Hierarchien und Herzdenken: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Engelhierarchien_Baptisterium_San_Marco_Venedig.jpg|mini|400px|Die Neun Chöre der Engel, Byzantinisches Kuppelmosaik im Baptisterium der [[Wikipedia:Markusdom|Basilica di San Marco]] ([[Wikipedia:Venedig|Venedig]]).]]
Das '''Herzdenken''' ist eine Fähigkeit, über die die Menschen in alten Zeiten auf ''unbewusste'' Art verfügten. Es war mit einem sicheren [[Wahrheit]]sgefühl verbunden, das zwar noch nicht in klare, bewusste Konturen gefasst werden konnte, aber doch gewisse Einblicke in die höheren, [[Geistige Welt|geistigen Welten]] ermöglichte. Selbst [[Aristoteles]] hat noch das [[Herz]] als das Zentralorgan des [[Denken]]s angesehen. Er hat aber zugleich mit seiner [[Logik]] die sichere Basis für das [[Verstand]]esdenken gelegt, das nicht mehr im Herzen, sondern im [[Kopf]] zentriert ist. Diese Art des Denkens hat seine Blüte in unserem heutigen [[Intellekt]], der aber zunächst nur die [[sinnlich]]en Tatsachen erfassen und in ihrer logischen Ordnung durchschauen kann, und zwar mit vollem, wachen [[Ich-Bewusstsein]]. In Zukunft wird sich eine neue Art des Herzdenkens entwickeln, das mit dem vollwachen Ich-Bewusstsein vereinbar ist, und so auf ganz bewusste und besonnene Weise den Einblick in rein geistige Zusammenhänge erlaubt. Es wird sich wesentlich von unserem gegenwärtigen Verstand unterscheiden, indem es kein [[diskursiv]]es, ableitendes Denken ist, sondern die Wahrheit mit einem Blick überschaut. Dieses neue Herzdenken entfaltet sich nicht in einer Kette logisch aneinander gefügter [[Begriff]]e, sondern in innerlich erlebten [[Seele|seelischen]] Sinnbildern, die mit einem Schlag die geistigen Zusammenhänge offenbaren. Es ist zugleich ein sinnlichkeitsfreies, d.h. [[reines Denken]]:


Als '''Hierarchie''' (von {{ELSalt|ἱεραρχία}} ''hierarchia'', aus {{polytonisch|ἱερός}}, ''hieros'', „heilig“ und {{polytonisch|ἀρχή}}, ''archē'', „Führung, [[Herrschaft]]“, daraus ab dem 17. Jahrhundert [[Latein|kirchenlateinisch]] ''hierarchia'' „Rangordnung der Weihen“) wird ganz allgemein ein [[System]] einander gemäß einer bestimmten '''Rangordnung''' über- bzw. untergeordneter [[Element (Mathematik)|Elemente]] oder [[Wesen]] bezeichnet.
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"Der Mensch hat ja im gewöhnlichen Leben das Gefühl, daß er mit dem Kopf denkt. Natürlich ist das nur ein bildlicher Ausdruck, man denkt mit den geistigen Organen, die dem Gehirn zugrunde liegen; aber es versteht jeder, was es heißt, mit dem Kopf denken. Ein ganz anderes Gefühl hat man gegenüber jenem Denken, das dann eintritt, wenn man ein wenig weitergekommen ist auf dem Weg der Entwickelung, den wir charakterisiert haben. Man hat wirklich das Gefühl, als ob das, was sonst im Kopf lokalisiert ist, jetzt im Herzen lokalisiert wäre. Es ist allerdings nicht das physische Herz, welches denkt, sondern jenes Organ, das sich als geistiges Organ in der Nähe des Herzens ausbildet, die sogenannte zwölfblätterige Lotosblume. Sie wird eine Art Denkorgan; und dieses Denken, das da auftritt, das unterscheidet sich von dem gewöhnlichen Denken sehr stark. Beim gewöhnlichen Denken weiß jeder, daß er Überlegung anwenden muß, um zu einer Wahrheit zu kommen. Man muß gehen von Begriff zu Begriff. Man geht von einem Punkt aus, geht dann logisch weiter zu anderen Punkten, und das, wozu man kommt im Lauf der Zeit, indem man logische Erwägungen anstellt, nennt man Wahrheit, Erkenntnis. Das ist eine durch gewöhnliches Denken errungene Erkenntnis. Anders ist das, wenn man die Wahrheit erkennen will gegenüber dem, was beschrieben worden ist als reale, als wirkliche Sinnbilder. Diese wirklichen Sinnbilder hat man vor sich wie äußere Gegenstände, aber das Denken über diese Sinnbilder kann nicht mit dem gewöhnlichen Kopfdenken verwechselt werden. Denn ob etwas wahr oder falsch ist, ob man dieses oder jenes zu sagen hat über ein Ding oder eine Tatsache der höheren Welten, dazu sind nicht Überlegungen notwendig wie beim gewöhnlichen Denken, sondern das ergibt sich unmittelbar. Sobald man die Bilder vor sich hat, weiß man, was man sich selber und anderen darüber zu sagen hat. Dieses Unmittelbare, das ist das Charakteristische des Herzdenkens." {{Lit|{{G|119|218f}}}}
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== Geistige Hierarchien ==
Das Herzdenken kann sich nur entwickeln, wenn wir lernen beweglich zu denken. Man darf nicht auf dem eigenen persönlichen Standpunkt beharren, sondern muss versuchen, sich mit seinem Denken in andere [[Wesenheit]]en hineinzuversetzen:


