, der im 18. Jahrhundert im Wesentlichen als Kampf zwischen [[Regelpoetik]]ern (Verfechtern einer nach Gesetzen schönen Poesie) und Verfechtern eines [[Geschmack (Kultur)|Geschmacksurteils]] geführt wurde. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte sich in Auflösung dieser Diskussion eine neue wissenschaftliche Debatte der [[Ästhetik]] durch, die – so die Hoffnung – am Ende in allen Bereichen der Kunst gelten würde als eine Konstante menschlicher Wahrnehmung, wie sie Schönheit auch in der Natur entdeckte.
Ende des 19. Jahrhunderts geriet der Blick auf die Ästhetik in grundsätzliche Kritik. Das hatte zum einen mit der kontroversen Begriffsaneignung durch die [[Ästhetizismus|Ästhetizisten]] zu tun, zum anderen mit Kunstwerken, die sich provokant von der Konzentration auf Schönheit verabschiedeten und einen eigenen Realismus im Umgang mit sozialer Realität einklagten. Die schonungslose Anerkennung von Missständen sollte ein anerkanntes Ziel werden. Optionen im Umgang mit dem Konflikt bestanden in der Erweiterung der ästhetischen Konzepte wie in der Diskreditierung der Forderung eigener ästhetischer Wahrheit.
=== Fiktionalität, gesellschaftliche Relevanz ===
Dass Literatur sich im gegenwärtigen Begriff durch Fiktionalität und tiefere Bedeutung, eine Relevanz für die Gesellschaft, auszeichnet, ist im Wesentlichen Erbe der [[Roman]]&shy;diskussion, die Mitte des 18. Jahrhunderts von der Literaturbesprechung aufgenommen wurde. Weder die [[Poetik (Aristoteles)|Aristotelische Poetik]] noch die Nachfolge[[poetik]]en der frühen Moderne hatten Poesie über Fiktionalität erklärt. Romane hatten sie samt und sonders nicht als Poesie anerkannt.
Der Vorschlag, Romane und womöglich Poesie generell über Fiktionalität zu definieren, findet sich erstmals klarer mit [[Pierre Daniel Huet]]s [[Traitté de l’origine des romans|Traktat über den Ursprung der Romane]] (1670) gemacht – als Möglichkeit, den theologischen Umgang mit Gleichnissen auf eine neue Lektüre von Romanen zu übertragen, bei dem es darum gehen soll, zu ermessen, welche kulturelle Bedeutung ein jeweiliger Titel hat.
Beim Aufbau des modernen Besprechungsgegenstands Literatur war die Frage nach tieferer Bedeutung Anfang des 19. Jahrhunderts praktisch, da sie dem Literaturwissenschaftler neue Tätigkeiten abverlangt, vor allem die der Interpretation. Daneben schuf sie neue Möglichkeiten, Texte zu bewerten und sich speziell diskutierbar rätselhaften, fremdartigen Titeln zuzuwenden und über sie die eigene Nation und Geschichte neu zu erklären. Im 19. und 20. Jahrhundert entfaltete die Frage nach der Bedeutung des Textes in der Kultur zudem politische Dynamik, da sich an sie Forderungen nach aktivem Engagement anschließen ließen.
=== Literarischer Stil und Subjektivität ===
Die Frage stilistischen Anspruchs ist im Wesentlichen Erbmasse der Diskussion neuester „belles lettres“. Poetiken waren davon ausgegangen, dass zwar einzelne Dichter die Kunst unterschiedlich handhabten, dass jedoch das Persönliche selbst nicht zu erstreben war. Schönheit galt es an sich anzustreben, der Künstler rang um die Schönheit. Mit der Romandiskussion wurde die Frage nach kulturellen Hintergründen akut, die Frage des individuellen [[Autor]]s war dabei wenig das Ziel. Anders war die Debatte in der Belletristik verlaufen. In ihr stand gerade die Frage nach den Titeln im Vordergrund, die den aktuellen Geschmack am besten befriedigten. Es ging im selben Moment um die Frage nach neuen Autoren, die mit eigenen Sichtweisen den Geschmack prägten.
Die „belles lettres“ sollten insgesamt, so ihre Verfechter sich durch Stil auszeichnen – gegenüber den minderwertigen [[Volksbuch|Volksbüchern]] wie gegenüber der pedantischen Wissenschaftlichkeit. Romane und Memoiren wurden wesentliche Felder der Produktion modernen persönlichen Stils. Die Diskussion jeweiliger Leistungen der individuellen Perspektive ging im frühen 19. Jahrhundert in der heutigen Literaturdiskussion auf – die Frage nach subjektiver Wahrnehmung der Realität, wie sie sich in Literatur abzeichne, prädestinierte den neuen Bereich, der im 19. Jahrhundert aufgebaut wurde, dazu, ein Debattenfeld im Schulunterricht zu werden. Im modernen Literaturunterricht geht es seitdem zentral darum, Schüler zu subjektiven Stellungnahmen zu Literatur zu bewegen, ihre Subjektivität dabei öffentlich wahrzunehmen, Subjektivität behandelter Autoren zu erfassen.
=== Höhere strukturelle Komplexität und komplexeres Traditionsverhalten ===
Im Lauf des 20. Jahrhunderts kam eine eigene, mutmaßlich neutrale, wissenschaftliche Analyse von Komplexität literarischer Werke auf. Auf sie richtete sich vor allem der [[Strukturalismus]] der 1960er und 1970er und ihm folgend der [[Poststrukturalismus]] der 1980er und 1990er aus. Betrachtet man die Untersuchungen mit historischer Perspektive, so nehmen sie aus allen Debattenfeldern Untersuchungsoptionen auf. Besondere Würdigung erhalten dabei Texte, die komplexer zu analysieren sind, die der Literaturbesprechung mehr Angriffsfläche der auszulotenden Kontexte geben.
Der hochrangige Text ist unter dieser Prämisse der, der reich an – womöglich divergierenden – Bedeutungsebenen ist, sich intensiv mit Traditionen auseinandersetzt, sich komplex auf andere Texte bezieht, erst im Blick auf diese besser verstanden wird. Die Analysen sind insofern wissenschaftlich objektiv, als sie tatsächlich die wissenschaftliche Analysierbarkeit als Eigenschaft von Texten erfassen, die sich dank ihrer Qualitäten in der wissenschaftlichen Analyse halten, uns nachhaltig als Literatur damit beschäftigen.
Hier lag, rückblickend betrachtet gleichzeitig die Option einer Mode von Texten, die sich auf die Literaturbetrachtung ausrichteten. Die [[Postmoderne]] ging in Entdeckungen des Trivialen am Ende zunehmend konfrontativ bis ablehnend mit den hier definierten Ansprüchen an Kunst der Literatur um.
Erst ab dem 19. Jahrhundert hat man zur Literatur nicht nur das Wissenschaftliche gezählt, sondern alles, was schriftlich niedergelegt war. Ab dem Jahrhundert unterschied man auch zwischen hoher Literatur, sprich Hochliteratur, und Literatur von wenig künstlerischer Qualität, sprich Trivialliteratur.
== Siehe auch ==
== Siehe auch ==


