Phänomenalismus und Reflexbogen: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
Zeile 1: Zeile 1:
Der '''Phänomenalismus''' ({{ELSalt|φαινόμενο(ν)}} ''phainomenon'' „Sichtbares, Erscheinung“), auch '''Kritischer Idealismus''' genannt, der von [[Rudolf Steiner]] zu den zwölf grundlegenden [[Weltanschauung]]en gezählt wird und nicht zu verwechseln ist mit der [[Phänomenologie]], ist eine vor allem im [[19. Jahrhundert]] häufig verwendete Bezeichnung für jene [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] [[Philosophie|philosophischen]] Systeme, die davon ausgehen, dass niemals die [[Wirklichkeit]] selbst, das [[Ding an sich]] in der Diktion [[Immanuel Kant]]s, sondern nur dessen [[Erscheinung]] Gegenstand der durch [[Erfahrung]] gewonnenen [[Erkenntnis]] werden könne. Im [[Tierkreis]] entspricht dem Phänomenalismus nach Steiner das Zeichen der [[Jungfrau (Sternbild)|Jungfrau]].
[[Datei:Medulla spinalis - Querschnitt - German and Latin.svg|mini|500px|Querschnitt des Rückenmarks mit der einfachen [[Synapse|monosynaptischen]] Verschaltung einer [[afferent]]en und einer [[efferent]]en [[Nervenfaser]].]]
[[Datei:Einfacher Regelkreis n.svg|mini|500px|Blockschaltbild eines einfachen [[Regelkreis|Standardregelkreises]], bestehend aus der '''Regelstrecke''', dem '''Regler''' und einer [[Negative Rückkopplung|negativen Rückkopplung]] der '''Regelgröße''' ''y'' (auch ''Istwert''). Die Regelgröße ''y'' wird mit der '''Führungsgröße''' (''Sollwert'') ''w'' verglichen. Die '''Regeldifferenz''' ''e'' = ''w'' – ''y'' wird dem Regler zugeführt, der daraus entsprechend der gewünschten Dynamik des Regelkreises eine '''Stellgröße''' ''u'' bildet. Die '''Störgröße''' ''d'' wirkt meistens auf den Ausgang der Regelstrecke, sie kann aber auch auf verschiedene Teile der Regelstrecke Einfluss nehmen.]]


{{GZ|Man kann sagen: Gewiß, ich halte mich an die Welt, die mich ringsherum umgibt. Aber ich behaupte nicht, daß ich ein Recht habe zu sagen, diese Welt sei die wirkliche. Ich weiß nur von ihr zu sagen, daß sie mir erscheint. Und zu mehr habe ich überhaupt nicht Recht, als zu sagen: Diese Welt erscheint mir. Ich habe kein Recht, von ihr mehr zu sagen. - Das ist also ein Unterschied. Man kann von dieser Welt, die sich um uns herum ausbreitet, sagen, sie ist die reale Welt. Aber man kann auch sagen:
Der '''Reflexbogen''' ist ein grundlegendes funktionales Element des gesamten [[Nervensystem]]s und beruht auf der Verkopplung [[afferent]]er und [[efferent]]er [[Neuron]]en mittels entsprechender [[Synapse]]n. Diese funktionale Verschaltung der miteinander verkoppelten Neuronen wird auch als '''neuronaler Erregungskreis''' oder '''neuronaler Schaltkreis''' bezeichnet.  
Von einer anderen Welt kann ich nicht reden; aber ich bin mir klar, daß es die Welt ist, die mir erscheint. Ich rede nicht davon, daß diese Welt von Farben und Tönen, die doch nur dadurch entsteht, daß sich in meinem Auge gewisse Prozesse abspielen, die sich mir als Farben zeigen, daß sich in meinem Ohr Prozesse abspielen, die sich mir als Töne zeigen und so weiter, daß diese Welt die wahre ist. Sie ist die Welt der Phänomene. - Phänomenalismus ist die Weltanschauung, um die es sich hier handeln würde.|151|42}}


Je nachdem, ob hinter den [[Phänomen]]en auch eine [[objekt]]ive [[Realität]] - eben das [[Ding an sich]] - vermutet wird, oder die [[Wirklichkeit]] sich überhaupt nur in diesen [[Bewusstsein]]sphänomenen erschöpft, kann noch zwischen einem ''[[objekt]]iven'' und einem  ''[[subjekt]]iven'' Phänomenalismus unterschieden werden. Prominentester Vertreter der ersten Denkrichtung war [[Immanuel Kant]]; [[Ernst Mach]] war ein konsequenter Anhänger des ''subjektiven Phänomenalismus''. Einen ''reinen Phänomenalismus'' vertrat [[Goethe]], der große Antipode Kants:
Im einfachsten Fall handelt es dabei um einen ''monosynaptischen Reflexbogen'' wie er im [[Rückenmark]] anzutreffen ist und die funktionelle Basis einfacher [[Reflex]]e bildet. Hier sind die beiden Nervenfasern über eine einzige Synapse im Vorderhorn des Rückenmarks miteinander verbunden. Weil hier die beiden Nervenfasern unmittelbar im gleichen Organ liegen, werden diese einfachen Reflexe auch '''Eigenreflexe''' genannt.


{{GZ|Man kann allerdings sagen: Gerade derjenigen Naturerkenntnis, die heute immerdar besonders damit prunkt, daß sie das Naturphänomen rein auffaßt, gelingt es kaum, das Naturphänomen rein aufzufassen, das heißt, es nicht mehr, gar nicht mehr zu durchdringen mit dem Gedankengewebe desjenigen, was nur im Begriffe, innerlich subjektiv, gemacht ist. — Es werden ja noch immer über den äußeren Phänomenverlauf allerlei Hypothesen aufgestellt, nicht nur berechtigte, sondern unberechtigte. Aber ein Mensch hat doch in der neueren Zeit scharf betont, und zwar verhältnismäßig früh, daß diese neuere Zeit in bezug auf das Betrachten der äußeren natürlichen Vorgänge nach dem reinen Phänomen, nach der reinen Phänomenologie hinstreben muß. Und das war Kants Antipode Goethe. Er hat verlangt, daß die Phänomene, die Erscheinungen rein sich selbst aussprechen. Er hat scharf betont, daß dasjenige, was sich in der Verstandesentwickelung abspielt, durchaus ferne bleiben muß demjenigen, was man als Beschreibung der Phänomene und des phänomenalen Verlaufs selber hinstellt. Und in allerschärfster, in bewunderungswürdiger Weise fordert Goethe wiederholt diesen reinen Phänomenalismus.|76|40}}
Bei ''polysynaptische Reflexbögen'' sind oft eine ganze Reihe von Neuronen auf wesentlich komplexere Weise miteinander verschaltet, wobei die afferenten und efferenten Fasern räumlich oft weit auseinander liegen können, weshalb man hier von '''Fremdreflexen''' spricht.


{{GZ|Was ist dieser Phänomenalismus? Er besteht darin, daß man die Phänomene - gleichgültig ob durch Beobachtung oder durch Experiment - rein auffaßt, so wie sie sich sinnenfällig ergeben, und daß man das Denken nur dazu verwendet, um die Phänomene in einem gewissen Zusammenhang zu schauen, die Phänomene so aufzureihen, daß sich die Phänomene selber erklären. Damit wird aber zunächst ausgeschaltet aus der reinen Naturwissenschaft alles, was Hypothesen nicht bloß als Hilfskonstruktionen auffaßt, sondern sie so auffaßt, als ob sie etwas geben könnten über das Wirkliche. Wenn man bei dem reinen Phänomenalismus stehen bleibt, so ist man zwar berechtigt, aus der Beobachtung und aus dem Experiment heraus eine atomistische Struktur - sei es in der materiellen, sei es in der Kräftewelt - anzunehmen, aber diese Tendenz zur atomistischen Struktur darf man nur insoweit gelten lassen, als man sie phänomenologisch verfolgen kann, als man sie anhand der Phänomene beschreiben kann.  
In den [[Neurowissenschaften]] wird die Funktion des Reflexbogens in [[Analogie]] zu einem technischen [[Regelkreis]] gedacht, womit aber eine Wirkung des [[Geist]]es und der [[Seele]] des [[Mensch]]en nicht mehr denkmöglich erscheint.  