'''Neun Chöre der Engel''', die in drei '''Hierarchien''' geordnet sind, bilden nach [[Christentum|christlicher]] Anschauung die Gemeinschaft der '''kosmischen Intelligenzen''' (→ [[Kosmische Intelligenz]]). Von den [[Kabbala|Kabbalisten]] werden sie auch, da sie sich von der [[Materie]] volkommen getrennt halten, als ''Separate Intellekte''
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({{HeS|שכלים נפרדים}} ''Sechalim nifradim'') bezeichnet. In der [[Anthroposophie]] werden mit den Hierarchien die an der Entwicklung der Welt beteiligten, gemäß ihres Entwicklungsgrades nach Rangstufen geordneten [[Geistige Wesen|geistigen Wesenheiten]] bezeichnet. Über ihnen steht die [[Trinität]] als die höchste Quelle der göttlichen [[Schöpferkraft]]. Die Hierarchien sind in ihrer geistigen Entwicklung dem [[Mensch]]en vorangeschritten und haben an seiner Entwicklung sowie an der [[Erdenentwicklung]] wesentlichen Anteil. Gemäß ihres geistigen Reifegrads lassen sie sich in verschiedene Gruppen einordnen.
"Das ist etwas, was man sich notwendig erwerben muß: aus sich herausgehen zu können, sozusagen mit den Augen eines andern, von einem anderen Standpunkte aus sehen zu können. Dann erst ergibt sich das, was wirklich zur umfassenden Wahrheit führt. Das ist so, wie wenn man einen Rosenstrauch nicht nur von einer Seite ansieht, sondern sich einmal hierhin, einmal woanders hinstellt und ihn von allen Seiten ansieht oder photographisch aufnimmt. Dadurch schult man sich, um in die Möglichkeit zu kommen, dasjenige auch wirklich zu haben, was man haben muß, sobald man in die höheren Welten hinaufkommt. In der physischen Welt kann man sich so etwas angewöhnen. In den höheren Welten wirkt es verwirrend, wenn man mit einem persönlichen Standpunkt hineinkommt. Man hat dann sofort ein Trugbild statt der Wahrheit vor sich, weil man seine eigene persönliche Meinung hineinträgt.
Im anthroposophischen Sprachgebrauch ist oft zusammenfassend von den ''Hierarchien'' die Rede, wenn die genannten Wesenheiten als Ganzes gemeint sind.


== Angelologie ==
Um zum Denken des Herzens zu kommen, müssen wir die Kraft haben, aus uns herauszugehen, wirklich uns selber ganz fremd zu werden und von außen auf uns zurückzublicken. Wer im normalen Bewußtsein ist, der steht an einem bestimmten Platz und weiß, wenn er sagt: Das bin ich! -, dann meint er die Summe dessen, was er glaubt, was er vertritt. Wer aber in die höheren Welten hinaufsteigt, muß seine gewöhnliche Persönlichkeit an ihrem Platze stehenlassen können, er muß aus sich selber herausgehen können, auf sich zurückschauen und mit demselben Gefühl zu sich selber sagen können: Das bist du! - Das frühere Ich muß ganz im richtigen Sinne ein Du werden. So wie man zu einem anderen «du» sagt, so muß man zu sich selber «du» sagen können. Das darf keine Theorie sein, sondern muß ein Erlebnis werden. Daß dies durch Schulung zu erreichen ist, haben wir schon gesehen. Es gehört gar nicht so viel dazu, man muß verhältnismäßig einfache Dinge tun; dann erwirbt man sich das Recht, mit dem Herzen denken zu dürfen. Die wahren Darstellungen von den höheren Welten gehen aus solchem Herzdenken hervor. Auch wenn es äußerlich oft so aussieht, als ob sie logische Erörterungen wären, nichts ist in den Darstellungen, die wirklich aus den höheren Welten heruntergetragen werden, darin, was nicht mit dem Herzen gedacht wäre. Was da geschildert wird vom Gesichtspunkt der Geisteswissenschaft, ist ein mit dem Herzen Erlebtes. Derjenige, der schildern muß, was er mit dem Herzen erlebt, der muß es allerdings umgießen in solche Gedankenformen, daß es für die anderen Menschen verständlich ist.
[[Datei:Francesco Botticini - The Assumption of the Virgin.jpg|mini|400px|[[Wikipedia:Mariä Aufnahme in den Himmel|Mariä Aufnahme in den Himmel]] von [[Wikipedia:Francesco Botticini|Francesco Botticini]] (1446–1497). [[Maria]] und [[Jesus]] sind von den in drei Stufen gegliederten neun Engelschören umgeben.]]


Die '''Angelologie''' (von {{ELSalt|ἄγγελος}} ''angelos'' „Sendbote“, {{Lang|grc|λόγος}} ''logos'' „Wort, Lehre“), die Lehre von den '''Engelhierarchien''' („Engel“ hier als Oberbegriff für geistige Wesen, nicht im engeren Sinne für die [[Engel|Angeloi]]), geht im [[Christentum]] auf die Schrift über die «Himmlischen Hierarchien»[https://www.unifr.ch/bkv/kapitel3682.htm] von [[Dionysius Areopagita]] zurück. Dionysius wird im Neuen Testament als erster Bischof Athens erwähnt (Apostelgeschichte des Lukas {{B|Apg|17|34|LUT}}). Da die Niederschrift der mit seinem Namen versehenen Lehren jedoch erst im frühen 6. Jahrhundert erfolgte, vermutet die herkömmliche Forschung, dass ein unbekannter Autor jener Zeit der Urheber gewesen sei. Dieser habe den Namen des Dionysius Areopagita lediglich als Pseudonym benutzt (daher auch „Pseudo-Dionysius“ genannt).
Das ist der Unterschied von wirklicher Geisteswissenschaft und demjenigen, was subjektiv erlebte Mystik ist. Subjektiv erlebte Mystik kann ein jeder für sich haben; die schließt sich innerhalb der Persönlichkeit ab, die läßt sich nicht einem andern mitteilen, geht einen andern im Grund genommen auch nichts an. Dasjenige aber, was echte, wahre Mystik ist, ist entstanden aus der Möglichkeit, Imaginationen zu haben, Eindrücke in den höheren Welten zu haben und diese Eindrücke klassifizieren, ordnen zu können mit dem Denken des Herzens, so wie man die Dinge der physischen Welt mit dem Verstand ordnet.