* {{WikipediaDE|Rationalismus|}}
* {{WikipediaDE|Literatur}}
* {{Eisler|Rationalismus}}
* {{Kirchner|Rationalismus}}


== Literatur ==
== Literatur ==
: Für Literatur zu Rationalitätsbegriff und -theorien siehe dort.
=== Nachschlagewerke ===
* Laurence BonJour: ''In Defense of Pure Reason'', Cambridge University Press, Cambridge, U.K. 1998.
 
* Laurence BonJour: ''A Rationalist Manifesto'', in: Canadian Journal of Philosophy Supp. 18 (1992), S. 53–88.
* Peter Stein, Hartmut Stein: ''Chronik der deutschen Literatur. Daten, Texte, Kontexte'', Kröner, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-520-84201-5.
* John Cottingham: ''Rationalism'', Paladin, London 1984.
* Bibliographisches Institut und F. A. Brockhaus Verlag: ''Der Brockhaus Literatur: Schriftsteller, Werke, Epochen, Sachbegriffe.'' (Lexikon) Mannheim, 3. Auflage, 2006. 960 S. ISBN 978-3-7653-3133-6.
* John Cottingham: ''The Rationalists'', Oxford University Press, Oxford 1988.
* Elisabeth Frenzel: ''Stoffe der Weltliteratur'', Kröner Verlag, 10. Auflage 2005, ISBN 978-3-520-30010-2.
* Willis Doney: ''Rationalism'', in: Southern Journal of Philosophy Supp. 21 (1983), S. 1–14.
* Elisabeth Frenzel: ''Motive der Weltliteratur'', Kröner Verlag, 6. Auflage 2008, ISBN 978-3-520-30106-2.
* Anthony Kenny (Hrsg.): ''Rationalism, Empiricism and Idealism'', Oxford University Press, Oxford 1986.
* Gero von Wilpert: ''Lexikon der Weltliteratur – Deutsche Autoren'', Kröner Verlag 2004, ISBN 978-3-520-83704-2.
* Louis E. Loeb: ''From Descartes to Hume'', Continental Metaphysics and the Development of Modern Philosophy, Cornell University Press, Ithaca, New York 1981.
* Gero von Wilpert: ''Lexikon der Weltliteratur – Fremdsprachige Autoren'', Kröner Verlag 2004, ISBN 978-3-520-83804-9.
* Alan Nelson (Hrsg.): ''A Companion to Rationalism'', Blackwell, Oxford 2005.
* Gero von Wilpert: ''Sachwörterbuch der Literatur'', Kröner Verlag 2001, ISBN 978-3-520-23108-6.
* Christopher Peacocke: ''Three Principles of Rationalism'', in: European Journal of Philosophy 10 (2002), S. 375–397.
* Kindlers Literaturlexikon
* Rainer Specht (Hrsg.): ''Rationalismus'' (Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung (hg. Rüdiger Bubner), Bd. 5), Reclam, Stuttgart <sup>1</sup>1979, Neuausgabe 2002. Eine Auswahl repräsentativer Quellentexte mit einführenden Erläuterungen.
* Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur
* [[Rudolf Steiner]]: ''Der menschliche und der kosmische Gedanke'', [[GA 151]] (1990), ISBN 3-7274-1510-X {{Vorträge|151}}
* Kritisches Lexikon zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur
 
=== Klassische Literaturdefinitionen ===
''Die Autoren dieser Titel legen ein Corpus von in ihren Augen literarischen Werken fest und versuchen dann, in einer wissenschaftlichen und subjektiven Analyse dieser Werke auszumachen, was Literatur grundsätzlich auszeichnet.''
 