Gegen dieses Prinzip sündigt jene wissenschaftliche Weltanschauung, welche eine Atomistik konstruiert, die hinter den sinnlich verfolgbaren Phänomenen Tatsächliches konstatiert, das nicht in die Welt der Phänomene selbst hereinfallen kann. In dem Augenblicke, wo man zum Beispiel die Welt der Farben, die vor uns ausgebreitet ist, nicht einfach so verfolgt, daß man die eine Farbenerscheinung an die andere reiht, um dadurch zum gesetzmäßigen Zusammenhang des Farbigen zu kommen, sondern wenn man von dem Phänomen auf etwas Dahinterliegendes geht, das eben nicht bloß etwa eine Hilfskonstruktion sein, sondern ein Reales statuieren soll, wenn man dazu übergeht, Schwingungen oder dergleichen im Äther anzunehmen, dann dehnt man das Denken aus - über das Phänomen hinaus. Man durchstößt gewissermaßen aus einer gewissen Trägheit des Denkens heraus den Sinnes- teppich, und man statuiert hinter dem Sinnesteppich eine Welt von wirbelnden Atomen oder dergleichen, wozu gar keine Veranlassung bei einem sich selbst verstehenden Denken vorliegt, das nur Diener sein will für die Aufreihung der Phänomene, für den immanenten gesetzmäßigen Zusammenhang innerhalb der Phänomene, das aber gegenüber der äußeren Sinneswelt nichts aussagen kann über das, was hinter dieser Sinneswelt liegen soll.  
[[Rudolf Steiner]] hat daher ein völlig anderes Bild gezeichnet, ohne deswegen in den von den Neurowissenschaftler zurecht mehrheitlich abgelehnten cartesianischen [[Dualismus]] zu verfallen. [[René Descartes|Descartes]] „[[res cogitans]]“ ist nicht das wirkliche [[Ich]] des Menschen, sondern nur dessen flüchtiges, am [[Gehirn]] reflektiertes [[mental]]es Spiegelbild, dem keine eigenständige [[Realität]] zukommt und daher auch nicht in den [[Organismus]] eingreifen kann - weder über die [[Epiphyse]], wie Descartes meinte, noch sonst wie.


So aber zieht gerade die Anthroposophie die letzte Konsequenz, zu der in der modernen Naturwissenschaft eigentlich alles hintendiert. Wir sind sogar in dieser modernen Naturwissenschaft in der letzten Zeit in hohem Maße zu einer zwar theoretisch noch wenig zugegebenen, aber praktisch angewandten Ausbildung dieses Phänomenalismus gekommen, indem man sich einfach um die hypothetischen Atomwelten und dergleichen nicht kümmert und innerhalb der Phänomene stehenbleibt. Aber das hat ja eine ganz bestimmte Folge, wenn man innerhalb der Phänomene stehen bleibt. Das hat die Folge, daß man dann wirklich zum Agnostizismus kommt. Wenn man durch das Denken bloß die Phänomene aneinanderreiht, Ordnung hineinbringt in die Phänomene, so kommt man niemals mit diesem Ordnen, mit diesem Verfolgen von Gesetzmäßigkeiten an den Menschen selbst heran. Und das ist das Eigentümliche, daß man sich einfach offen gestehen muß: Wenn man die letzte, vollberechtigte Konsequenz der modernen Naturwissenschaft zieht, wenn man bis zum reinen Phänomenalismus geht, wenn man nicht unberechtigte Denkhypothesen hinter den Teppich der Sinnenwelt setzt - man kann gar nicht anders als zum Agnostizismus kommen.|75|262f}}
Rudolf Steiners aus geistiger Erfahrung geschöpfte Darstellung steht gleichermaßen im Widerspruch zu Descartes als auch zur zeitgenössischen Neurowissenschaft. Steiner war sich dieses Widerspruchs ganz bewusst. Unermüdlich hat er darauf hingewiesen, dass die bis heute unverrückbar Unterscheidung [[Motorische Nerven|motorischer]] und [[Sensorische Nerven|sensorischer Nerven]], die ihren Ursprung schon bei den allerersten Anatomen der griechischen [[Antike]] hat, völlig unsinnig ist und auch [[Anatomie|anatomisch]] nicht zu rechtfertigen sei. Die [[Muskel]]bewegungen würden keinesfalls durch sog. „motorische“ [[Nerven]] ausgelöst oder gar gesteuert, sondern vielmehr dadurch, dass das [[Wirkliches Ich|wirkliche Ich]] und der [[Astralleib]] im [[Wille]]nsakt ''von außen'' - d.h. aus der geistigen Außenwelt - ''unmittelbar'' in den [[Stoffwechsel]] eingreifen. Die sog. „motorischen“ Nerven dienen nur der [[Wahrnehmung]] des [[Muskelsystem]]s und der resultierenden [[Bewegung]]en. Ohne diese Wahrnehmung könne die Bewegung nicht stattfinden. Die [[Körperbewegung]] ist in diesem Sinn kein rein innerlich bewirktes Körpergeschehen, sondern ein Weltgeschehen, durch das sich unser [[Karma]] verwirklicht und an dem höchsten geistigen [[Hierarchien]] beteiligt sind.  


{{GZ|Dieser Agnostizismus ist nun allerdings, wenn er philosophisch auftritt, eine Art Gegensatz zur Anthroposophie, und ich könnte ja, wenn es mich danach gelüsten würde, von diesem Zeitpunkte an anfangen, mich polemisch kritisierend, schimpfend meinetwegen, je nach Temperament, gegen den zeitgenössischen Agnostizismus zu wenden [...]  Aber das möchte ich heute nicht. Ich möchte in diesem Agnostizismus doch auch aufzeigen etwas, was notwendigerweise einmal heraufkommen mußte in der geistigen Menschheitsentwickelung.|82|204}}
{{GZ|Ich will ganz absehen davon, daß ja schließlich die sensitiven von
den motorischen Nerven anatomisch fast gar nicht zu unterscheiden
sind; die einen sind höchstens etwas dicker als die anderen; aber in
bezug auf die Struktur ist wirklich ein wesentlicher Unterschied nicht
vorhanden. Was anthroposophische Forschung in dieser Beziehung
lehrt - ich kann das nur andeuten, nur Ergebnisse mitteilen, ich müßte
sonst anthroposophische Physiologie vortragen - , das ist dieses, daß die
Nerven durchaus einheitliche Organe sind, daß es ein Unding ist, von
zweierlei Nerven, von sensitiven und motorischen Nerven zu sprechen.
Da im Seelischen das Willensmäßige und Empfindungsmäßige überall
durchgebildet ist, stelle ich es jedem frei, motorisch oder sensitiv zu
sagen, aber er muß einheitlich werten, denn sie sind absolut einheitlich,
es gibt keinen Unterschied. Der Unterschied liegt nämlich nur in
der Richtung der Funktion. Wenn der sensitive Nerv nach dem Auge
hingeht, so öffnet er sich den Eindrücken des Lichtes, und es wirkt
wiederum dasjenige, was an der Peripherie des Menschen liegt, auf
einen anderen Nerv, den die heutige Physiologie als einen motorischen
Nerv anspricht. Wenn er nun vom Gehirn ausgeht nach dem übrigen
Organismus, so ist dieser Nerv dazu da, daß er dasjenige wahrnimmt,
was bei einer Bewegung vorgeht. Eine richtige Behandlung der Tabes
gibt schon auch durchaus Bestätigung dieses Resultates.
Der Nerv also, der motorischer Nerv genannt ist, der ist dazu da,
um die Bewegungsimpulse, das, was da während der Bewegung vorgeht,
wahrzunehmen, nicht um der Bewegung den Impuls zu geben.
Nerven sind überall die Vermittlungsorgane für die Wahrnehmungen,
die sensitiven Nerven für die Wahrnehmungen nach außen, die sogenannten
motorischen Nerven, die auch sensitive Nerven sind, für die
Wahrnehmungen nach innen. Es gibt nur ''einen'' Nerv. Und nur eine
materialistische Wissenschaftsgesinnung hat diese Telegraphengeschichte
als Analogon erfunden.


{{GZ|Denn was folgt daraus, daß wir zu den Phänomenen kommen und damit, wenn wir nichts anderes kennen als die äußeren Phänomene, in den Agnostizismus hineingerissen werden? Es folgt daraus, daß, wenn wir Menschen bleiben wollen, wir nach der geistigen Welt auf eine andere Weise als durch Interpretation der äußeren Sinneswelt hinmüssen. Und für denjenigen Teil der äußeren Welt, der der Sinneswelt zugrunde liegt, muß man sagen: Wir finden ihn nicht innerhalb der Sinneswelt.|82|210}}
Diese materialistische Wissenschaftsgesinnung glaubt nämlich, ebenso
wie sie für die Sensation, für die Empfindung, für die Wahrnehmung
der Vermittelung der Nerven bedarf, bedürfe sie auch der Vermittelung
des Nervs für die Willensimpulse. Das ist aber nicht der Fall.
Der Willensimpuls geht von dem Geistig-Seelischen aus. Da beginnt
er, und er wirkt im Leibe, unmittelbar, nicht auf dem Umweg des
Nervs, unmittelbar auf das Gliedmaßen-Stoffwechselsystem. Und der
Nerv, der in das Gliedmaßen-Stoffwechselsystem hineingeht, vermittelt
nur die Wahrnehmung desjenigen, was das Geistig-Seelische an dem
ganzen Menschen in bezug auf sein Gliedmaßen-Stoffwechselsystem
tut. Wir nehmen dasjenige wahr, was eine Folge ist seelisch-geistiger
Willensprozesse in der Blutzirkulation, im übrigen Stoffwechsel und
auch in der mechanischen Bewegung der Glieder; wir nehmen das wahr.
Die sogenannten motorischen Nerven sind keine motorischen Nerven,
die sind bloß dasjenige, was die Äußerungen, den Impuls des Willens
wahrnimmt. Ehe man diesen Zusammenhang nicht einsehen wird, eher
wird man nicht zu einer durchsichtigen Menschenerkenntnis kommen.
Wenn Sie aber diesen Zusammenhang voll einsehen, dann werden Sie
es auch begreiflich finden, daß ich nun eben ein Paradoxon, eine Ketzerei
vor Sie hinstellen muß: denn dann wirkt das Geistig-Seelische ja
eben auf den ganzen übrigen Menschen.|303|208f}}


