Henoch und Entelechie: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Henoch''' oder '''Enoch''' ({{HeS|חנוך}}) ist eine [[Wikipedia:Bibel|biblische]] Gestalt, die noch vor ihrem [[Tod]] von der [[Erde (Planet)|Erde]] weggenommen wurde ([[Entrückung]]). Aufgrund der unklaren Umstände seines Verschwindens rief er viele unterschiedliche, darunter auch [[symbol]]hafte, [[Mystik|mystische]] und [[Esoterik|esoterische]] [[Wikipedia:Interpretation|Interpretation]]en hervor.
Unter '''Entelechie''' ({{ELSalt|ἐντελέχεια}}, ''entelecheia'') versteht man in der [[Philosophie]] etwas, das sein Ziel ([[Telos (Philosophie)|Telos]]) in sich selbst hat. Der Begriff wurde von [[Aristoteles]] in der [[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]] IX, 8 eingeführt (''siehe auch'' [[Akt und Potenz]]). Der Ausdruck ''Entelechie'' ist aus drei Bestandteilen (en-tel-echeia) zusammengesetzt: ''en'' (in), ''tel'' von ''telos'' (Ziel), ''echeia'' von ''echein'' (haben/halten).


== Henoch in der Bibel ==
== Begriffsbedeutung ==
Der Begriff kann auf verschiedene Weise gedeutet werden.


Dieser Henoch ist nicht zu verwechseln mit Henoch, dem Sohn [[Kain]]s, nach dem auch eine Stadt benannt wurde ({{B|Gen|4|17}}).
=== Entelechie als Reifegestalt ===


*Im [[Wikipedia:Altes Testament|Alten Testament]] findet sich über Henoch nur ein kurzer Absatz in {{Bibel2|1Mos|5|18|text=[[Wikipedia:1. Buch Mose|Genesis 5,18-24]]|version=LUT}}:
In dieser Deutung bezeichnet Entelechie ein [[Individuum]], das sein Ziel in sich hat, also ein vollendetes Einzelding, ein Individuum im Vollendungszustand. Beispielsweise ist der [[Schmetterling]] die Entelechie der [[Wikipedia:Raupe (Schmetterling)|Raupe]], da der Schmetterling im Verhältnis zur Raupe die vollendete Gestalt erreicht hat.


<div style="margin-left:20px">
=== Entelechie als Innehaben von Vollendungspotenzial ===
18 Jered war 162 Jahre alt und zeugte Henoch19 und lebte danach 800 Jahre und zeugte Söhne und Töchter, 20 dass sein ganzes Alter ward 962 Jahre, und starb. 21 Henoch war 65 Jahre alt und zeugte Metuschelach. 22 Und Henoch wandelte mit Gott. Und nachdem er Metuschelach gezeugt hatte, lebte er 300 Jahre und zeugte Söhne und Töchter, 23 dass sein ganzes Alter ward 365 Jahre. 24 Und weil er mit Gott wandelte, nahm ihn Gott hinweg und er ward nicht mehr gesehen.
</div>


Danach ist Henoch der Sohn des [[Wikipedia:Jared (Tanach)|Jared]]. Mit 65 Jahren zeugte er Metuschelach ([[Wikipedia:Methusalem|Methusalem]]). Dann heißt es in Vers 24 „Und weil er mit Gott wandelte, nahm ihn Gott hinweg und er ward nicht mehr gesehen.“ (Luther). Sein erreichtes Lebensalter von 365 Jahren ({{Bibel2|1Mos|5|23|text=Vers 23|version=LUT}}), das im Vergleich zu seinen Eltern und Kindern gering ist, kann symbolisch gesehen werden: die Zahl entspricht der Anzahl der Tage eines [[Wikipedia:Sonnenjahr|Sonnenjahr]]es.
Setzt man die beiden ersten Wortbestandteile (en-tel-) als ''entelês'' (vollendet), so bedeutet Entelechie soviel wie "das Vollendete habend", also das Innehaben von vollendeten Fähigkeiten, die prinzipiell jederzeit abrufbar sind. In diesem Sinne bezeichnet Entelechie ein Vermögen eines Individuums, nicht aber das Individuum selbst. Beispielsweise besitzt der Schmetterling die Fähigkeit zu fliegen, daher ist Fliegenkönnen/Flugfähigkeit die Entelechie des Schmetterlings.
"[[Leibniz]] bezeichnet die [[Monade]]n als Entelechie, weil sie den Zweck ihrer eigenen Verwirklichung in sich tragen." (siehe Anton Hügli/Poul Lübcke unter Literatur).  