* René Wellek: ''Literature and its Cognates''. In: ''Dictionary of the History of Ideas. Studies of Selected Pivotal Ideas''. Band 3, ed. Philip P. Wiener, New York 1973, S. 81–89.
* René Wellek, Austin Warren: ''Theorie der Literatur.'' Athenäum Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. 1972, ISBN 3-8072-2005-4.
* Paul Hernadi, ''What Is Literature?'' London 1978, ISBN 0-253-36505-8 <small>Sammelband zum Begriff Literatur – enthält unter anderem von René Wellek: „What Is Literature?“</small>
* Helmut Arntzen: ''Der Literaturbegriff. Geschichte, Komplementärbegriffe, Intention. Eine Einführung.'' Münster: Aschendorff, 1984. ISBN 3-402-03596-0 <small>Kontrastiert verschiedene Literaturbegriffe miteinander, die samt und sonders als Begriffe des in unseren Augen literarischen Materials gewonnen werden.</small>
* Wolf-Dieter Lange: ''Form und Bewusstsein. Zu Genese und Wandlung des literarischen Ausdrucks''. In: ''Meyers kleines Lexikon Literatur''. Mannheim 1986. <small>Ist ein typischer Aufsatz zum Thema – Lange stellt Titel, die ihm Literatur sind zusammen und erkennt, dass Literatur schon immer besonders ausdrucksstark war (und darum, so seine Mutmaßung, auf den Schrei der ersten Menschen zurückgehe).</small>
* Gisela Smolka-Koerdt, Peter M Spangenberg, Dagmar Tillmann-Bartylla (Hrsg.): '' Der Ursprung von Literatur. Medien, Rollen, Kommunikationssituationen 1450–1650'' München: Wilhelm Fink, 1988. ISBN 3-7705-2461-6 <small>Sammlung von Aufsätzen zu in unseren Augen literarischen Genres am Beginn der frühen Neuzeit.</small>
* [http://de.wikibooks.org/wiki/Zweideutigkeit_als_System_-_Thomas_Manns_Forderung_an_die_Kunst Zweideutigkeit als System. Thomas Manns Forderung an die Kunstgattung Literatur.]


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=== Begriffs- und Diskursgeschichte ===
* Roland Barthes: ''Histoire ou Litérature?'' In: ''Sur Racine''. Paris 1963, S. 155; erstveröffentlicht in ''Annales'', 3 (1960). <small>Barthes verwies als erster darauf, dass das Wort „Literatur“ noch im Blick auf die Zeit Racines nur „anachronistisch“ zu verwenden sei – wurde darauf von René Wellek (1978) heftig angegriffen – das Wort habe es durchaus gegeben, wobei Wellek verschwieg, dass die Titel, die er dazu zitierte, sich nicht mit Literatur in unserem Sinne befassten. Barthes starb 1980, Welleks Antwort blieb als korrekte Richtigstellung stehen.</small>
* Jürgen Fohrmann: ''Projekt der deutschen Literaturgeschichte. Entstehung und Scheitern einer nationalen Poesiegeschichtsschreibung zwischen Humanismus und Deutschem Kaiserreich'' (Stuttgart, 1989), ISBN 3-476-00660-3 <small>Ist die erste germanistische Arbeit, die den Themenwechsel im Blick auf „Literaturgeschichten“ skizzierte, und daran Überlegungen zum Aufbau der Germanistik im 19. Jahrhundert anknüpfte.</small>
* Kian-Harald Karimi: ''‚Des contes qui sont sans raison, et qui ne signifient rien‘ – Vom ‚Roman der französischen Philosophen’ zum philosophischen Roman.'' In: Christiane Solte-Gressner, Margot Brink (Hrsg.): ''Écritures. Denk- und Schreibweisen jenseits der Grenzen von Literatur und Philosophie.'' Stauffenburg, Tübingen 2004, S. 71–88. <small>Bestimmt das Verhältnis von Literatur und Philosophie, wobei die Literatur der Moderne, besonders der Roman selbst zu einem Ort philosophischer Reflexion wird und sich nicht mehr darauf beschränkt, diese wie im Zeitalter der Aufklärung zu illustrieren, sondern selbst zu entfalten.</small>
* Lee Morrissey: ''The Constitution of Literature. Literacy, Democracy, and Early English Literary Criticism'' (Stanford: Stanford UP, 2008). <small>Zur Interaktion zwischen Literaturkritik und Literaturproduktion sowie zum Zusammenhang zwischen Literatur und Öffentlichkeit im englischsprachigen Raum.</small>
* Rainer Rosenberg: „Eine verworrene Geschichte. Vorüberlegungen zu einer Biographie des Literaturbegriffs“, ''Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik'', 77 (1990), 36-65. <small>Konstatiert die Bedeutungen der Begriffe „Poesie“, „Dichtung“, „Belles Lettres“, „Schöne Wissenschaften“, „Schöne Literatur“, „Literatur“ für verschiedene Zeitpunkte – und beklagt, dass darin kein System erkennbar sei – verfasst ohne den Denkschritt Fohrmanns, nachdem die Literaturwissenschaft hier Themen adoptierte und ihr altes Thema aufgab, um etwas Neues zu besprechen.</small>
* Olaf Simons: ''Marteaus Europa oder Der Roman, bevor er Literatur wurde'' (Amsterdam/ Atlanta: Rodopi, 2001), ISBN 90-420-1226-9 <small>Bietet [http://www.uni-oldenburg.de/anglistik/lit-wiss/simons/marteaus-europa/085-set.html S. 85–94] einen Überblick über die Geschichte des Wortes Literatur und S. 115–193 einen genaueren Blick auf die Literaturdebatte 1690–1720; im Zentrum mit der Positionsveränderung des Romanmarkts zwischen dem frühen 18. Jahrhundert und heute befasst.</small>
* Richard Terry: ''The Eighteenth-Century Invention of English Literature. A Truism Revisited''. In: ''British Journal for Eighteenth Century Studies'', 19.1, 1996, S. 47–62. <small>Konstatiert einleitend, dass es nun spannend ist, zu erfassen, was all das war, was uns heute „Literatur“ ist, und welche Rolle es spielte, bevor man anfing es als „Literatur“ zu diskutieren. Gibt Überblick über Titel, die Details des Problems untersuchten.</small>
* Winfried Wehle: ''Literatur und Kultur – Zur Archäologie ihrer Beziehungen''. In: Jünke, Zaiser, Geyer (Hrsg.): ''Romanistische Kulturwissenschaft'', Würzburg 2004, S. 65–83 [http://edoc.ku-eichstaett.de/1939/1/Literatur_11.pdf (PDF)].
* Jannis Androutsopoulos: ''Neue Medien – neue Schriftlichkeit?'' In: ''Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes'', Nr. 1/2007, S. 72–97 [http://jannisandroutsopoulos.files.wordpress.com/2009/12/androutsopoulos_2007-neue-medien-neue-schriftlichkeit.pdf (PDF; 9,7&nbsp;MB)].
* Christiane Heibach: ''Literatur im Internet: Theorie und Praxis einer kooperativen Ästhetik''. Dissertation.de Berlin 2000, ISBN 3-89825-126-8 (Dissertation Universität Heidelberg 2000, 396 Seiten, illustriert, 21 cm).