{{GZ|In dem Augenblick, wo man sich klar ist darüber, daß die äußere Welt phänomenalistisch zu erfassen ist, in dem Augenblick hat man sie nicht etwa entgeistigt, aber man hat die Notwendigkeit gezeigt, diesen Geist, dieses Übersinnliche auf anderen Wegen zu suchen, durch andere Erkenntnismittel und andere Erkenntnismethoden. Und das sind eben diejenigen, die ich geschildert habe. Die müssen hinzukommen zu den phänomenalistischen Erkenntnismethoden. Sie sehen, Anthroposophie ist gerade bemüht, den Phänomenalismus voll zu begründen, voll gelten zu lassen, weil sie sich klar ist darüber, daß dasjenige, was zu geistigen Welten führt, eben mit diesen anderen Erkenntnismethoden erreicht werden muß. Also auch das, was der äußeren Sinneswelt als Geistiges zugrunde liegt.|82|211}}
[[Datei:Steiner Der dreigliedrige Mensch 1.jpg|mini|250px|[[Rudolf Steiner]]: ''Der dreigliedrige Mensch'', Pastell auf Transparentpapier, 12. Juni 1923]]
Laut Rudolf Steiner lässt sich das [[Seelenleben]] des [[Mensch]]en nicht auf die Tätigkeit des [[Nervensystem]]s reduzieren, vielmehr sei der ganze [[Dreigliederung des menschlichen Organismus|dreigliedrige Organismus]] des Menschen daran beteiligt. In etwas abgewandelter Form gilt das auch für die [[Tiere]]. Nur die [[Sinneswahrnehmung]] und die [[Vorstellung]]stätigkeit bedient sich unmittelbar des [[Nerven-Sinnessystem]]s. Das [[Fühlen]] wirkt unmittelbar im [[Rhythmisches System|rhythmischen System]] und das [[Wollen]] - und damit auch die [[Körperbewegung]] - gründet sich auf das [[Stoffwechsel-Gliedmaßensystem]]. Letztere werfen nur ''mittelbar'' durch das Nervensystem ihren Schatten in das [[Bewusstsein]]. [[Denken]] bzw. Vorstellen, Fühlen und Wollen haben dadurch ganz unterschiedliche Bewusstseinsgrade. Nur im Denken sind wir voll wach, im Fühlen [[Traum|träumen]] wir und die eigentliche Willenstätigkeit [[Schlaf|verschlafen]] wir praktisch völlig.


{{GZ|Und so haben wir denn die Notwendigkeit, uns zu fragen: Wie begründen wir Moralwissenschaft und damit die Grundlage aller Geisteswissenschaft, auch aller Sozialwissenschaft, wie begründen wir Moralwissenschaft in der Zeit, in der wir berechtigterweise für die äußere Natur den Phänomenalismus anerkennen müssen? Das war die große Frage für mich in der Zeit, als ich meine «[[Philosophie der Freiheit]]» schrieb. Ich stand auf dem Boden - völlig auf dem Boden! - der modernen Naturwissenschaft, ja, auf dem Boden eines Phänomenalismus gegenüber dem, was durch den Erkenntnisprozeß von der Sinnenaußenwelt zu ergründen ist. Dann aber muß man sich, wenn man die Konsequenz mit aller Ehrlichkeit bis zuletzt verfolgt, sagen: Wenn Moral objektiv begründet werden soll, dann muß sich neben diese Erkenntnis, die zum Phänomenalismus und damit zum Agnostizismus führt, eine andere hinstellen können - eine Erkenntnis, die nun nicht das Denken verwendet, um hypothetische Welten auszusinnen hinter den Phänomenen der Sinne, sondern es muß eine Erkenntnis begründet werden, die das Geistige unmittelbar in der Anschauung erfassen kann, nachdem es - außer dem Mathematischen - nicht mehr im alten Stile hinausgetragen wird in die Welt. Gerade der Agnostizismus ist es, der uns auf der einen Seite nötigt, ihn voll anzuerkennen auf seinem Gebiete, zugleich aber auf der anderen Seite auch nötigt, unseren Geist zur Aktivität aufzuraffen, um eine geistige Welt zu erfassen, aus welcher wir zunächst, wenn wir nicht bloß im Subjektiven bleiben wollen, durch objektive geistige Beobachtung die Moralprinzipien finden können.|75|271f}}
{{GZ|Das Nerven- und Sinnessystem,
wie es im Kopfe zentralisiert ist, ist im menschlichen Organismus ein
eigenes, für sich bestehendes, selbständiges Glied. Was als Lungen- und
Herzsystem, als Zirkulationssystem vorliegt, ist wiederum ein für sich
bestehendes, selbständiges Glied. Ebenso das Stoffwechselsystem. Das
Genauere können Sie in meinem Buch «Von Seelenrätseln» nachlesen.
Das ist das Charakteristische im menschlichen Organismus, daß seine
Systeme gerade dadurch ihre rechte Entfaltung und Wirksamkeit entfalten,
daß sie nicht zentralisiert sind, sondern daß sie nebeneinander bestehen
und frei zusammenwirken. Kann man heute nicht einmal in dieser
umfassenden, eindringlichen Weise den menschlichen Organismus begreifen,
so kann man mit der Wissenschaft, die noch nicht reformiert ist,
die aber in geisteswissenschaftlichem Sinne reformiert werden muß, den
sozialen Organismus erst recht nicht verstehen. Man glaubt heute, der
menschliche Organismus ist etwas Zentralisiertes, während er eine Dreigliedrigkeit
ist.|328|21}}


== Siehe auch ==
Die gestaltende Grundform des [[Nervensystem]]s, insbesondere des Reflexbogens, die überhaupt auch die [[Gestalt]]ung des ganzen [[Organismus]] bestimmt (→ [[Nervensystem#Nervensystem und Gestaltbildung|Nervensystem und Gestaltbildung]]), ist die [[Lemniskate]].
* {{WikipediaDE|Phänomenalismus}}
 
* {{Eisler|Phänomenalismus}}
{{GZ|... ich rate Ihnen,
* {{Kirchner|Phänomenalismus}}
versuchen Sie einmal - wie gesagt, hier sollen ja zunächst nur Anregungen
gegeben werden, und es sollte durchaus sehr emsig wissenschaftlich
nach dieser Richtung gearbeitet werden -, versuchen Sie
einmal, Untersuchungen darüber anzustellen, welche Kurve entsteht,
wenn Sie die mittlere Linie der linken Rippe zeichnen, über
den Anschluß der Rippe hinausgehen in den Rückenwirbel, da sich
drehen und wiederum zurückgehen (Fig. 11). Bringen Sie in Anschlag,
daß der Wirbel eine wesentlich andere innere Struktur aufweist
als die Rippen, und bringen Sie in Anschlag, daß das bedeutet,
daß bei diesem Beschreiben der Linie Rippe-Wirbel-Rippe, natürlich
nicht nur quantitativ, sondern qualitativ, innere Wachstumsverhältnisse
in Betracht kommen, dann werden Sie die Morphologie dieses
ganzen Systems verstehen durch die Lemniskate, durch die Schleifenbildung.
Sie werden, je mehr Sie hinaufgehen zur Kopforganisation,
notwendig haben, starke Modifikationen dieser Lemniskate
vorzunehmen. Es wird ein gewisser Punkt eintreten, wo Sie genötigt
sind, dasjenige, was ja schon vorbereitet ist in der Bildung des Brustbeines,
das Zusammengehen der beiden Bögen hier (Fig. 11),
 
[[Datei:GA323 211.gif|center|300px|Zeichnung aus GA 323, S. 211 (Fig. 11)]]
 
sich eigentlich als verwandelt zu denken, aber Sie bekommen eine
Metamorphose, eine Modifikation dieser Lemniskatenbüdung,
wenn Sie zum Haupte hinaufgehen. Und Sie bekommen, wenn Sie
gewissermaßen studieren die gesamte menschliche Figur in dem
Gegensatz von Sinnes-Nervenorganisation und Stoffwechsel-Organisation,
eine nach unten auseinandergehende und nach oben
sich schließende Lemniskate. Sie bekommen auch Lemniskaten,
nur sind die Lemniskaten eben sehr modifiziert, die eine Hälfte
durch die eine Schleife ist außerordentlich klein, wenn Sie den
Weg verfolgen, der genommen wird von Zentripetalnerven durch
das Zentrum zum Ende der Zentrifugalnerven. Sie bekommen
überall eingeschrieben, wenn Sie die Dinge sachgemäß verfolgen,
gerade in die menschliche Natur in einer gewissen Weise diese
Lemniskate.
 