Nach [[Rudolf Steiner]] gehen die überlieferten Inhalte tatsächlich auf den in der Bibel erwähnten Dionysius Areopagita zurück:
Damit ist allerdings das andere verknüpft, daß an den Wahrheiten, die aus den höheren Welten gegeben sind, in der Tat etwas hängt wie Herzblut, daß sie die Färbung haben von dem Denken des Herzens. Mögen sie sich abstrakt ausnehmen und noch so sehr in Gedankenformen gegossen sein, es hängt an ihnen Herzblut, denn sie sind unmittelbar aus der Seele erlebt. Von dem Momente an, wo das Denken des Herzens ausgebildet ist, weiß der Mensch, der in die imaginative Welt kommt: Das, was du vor dir hast und was aussieht wie eine Vision, ist keine Vision, sondern ist Ausdruck eines Geistig-Seelischen, das dahintersteht, ebenso wie die rote Farbe der Rose hier der äußere Ausdruck ist für die materielle Rose. Der geistig Schauende richtet das geistige Auge in die imaginative Welt, er hat den Eindruck des Blauen oder Violetten, oder er hört irgendeinen Ton, oder er hat ein Gefühl von Wärme oder Kälte -, er weiß durch sein Denken des Herzens, daß das nicht bloße Einbildung, nicht bloße Vision ist, sondern Ausdruck eines geistig-seelischen Wesens, wie das Rot der Rose der Ausdruck der materiellen Rose ist. - So lebt man sich in die Wesenheiten hinein; man muß aus sich herausgehen und sich mit den Wesenheiten selber verbinden. Daher ist alles Forschen in der geistigen Welt zu gleicher Zeit mit der Hingabe der eigenen Persönlichkeit verknüpft, in einem viel höheren Grad, als das bei den äußeren Erlebnissen der Fall ist. Man wird intensiver mitgenommen, man steckt ja in den Dingen selber drinnen. Was sie Gutes und Böses, Schönes und Häßliches, Wahres und Falsches haben, muß man in den Wesenheiten erleben. Wo andere Menschen in der physischen Welt einen Irrtum gleichgültig ansehen, muß der Geistesforscher in der imaginativen Welt den Irrtum nicht nur anschauen, er muß ihn mit Schmerz durchleben. Er muß das Häßliche, das Abscheuliche nicht nur anschauen, ob es ihm nichts tut, sondern er muß es innerlich miterleben. Durch die geschilderte Schulung, die der heutigen Menschheit besonders angemessen ist, kommt er dazu, das Gute, das Wahre, das Schöne, aber auch das Böse, das Häßliche, den Irrtum mitzuerleben, ohne davon gefangengenommen zu werden oder sich zu verlieren, denn das durch richtige Vorbereitung erworbene Denken des Herzens führt dazu, daß er durch das unmittelbare Gefühl unterscheiden kann." {{Lit|{{G|119|231ff}}}}
 
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{{GZ|Die Lehre von den Göttern ist zuerst in ein System gebracht worden von dem Schüler des Apostels Paulus, Dionysius dem Areopagiten. Sie ist aber erst im 6. Jahrhundert aufgeschrieben worden. Die Gelehrten leugnen deshalb die Existenz des Dionysius Areopagita und sprechen von den Schriften des Pseudo-Dionysius, als ob man erst im 6. Jahrhundert alte Überlieferungen zusammengestellt habe. Der wahre Sachverhalt ist nur zu konstatieren durch das Lesen in der Akasha-Chronik. Die Akasha-Chronik aber lehrt, daß Dionysius wirklich in Athen gelebt hat, daß er von Paulus eingeweiht worden ist und von ihm den Auftrag erhalten hat, die Lehre von den höheren Geistwesen zu begründen und besonderen Eingeweihten zu erteilen. Gewisse hohe Lehren wurden damals niemals aufgeschrieben, sondern nur durch mündliche Tradition fortgepflanzt. Auch die Lehre von den Göttern wurde so von Dionysius seinen Schülern gegeben und von diesen wiederum weitergegeben. Der direkte Schüler wurde dann mit Absicht wieder Dionysius genannt, so daß der letzte, der die Lehre von den Göttern aufschrieb, einer in dieser Reihe war, die alle Dionysius genannt wurden.


Diese Lehre von den Göttern, wie sie Dionysius gegeben hat, umfaßt dreimal drei Glieder der göttlichen Wesenheiten...
Um das, was jemand mit dem Herzdenken erlebt hat, mitteilen zu können, muss man es allerdings in die logische Verstandessprache übersetzen. Das ist sehr schwierig und immer nur bruchstückhaft möglich:


Über den Seraphim stehen dann göttliche Wesenheiten von solcher Erhabenheit, dass das menschliche Fassungsvermögen nicht ausreicht, um sie zu begreifen. Nach der dritten Stufe folgt die vierte Hierarchie: Der Mensch, als der zehnte in der ganzen Reihe.|93a|97f}}
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"Wer aus dieser geistigen Welt heraus schildert, muß die Sprache des logischen Denkens benutzen. Wenn man dasjenige, was in der geistigen Welt erlebt wird, umgießen will in logische Gedanken, dann fühlt man etwa so, wie wenn man an einen Hügel herantritt, der eine wunderbare Konfiguration von Felsbildungen zeigt, und daraus Steine ausbrechen muß, weil man sie braucht, um Häuser für die Menschen zu bauen. So fühlt man, wenn man die Erlebnisse in der geistigen Welt umformen muß in logische Gedanken des Verstandes. So wie ein Mensch in der gewöhnlichen Welt das, was er in der Seele erlebt, in Worten aussprechen muß, wenn er es anderen Menschen mitteilen will - und wie man nicht verwechseln darf die Worte mit den Gedanken -, so muß der Geistesforscher, wenn er das mit dem Herzen Erlebte mitteilen will, es kleiden in die Sprache des logischen Denkens. Logisches Denken ist nicht die Sache selber, logisches Denken ist nur die Sprache, in der der Geistesforscher mitteilt, was er in den geistigen Welten erlebt hat. Wer sich an der logischen Gedankenform stößt und nicht fühlt, daß mehr dahinterliegt, der ist in derselben Lage wie ein Zuhörer, der nur die Worte eines Redners hört und nicht die darin eingekleideten Gedanken aufnimmt. Das kann die Schuld desjenigen sein, der spricht, wenn jemand angebliche geisteswissenschaftliche Wahrheiten in solche Gedanken kleidet, daß der Zuhörer darin keine Wahrheiten und Erkenntnisse des Herzens findet. Es braucht aber nicht so zu sein, es kann auch die Schuld dessen sein, der zuhört, wenn er nur den Schall der Worte hört und nicht in der Lage ist, zu den dahinter-liegenden Gedanken zu dringen.
[[Wikipedia:Gregor der Große|Gregor der Große]] (ca. 540 - 604) übernahm die Engellehre für die [[Wikipedia:Katholische Kirche|Kirche]].<ref name="homilie" /> Ab dem 7. Jahrhundert verbreitete sich die Lehre vor allem durch [[Wikipedia:Isidor von Sevilla|Isidor von Sevilla]], der in seiner  [[Wikipedia:Etymologiae|Etymologiae]] ein ganzes Kapitel den Engeln widmet.<ref name="isidor" /> Im 9. Jahrhunder übersetzte [[Johannes Scottus Eriugena]] am Hof [[Wikipedia:Karl der Kahle|Karls des Kahlen]] die griechischen Schriften des Dionysius ins [[Latein]]ische<ref name="eriugena" />, wodurch sie in der Folge eine immer weitere Verbreitung fanden. In [[Dante Alighieri]]s «[[Göttliche Komödie|Göttlicher Komödie]]» erläutert [[Beatrice]] im Canto XXVIII des ''Paradiso'' ausführlich die neun Chöre der Engel.
Aus dieser Forschung des Herzens heraus kann nur das der Menschheit mitgeteilt werden, was in klar formulierte logische Gedanken umgegossen werden kann. Was nicht in logische Gedanken umgegossen werden kann, das ist nicht reif, der Menschheit mitgeteilt zu werden. Das ist der Probierstein, daß es in klare Worte, in klar formulierbare Gedanken umgegossen werden kann, die scharfe Konturen haben. So müssen wir uns gewöhnen, auch wenn wir die tiefsten Wahrheiten des Herzens hören, sie in Gedankenformen zu vernehmen und hinter diesen Formen auf den Inhalt zu schauen." {{Lit|{{G|119|233f}}}}
 
== Gliederung der Hierarchien ==
 
Rudolf Steiner nennt – neben den von Dionysius Areopagita verwendeten – weitere Namen für die Hierarchien aus anderen okkulten Überlieferungen, die im Folgenden in Klammern hinzugefügt sind. Zu den Namen merkt er an:
 
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"Die Namen der Hierarchien sind keine Eigennamen, sondern Namen für gewisse Bewußtseinsstufen des großen Universums, und die Wesen rücken von einer Stufe zur anderen. [[Eliphas Lévi|Eliphas Levi]] hat das klar gesehen und betont, daß man es bei diesen Namen mit Rangstufen zu tun hat, mit Hierarchien." {{lit|{{G|93a|98}}}}
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Folgt man der von Dionysius Areopagita gegebenen christlichen Terminologie, ergibt sich die folgende Einteilung der Hierarchien:
== Literatur ==
 
#Rudolf Steiner: ''Makrokosmos und Mikrokosmos'', [[GA 119]] (1988)
===[[Trinität]]===
#Florin Lowndes: ''Das Erwecken des Herz-Denkens. Wesen und Leben des sinnlichkeitsfreien Denkens in der Darstellung Rudolf Steiners. Umriß einer Methodik'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 1998
[[Vater]] - [[Sohn]] - [[Heiliger Geist]]
===[[Erste Hierarchie]]===
*[[Seraphim]] (lat. [[Seraphim|seraphim]], hebr. [[Seraphim]], [[Geister der All-Liebe]])
*[[Cherubim]] (lat. [[Cherubim|cherubim]], hebr. [[Cherubim]], [[Geister der Harmonien]])
*[[Throne]] (gr. [[Throne|thronoi]], lat. [[Throne|throni]], hebr. [[Throne|Aralohim]], [[Geister des Willens]])
 
===[[Zweite Hierarchie]]===
*[[Kyriotetes]] (lat. [[Dominationes|dominationes]], [[Herrschaften]], hebr. [[Kyriotetes|Tashishim]],  [[Geister der Weisheit]])
*[[Dynameis]] (lat. [[Virtutes|virtutes]], [[Mächte]], hebr. [[Dynamis|Hashmalohim]], [[Geister der Bewegung]])
*[[Exusiai]] (lat. [[Potestates|potestates]], [[Gewalten]], hebr. [[Elohim]], [[Geister der Form]])
 