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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{{Wikiquote}}
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* Guy Longworth: [http://www2.warwick.ac.uk/fac/soc/philosophy/staff/longworth/keyideasrationalismempiricism.pdf ''Rationalism and Empiricism''] (PDF-Datei; 188&nbsp;kB), in: S. Chapman, C. Routledge (Hrsg.): ''Key Ideas in Linguistics and the Philosophy of Language'', Edinburgh University Press, Edinburgh 2009, S. 67–74.
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* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/rationalism-empiricism/|Rationalism vs. Empiricism|Peter Markie}}
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* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/continental-rationalism/|Continental Rationalism|Thomas M. Lennon und Shannon Dea}}
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* Rudolf Eisler: Art. [http://www.textlog.de/4978.html „Rationalismus“], in: ''Wörterbuch der philosophischen Begriffe'', 1904.
{{Wikinews|Portal:Literatur|Literatur}}
* {{DNB-Portal|4035964-5|TYP=Literatur zum Schlagwort}}
* [http://www.bdsl-online.de/ Bibliographie der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft] – Bibliographische Informationsquelle für Germanisten


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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Version vom 29. Dezember 2017, 13:41 Uhr

Achselhaare)

Samenleiter

Eileiter

Lesende Frau (Ölgemälde von Jean-Honoré Fragonard, 1770/72)
Bekanntgabe des Literaturnobelpreisträgers in Stockholm (2008)

Literatur ist seit dem 19. Jahrhundert der Bereich aller mündlich (etwa durch Vers­formen und Rhythmus) oder schriftlich fixierten sprachlichen Zeugnisse. Man spricht in diesem „weiten“ Begriffsverständnis im Hinblick auf die hier gegebene schriftliche Fixierung etwa von „Fachliteratur“ oder, im Bereich der Musik, von „Notenliteratur“ (Partituren) bzw. ganz allgemein von „Literatur“ im Sinne der Gesamtheit oder von Teilen schriftlich notierter Musik.

Die öffentliche Literaturdiskussion und -analyse ist demgegenüber seit dem 19. Jahrhundert auf Werke ausgerichtet, denen besondere Bedeutung als Kunst zugesprochen werden kann, und die man im selben Moment von Trivialliteratur und ähnlichen Werken ohne vergleichbare „literarische“, sprich künstlerische Qualität, abgrenzt. Die Literatur zählt zu den Gattungen der Kunst.

Das Wort Literatur wurde bis in das 19. Jahrhundert hinein regulär für die Wissenschaften verwendet. Mit Literatur sind üblicherweise veröffentlichte Schriften gemeint. Die Gesamtheit der veröffentlichten Schriften eines Fachgebietes bzw. zu einer bestimmten Thematik oder Zielsetzung bildet ein Schrifttum. Nur eingeschränkt und nicht über den Buchhandel zugängliche Publikationen werden als graue Literatur zusammengefasst. Eine Besonderheit bilden die auf Selfpublishing-Plattformen, wie Books on Demand (www.bod.de) veröffentlichten Werke, die man zwar im Buchhandel bestellen kann, die dort aber - für gewöhnlich - nicht bereits vorrätig sind.

Begriffsdifferenzierung

Die heutige begriffliche Differenzierung, die im weitesten Sinne alle sprachliche Überlieferung umfasst und dabei ein enges Feld „literarischer“ Kunstwerke konstituiert, richtete sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts ein. Das Wort stand zuvor für Gelehrsamkeit, die Wissenschaften, die Produktion der res publica literaria und der frühmodernen scientific community, seltener auch lediglich für Schriften der griechischen und lateinischen Antike.