Und wenn Sie dann beim Tiere die tierische Organisation im
ausgesprochen horizontalen Rückgrat nehmen, so werden Sie finden,
daß diese tierische Organisation sich von der menschlichen Organisation
dadurch unterscheidet, daß diese Lemniskaten, diese
nach unten offenen Lemniskaten oder auch etwas geschlossenen
Lemniskaten, beim Tier wesentlich weniger Modifikationen aufweisen
als beim Menschen, namentlich aber auch, daß die Ebenen
dieser Lemniskaten beim Tier immer parallel sind, während sie beim
Menschen schiefe Winkel miteinander einschließen.
 
Hier liegt ein ungeheures Arbeitsfeld, ein Arbeitsfeld, welches
uns daraufhinweist, das morphologische Element immer weiter und
weiter auszubauen.|323|210ff}}
 
Rudolf Steiner wies weiters darauf hin, dass die ''Unterberechung'', welche die [[Zentripetal (Neurologie)|zentripetalen]] ([[afferent]]en) „sensorischen“ und die [[Zentrifugal (Neurologie)|zentrifugalen]] ([[efferent]]en) „motorischen“ Nerven (an der [[Synapse]]) voneinander trennt, erst ermöglicht, dass sich das Geistige und Seelische in die Tätigkeit des Leibes einschalten kann. Die Unterbrechung bildet den Übergang vom physischen zum geistigen Erleben. Ohne sie wäre der Mensch tatsächlich ein bloß gehirn- bzw. nervengesteuerter [[Automat]], wie viele [[Hirnforscher]] mittlerweile annehmen. So behauptet etwa der [[Neurophysiologe]] [[Wolf Singer]]: „''Verschaltungen legen uns fest: Wir sollten aufhören, von Freiheit zu sprechen''“<ref>Wolf Singer in:  Christian Geyer (Hrsg.): ''Hirnforschung und Willensfreiheit'', 2004, S. 30ff.</ref> und fordert entsprechende [[Ethik|ethische]] und [[Rechtsleben|juristische]] Konsequenzen bezüglich der [[Schuld]]fähigkeit des Menschen. Aus ganz anderen als den von Singer genannten Gründen ist es tatsächlich nicht zielführend, von einer primären [[Willensfreiheit]] auszugehen. Da wir, wie oben ausgeführt, im Willen schlafen, uns des Willens also nicht bewusst sind, hat hier die [[Freiheit]] keine Grundlage. Die Freiheit beginnt erst, wie Rudolf Steiner bereits in seiner «[[Philosophie der Freiheit]]» ausgeführt hat, im [[Reines Denken|reinen, willensdurchdrungenen Denken]], in dem Denken, Fühlen und Wollen eine bewusste, vom [[Ich]], d.h. vom wirklichen [[Geist]] des Menschen, durchkraftete Einheit bilden.
 
{{GZ|Auf eine Vorstellung habe ich öfters hingewiesen, öffentlich nun
auch in meinem Buch «[[Von Seelenrätseln]]»: Es ist eine gangbare naturwissenschaftliche
Vorstellung heute, daß man im Nervensystem - bleiben
wir zunächst beim Menschen, aber in ähnlicher Weise, nur in ähnlicher
Weise ist das auch beim Tiere gültig -, daß man im Nervensystem
unterscheidet zwischen sogenannten sensitiven Nerven, Sinnesnerven,
Wahrnehmungsnerven und motorischen Nerven. Schematisch kann das
nur so dargestellt werden, daß zum Beispiel irgendein Nerv, sagen wir
ein Tastnerv, die Tastempfindung hineinträgt bis zum Zentralorgan,
sagen wir bis zum Rückenmark (gelb), da mündet dasjenige, was da aus
der Peripherie des Leibes geleitet wird, in einem Horn des Rückenmarks.
Und dann geht von einem andern Horn, Vorderhorn, der sogenannte
motorische Nerv aus, da wird wiederum weitergeleitet der
Willensimpuls (siehe Zeichnung S. 12).
 
[[Datei:GA179 012.gif|center|400px|Zeichnung aus GA 179, S. 12]]
 
Beim Gehirn ist das nur komplizierter dargestellt, so etwa, wie wenn
die Nerven eine Art Telegraphendrähte wären. Der Sinneseindruck,
der Hauteindruck wird bis zum Zentralorgan geleitet, dort wird gewissermaßen
der Befehl erteilt, daß eine Bewegung ausgeführt werden
soll. Eine Fliege setzt sich irgendwo auf einen Körperteil, das macht
einen Eindruck, das wird geleitet bis zum Zentralorgan; dort wird der
Befehl gegeben, die Hand bis zu der Stirne zu erheben und die Fliege
wird weggejagt. Es ist eine, schematisch angedeutet, sehr gangbare
Vorstellung. Künftigen Zeiten wird diese Vorstellung außerordentlich
komisch erscheinen, denn sie ist ja nur komisch für denjenigen, der die
Tatsache durchschaut. Aber es ist eine Vorstellung, von der heute ein
großer Teil der fachmännischen und fachmännischesten Wissenschaft
beherrscht ist. Sie können das nächstbeste Elementarbuch, das Sie über
solche Dinge unterrichtet, aufschlagen, und Sie werden finden, man
habe zu unterscheiden zwischen Sinneswahrnehmungsnerven und motorischen
Nerven. Und man wird besonders das urkomische Bild von
den Telegraphenleitungen - wie der Eindruck bis zum Zentralorgan
geleitet und dort der Befehl gegeben wird, daß die Bewegung entstehe -
gerade in populären Werken heute noch immer sehr verbreitet finden
können.
 
Die Wirklichkeit ist allerdings schwieriger zu durchschauen, als die
an die primitivsten Vorstellungen erinnernden Vergleichsvorstellungen
von den Telegraphendrähten. Die Wirklichkeit kann nur durchschaut
werden, wenn sie eben mit Geisteswissenschaft durchschaut wird. Daß
ein Willensimpuls erfolgt, hat mit einem solchen Vorgange, den man in
kindischer Weise so ausdrückt, als ob da irgendwo in einem materiellen
Zentralorgan ein Befehl erteilt würde, wirklich gar nichts zu tun. Die
Nerven sind nur da, um einer einheitlichen Funktion zu dienen, sowohl
diejenigen Nerven, die man heute sensitive Nerven nennt, wie auch
diejenigen, die man motorische Nerven nennt. Und ob nun im Rückenmark
oder im Gehirn der Nervenstrang durchbrochen ist, beides weist
auf dasselbe hin; im Gehirn ist er nur in komplizierterer Weise durchbrochen.
 
Diese Durchbrechung ist nicht deshalb da, damit durch die eine
Hälfte, wenn ich so sagen darf, von der Außenwelt etwas zum Zentralorgan
geleitet wird und dann, nachdem sie vom Zentralorgan durch
die andere Hälfte in einen Willen umgewandelt worden ist, weitergeleitet
würde. Diese Unterbrechung ist aus einem ganz andern Grunde
da. Daß unser Nervensystem so gebaut und in dieser regelmäßigen
Weise durchbrochen ist, hat seinen Grund darin: An der Stelle, wo
unsere Nerven durchbrochen sind, da liegt im Abbilde im Menschen -
allerdings nur im körperlichen Abbilde einer komplizierten geistigen
Wirklichkeit — die Grenze zwischen physischem und geistigem Erfahren,
physischem und geistigem Erleben. Sie ist allerdings im Menschen
auf eine merkwürdige Weise enthalten. Sie ist so enthalten, daß
der Mensch mit der ihm zunächstliegenden physischen Welt in eine
solche Beziehung tritt, daß mit dieser Beziehung der Teil des Nervenstranges,
der bis zu jener Unterbrechung geht, etwas zu tun hat. Aber
der Mensch muß auch als seelisches Wesen eine Beziehung haben zu
seinem eigenen physischen Leib. Diese Beziehung, die er zu seinem
eigenen physischen Leib hat, ist durch den andern Teil vermittelt. Wenn
ich eine Hand bewege, dadurch veranlaßt, daß ein äußerer Sinneseindruck
auf mich gemacht worden ist, dann liegt der Impuls, daß diese
Hand bewegt wird, vereinigt von der Seele mit dem Sinneseindruck,
schematisch dargestellt, schon bereits hier (siehe Zeichnung, a). Und
dasjenige, was geleitet wird, wird auf den ganzen sensitiven Nerven
und den sogenannten motorischen Nerven entlang geleitet von a bis
zu b. Das ist nicht so, daß der Sinneseindruck erst bis zu c geht und dann
von da aus einen Befehl gibt, damit b dazu veranlaßt werde - nein,
wenn ein Willensimpuls stattfindet, lebt das Seelische schon befruchtet
bei a und geht durch den ganzen unterbrochenen Nervenweg durch.
 
Es ist keine Rede davon, daß solche kindischen Vorstellungen, als
ob die Seele da irgendwo säße zwischen den sensitiven und motorischen
Nerven und wie ein Telegraphist die Eindrücke der Außenwelt empfangen
und dann Befehle aussenden würde, es ist keine Rede davon,
daß diese kindischen Vorstellungen irgendeiner auch wie immer gearteten
Wirklichkeit entsprechen würden. Diese kindische Vorstellung,
die wir immer hören, nimmt sich recht sonderbar komisch aus neben
der Forderung, man soll ja in der Naturwissenschaft nicht anthropomorphistisch
sein! Da fordern nun die Leute, man solle ja nicht anthropomorphistisch
sein und merken nicht, wie anthropomorphistisch sie
sind, wenn sie Worte gebrauchen wie: Ein Eindruck wird empfangen,
ein Befehl wird ausgegeben und so weiter. - Sie reden darauf los, ohne
auch nur eine Ahnung davon zu haben, was sie alles für mythologische
Wesen - wenn sie die Worte ernst nehmen würden - hineinträumen in
den menschlichen Organismus.
 