* [[Wikipedia:Neues Testament|Neutestamentlich]] wird in {{Bibel2|Heb|11|5|text=[[Wikipedia:Hebräerbrief|Hebräer 11,5]]|version=LUT}} erwähnt, dass Henoch „durch den Glauben entrückt“ wurde, „damit er den Tod nicht sehe“, „denn vor seiner Entrückung ist ihm bezeugt worden, dass er Gott gefallen habe.
In dieser Bedeutung kann außerdem zwischen aktiver und passiver Entelechie unterschieden werden:
* ''Aktive Entelechie'' ist eine Fähigkeit, die ausgeübt werden kann und somit einem Wirkpotenzial entspricht.
* ''Passive Entelechie'' ist die Fähigkeit, eine äußere Einwirkung zu erdulden, und entspricht einem Widerstandspotenzial, z. B. der Fähigkeit eines Materials, einem Druck standzuhalten.


*In {{Bibel2|Jud|1|14|text=[[Wikipedia:Judasbrief|Judas 1,14f]]|version=LUT}} wird ein Satz Henochs zitiert, der auch im apokryphen [[äthiopisches Henochbuch|äthiopischen Henochbuch]] zu finden ist. Henoch habe von Irrlehrern „geweissagt“ und [[Prophezeiung|prophezeit]], dass Gott mit vielen tausend Heiligen kommen wird, um über die Gottlosigkeit der Menschen zu richten.
== Entelechie und Energie ==
Der Entelechie-Begriff steht bei [[Aristoteles]] in engem Zusammenhang mit dem Energie-Begriff. ''[[Energeia]]'' ist ein weiteres von [[Aristoteles]] geprägtes Kunstwort aus den Wortbestandteilen ''en ergô einai'' (''im Werk sein''). Es bezeichnet die lebendige Wirksamkeit im Unterschied zur ''dynamis'', der bloßen Potenz oder Möglichkeit. Beide Begriffe, Energie und Entelechie, stellen Aspekte des Form-Begriffs dar: Die Form (''eidos'') ist erstens auch Energie, weil sie die [[Wirkursache]] in sich schließt. Die Form ist zweitens auch Entelechie, insofern sie den [[Zweck]] des Wirkens beinhaltet.


*Im [[Wikipedia:deuterokanonisch|deuterokanonisch]]en bzw. [[Wikipedia:Apokryphen|apokryph]]en [[Wikipedia:Buch der Weisheit|Buch der Weisheit]] 4,10-17 wird hinzugefügt, dass Gott ihn geholt hat, damit er nicht doch noch dem Reiz des Bösen erliegen kann.
== Der Entelechie-Begriff bei Goethe und Steiner ==


Eine vergleichbare Geschichte findet sich in der Bibel in {{Bibel2|2Kön|2|11|text=[[Wikipedia:2. Buch der Könige|2. Könige 2,11f]]|version=LUT}} mit der Entrückung des Elia. Henoch wird in {{Bibel2|Lk|3|37|text=[[Wikipedia:Evangelium nach Lukas|Lukas 3,37]]|version=LUT}} im Stammbaum Jesu Christi genannt.
{{GZ|Das "Ganze" (die Idee) bedingt jedes Einzelne aus sich selbst, seinem eigenen Wesen gemäß. Dieses sich aus sich selbst Bestimmende kann man mit Goethe eine ''Entelechie'' nennen. Entelechie ist also die sich aus sich selbst in das Dasein rufende Kraft. Was in die Erscheinung tritt, hat auch sinnenfälliges Dasein, aber dies ist durch jenes entelechische Prinzip bestimmt.|1|59}}


== Die apokryphen Bücher Henoch ==
{{GZ|Die Idee ist deshalb im Sinne Goethes als Entelechie, d. i. schon als tätiges Dasein zu fassen.|1|234}}