Die Neudefinition des Wortes geschah im Wesentlichen unter Einfluss neuer Literaturzeitschriften und ihnen folgender Literaturgeschichten, die zwischen 1730 und 1830 sich schrittweise den belles lettres, den schönen Wissenschaften öffneten, dem Bereich modischer und eleganter Bücher des internationalen Marktes und die dabei Werken der Poesie ein zentrales Interesse schenkten.

Es wurde im selben Prozess selbstverständlich, dass Literatur

Besprochen wird in den nationalen Philologien (wie der Germanistik, der Romanistik, der Anglistik), die die Ausgestaltung der nationalen Literaturen im 19. Jahrhundert im Wesentlichen vorantrieben, nahezu ausschließlich „hohe“ Literatur. Welche Werke unter welchen Gesichtspunkten besprochen werden, ist seitdem Gegenstand einer Debatte um die Bedeutung, die Werke in der jeweiligen Gesellschaft gewinnen. Der jeweilige „Kanon“ einer Nationalliteratur wird in der öffentlichen (und angreifbaren) Würdigung der „künstlerischen“ Qualität festgelegt, sowie in kontroversen Textinterpretationen der Fiktionen, die Titeln tiefere Bedeutung zusprechen. In der neuen Ausgestaltung übernahm die Literatur im 19. Jahrhundert in den westlichen säkularen Nationen Funktionen, die zuvor die Religionen und ihre Textgrundlagen als Debatten- und Bildungsgegenstände innehatten.

In neuerer Zeit wurde das Thema der digitalen Schriftlichkeit ein Diskussionsgebiet der Literaturwissenschaft und Medienwissenschaft. Gerade bei dieser Art von Literatur ist es nicht mehr möglich, nach Kriterien zu beurteilen, die man für Literatur vergangener Jahrhunderte entwickelt hatte. Siehe dazu: Digitale Schriftlichkeit.

Etymologie und Begriffsgeschichte

Das Wort Literatur ist eine erst in der Frühmoderne in Mode kommende Ableitung des lateinischen littera, der „Buchstabe“. Der Plural litterae gewann bereits in der Antike eigene Bedeutungen als „Geschriebenes“, „Dokumente“, „Briefe“, „Gelehrsamkeit“, „Wissenschaft(en)“. Im Französischen und Englischen blieb diese Bedeutung erhalten in lettres und letters als Synonym für „Wissenschaften“.

Das heutige Sprechen von Literatur entwickelte sich auf einem Umweg über das Deutsche und seine Äquivalente für die französische Wortfügung „belles lettres“. Im Laufe des 17. Jahrhunderts setzte sich die französische Wortkombination für einen neuen Bereich eleganter Bücher auf dem europäischen Markt durch. Die zeitgenössische deutsche Übersetzung war hierfür „galante Wissenschaften“, was dem Publikumsanspruch Rechnung trug wie dem modischen Geschmack: Leser beiderlei Geschlechts lasen diese Ware und bestanden darauf, dass sie eine ganze eigene Wissenschaft benötigte, keine akademische pedantische. Als mit dem frühen 18. Jahrhundert das Wort galant in Kritik geriet, setzte sich ein Sprechen von „schönen Wissenschaften“ durch, das im späten 18. Jahrhundert an Tragfähigkeit verlor, da es hier zunehmend um Poesie und Romane ging, eine unwissenschaftliche Materie. Das Sprechen von „schöner Literatur“ erlaubte es schließlich das engere im weiteren Begriffsfeld zu benennen. Man sprach ab Mitte des 18. Jahrhunderts von „Literatur“ mit der Option, jeweilige Schwerpunkte legen zu können. Mit dem Adjektiv „schöne“ wurde das Zentrum bezeichnet, das Literatur im engeren Sinn wurde. Je klarer das Zentrum definiert wurde, desto entbehrlicher wurde im 20. Jahrhundert die weitere Verwendung des Adjektivs.

Aus dem Wort „belles lettres“ ging im deutschen Buchhandel das Wort „Belletristik“ hervor, das heute eine Nachbarstellung einnimmt. Der Buchhandel führte die Verengung des Literaturbegriffs auf Dichtung der Nation, wie sie im 19. Jahrhundert geschah, am Ende nicht durch. Für Verlage ist der internationale Markt unterhaltender Titel ein unverzichtbares Geschäftsfeld. Man kann innerhalb der Belletristik ein kleineres Feld der Klassiker der Literatur abgrenzen und dieses wiederum international sortieren.

Das Wort Literatur hat seine zentrale Bedeutung in Literaturgeschichten, Literaturzeitschriften, in der Literaturkritik und Literaturtheorie. In all diesen Bereichen geht es deutlich darum, Kontroversen über Literatur zu erzeugen. Mit der Belletristik wird im Deutschen eher ein unkontroverses, uneingeschränktes Feld ohne eigene Geschichte beibehalten. Es gibt bezeichnenderweise keine „Belletristikgeschichte“, keine „Belletristikkritik“ und keine nationalen „Belletristiken“, dafür jedoch „Literaturgeschichte“, und „Literaturkritik“ wie „Nationalliteraturen“.[1]

Definitionen

Der heutige Literaturbegriff spiegelt den Wortgebrauch der letzten zweihundert Jahre wider. Er zeichnet sich dabei gleichzeitig durch die Aufnahme einer Reihe historischer Kontroversen aus, die den modernen Streit darüber, welche Werke es verdienen sollten, als Literatur besprochen zu werden, fruchtbar in ihrer teilweisen Unvereinbarkeit bestimmen. Literaturstudenten wird seit dem 19. Jahrhundert die Beherrschung eines Handwerkszeugs der Textanalyse nach den verschiedenen Traditionen der Poetik, der Rhetorik, und der Textinterpretation abverlangt, die dem literarischen Text tiefere kulturelle Bedeutung beimessen soll. Moderne Schulen der Literaturtheorie nahmen hier einzelne Fragestellungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und divergierenden Wünschen an einen Kanon wichtigster Werke der jeweils zu schreibenden Literaturgeschichte auf.