Nun entsteht aber die Frage: Warum ist der Nervenstrang unterbrochen?
— Er ist unterbrochen aus dem Grunde, weil wir, wenn er
nicht unterbrochen wäre, nicht eingeschaltet wären in den ganzen Vorgang.
Nur dadurch, daß gewissermaßen der Impuls an der Unterbrechungsstelle
überspringt - der gleiche Impuls, wenn es ein Willensimpuls
ist, geht schon von a aus -, dadurch sind wir selbst drinnen in
der Welt, dadurch sind wir bei diesem Impuls dabei. Würde er einheitlich
sein, würde hier nicht eine Unterbrechung sein, so wäre das ganze
ein Naturvorgang, ohne daß wir dabei wären.
 
Stellen Sie sich denselben Vorgang, den Sie bei einer sogenannten
Reflexbewegung haben, vor: Eine Fliege setzt sich Ihnen irgendwo hin,
der ganze Vorgang kommt Ihnen gar nicht voll zum Bewußtsein, aber
Sie wehren die Fliege ab. Dieser ganze Vorgang hat sein Analogen,
sein ganz gerechtfertigtes Analogen auf physikalischem Gebiete. Insofern
dieser Vorgang physikalische Erklärung herausfordert, muß diese
Erklärung nur etwas komplizierter sein als ein anderer physikalischer
Vorgang. Nehmen Sie an, Sie haben hier einen Kautschukball, Sie
stoßen hinein, Sie deformieren den Kautschukball: das geht wieder
heraus, richtet sich wieder her. Sie stoßen nochmals hinein; er stößt
wieder heraus. Das ist der einfache physikalische Vorgang: eine Reflexbewegung.
 
[[Datei:GA179 015.gif|center|300px|Zeichnung aus GA 179, S. 15]]
 
Nur ist kein Wahrnehmungsorgan eingeschaltet, nichts
Geistiges ist eingeschaltet. Schalten Sie hier etwas Geistiges ein (innerer
Kreis) und unterbrechen Sie hier (Zentrum), dann fühlt sich die Kautschukkugel
als ein Eigenwesen. Die Kautschukkugel müßte dann allerdings,
um sowohl die Welt wie sich zu empfinden, ein Nervensystem
einschalten. Aber das Nervensystem ist immer da, um die Welt in sich
zu empfinden, niemals irgendwie da, um auf der einen Seite des Drahtes
eine Sensation zu leiten und auf der andern Seite des Drahtes einen
motorischen Impuls zu leiten.
 
Ich deute dieses an aus dem Grunde, weil dies, wenn es weiter verfolgt
wird, auf einen der zahlreichen Punkte hinführt, wo Naturwissenschaft
korrigiert werden muß, wenn sie zu Vorstellungen führen soll,
die einigermaßen der Wirklichkeit gewachsen sind. Die Vorstellungen,
die heute herrschen, sind eben weiter nichts als solche Vorstellungen,
die den Impulsen der Geister der Finsternis dienen. Im Menschen selber
ist die Grenze zwischen dem physischen Erleben und dem geistigen
Erleben.
 
Dieses Stück des Nervs, das ich rot bezeichnet habe, dient im
wesentlichen dazu, um uns hineinzustellen in die physische Welt, um
uns Empfindung zu vermitteln innerhalb der physischen Welt. Das
andere Stück des Nervs, das ich blau bezeichnet habe, dient im wesentlichen
dazu, um uns selbst uns empfinden zu lassen als Leib. Und
es ist kein wesentlicher Unterschied, ob wir eine Farbe außen bewußt
erleben durch den Strang a-c, oder ob wir innerlich ein Organ oder
eine Organlage oder dergleichen erleben durch den Strang d-b; das ist
im wesentlichen dasselbe. Das eine Mal erleben wir ein Physisches, das
nicht in uns zu sein scheint, das andere Mal erleben wir ein Physisches,
das in uns ist, das heißt innerhalb unserer Haut. Dadurch aber sind wir
eingeschaltet, daß wir bei einem Willensvorgang alles das erleben können,
was nicht nur außen ist, sondern auch was innerlich an uns ist.
Aber die Stärke der Wahrnehmung ist verschieden vermittelt durch
den Strang a-c und durch den Strang d-b. Dasjenige, was eintritt, ist
allerdings eine wesentliche Abschwächung der Intensität. Wenn wir
eine Vorstellung mit einem Willensimpuls zusammen formen in a, so
wird dieser Impuls von a aus weitergeleitet. Indem er von c auf d überspringt,
schwächt sich das Ganze so ab für unser Bewußtsein, für unser
bewußtes Erleben, daß wir das weitere, was wir nun in uns erleben, die
Hebung der Hand und so weiter, nur mit der geringen Intensität des
Bewußtseins erleben, die wir sonst auch im Schlafe haben. Wir sehen
das Wollen erst wiederum, wenn die Hand sich bewegt, wenn wir
wieder von einer andern Seite her eine Sensation haben.|179|11ff}}


== Literatur ==
== Literatur ==


* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Verhältnis der Anthroposophie zur Naturwissenschaft. Grundlagen und Methoden'', [[GA 75]] (2010), ISBN 978-3-7274-0750-5 {{Vorträge|075}}
* [[Wolfgang Schad]] (Hrsg.): ''Die menschliche Nervenorganisation und die Soziale Frage: Teil 1: Ein anthropologisch-anthroposophisches Gespräch'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1991, ISBN 978-3772504068
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die befruchtende Wirkung der Anthroposophie auf die Fachwissenschaften'', [[GA 76]] (1977), ISBN 3-7274-0760-3 {{Vorträge|076}}
* Wolfgang Schad (Hrsg.): ''Die menschliche Nervenorganisation und die Soziale Frage: Teil 2: Dokumentarischer Anhang'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1992, ISBN 978-3772504075
* [[Rudolf Steiner]]: ''Damit der Mensch ganz Mensch werde'', [[GA 82]] (1994), ISBN 3-7274-0820-0 {{Vorträge|082}}
* Wolfgang Schad (Hrsg.): ''Die Doppelnatur des Ich: Der übersinnliche Mensch und seine Nervenorganisation'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2014, ISBN 978-3772512827
* [[Rudolf Steiner]]: ''Der menschliche und der kosmische Gedanke'', [[GA 151]] (1990) {{Vorträge|151}}
* Wolfgang Schad: ''Der periphere Blick: Die Vervollständigung der Aufklärung'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2014, ISBN 978-3772514012, EBook {{ASIN|B01LZF3IZ3}}
* [[Karl Ballmer]]: ''Briefwechsel über die motorischen Nerven'', erweiterte Neuausgabe, Edition LGC 2013, ISBN 978-3-930 964-22-2
* Peter Wyssling: ''Rudolf Steiners Kampf gegen die motorischen Nerven. Das Schicksal einer Weltanschauungsentscheidung in Karl Ballmer und Gerhard Kienle.'' 3., erweiterte und verbesserte Auflage, Edition LGC 2016, ISBN 978-3-930 964-26-0
* [[Peter Heusser]]: ''Anthroposophie und Wissenschaft: Eine Einführung. Erkenntniswissenschaft, Physik, Chemie, Genetik, Biologie, Neurobiologie, Psychologie, Philosophie des Geistes, Anthropologie, Anthroposophie, Medizin'', Verlag am Goetheanum, Dornach 2016, ISBN 978-3723515686
*Johannes W. Rohen: ''Funktionelle Neuroanatomie: Lehrbuch und Atlas'', Schattauer, F.K. Verlag 2001, ISBN 978-3794521289
*Johannes W. Rohen: ''Eine funktionelle und spirituelle Anthropologie: unter Einbeziehung der Menschenkunde Rudolf Steiners'', 1. Aufl., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2009, ISBN 978-3772520983
*Johannes W. Rohen: ''Morphologie des menschlichen Organismus'', 4. Aufl., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2016, ISBN 978-3772519987
* Rudolf Steiner: ''Geschichtliche Notwendigkeit und Freiheit. Schicksalseinwirkungen aus der Welt der Toten'', [[GA 179]] (1993), ISBN 3-7274-1790-0 {{Vorträge|179}}
* Rudolf Steiner: ''Die gesunde Entwickelung des Menschenwesens. Eine Einführung in die anthroposophische Pädagogik und Didaktik.'', [[GA 303]] (1978), ISBN 3-7274-3031-1 {{Vorträge|303}}
* Rudolf Steiner: ''Das Verhältnis der verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebiete zur Astronomie'', [[GA 323]] (1997), ISBN 3-7274-3230-6 {{Vorträge|323}}
* Rudolf Steiner: ''Die soziale Frage'', [[GA 328]] (1977), ISBN 3-7274-3280-2 {{Vorträge|328}}


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Die zwölf Weltanschauungen|104]]
== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Weltanschaulicher -ismus]]
 
[[Kategorie:Erkenntnistheorie]]
<references />
[[Kategorie:Weltanschauung]]
 
[[en:Phenomenalism]]
[[Kategorie:Nervensystem]]

Version vom 6. November 2018, 08:35 Uhr

Querschnitt des Rückenmarks mit der einfachen monosynaptischen Verschaltung einer afferenten und einer efferenten Nervenfaser.
Blockschaltbild eines einfachen Standardregelkreises, bestehend aus der Regelstrecke, dem Regler und einer negativen Rückkopplung der Regelgröße y (auch Istwert). Die Regelgröße y wird mit der Führungsgröße (Sollwert) w verglichen. Die Regeldifferenz e = wy wird dem Regler zugeführt, der daraus entsprechend der gewünschten Dynamik des Regelkreises eine Stellgröße u bildet. Die Störgröße d wirkt meistens auf den Ausgang der Regelstrecke, sie kann aber auch auf verschiedene Teile der Regelstrecke Einfluss nehmen.