Unter dem Namen Henoch existieren drei verschiedene [[Wikipedia:apokryph|apokryph]]e Bücher, die mit 1., 2., 3. Henoch oder manchmal auch nach den Sprachen bezeichnet werden, in denen sie hauptsächlich überliefert wurden.
{{GZ|Gegenüber
* Das 1. Buch Henoch wird auch als [[äthiopisches Henochbuch]] bezeichnet. Es ist vollständig nur in [[Wikipedia:Ge'ez|Äthiopisch]] überliefert. Teile des Buches sind auch in Griechisch und [[Wikipedia:aramäische Sprache|Aramäisch]] erhalten.
dem Vergänglichen, das uns in den einzelnen Ereignissen, die in der
* Das 2. Buch Henoch (das [[slawisches Henochbuch|slawische Henochbuch]]) ist nur noch in [[Wikipedia:Kirchenslawisch|Kirchenslawisch]] erhalten.
menschlichen Umgebung sind, entgegentritt, stehen die ewigen Ideen.
* Das 3. Buch Henoch ([[hebräisches Henochbuch]]) in hebräischer Sprache.
Das Stoffliche ist vergänglich, es ist nur ein Bild der ewigen Idee, die
in immer aufeinanderfolgenden Metamorphosen als Ewiges durch die
zeitlich vergänglichen Erscheinungen durchgeht. So hob Plato seine
Schüler hinauf von der Betrachtung der vergänglichen äußeren sinnlichen Dinge zu den ewigen Ideen, die gewissermaßen als das Himmlische
über dem Irdischen schwebten.


Henoch ist nach biblischer Überlieferung von Gott in den Himmel entrückt worden. In den Henoch-Büchern malte man sich aus, was Henoch bei seinen Himmelsreisen wohl gesehen haben mag. Das erste Buch Henoch enthält fünf verschiedene Teil-Bücher, evtl. erstellt von verschiedenen Schreibern. Verschiedene aramäische und zwei hebräische Fragmente des 1. Henoch wurden in [[Wikipedia:Schriftrollen vom Toten Meer|Qumran]] gefunden und sind damit sicher datierbar auf die Zeit zwischen 130 v. Chr. und 68 n. Chr.
Zu kurz kam bei dieser platonischen Betrachtung der Mensch selber.
Denn im Menschen, in dem die Idee unmittelbar lebendig und gegenständlich
wird, kann man die platonische Denkweise nicht recht anwenden:
er ist zu individuell. Bei Plato sind die Ideen sozusagen etwas
über den Dingen Schwebendes. Die Mineralien, Kristalle, Quarzkristalle
entsprechen ja dieser Idee, auch die anderen äußeren Dinge der
leblosen Sinneswelt. Bei ''Goethe'' ist es auch so, daß er die Urpflanze
verfolgt, die Typen betrachtet. Bei den Tieren kann man auch so verfahren.
Aber bei dem Menschen ist es so, daß in jeder einzelnen Menschenindividualität
die lebendige Ideenindividualität auch verfolgt
werden muß. Das hat erst ''Aristoteles'' bewirkt, nicht Plato, daß die
Idee als «Entelechie» im Menschen wirksam gesehen wurde.|236|76f}}


Erstmals in der [[Judentum|jüdischen Kultur]] findet sich in 1. Henoch die Beschreibung einer „[[Hölle]]“, in der Menschen gequält werden (Kapitel 21), was in der jüdischen [[Wikipedia:Bibel|Bibel]] unbekannt ist. Historiker messen den Büchern daher eine bedeutende Rolle in der Entwicklung des [[Christentum|christlichen]] [[Wikipedia:Dogma|Dogma]]s der Höllenlehre und bestimmter Aspekte der jüdischen Lehre vom [[Apokalypse|Weltende]] zu.
{{GZ|Goethe hat erst später in seinem «Faust» eingesetzt: «Faustens Unsterbliches»; zuerst hatte er im Manuskript stehen: «Faustens Entelechie» - Entelechie, diesen aristotelischen Begriff, der in einer viel intimeren Weise das Menschlich-Seelische, das durch die Pforte des Todes geht, ausdrückt, als selbst das Wort «Unsterbliches», das ein negatives Wort ist, während Entelechie ein positives Wort ist.
Aber Goethe hat wohl selber gefühlt, als er schrieb: «Faustens Entelechie wird von den Engeln himmelwärts getragen» -, daß die neuere Menschheit wenig Konkretes sich vorstellt bei dem Ausdruck Entelechie; daher hat er den gebräuchlicheren Ausdruck «Faustens Unsterbliches» dann an die Stelle gesetzt. Aber er hat etwas gefühlt von der Tiefe des Entelechiebegriffs.|171|12}}


== Hinweise zu Henoch aus außerbiblischen Quellen ==
== Siehe auch ==
 
* [[Idee]]
Nach dem [[Pseudo-Titus-Brief]] wird Henoch beauftragt, eine Geschichte der ersten Menschen niederzuschreiben. Mit dieser Aussage kann die Existenz der Henochbücher begründet werden.
* [[Selbstorganisation]]
 
* [[Individualität]]
In der [[Apokalypse des Paulus]] wird Henoch als der ''Schreiber der Gerechtigkeit'' bezeichnet.
* [[vierte (zukünftige) Hierarchie]]
 
Nach der [[Himmelfahrt des Jesaja]] befinden sich Henoch und andere im Himmel, ohne ihren fleischlichen Leib und in neue Gewänder gehüllt; Throne und Kronen werden sie demnach erst nach der Ankunft des [[Messias]] bekommen.
 