Ästhetik und kunstvolle Sprachbeherrschung

Die Vorstellung, dass Literatur ein Bereich besonders schöner Texte sein sollte, ist Erbmasse der antiken und frühneuzeitlichen Poesie­diskussion. Der alternative Blick auf kunstvolle Sprachbeherrschung geht dagegen auf die Diskussion antiker Rhetorik zurück. Während sich die Rhetorik als weitgehend unkontroverse, zweckorientierte Kunst handhaben ließ, bestand über die Frage des Schönen in der Poesie ein langer Streit, der im 18. Jahrhundert im Wesentlichen als Kampf zwischen Regelpoetikern (Verfechtern einer nach Gesetzen schönen Poesie) und Verfechtern eines Geschmacksurteils geführt wurde. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte sich in Auflösung dieser Diskussion eine neue wissenschaftliche Debatte der Ästhetik durch, die – so die Hoffnung – am Ende in allen Bereichen der Kunst gelten würde als eine Konstante menschlicher Wahrnehmung, wie sie Schönheit auch in der Natur entdeckte.

Ende des 19. Jahrhunderts geriet der Blick auf die Ästhetik in grundsätzliche Kritik. Das hatte zum einen mit der kontroversen Begriffsaneignung durch die Ästhetizisten zu tun, zum anderen mit Kunstwerken, die sich provokant von der Konzentration auf Schönheit verabschiedeten und einen eigenen Realismus im Umgang mit sozialer Realität einklagten. Die schonungslose Anerkennung von Missständen sollte ein anerkanntes Ziel werden. Optionen im Umgang mit dem Konflikt bestanden in der Erweiterung der ästhetischen Konzepte wie in der Diskreditierung der Forderung eigener ästhetischer Wahrheit.

Fiktionalität, gesellschaftliche Relevanz

Dass Literatur sich im gegenwärtigen Begriff durch Fiktionalität und tiefere Bedeutung, eine Relevanz für die Gesellschaft, auszeichnet, ist im Wesentlichen Erbe der Roman­diskussion, die Mitte des 18. Jahrhunderts von der Literaturbesprechung aufgenommen wurde. Weder die Aristotelische Poetik noch die Nachfolgepoetiken der frühen Moderne hatten Poesie über Fiktionalität erklärt. Romane hatten sie samt und sonders nicht als Poesie anerkannt.

Der Vorschlag, Romane und womöglich Poesie generell über Fiktionalität zu definieren, findet sich erstmals klarer mit Pierre Daniel Huets Traktat über den Ursprung der Romane (1670) gemacht – als Möglichkeit, den theologischen Umgang mit Gleichnissen auf eine neue Lektüre von Romanen zu übertragen, bei dem es darum gehen soll, zu ermessen, welche kulturelle Bedeutung ein jeweiliger Titel hat.

Beim Aufbau des modernen Besprechungsgegenstands Literatur war die Frage nach tieferer Bedeutung Anfang des 19. Jahrhunderts praktisch, da sie dem Literaturwissenschaftler neue Tätigkeiten abverlangt, vor allem die der Interpretation. Daneben schuf sie neue Möglichkeiten, Texte zu bewerten und sich speziell diskutierbar rätselhaften, fremdartigen Titeln zuzuwenden und über sie die eigene Nation und Geschichte neu zu erklären. Im 19. und 20. Jahrhundert entfaltete die Frage nach der Bedeutung des Textes in der Kultur zudem politische Dynamik, da sich an sie Forderungen nach aktivem Engagement anschließen ließen.

Literarischer Stil und Subjektivität

Die Frage stilistischen Anspruchs ist im Wesentlichen Erbmasse der Diskussion neuester „belles lettres“. Poetiken waren davon ausgegangen, dass zwar einzelne Dichter die Kunst unterschiedlich handhabten, dass jedoch das Persönliche selbst nicht zu erstreben war. Schönheit galt es an sich anzustreben, der Künstler rang um die Schönheit. Mit der Romandiskussion wurde die Frage nach kulturellen Hintergründen akut, die Frage des individuellen Autors war dabei wenig das Ziel. Anders war die Debatte in der Belletristik verlaufen. In ihr stand gerade die Frage nach den Titeln im Vordergrund, die den aktuellen Geschmack am besten befriedigten. Es ging im selben Moment um die Frage nach neuen Autoren, die mit eigenen Sichtweisen den Geschmack prägten.

Die „belles lettres“ sollten insgesamt, so ihre Verfechter sich durch Stil auszeichnen – gegenüber den minderwertigen Volksbüchern wie gegenüber der pedantischen Wissenschaftlichkeit. Romane und Memoiren wurden wesentliche Felder der Produktion modernen persönlichen Stils. Die Diskussion jeweiliger Leistungen der individuellen Perspektive ging im frühen 19. Jahrhundert in der heutigen Literaturdiskussion auf – die Frage nach subjektiver Wahrnehmung der Realität, wie sie sich in Literatur abzeichne, prädestinierte den neuen Bereich, der im 19. Jahrhundert aufgebaut wurde, dazu, ein Debattenfeld im Schulunterricht zu werden. Im modernen Literaturunterricht geht es seitdem zentral darum, Schüler zu subjektiven Stellungnahmen zu Literatur zu bewegen, ihre Subjektivität dabei öffentlich wahrzunehmen, Subjektivität behandelter Autoren zu erfassen.