Der Reflexbogen ist ein grundlegendes funktionales Element des gesamten Nervensystems und beruht auf der Verkopplung afferenter und efferenter Neuronen mittels entsprechender Synapsen. Diese funktionale Verschaltung der miteinander verkoppelten Neuronen wird auch als neuronaler Erregungskreis oder neuronaler Schaltkreis bezeichnet.

Im einfachsten Fall handelt es dabei um einen monosynaptischen Reflexbogen wie er im Rückenmark anzutreffen ist und die funktionelle Basis einfacher Reflexe bildet. Hier sind die beiden Nervenfasern über eine einzige Synapse im Vorderhorn des Rückenmarks miteinander verbunden. Weil hier die beiden Nervenfasern unmittelbar im gleichen Organ liegen, werden diese einfachen Reflexe auch Eigenreflexe genannt.

Bei polysynaptische Reflexbögen sind oft eine ganze Reihe von Neuronen auf wesentlich komplexere Weise miteinander verschaltet, wobei die afferenten und efferenten Fasern räumlich oft weit auseinander liegen können, weshalb man hier von Fremdreflexen spricht.

In den Neurowissenschaften wird die Funktion des Reflexbogens in Analogie zu einem technischen Regelkreis gedacht, womit aber eine Wirkung des Geistes und der Seele des Menschen nicht mehr denkmöglich erscheint.

Rudolf Steiner hat daher ein völlig anderes Bild gezeichnet, ohne deswegen in den von den Neurowissenschaftler zurecht mehrheitlich abgelehnten cartesianischen Dualismus zu verfallen. Descartesres cogitans“ ist nicht das wirkliche Ich des Menschen, sondern nur dessen flüchtiges, am Gehirn reflektiertes mentales Spiegelbild, dem keine eigenständige Realität zukommt und daher auch nicht in den Organismus eingreifen kann - weder über die Epiphyse, wie Descartes meinte, noch sonst wie.

Rudolf Steiners aus geistiger Erfahrung geschöpfte Darstellung steht gleichermaßen im Widerspruch zu Descartes als auch zur zeitgenössischen Neurowissenschaft. Steiner war sich dieses Widerspruchs ganz bewusst. Unermüdlich hat er darauf hingewiesen, dass die bis heute unverrückbar Unterscheidung motorischer und sensorischer Nerven, die ihren Ursprung schon bei den allerersten Anatomen der griechischen Antike hat, völlig unsinnig ist und auch anatomisch nicht zu rechtfertigen sei. Die Muskelbewegungen würden keinesfalls durch sog. „motorische“ Nerven ausgelöst oder gar gesteuert, sondern vielmehr dadurch, dass das wirkliche Ich und der Astralleib im Willensakt von außen - d.h. aus der geistigen Außenwelt - unmittelbar in den Stoffwechsel eingreifen. Die sog. „motorischen“ Nerven dienen nur der Wahrnehmung des Muskelsystems und der resultierenden Bewegungen. Ohne diese Wahrnehmung könne die Bewegung nicht stattfinden. Die Körperbewegung ist in diesem Sinn kein rein innerlich bewirktes Körpergeschehen, sondern ein Weltgeschehen, durch das sich unser Karma verwirklicht und an dem höchsten geistigen Hierarchien beteiligt sind.

„Ich will ganz absehen davon, daß ja schließlich die sensitiven von den motorischen Nerven anatomisch fast gar nicht zu unterscheiden sind; die einen sind höchstens etwas dicker als die anderen; aber in bezug auf die Struktur ist wirklich ein wesentlicher Unterschied nicht vorhanden. Was anthroposophische Forschung in dieser Beziehung lehrt - ich kann das nur andeuten, nur Ergebnisse mitteilen, ich müßte sonst anthroposophische Physiologie vortragen - , das ist dieses, daß die Nerven durchaus einheitliche Organe sind, daß es ein Unding ist, von zweierlei Nerven, von sensitiven und motorischen Nerven zu sprechen. Da im Seelischen das Willensmäßige und Empfindungsmäßige überall durchgebildet ist, stelle ich es jedem frei, motorisch oder sensitiv zu sagen, aber er muß einheitlich werten, denn sie sind absolut einheitlich, es gibt keinen Unterschied. Der Unterschied liegt nämlich nur in der Richtung der Funktion. Wenn der sensitive Nerv nach dem Auge hingeht, so öffnet er sich den Eindrücken des Lichtes, und es wirkt wiederum dasjenige, was an der Peripherie des Menschen liegt, auf einen anderen Nerv, den die heutige Physiologie als einen motorischen Nerv anspricht. Wenn er nun vom Gehirn ausgeht nach dem übrigen Organismus, so ist dieser Nerv dazu da, daß er dasjenige wahrnimmt, was bei einer Bewegung vorgeht. Eine richtige Behandlung der Tabes gibt schon auch durchaus Bestätigung dieses Resultates. Der Nerv also, der motorischer Nerv genannt ist, der ist dazu da, um die Bewegungsimpulse, das, was da während der Bewegung vorgeht, wahrzunehmen, nicht um der Bewegung den Impuls zu geben. Nerven sind überall die Vermittlungsorgane für die Wahrnehmungen, die sensitiven Nerven für die Wahrnehmungen nach außen, die sogenannten motorischen Nerven, die auch sensitive Nerven sind, für die Wahrnehmungen nach innen. Es gibt nur einen Nerv. Und nur eine materialistische Wissenschaftsgesinnung hat diese Telegraphengeschichte als Analogon erfunden.

Diese materialistische Wissenschaftsgesinnung glaubt nämlich, ebenso wie sie für die Sensation, für die Empfindung, für die Wahrnehmung der Vermittelung der Nerven bedarf, bedürfe sie auch der Vermittelung des Nervs für die Willensimpulse. Das ist aber nicht der Fall. Der Willensimpuls geht von dem Geistig-Seelischen aus. Da beginnt er, und er wirkt im Leibe, unmittelbar, nicht auf dem Umweg des Nervs, unmittelbar auf das Gliedmaßen-Stoffwechselsystem. Und der Nerv, der in das Gliedmaßen-Stoffwechselsystem hineingeht, vermittelt nur die Wahrnehmung desjenigen, was das Geistig-Seelische an dem ganzen Menschen in bezug auf sein Gliedmaßen-Stoffwechselsystem tut. Wir nehmen dasjenige wahr, was eine Folge ist seelisch-geistiger Willensprozesse in der Blutzirkulation, im übrigen Stoffwechsel und auch in der mechanischen Bewegung der Glieder; wir nehmen das wahr. Die sogenannten motorischen Nerven sind keine motorischen Nerven, die sind bloß dasjenige, was die Äußerungen, den Impuls des Willens wahrnimmt. Ehe man diesen Zusammenhang nicht einsehen wird, eher wird man nicht zu einer durchsichtigen Menschenerkenntnis kommen. Wenn Sie aber diesen Zusammenhang voll einsehen, dann werden Sie es auch begreiflich finden, daß ich nun eben ein Paradoxon, eine Ketzerei vor Sie hinstellen muß: denn dann wirkt das Geistig-Seelische ja eben auf den ganzen übrigen Menschen.“ (Lit.:GA 303, S. 208f)

Rudolf Steiner: Der dreigliedrige Mensch, Pastell auf Transparentpapier, 12. Juni 1923

Laut Rudolf Steiner lässt sich das Seelenleben des Menschen nicht auf die Tätigkeit des Nervensystems reduzieren, vielmehr sei der ganze dreigliedrige Organismus des Menschen daran beteiligt. In etwas abgewandelter Form gilt das auch für die Tiere. Nur die Sinneswahrnehmung und die Vorstellungstätigkeit bedient sich unmittelbar des Nerven-Sinnessystems. Das Fühlen wirkt unmittelbar im rhythmischen System und das Wollen - und damit auch die Körperbewegung - gründet sich auf das Stoffwechsel-Gliedmaßensystem. Letztere werfen nur mittelbar durch das Nervensystem ihren Schatten in das Bewusstsein. Denken bzw. Vorstellen, Fühlen und Wollen haben dadurch ganz unterschiedliche Bewusstseinsgrade. Nur im Denken sind wir voll wach, im Fühlen träumen wir und die eigentliche Willenstätigkeit verschlafen wir praktisch völlig.