===[[Dritte Hierarchie]]===
*[[Archai]] (lat. [[Principates|principates]], [[Fürstentümer]], [[Urengel]], [[Urbeginne]], [[Urkräfte]], [[Geister der Persönlichkeit]])
*[[Archangeloi]] (lat. [[Archangeli|archangeli]], [[Erzengel]], [[Söhne des Feuers]], [[Feuergeister]], [[Erzboten]])
*[[Angeloi]] (lat. [[Angeli|angeli]], [[Engel]], [[Söhne des Zwielichts]], [[Geister der Dämmerung]], [[Söhne des Lebens]], [[Boten]])
 
== Die Offenbarung der Hierarchien in der Natur ==
 
{{GZ|Derjenige nun, dem zum Bewußtsein gekommen ist durch seherische
Forschung, daß innerhalb unserer Erde waltet im erdigen
Element das Wesen der Throne oder der Geister des Willens, im
Wässerigen das Wesen der Geister der Weisheit, im Luftförmigen
das der Geister der Bewegung, im Wärmehaften das der Elohim,
der steigt allmählich auf zu der Erkenntnis, daß bei der Ballung der
Wolken, bei jenem eigenartigen, in unserem Erdenumkreise vor
sich gehenden Wässerigwerden des Gasförmig-Wässerigen, am
Werke sind jene Wesenheiten, die der Hierarchie der Cherubime
angehören. So sehen wir auf unser Festes, auf das, was wir als elementarisches
Erdendasein bezeichnen, und schauen in ihm ein
Durcheinanderwirken der Elohim mit den Thronen. Wir richten
den Blick aufwärts und sehen, wie in dem Luftförmigen, in dem
ja allerdings die Geister der Bewegung walten, wie da am Werke
sind die Cherubime, damit das Wässerige, das aus dem Bereiche der
Geister der Weisheit aufsteigt, sich zu Wolken ballen kann. Im Umkreise
unserer Erde walten ebenso wahr die Cherubime, wie da walten
innerhalb des elementarischen Daseins unserer Erde die Throne,
die Geister der Weisheit, die Geister der Bewegung. — Und wenn
wir jetzt sehen das Weben und Wesen dieser Wolkenbildungen selber,
wenn wir das sehen, was gleichsam als ihr Tieferes verborgen
ist, was sich nur zuweilen kundgibt, so ist es der aus der Wolke herausdringende
Blitz und Donner. Das ist auch nicht etwas, was aus
dem Nichts herauskommt. Dieser Tätigkeit liegt für den Seher zugrunde
das Weben und Wesen derjenigen Geister der Hierarchien,
die wir als die Seraphime bezeichnen. Und damit haben wir, wenn
wir in unserem Erdenbereich bleiben, wenn wir bis zum nächsten
Umkreis gehen, alle einzelnen Stufen der Hierarchien gefunden.|122|120f}}
 
{{GZ|Nicht wahr, die Exusiai, die Geister der Form, sind direkt sinnlich
wahrzunehmen in den Planeten; das ist einfach ihre Seite, die sie uns
zuwenden. Die Geister der Bewegung sind direkt wahrzunehmen in
den Fixsternen; das ist die Seite, die sie uns zuwenden. Aber die
Cherubim und Seraphim, die sind so nicht sinnlich wahrnehmbar, daß
sie uns gewissermaßen ihre andere Seite zuwenden. Aber sie sind so
stark unwahrnehmbar - ich bitte, das eben hinzunehmen und etwas
darüber nachzudenken -, daß die Unwahrnehmbarkeit schon wiederum
wahrnehmbar wird. Also dasjenige, was in der Welt lebt durch
Cherubim und Seraphim, das ist in so hohem Grade unwahrnehmbar,
daß die Unwahrnehmbarkeit schon wiederum wahrgenommen wird.
Es entzieht sich das so stark dem menschlichen Bewußtsein, daß
der Mensch dieses Dem-Bewußtsein-Entziehen merkt.
 
So kann man sagen: Die Cherubim, die kommen schon wiederum
zum Vorschein, wenn auch eben sich das gerade auf die Weise dokumentiert,
daß sie so tief verborgen sind, daß man ihre Verborgenheit
merkt. Die Cherubim erscheinen nicht nur symbolisch, sondern ganz
objektiv in dem, was sich in der Gewitterwolke zuträgt, in dem, was
sich zuträgt, wenn ein Planet beherrscht wird von vulkanischen Kräften.
Und die Seraphim kommen in dem, was als Blitz aus der Wolke
zuckt, oder in dem, was als Feuer in den vulkanischen Wirkungen
zutage tritt, wirklich so zum Vorschein, daß eben ihre Unwahrnehmbarkeit
in diesen gigantischen Wirkungen der Natur wahrnehmbar
wird.
 
Daher haben in alten Zeiten, wo man solche Dinge durchschaut hat,
die Menschen auf der einen Seite hingeblickt zum Sternenhimmel, der
ihnen das Mannigfaltigste geoffenbart hat: die Geheimnisse der Exusiai,
die Geheimnisse der Dynamis. Dann haben sie die höheren Geheimnisse
zu enthüllen versucht in dem, worüber sich der Mensch
heute lustig macht: aus dem Inneren der menschlichen Leiber - wie
man trivial sagt -, aus den Eingeweiden. Dann aber waren sie sich
dessen bewußt, daß die größten Wirkungen, die wirklich dem Sonnensystem
gemeinschaftlich sind, von einer ganz umgekehrten Seite her
sich in den Feuer- und Gewitterwirkungen, in den Erdbeben und vulkanischen
Wirkungen ankündigen. Das Schöpferischste, das in den
Seraphim und Cherubim liegt, kündigt sich an durch seine zerstörerischste
Seite, kurioserweise. Es ist eben die Kehrseite, es ist das
absolut Negative, aber das Geistige ist so geistig stark da, daß eben
schon seine Unwahrnehmbarkeit, sein Nichtdasein, wahrgenommen
wird von den Sinnen.|180|103f}}
 