Höhere strukturelle Komplexität und komplexeres Traditionsverhalten

Im Lauf des 20. Jahrhunderts kam eine eigene, mutmaßlich neutrale, wissenschaftliche Analyse von Komplexität literarischer Werke auf. Auf sie richtete sich vor allem der Strukturalismus der 1960er und 1970er und ihm folgend der Poststrukturalismus der 1980er und 1990er aus. Betrachtet man die Untersuchungen mit historischer Perspektive, so nehmen sie aus allen Debattenfeldern Untersuchungsoptionen auf. Besondere Würdigung erhalten dabei Texte, die komplexer zu analysieren sind, die der Literaturbesprechung mehr Angriffsfläche der auszulotenden Kontexte geben.

Der hochrangige Text ist unter dieser Prämisse der, der reich an – womöglich divergierenden – Bedeutungsebenen ist, sich intensiv mit Traditionen auseinandersetzt, sich komplex auf andere Texte bezieht, erst im Blick auf diese besser verstanden wird. Die Analysen sind insofern wissenschaftlich objektiv, als sie tatsächlich die wissenschaftliche Analysierbarkeit als Eigenschaft von Texten erfassen, die sich dank ihrer Qualitäten in der wissenschaftlichen Analyse halten, uns nachhaltig als Literatur damit beschäftigen.

Hier lag, rückblickend betrachtet gleichzeitig die Option einer Mode von Texten, die sich auf die Literaturbetrachtung ausrichteten. Die Postmoderne ging in Entdeckungen des Trivialen am Ende zunehmend konfrontativ bis ablehnend mit den hier definierten Ansprüchen an Kunst der Literatur um.

Erst ab dem 19. Jahrhundert hat man zur Literatur nicht nur das Wissenschaftliche gezählt, sondern alles, was schriftlich niedergelegt war. Ab dem Jahrhundert unterschied man auch zwischen hoher Literatur, sprich Hochliteratur, und Literatur von wenig künstlerischer Qualität, sprich Trivialliteratur.

Siehe auch

Literatur

Nachschlagewerke

  • Peter Stein, Hartmut Stein: Chronik der deutschen Literatur. Daten, Texte, Kontexte, Kröner, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-520-84201-5.
  • Bibliographisches Institut und F. A. Brockhaus Verlag: Der Brockhaus Literatur: Schriftsteller, Werke, Epochen, Sachbegriffe. (Lexikon) Mannheim, 3. Auflage, 2006. 960 S. ISBN 978-3-7653-3133-6.
  • Elisabeth Frenzel: Stoffe der Weltliteratur, Kröner Verlag, 10. Auflage 2005, ISBN 978-3-520-30010-2.
  • Elisabeth Frenzel: Motive der Weltliteratur, Kröner Verlag, 6. Auflage 2008, ISBN 978-3-520-30106-2.
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur – Deutsche Autoren, Kröner Verlag 2004, ISBN 978-3-520-83704-2.
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur – Fremdsprachige Autoren, Kröner Verlag 2004, ISBN 978-3-520-83804-9.
  • Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur, Kröner Verlag 2001, ISBN 978-3-520-23108-6.
  • Kindlers Literaturlexikon
  • Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur
  • Kritisches Lexikon zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur

Klassische Literaturdefinitionen

Die Autoren dieser Titel legen ein Corpus von in ihren Augen literarischen Werken fest und versuchen dann, in einer wissenschaftlichen und subjektiven Analyse dieser Werke auszumachen, was Literatur grundsätzlich auszeichnet.

  • René Wellek: Literature and its Cognates. In: Dictionary of the History of Ideas. Studies of Selected Pivotal Ideas. Band 3, ed. Philip P. Wiener, New York 1973, S. 81–89.
  • René Wellek, Austin Warren: Theorie der Literatur. Athenäum Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. 1972, ISBN 3-8072-2005-4.
  • Paul Hernadi, What Is Literature? London 1978, ISBN 0-253-36505-8 Sammelband zum Begriff Literatur – enthält unter anderem von René Wellek: „What Is Literature?“
  • Helmut Arntzen: Der Literaturbegriff. Geschichte, Komplementärbegriffe, Intention. Eine Einführung. Münster: Aschendorff, 1984. ISBN 3-402-03596-0 Kontrastiert verschiedene Literaturbegriffe miteinander, die samt und sonders als Begriffe des in unseren Augen literarischen Materials gewonnen werden.
  • Wolf-Dieter Lange: Form und Bewusstsein. Zu Genese und Wandlung des literarischen Ausdrucks. In: Meyers kleines Lexikon Literatur. Mannheim 1986. Ist ein typischer Aufsatz zum Thema – Lange stellt Titel, die ihm Literatur sind zusammen und erkennt, dass Literatur schon immer besonders ausdrucksstark war (und darum, so seine Mutmaßung, auf den Schrei der ersten Menschen zurückgehe).
  • Gisela Smolka-Koerdt, Peter M Spangenberg, Dagmar Tillmann-Bartylla (Hrsg.): Der Ursprung von Literatur. Medien, Rollen, Kommunikationssituationen 1450–1650 München: Wilhelm Fink, 1988. ISBN 3-7705-2461-6 Sammlung von Aufsätzen zu in unseren Augen literarischen Genres am Beginn der frühen Neuzeit.
  • Zweideutigkeit als System. Thomas Manns Forderung an die Kunstgattung Literatur.