Nach der [[Offenbarung des Petrus]] wird ein falscher Christus kommen. Darauf werden Henoch und [[Elija]] erscheinen und diesen entlarven.


== Literatur ==
== Literatur ==


* Alan E. Bernstein: ''The Formation of Hell: Death and retribution in the ancient and early Christian worlds''; Ithaca/New York: Cornell University Press, 1993; Seiten 178-190;241-242
* Anton Hügli/Poul Lübcke (Hg.): ''Philosophielexikon'', rowohlts enzyklopädie, Reinbek b. Hamburg, 6. Auflage 2005, S. 173 ISBN 3-499-55453-4
 
* Rudolf Steiner: ''Goethes Naturwissenschaftliche Schriften'', (nach: [[GA 1]]), Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 1962, S. 59
== Weblinks ==
* Rudolf Steiner: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften. Zugleich eine Grundlegung der Geisteswissenschaft (Anthroposophie) (1884-1897)'', [[GA 1]], (1987) {{Schriften|1}}
* Rudolf Steiner: ''Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit - Goethe und die Krisis des neunzehnten Jahrhundert'', [[GA 171]], Dornach 1984 {{Vorträge|171}}
* Rudolf Steiner: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Zweiter Band'', [[GA 236]] (1988), ISBN 3-7274-2360-9 {{Vorträge|236}}


*{{Gutenberg Titel|4013|TITEL=Das Buch Henoch}}: ''Das Buch Henoch in vollständiger Übersetzung mit fortlaufendem Kommentar, ausführlicher Einleitung und erläuternden Exkursen'' von Andreas Gottlieb Hoffmann, Jena 1833 (das äthiopische Henochbuch)
{{GA}}
* [http://www.societas-urielis.de/synapsecore.php?mode=dat&mainnode=synapsepath/In_effigie/Projekt_Mobile_Versionen.dat&type=utf8 ''Das Buch Henoch für mobile Geräte wie Handy und PDA'']
*[http://www.henochorden.de/2.html Der Henochorden]
*[http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/zeichen/h/referenz/20989///cache/45799bb0f4/ Entsprechender Fachartikel in: Michaela Bauks / Klaus Koenen (Hgg.), Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), 2007ff.]


[[Kategorie:Person im Tanach|Henoch]]
[[Kategorie:Handlungstheorie (Philosophie)]]
[[Kategorie: Griechische Philosophie]]
[[Kategorie: Ontologie]]
[[Kategorie: Theologie]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 24. März 2020, 09:47 Uhr

Unter Entelechie (griech. ἐντελέχεια, entelecheia) versteht man in der Philosophie etwas, das sein Ziel (Telos) in sich selbst hat. Der Begriff wurde von Aristoteles in der Metaphysik IX, 8 eingeführt (siehe auch Akt und Potenz). Der Ausdruck Entelechie ist aus drei Bestandteilen (en-tel-echeia) zusammengesetzt: en (in), tel von telos (Ziel), echeia von echein (haben/halten).

Begriffsbedeutung

Der Begriff kann auf verschiedene Weise gedeutet werden.

Entelechie als Reifegestalt

In dieser Deutung bezeichnet Entelechie ein Individuum, das sein Ziel in sich hat, also ein vollendetes Einzelding, ein Individuum im Vollendungszustand. Beispielsweise ist der Schmetterling die Entelechie der Raupe, da der Schmetterling im Verhältnis zur Raupe die vollendete Gestalt erreicht hat.

Entelechie als Innehaben von Vollendungspotenzial

Setzt man die beiden ersten Wortbestandteile (en-tel-) als entelês (vollendet), so bedeutet Entelechie soviel wie "das Vollendete habend", also das Innehaben von vollendeten Fähigkeiten, die prinzipiell jederzeit abrufbar sind. In diesem Sinne bezeichnet Entelechie ein Vermögen eines Individuums, nicht aber das Individuum selbst. Beispielsweise besitzt der Schmetterling die Fähigkeit zu fliegen, daher ist Fliegenkönnen/Flugfähigkeit die Entelechie des Schmetterlings. "Leibniz bezeichnet die Monaden als Entelechie, weil sie den Zweck ihrer eigenen Verwirklichung in sich tragen." (siehe Anton Hügli/Poul Lübcke unter Literatur).