==Siehe auch==
[[Herrschaftsgebiete der Hierarchien]], [[Erzengel-Regentschaften]], [[Trinität]], [[Erste Hierarchie]], [[Zweite Hierarchie]], [[Dritte Hierarchie]], [[Vierte (zukünftige) Hierarchie]]
 
==Literatur==
* [[Rudolf Steiner]]: ''Grundelemente der Esoterik'', [[GA 93a]] (1976), S 97f., Berlin, 8. Oktober 1905
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Johannes-Evangelium'', [[GA 103]] (1995), ISBN 3-7274-1030-2 {{Vorträge|103}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte'', [[GA 122]] (1984), ISBN 3-7274-1220-8 {{Vorträge|122}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Lehrerkonferenzen, Bd. I'', [[GA 300a]]
* [[Hans-Werner Schroeder]]: ''Mensch und Engel''. Die Wirklichkeit der Hierarchien, Fischer TB, Frankfurt a.M. 1982, S. 151


{{GA}}
{{GA}}


== Weblinks ==
[[Kategorie:Denken]]
 
* [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel3682.htm Dionysius Areopagita: ''Himmlische Hierarchie''] in der [http://www.unifr.ch/bkv Bibliothek der Kirchenväter]
* [http://www.odysseetheater.org/jump.php?url=http://www.odysseetheater.org/ftp/bibliothek/Philosophie/Areopagita/Dionysius_Areopagita_Himmlische_Hierarchien.pdf Dionysius Areopagita: ''Himmlische Hierarchie'']. Aus dem Griechischen übersetzt von Josef Stiglmayr. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 2) München 1911
* [http://www.2dbild.ch/engel/index.php?page=haupt5/unter1/sub5 Das Wesen der Engel in der Anthroposophie]
 
== Einzelnachweise ==
 
<references>
 
<ref name="homilie">
Gregor der Große: ''Hom. XXXIV in Luc. 7'' (= [[Wikipedia:Jacques Paul Migne|Migne]], [[Wikipedia:Patrologia Latina|PL]] 76, 1246–1259, [http://www.documentacatholicaomnia.eu/04z/z_0590-0604__SS_Gregorius_I_Magnus__Homiliarum_In_Evangelia_Libri_Duo__MLT.pdf.html online]); ''Moralia in Iob <span style="font-variant:small-caps">XXXII, xxiii</span> ([http://monumenta.ch/latein/text.php?tabelle=Gregorius_Magnus&rumpfid=Gregorius%20Magnus,%20Moralia%20in%20Iob,%2032,%20%20%2023&nf=1])
</ref>
 
<ref name="isidor">
Isidor von Sevilla: ''Etymologiae VII, 5'' ([http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Isidore/7*.html#5])
</ref>
 
<ref name="eriugena">
''Libri Sancti Dionysii Areopagitae, quos Ioannes Eriugena transtulit de Graeco in Latinum, iubente ac postulante rege Carolo Ludovici imperatoris filio'' ([http://www.binetti.ru/collectio/theologia/areopag/caelest.shtml#7])
</ref>
 
</references>
 
 
[[Kategorie:Grundbegriffe]]
[[Kategorie:Anthroposophie]]
[[Kategorie:Gott|101]]
[[Kategorie:Geistige Wesen|101]]
[[Kategorie:Hierarchien|101]]
[[Kategorie:Erste Hierarchie]]
[[Kategorie:Zweite Hierarchie]]
[[Kategorie:Dritte Hierarchie]]
[[Kategorie:Esoterik]]
[[Kategorie:Religion]]
[[Kategorie:Neungliederung des Menschen|403]]
[[Kategorie:Wesensglieder]]
[[Kategorie:Mensch]]

Version vom 30. August 2013, 01:31 Uhr

Das Herzdenken ist eine Fähigkeit, über die die Menschen in alten Zeiten auf unbewusste Art verfügten. Es war mit einem sicheren Wahrheitsgefühl verbunden, das zwar noch nicht in klare, bewusste Konturen gefasst werden konnte, aber doch gewisse Einblicke in die höheren, geistigen Welten ermöglichte. Selbst Aristoteles hat noch das Herz als das Zentralorgan des Denkens angesehen. Er hat aber zugleich mit seiner Logik die sichere Basis für das Verstandesdenken gelegt, das nicht mehr im Herzen, sondern im Kopf zentriert ist. Diese Art des Denkens hat seine Blüte in unserem heutigen Intellekt, der aber zunächst nur die sinnlichen Tatsachen erfassen und in ihrer logischen Ordnung durchschauen kann, und zwar mit vollem, wachen Ich-Bewusstsein. In Zukunft wird sich eine neue Art des Herzdenkens entwickeln, das mit dem vollwachen Ich-Bewusstsein vereinbar ist, und so auf ganz bewusste und besonnene Weise den Einblick in rein geistige Zusammenhänge erlaubt. Es wird sich wesentlich von unserem gegenwärtigen Verstand unterscheiden, indem es kein diskursives, ableitendes Denken ist, sondern die Wahrheit mit einem Blick überschaut. Dieses neue Herzdenken entfaltet sich nicht in einer Kette logisch aneinander gefügter Begriffe, sondern in innerlich erlebten seelischen Sinnbildern, die mit einem Schlag die geistigen Zusammenhänge offenbaren. Es ist zugleich ein sinnlichkeitsfreies, d.h. reines Denken:

"Der Mensch hat ja im gewöhnlichen Leben das Gefühl, daß er mit dem Kopf denkt. Natürlich ist das nur ein bildlicher Ausdruck, man denkt mit den geistigen Organen, die dem Gehirn zugrunde liegen; aber es versteht jeder, was es heißt, mit dem Kopf denken. Ein ganz anderes Gefühl hat man gegenüber jenem Denken, das dann eintritt, wenn man ein wenig weitergekommen ist auf dem Weg der Entwickelung, den wir charakterisiert haben. Man hat wirklich das Gefühl, als ob das, was sonst im Kopf lokalisiert ist, jetzt im Herzen lokalisiert wäre. Es ist allerdings nicht das physische Herz, welches denkt, sondern jenes Organ, das sich als geistiges Organ in der Nähe des Herzens ausbildet, die sogenannte zwölfblätterige Lotosblume. Sie wird eine Art Denkorgan; und dieses Denken, das da auftritt, das unterscheidet sich von dem gewöhnlichen Denken sehr stark. Beim gewöhnlichen Denken weiß jeder, daß er Überlegung anwenden muß, um zu einer Wahrheit zu kommen. Man muß gehen von Begriff zu Begriff. Man geht von einem Punkt aus, geht dann logisch weiter zu anderen Punkten, und das, wozu man kommt im Lauf der Zeit, indem man logische Erwägungen anstellt, nennt man Wahrheit, Erkenntnis. Das ist eine durch gewöhnliches Denken errungene Erkenntnis. Anders ist das, wenn man die Wahrheit erkennen will gegenüber dem, was beschrieben worden ist als reale, als wirkliche Sinnbilder. Diese wirklichen Sinnbilder hat man vor sich wie äußere Gegenstände, aber das Denken über diese Sinnbilder kann nicht mit dem gewöhnlichen Kopfdenken verwechselt werden. Denn ob etwas wahr oder falsch ist, ob man dieses oder jenes zu sagen hat über ein Ding oder eine Tatsache der höheren Welten, dazu sind nicht Überlegungen notwendig wie beim gewöhnlichen Denken, sondern das ergibt sich unmittelbar. Sobald man die Bilder vor sich hat, weiß man, was man sich selber und anderen darüber zu sagen hat. Dieses Unmittelbare, das ist das Charakteristische des Herzdenkens." (Lit.: GA 119, S. 218f)

Das Herzdenken kann sich nur entwickeln, wenn wir lernen beweglich zu denken. Man darf nicht auf dem eigenen persönlichen Standpunkt beharren, sondern muss versuchen, sich mit seinem Denken in andere Wesenheiten hineinzuversetzen:

"Das ist etwas, was man sich notwendig erwerben muß: aus sich herausgehen zu können, sozusagen mit den Augen eines andern, von einem anderen Standpunkte aus sehen zu können. Dann erst ergibt sich das, was wirklich zur umfassenden Wahrheit führt. Das ist so, wie wenn man einen Rosenstrauch nicht nur von einer Seite ansieht, sondern sich einmal hierhin, einmal woanders hinstellt und ihn von allen Seiten ansieht oder photographisch aufnimmt. Dadurch schult man sich, um in die Möglichkeit zu kommen, dasjenige auch wirklich zu haben, was man haben muß, sobald man in die höheren Welten hinaufkommt. In der physischen Welt kann man sich so etwas angewöhnen. In den höheren Welten wirkt es verwirrend, wenn man mit einem persönlichen Standpunkt hineinkommt. Man hat dann sofort ein Trugbild statt der Wahrheit vor sich, weil man seine eigene persönliche Meinung hineinträgt.

Um zum Denken des Herzens zu kommen, müssen wir die Kraft haben, aus uns herauszugehen, wirklich uns selber ganz fremd zu werden und von außen auf uns zurückzublicken. Wer im normalen Bewußtsein ist, der steht an einem bestimmten Platz und weiß, wenn er sagt: Das bin ich! -, dann meint er die Summe dessen, was er glaubt, was er vertritt. Wer aber in die höheren Welten hinaufsteigt, muß seine gewöhnliche Persönlichkeit an ihrem Platze stehenlassen können, er muß aus sich selber herausgehen können, auf sich zurückschauen und mit demselben Gefühl zu sich selber sagen können: Das bist du! - Das frühere Ich muß ganz im richtigen Sinne ein Du werden. So wie man zu einem anderen «du» sagt, so muß man zu sich selber «du» sagen können. Das darf keine Theorie sein, sondern muß ein Erlebnis werden. Daß dies durch Schulung zu erreichen ist, haben wir schon gesehen. Es gehört gar nicht so viel dazu, man muß verhältnismäßig einfache Dinge tun; dann erwirbt man sich das Recht, mit dem Herzen denken zu dürfen. Die wahren Darstellungen von den höheren Welten gehen aus solchem Herzdenken hervor. Auch wenn es äußerlich oft so aussieht, als ob sie logische Erörterungen wären, nichts ist in den Darstellungen, die wirklich aus den höheren Welten heruntergetragen werden, darin, was nicht mit dem Herzen gedacht wäre. Was da geschildert wird vom Gesichtspunkt der Geisteswissenschaft, ist ein mit dem Herzen Erlebtes. Derjenige, der schildern muß, was er mit dem Herzen erlebt, der muß es allerdings umgießen in solche Gedankenformen, daß es für die anderen Menschen verständlich ist.

Das ist der Unterschied von wirklicher Geisteswissenschaft und demjenigen, was subjektiv erlebte Mystik ist. Subjektiv erlebte Mystik kann ein jeder für sich haben; die schließt sich innerhalb der Persönlichkeit ab, die läßt sich nicht einem andern mitteilen, geht einen andern im Grund genommen auch nichts an. Dasjenige aber, was echte, wahre Mystik ist, ist entstanden aus der Möglichkeit, Imaginationen zu haben, Eindrücke in den höheren Welten zu haben und diese Eindrücke klassifizieren, ordnen zu können mit dem Denken des Herzens, so wie man die Dinge der physischen Welt mit dem Verstand ordnet.