Begriffs- und Diskursgeschichte

  • Roland Barthes: Histoire ou Litérature? In: Sur Racine. Paris 1963, S. 155; erstveröffentlicht in Annales, 3 (1960). Barthes verwies als erster darauf, dass das Wort „Literatur“ noch im Blick auf die Zeit Racines nur „anachronistisch“ zu verwenden sei – wurde darauf von René Wellek (1978) heftig angegriffen – das Wort habe es durchaus gegeben, wobei Wellek verschwieg, dass die Titel, die er dazu zitierte, sich nicht mit Literatur in unserem Sinne befassten. Barthes starb 1980, Welleks Antwort blieb als korrekte Richtigstellung stehen.
  • Jürgen Fohrmann: Projekt der deutschen Literaturgeschichte. Entstehung und Scheitern einer nationalen Poesiegeschichtsschreibung zwischen Humanismus und Deutschem Kaiserreich (Stuttgart, 1989), ISBN 3-476-00660-3 Ist die erste germanistische Arbeit, die den Themenwechsel im Blick auf „Literaturgeschichten“ skizzierte, und daran Überlegungen zum Aufbau der Germanistik im 19. Jahrhundert anknüpfte.
  • Kian-Harald Karimi: ‚Des contes qui sont sans raison, et qui ne signifient rien‘ – Vom ‚Roman der französischen Philosophen’ zum philosophischen Roman. In: Christiane Solte-Gressner, Margot Brink (Hrsg.): Écritures. Denk- und Schreibweisen jenseits der Grenzen von Literatur und Philosophie. Stauffenburg, Tübingen 2004, S. 71–88. Bestimmt das Verhältnis von Literatur und Philosophie, wobei die Literatur der Moderne, besonders der Roman selbst zu einem Ort philosophischer Reflexion wird und sich nicht mehr darauf beschränkt, diese wie im Zeitalter der Aufklärung zu illustrieren, sondern selbst zu entfalten.
  • Lee Morrissey: The Constitution of Literature. Literacy, Democracy, and Early English Literary Criticism (Stanford: Stanford UP, 2008). Zur Interaktion zwischen Literaturkritik und Literaturproduktion sowie zum Zusammenhang zwischen Literatur und Öffentlichkeit im englischsprachigen Raum.
  • Rainer Rosenberg: „Eine verworrene Geschichte. Vorüberlegungen zu einer Biographie des Literaturbegriffs“, Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, 77 (1990), 36-65. Konstatiert die Bedeutungen der Begriffe „Poesie“, „Dichtung“, „Belles Lettres“, „Schöne Wissenschaften“, „Schöne Literatur“, „Literatur“ für verschiedene Zeitpunkte – und beklagt, dass darin kein System erkennbar sei – verfasst ohne den Denkschritt Fohrmanns, nachdem die Literaturwissenschaft hier Themen adoptierte und ihr altes Thema aufgab, um etwas Neues zu besprechen.
  • Olaf Simons: Marteaus Europa oder Der Roman, bevor er Literatur wurde (Amsterdam/ Atlanta: Rodopi, 2001), ISBN 90-420-1226-9 Bietet S. 85–94 einen Überblick über die Geschichte des Wortes Literatur und S. 115–193 einen genaueren Blick auf die Literaturdebatte 1690–1720; im Zentrum mit der Positionsveränderung des Romanmarkts zwischen dem frühen 18. Jahrhundert und heute befasst.
  • Richard Terry: The Eighteenth-Century Invention of English Literature. A Truism Revisited. In: British Journal for Eighteenth Century Studies, 19.1, 1996, S. 47–62. Konstatiert einleitend, dass es nun spannend ist, zu erfassen, was all das war, was uns heute „Literatur“ ist, und welche Rolle es spielte, bevor man anfing es als „Literatur“ zu diskutieren. Gibt Überblick über Titel, die Details des Problems untersuchten.
  • Winfried Wehle: Literatur und Kultur – Zur Archäologie ihrer Beziehungen. In: Jünke, Zaiser, Geyer (Hrsg.): Romanistische Kulturwissenschaft, Würzburg 2004, S. 65–83 (PDF).
  • Jannis Androutsopoulos: Neue Medien – neue Schriftlichkeit? In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, Nr. 1/2007, S. 72–97 (PDF; 9,7 MB).
  • Christiane Heibach: Literatur im Internet: Theorie und Praxis einer kooperativen Ästhetik. Dissertation.de Berlin 2000, ISBN 3-89825-126-8 (Dissertation Universität Heidelberg 2000, 396 Seiten, illustriert, 21 cm).

Weblinks

 Wiktionary: Literatur – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikiquote: Literatur – Zitate
Commons: Literatur - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikisource: Hauptseite – Quellen und Volltexte
 Wikibooks: Literatur – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

  1. Siehe Rainer Rosenberg: „Eine verworrene Geschichte. Vorüberlegungen zu einer Biographie des Literaturbegriffs“, Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, 77 (1990), 36-65 und Olaf Simons: Marteaus Europa oder Der Roman, bevor er Literatur wurde (Amsterdam/ Atlanta: Rodopi, 2001), S. 85–94.


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