In dieser Bedeutung kann außerdem zwischen aktiver und passiver Entelechie unterschieden werden:

  • Aktive Entelechie ist eine Fähigkeit, die ausgeübt werden kann und somit einem Wirkpotenzial entspricht.
  • Passive Entelechie ist die Fähigkeit, eine äußere Einwirkung zu erdulden, und entspricht einem Widerstandspotenzial, z. B. der Fähigkeit eines Materials, einem Druck standzuhalten.

Entelechie und Energie

Der Entelechie-Begriff steht bei Aristoteles in engem Zusammenhang mit dem Energie-Begriff. Energeia ist ein weiteres von Aristoteles geprägtes Kunstwort aus den Wortbestandteilen en ergô einai (im Werk sein). Es bezeichnet die lebendige Wirksamkeit im Unterschied zur dynamis, der bloßen Potenz oder Möglichkeit. Beide Begriffe, Energie und Entelechie, stellen Aspekte des Form-Begriffs dar: Die Form (eidos) ist erstens auch Energie, weil sie die Wirkursache in sich schließt. Die Form ist zweitens auch Entelechie, insofern sie den Zweck des Wirkens beinhaltet.

Der Entelechie-Begriff bei Goethe und Steiner

„Das "Ganze" (die Idee) bedingt jedes Einzelne aus sich selbst, seinem eigenen Wesen gemäß. Dieses sich aus sich selbst Bestimmende kann man mit Goethe eine Entelechie nennen. Entelechie ist also die sich aus sich selbst in das Dasein rufende Kraft. Was in die Erscheinung tritt, hat auch sinnenfälliges Dasein, aber dies ist durch jenes entelechische Prinzip bestimmt.“ (Lit.:GA 1, S. 59)

„Die Idee ist deshalb im Sinne Goethes als Entelechie, d. i. schon als tätiges Dasein zu fassen.“ (Lit.:GA 1, S. 234)

„Gegenüber dem Vergänglichen, das uns in den einzelnen Ereignissen, die in der menschlichen Umgebung sind, entgegentritt, stehen die ewigen Ideen. Das Stoffliche ist vergänglich, es ist nur ein Bild der ewigen Idee, die in immer aufeinanderfolgenden Metamorphosen als Ewiges durch die zeitlich vergänglichen Erscheinungen durchgeht. So hob Plato seine Schüler hinauf von der Betrachtung der vergänglichen äußeren sinnlichen Dinge zu den ewigen Ideen, die gewissermaßen als das Himmlische über dem Irdischen schwebten.

Zu kurz kam bei dieser platonischen Betrachtung der Mensch selber. Denn im Menschen, in dem die Idee unmittelbar lebendig und gegenständlich wird, kann man die platonische Denkweise nicht recht anwenden: er ist zu individuell. Bei Plato sind die Ideen sozusagen etwas über den Dingen Schwebendes. Die Mineralien, Kristalle, Quarzkristalle entsprechen ja dieser Idee, auch die anderen äußeren Dinge der leblosen Sinneswelt. Bei Goethe ist es auch so, daß er die Urpflanze verfolgt, die Typen betrachtet. Bei den Tieren kann man auch so verfahren. Aber bei dem Menschen ist es so, daß in jeder einzelnen Menschenindividualität die lebendige Ideenindividualität auch verfolgt werden muß. Das hat erst Aristoteles bewirkt, nicht Plato, daß die Idee als «Entelechie» im Menschen wirksam gesehen wurde.“ (Lit.:GA 236, S. 76f)

„Goethe hat erst später in seinem «Faust» eingesetzt: «Faustens Unsterbliches»; zuerst hatte er im Manuskript stehen: «Faustens Entelechie» - Entelechie, diesen aristotelischen Begriff, der in einer viel intimeren Weise das Menschlich-Seelische, das durch die Pforte des Todes geht, ausdrückt, als selbst das Wort «Unsterbliches», das ein negatives Wort ist, während Entelechie ein positives Wort ist. Aber Goethe hat wohl selber gefühlt, als er schrieb: «Faustens Entelechie wird von den Engeln himmelwärts getragen» -, daß die neuere Menschheit wenig Konkretes sich vorstellt bei dem Ausdruck Entelechie; daher hat er den gebräuchlicheren Ausdruck «Faustens Unsterbliches» dann an die Stelle gesetzt. Aber er hat etwas gefühlt von der Tiefe des Entelechiebegriffs.“ (Lit.:GA 171, S. 12)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.


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