Damit ist allerdings das andere verknüpft, daß an den Wahrheiten, die aus den höheren Welten gegeben sind, in der Tat etwas hängt wie Herzblut, daß sie die Färbung haben von dem Denken des Herzens. Mögen sie sich abstrakt ausnehmen und noch so sehr in Gedankenformen gegossen sein, es hängt an ihnen Herzblut, denn sie sind unmittelbar aus der Seele erlebt. Von dem Momente an, wo das Denken des Herzens ausgebildet ist, weiß der Mensch, der in die imaginative Welt kommt: Das, was du vor dir hast und was aussieht wie eine Vision, ist keine Vision, sondern ist Ausdruck eines Geistig-Seelischen, das dahintersteht, ebenso wie die rote Farbe der Rose hier der äußere Ausdruck ist für die materielle Rose. Der geistig Schauende richtet das geistige Auge in die imaginative Welt, er hat den Eindruck des Blauen oder Violetten, oder er hört irgendeinen Ton, oder er hat ein Gefühl von Wärme oder Kälte -, er weiß durch sein Denken des Herzens, daß das nicht bloße Einbildung, nicht bloße Vision ist, sondern Ausdruck eines geistig-seelischen Wesens, wie das Rot der Rose der Ausdruck der materiellen Rose ist. - So lebt man sich in die Wesenheiten hinein; man muß aus sich herausgehen und sich mit den Wesenheiten selber verbinden. Daher ist alles Forschen in der geistigen Welt zu gleicher Zeit mit der Hingabe der eigenen Persönlichkeit verknüpft, in einem viel höheren Grad, als das bei den äußeren Erlebnissen der Fall ist. Man wird intensiver mitgenommen, man steckt ja in den Dingen selber drinnen. Was sie Gutes und Böses, Schönes und Häßliches, Wahres und Falsches haben, muß man in den Wesenheiten erleben. Wo andere Menschen in der physischen Welt einen Irrtum gleichgültig ansehen, muß der Geistesforscher in der imaginativen Welt den Irrtum nicht nur anschauen, er muß ihn mit Schmerz durchleben. Er muß das Häßliche, das Abscheuliche nicht nur anschauen, ob es ihm nichts tut, sondern er muß es innerlich miterleben. Durch die geschilderte Schulung, die der heutigen Menschheit besonders angemessen ist, kommt er dazu, das Gute, das Wahre, das Schöne, aber auch das Böse, das Häßliche, den Irrtum mitzuerleben, ohne davon gefangengenommen zu werden oder sich zu verlieren, denn das durch richtige Vorbereitung erworbene Denken des Herzens führt dazu, daß er durch das unmittelbare Gefühl unterscheiden kann." (Lit.: GA 119, S. 231ff)

Um das, was jemand mit dem Herzdenken erlebt hat, mitteilen zu können, muss man es allerdings in die logische Verstandessprache übersetzen. Das ist sehr schwierig und immer nur bruchstückhaft möglich:

"Wer aus dieser geistigen Welt heraus schildert, muß die Sprache des logischen Denkens benutzen. Wenn man dasjenige, was in der geistigen Welt erlebt wird, umgießen will in logische Gedanken, dann fühlt man etwa so, wie wenn man an einen Hügel herantritt, der eine wunderbare Konfiguration von Felsbildungen zeigt, und daraus Steine ausbrechen muß, weil man sie braucht, um Häuser für die Menschen zu bauen. So fühlt man, wenn man die Erlebnisse in der geistigen Welt umformen muß in logische Gedanken des Verstandes. So wie ein Mensch in der gewöhnlichen Welt das, was er in der Seele erlebt, in Worten aussprechen muß, wenn er es anderen Menschen mitteilen will - und wie man nicht verwechseln darf die Worte mit den Gedanken -, so muß der Geistesforscher, wenn er das mit dem Herzen Erlebte mitteilen will, es kleiden in die Sprache des logischen Denkens. Logisches Denken ist nicht die Sache selber, logisches Denken ist nur die Sprache, in der der Geistesforscher mitteilt, was er in den geistigen Welten erlebt hat. Wer sich an der logischen Gedankenform stößt und nicht fühlt, daß mehr dahinterliegt, der ist in derselben Lage wie ein Zuhörer, der nur die Worte eines Redners hört und nicht die darin eingekleideten Gedanken aufnimmt. Das kann die Schuld desjenigen sein, der spricht, wenn jemand angebliche geisteswissenschaftliche Wahrheiten in solche Gedanken kleidet, daß der Zuhörer darin keine Wahrheiten und Erkenntnisse des Herzens findet. Es braucht aber nicht so zu sein, es kann auch die Schuld dessen sein, der zuhört, wenn er nur den Schall der Worte hört und nicht in der Lage ist, zu den dahinter-liegenden Gedanken zu dringen. Aus dieser Forschung des Herzens heraus kann nur das der Menschheit mitgeteilt werden, was in klar formulierte logische Gedanken umgegossen werden kann. Was nicht in logische Gedanken umgegossen werden kann, das ist nicht reif, der Menschheit mitgeteilt zu werden. Das ist der Probierstein, daß es in klare Worte, in klar formulierbare Gedanken umgegossen werden kann, die scharfe Konturen haben. So müssen wir uns gewöhnen, auch wenn wir die tiefsten Wahrheiten des Herzens hören, sie in Gedankenformen zu vernehmen und hinter diesen Formen auf den Inhalt zu schauen." (Lit.: GA 119, S. 233f)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Makrokosmos und Mikrokosmos, GA 119 (1988)
  2. Florin Lowndes: Das Erwecken des Herz-Denkens. Wesen und Leben des sinnlichkeitsfreien Denkens in der Darstellung Rudolf Steiners. Umriß einer Methodik, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 1998
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