„Das Nerven- und Sinnessystem, wie es im Kopfe zentralisiert ist, ist im menschlichen Organismus ein eigenes, für sich bestehendes, selbständiges Glied. Was als Lungen- und Herzsystem, als Zirkulationssystem vorliegt, ist wiederum ein für sich bestehendes, selbständiges Glied. Ebenso das Stoffwechselsystem. Das Genauere können Sie in meinem Buch «Von Seelenrätseln» nachlesen. Das ist das Charakteristische im menschlichen Organismus, daß seine Systeme gerade dadurch ihre rechte Entfaltung und Wirksamkeit entfalten, daß sie nicht zentralisiert sind, sondern daß sie nebeneinander bestehen und frei zusammenwirken. Kann man heute nicht einmal in dieser umfassenden, eindringlichen Weise den menschlichen Organismus begreifen, so kann man mit der Wissenschaft, die noch nicht reformiert ist, die aber in geisteswissenschaftlichem Sinne reformiert werden muß, den sozialen Organismus erst recht nicht verstehen. Man glaubt heute, der menschliche Organismus ist etwas Zentralisiertes, während er eine Dreigliedrigkeit ist.“ (Lit.:GA 328, S. 21)

Die gestaltende Grundform des Nervensystems, insbesondere des Reflexbogens, die überhaupt auch die Gestaltung des ganzen Organismus bestimmt (→ Nervensystem und Gestaltbildung), ist die Lemniskate.

„... ich rate Ihnen, versuchen Sie einmal - wie gesagt, hier sollen ja zunächst nur Anregungen gegeben werden, und es sollte durchaus sehr emsig wissenschaftlich nach dieser Richtung gearbeitet werden -, versuchen Sie einmal, Untersuchungen darüber anzustellen, welche Kurve entsteht, wenn Sie die mittlere Linie der linken Rippe zeichnen, über den Anschluß der Rippe hinausgehen in den Rückenwirbel, da sich drehen und wiederum zurückgehen (Fig. 11). Bringen Sie in Anschlag, daß der Wirbel eine wesentlich andere innere Struktur aufweist als die Rippen, und bringen Sie in Anschlag, daß das bedeutet, daß bei diesem Beschreiben der Linie Rippe-Wirbel-Rippe, natürlich nicht nur quantitativ, sondern qualitativ, innere Wachstumsverhältnisse in Betracht kommen, dann werden Sie die Morphologie dieses ganzen Systems verstehen durch die Lemniskate, durch die Schleifenbildung. Sie werden, je mehr Sie hinaufgehen zur Kopforganisation, notwendig haben, starke Modifikationen dieser Lemniskate vorzunehmen. Es wird ein gewisser Punkt eintreten, wo Sie genötigt sind, dasjenige, was ja schon vorbereitet ist in der Bildung des Brustbeines, das Zusammengehen der beiden Bögen hier (Fig. 11),

Zeichnung aus GA 323, S. 211 (Fig. 11)
Zeichnung aus GA 323, S. 211 (Fig. 11)

sich eigentlich als verwandelt zu denken, aber Sie bekommen eine Metamorphose, eine Modifikation dieser Lemniskatenbüdung, wenn Sie zum Haupte hinaufgehen. Und Sie bekommen, wenn Sie gewissermaßen studieren die gesamte menschliche Figur in dem Gegensatz von Sinnes-Nervenorganisation und Stoffwechsel-Organisation, eine nach unten auseinandergehende und nach oben sich schließende Lemniskate. Sie bekommen auch Lemniskaten, nur sind die Lemniskaten eben sehr modifiziert, die eine Hälfte durch die eine Schleife ist außerordentlich klein, wenn Sie den Weg verfolgen, der genommen wird von Zentripetalnerven durch das Zentrum zum Ende der Zentrifugalnerven. Sie bekommen überall eingeschrieben, wenn Sie die Dinge sachgemäß verfolgen, gerade in die menschliche Natur in einer gewissen Weise diese Lemniskate.

Und wenn Sie dann beim Tiere die tierische Organisation im ausgesprochen horizontalen Rückgrat nehmen, so werden Sie finden, daß diese tierische Organisation sich von der menschlichen Organisation dadurch unterscheidet, daß diese Lemniskaten, diese nach unten offenen Lemniskaten oder auch etwas geschlossenen Lemniskaten, beim Tier wesentlich weniger Modifikationen aufweisen als beim Menschen, namentlich aber auch, daß die Ebenen dieser Lemniskaten beim Tier immer parallel sind, während sie beim Menschen schiefe Winkel miteinander einschließen.

Hier liegt ein ungeheures Arbeitsfeld, ein Arbeitsfeld, welches uns daraufhinweist, das morphologische Element immer weiter und weiter auszubauen.“ (Lit.:GA 323, S. 210ff)

Rudolf Steiner wies weiters darauf hin, dass die Unterberechung, welche die zentripetalen (afferenten) „sensorischen“ und die zentrifugalen (efferenten) „motorischen“ Nerven (an der Synapse) voneinander trennt, erst ermöglicht, dass sich das Geistige und Seelische in die Tätigkeit des Leibes einschalten kann. Die Unterbrechung bildet den Übergang vom physischen zum geistigen Erleben. Ohne sie wäre der Mensch tatsächlich ein bloß gehirn- bzw. nervengesteuerter Automat, wie viele Hirnforscher mittlerweile annehmen. So behauptet etwa der Neurophysiologe Wolf Singer: „Verschaltungen legen uns fest: Wir sollten aufhören, von Freiheit zu sprechen[1] und fordert entsprechende ethische und juristische Konsequenzen bezüglich der Schuldfähigkeit des Menschen. Aus ganz anderen als den von Singer genannten Gründen ist es tatsächlich nicht zielführend, von einer primären Willensfreiheit auszugehen. Da wir, wie oben ausgeführt, im Willen schlafen, uns des Willens also nicht bewusst sind, hat hier die Freiheit keine Grundlage. Die Freiheit beginnt erst, wie Rudolf Steiner bereits in seiner «Philosophie der Freiheit» ausgeführt hat, im reinen, willensdurchdrungenen Denken, in dem Denken, Fühlen und Wollen eine bewusste, vom Ich, d.h. vom wirklichen Geist des Menschen, durchkraftete Einheit bilden.

„Auf eine Vorstellung habe ich öfters hingewiesen, öffentlich nun auch in meinem Buch «Von Seelenrätseln»: Es ist eine gangbare naturwissenschaftliche Vorstellung heute, daß man im Nervensystem - bleiben wir zunächst beim Menschen, aber in ähnlicher Weise, nur in ähnlicher Weise ist das auch beim Tiere gültig -, daß man im Nervensystem unterscheidet zwischen sogenannten sensitiven Nerven, Sinnesnerven, Wahrnehmungsnerven und motorischen Nerven. Schematisch kann das nur so dargestellt werden, daß zum Beispiel irgendein Nerv, sagen wir ein Tastnerv, die Tastempfindung hineinträgt bis zum Zentralorgan, sagen wir bis zum Rückenmark (gelb), da mündet dasjenige, was da aus der Peripherie des Leibes geleitet wird, in einem Horn des Rückenmarks. Und dann geht von einem andern Horn, Vorderhorn, der sogenannte motorische Nerv aus, da wird wiederum weitergeleitet der Willensimpuls (siehe Zeichnung S. 12).

Zeichnung aus GA 179, S. 12
Zeichnung aus GA 179, S. 12

Beim Gehirn ist das nur komplizierter dargestellt, so etwa, wie wenn die Nerven eine Art Telegraphendrähte wären. Der Sinneseindruck, der Hauteindruck wird bis zum Zentralorgan geleitet, dort wird gewissermaßen der Befehl erteilt, daß eine Bewegung ausgeführt werden soll. Eine Fliege setzt sich irgendwo auf einen Körperteil, das macht einen Eindruck, das wird geleitet bis zum Zentralorgan; dort wird der Befehl gegeben, die Hand bis zu der Stirne zu erheben und die Fliege wird weggejagt. Es ist eine, schematisch angedeutet, sehr gangbare Vorstellung. Künftigen Zeiten wird diese Vorstellung außerordentlich komisch erscheinen, denn sie ist ja nur komisch für denjenigen, der die Tatsache durchschaut. Aber es ist eine Vorstellung, von der heute ein großer Teil der fachmännischen und fachmännischesten Wissenschaft beherrscht ist. Sie können das nächstbeste Elementarbuch, das Sie über solche Dinge unterrichtet, aufschlagen, und Sie werden finden, man habe zu unterscheiden zwischen Sinneswahrnehmungsnerven und motorischen Nerven. Und man wird besonders das urkomische Bild von den Telegraphenleitungen - wie der Eindruck bis zum Zentralorgan geleitet und dort der Befehl gegeben wird, daß die Bewegung entstehe - gerade in populären Werken heute noch immer sehr verbreitet finden können.

Die Wirklichkeit ist allerdings schwieriger zu durchschauen, als die an die primitivsten Vorstellungen erinnernden Vergleichsvorstellungen von den Telegraphendrähten. Die Wirklichkeit kann nur durchschaut werden, wenn sie eben mit Geisteswissenschaft durchschaut wird. Daß ein Willensimpuls erfolgt, hat mit einem solchen Vorgange, den man in kindischer Weise so ausdrückt, als ob da irgendwo in einem materiellen Zentralorgan ein Befehl erteilt würde, wirklich gar nichts zu tun. Die Nerven sind nur da, um einer einheitlichen Funktion zu dienen, sowohl diejenigen Nerven, die man heute sensitive Nerven nennt, wie auch diejenigen, die man motorische Nerven nennt. Und ob nun im Rückenmark oder im Gehirn der Nervenstrang durchbrochen ist, beides weist auf dasselbe hin; im Gehirn ist er nur in komplizierterer Weise durchbrochen.

Diese Durchbrechung ist nicht deshalb da, damit durch die eine Hälfte, wenn ich so sagen darf, von der Außenwelt etwas zum Zentralorgan geleitet wird und dann, nachdem sie vom Zentralorgan durch die andere Hälfte in einen Willen umgewandelt worden ist, weitergeleitet würde. Diese Unterbrechung ist aus einem ganz andern Grunde da. Daß unser Nervensystem so gebaut und in dieser regelmäßigen Weise durchbrochen ist, hat seinen Grund darin: An der Stelle, wo unsere Nerven durchbrochen sind, da liegt im Abbilde im Menschen - allerdings nur im körperlichen Abbilde einer komplizierten geistigen Wirklichkeit — die Grenze zwischen physischem und geistigem Erfahren, physischem und geistigem Erleben. Sie ist allerdings im Menschen auf eine merkwürdige Weise enthalten. Sie ist so enthalten, daß der Mensch mit der ihm zunächstliegenden physischen Welt in eine solche Beziehung tritt, daß mit dieser Beziehung der Teil des Nervenstranges, der bis zu jener Unterbrechung geht, etwas zu tun hat. Aber der Mensch muß auch als seelisches Wesen eine Beziehung haben zu seinem eigenen physischen Leib. Diese Beziehung, die er zu seinem eigenen physischen Leib hat, ist durch den andern Teil vermittelt. Wenn ich eine Hand bewege, dadurch veranlaßt, daß ein äußerer Sinneseindruck auf mich gemacht worden ist, dann liegt der Impuls, daß diese Hand bewegt wird, vereinigt von der Seele mit dem Sinneseindruck, schematisch dargestellt, schon bereits hier (siehe Zeichnung, a). Und dasjenige, was geleitet wird, wird auf den ganzen sensitiven Nerven und den sogenannten motorischen Nerven entlang geleitet von a bis zu b. Das ist nicht so, daß der Sinneseindruck erst bis zu c geht und dann von da aus einen Befehl gibt, damit b dazu veranlaßt werde - nein, wenn ein Willensimpuls stattfindet, lebt das Seelische schon befruchtet bei a und geht durch den ganzen unterbrochenen Nervenweg durch.

Es ist keine Rede davon, daß solche kindischen Vorstellungen, als ob die Seele da irgendwo säße zwischen den sensitiven und motorischen Nerven und wie ein Telegraphist die Eindrücke der Außenwelt empfangen und dann Befehle aussenden würde, es ist keine Rede davon, daß diese kindischen Vorstellungen irgendeiner auch wie immer gearteten Wirklichkeit entsprechen würden. Diese kindische Vorstellung, die wir immer hören, nimmt sich recht sonderbar komisch aus neben der Forderung, man soll ja in der Naturwissenschaft nicht anthropomorphistisch sein! Da fordern nun die Leute, man solle ja nicht anthropomorphistisch sein und merken nicht, wie anthropomorphistisch sie sind, wenn sie Worte gebrauchen wie: Ein Eindruck wird empfangen, ein Befehl wird ausgegeben und so weiter. - Sie reden darauf los, ohne auch nur eine Ahnung davon zu haben, was sie alles für mythologische Wesen - wenn sie die Worte ernst nehmen würden - hineinträumen in den menschlichen Organismus.

Nun entsteht aber die Frage: Warum ist der Nervenstrang unterbrochen? — Er ist unterbrochen aus dem Grunde, weil wir, wenn er nicht unterbrochen wäre, nicht eingeschaltet wären in den ganzen Vorgang. Nur dadurch, daß gewissermaßen der Impuls an der Unterbrechungsstelle überspringt - der gleiche Impuls, wenn es ein Willensimpuls ist, geht schon von a aus -, dadurch sind wir selbst drinnen in der Welt, dadurch sind wir bei diesem Impuls dabei. Würde er einheitlich sein, würde hier nicht eine Unterbrechung sein, so wäre das ganze ein Naturvorgang, ohne daß wir dabei wären.

Stellen Sie sich denselben Vorgang, den Sie bei einer sogenannten Reflexbewegung haben, vor: Eine Fliege setzt sich Ihnen irgendwo hin, der ganze Vorgang kommt Ihnen gar nicht voll zum Bewußtsein, aber Sie wehren die Fliege ab. Dieser ganze Vorgang hat sein Analogen, sein ganz gerechtfertigtes Analogen auf physikalischem Gebiete. Insofern dieser Vorgang physikalische Erklärung herausfordert, muß diese Erklärung nur etwas komplizierter sein als ein anderer physikalischer Vorgang. Nehmen Sie an, Sie haben hier einen Kautschukball, Sie stoßen hinein, Sie deformieren den Kautschukball: das geht wieder heraus, richtet sich wieder her. Sie stoßen nochmals hinein; er stößt wieder heraus. Das ist der einfache physikalische Vorgang: eine Reflexbewegung.

Zeichnung aus GA 179, S. 15
Zeichnung aus GA 179, S. 15

Nur ist kein Wahrnehmungsorgan eingeschaltet, nichts Geistiges ist eingeschaltet. Schalten Sie hier etwas Geistiges ein (innerer Kreis) und unterbrechen Sie hier (Zentrum), dann fühlt sich die Kautschukkugel als ein Eigenwesen. Die Kautschukkugel müßte dann allerdings, um sowohl die Welt wie sich zu empfinden, ein Nervensystem einschalten. Aber das Nervensystem ist immer da, um die Welt in sich zu empfinden, niemals irgendwie da, um auf der einen Seite des Drahtes eine Sensation zu leiten und auf der andern Seite des Drahtes einen motorischen Impuls zu leiten.

Ich deute dieses an aus dem Grunde, weil dies, wenn es weiter verfolgt wird, auf einen der zahlreichen Punkte hinführt, wo Naturwissenschaft korrigiert werden muß, wenn sie zu Vorstellungen führen soll, die einigermaßen der Wirklichkeit gewachsen sind. Die Vorstellungen, die heute herrschen, sind eben weiter nichts als solche Vorstellungen, die den Impulsen der Geister der Finsternis dienen. Im Menschen selber ist die Grenze zwischen dem physischen Erleben und dem geistigen Erleben.

Dieses Stück des Nervs, das ich rot bezeichnet habe, dient im wesentlichen dazu, um uns hineinzustellen in die physische Welt, um uns Empfindung zu vermitteln innerhalb der physischen Welt. Das andere Stück des Nervs, das ich blau bezeichnet habe, dient im wesentlichen dazu, um uns selbst uns empfinden zu lassen als Leib. Und es ist kein wesentlicher Unterschied, ob wir eine Farbe außen bewußt erleben durch den Strang a-c, oder ob wir innerlich ein Organ oder eine Organlage oder dergleichen erleben durch den Strang d-b; das ist im wesentlichen dasselbe. Das eine Mal erleben wir ein Physisches, das nicht in uns zu sein scheint, das andere Mal erleben wir ein Physisches, das in uns ist, das heißt innerhalb unserer Haut. Dadurch aber sind wir eingeschaltet, daß wir bei einem Willensvorgang alles das erleben können, was nicht nur außen ist, sondern auch was innerlich an uns ist. Aber die Stärke der Wahrnehmung ist verschieden vermittelt durch den Strang a-c und durch den Strang d-b. Dasjenige, was eintritt, ist allerdings eine wesentliche Abschwächung der Intensität. Wenn wir eine Vorstellung mit einem Willensimpuls zusammen formen in a, so wird dieser Impuls von a aus weitergeleitet. Indem er von c auf d überspringt, schwächt sich das Ganze so ab für unser Bewußtsein, für unser bewußtes Erleben, daß wir das weitere, was wir nun in uns erleben, die Hebung der Hand und so weiter, nur mit der geringen Intensität des Bewußtseins erleben, die wir sonst auch im Schlafe haben. Wir sehen das Wollen erst wiederum, wenn die Hand sich bewegt, wenn wir wieder von einer andern Seite her eine Sensation haben.“ (Lit.:GA 179, S. 11ff)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Wolf Singer in: Christian Geyer (Hrsg.): Hirnforschung und Willensfreiheit, 2004, S. 30ff.