Wertvorstellung und Kategorie:Medien: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Wertvorstellungen''' oder kurz '''Werte''' bezeichnen im allgemeinen Sprachgebrauch als erstrebenswert oder [[moral]]isch gut betrachtete [[Eigenschaft]]en bzw. [[Qualität]]en, die Objekten, [[Idee]]n, praktischen bzw. [[Sittlichkeit|sittlichen]] [[Ideal (Philosophie)|Idealen]], Sachverhalten, Handlungsmustern, Charaktereigenschaften beigemessen werden. Mit ''Wertentscheidung'' ist eine auf Werten gegründete Entscheidung gemeint. Das aus den Wertvorstellungen bzw. Werten einer Gesellschaft geformte Gesamtgebilde wird als ''Wertesystem'' oder ''Wertordnung'' bezeichnet. Das Geflecht miteinander verknüpfter, aber unterschiedlich gewichteter Werte nennt man ''Werte-Hierarchie''. Enthält eine Werteordnung einen alleinigen Anspruch auf [[Wahrheit]], ist sie das Kennzeichen einer [[Ideologie]]. [[Wertschöpfung (Ethik)|''Wertschöpfung'']] kann im materiellen und ideellen Sinne verstanden werden.
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== Begriff ==
Diese Kategorie enthält Unterkategorien und Artikel zum Thema [[Medien]].
Der Begriff erfährt in der [[Volkswirtschaftslehre]], [[Betriebswirtschaftslehre]] und [[Finanzwirtschaft]] weithin eine andere inhaltliche Bedeutungszuweisung als in den [[Geisteswissenschaft]]en, speziell der [[Ethik]], der [[Theologie]], [[Soziologie]] oder [[Pädagogik]].


Ist es das Ziel ökonomischen Handelns, eine höchstmögliche materielle betriebliche Wertschöpfung (Gewinn) zu erzielen, so geht es beim ethischen Handeln um das Schaffen ideeller Werte. Beide Zielsetzungen treten in der Praxis häufig in Widerspruch und erschweren eine Orientierung und Prioritätensetzung.<ref>Thomas Gensicke: ''Zeitgeist und Wertorientierungen.'' In: Deutsche Shell (Hrsg.): ''Jugend 2006. Eine pragmatische Jugend unter Druck.'' 15. [[Shell Jugendstudie]], S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2006</ref>
[[Kategorie:!Hauptkategorie]]
 
[[Kategorie:Geistesleben]]
Die Bedeutung des Wertbegriffs verändert sich, je nachdem ob die Wertzuschreibung von Einzelnen, von sozialen Akteuren oder von einer [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] erfolgt und ob sie als objektive Erkenntnis oder subjektive Haltung verstanden werden. Mitunter gelten Wertentscheidungen als [[konstitutiv]]e Elemente der [[Kultur]], insofern sie Sinnzuschreibungen innerhalb eines [[Sozialsystem]]s (Gruppe, Gesellschaft usw.) festlegen. Umgekehrt ist die Kultur ein Medium, in dem Wertvorstellungen weitergegeben und verändert werden können, entweder durch direkte Vermittlung von Wertentscheidungen oder durch diese vermittelnde Gewohnheiten, Bräuche etc.
[[Kategorie:Kultur]]
 
[[Kategorie:Medien|!]]
Grundlegende Werte eines Menschen oder einer Gesellschaft bezeichnet man auch als ''Grundwerte''.
[[Kategorie:Soziales Leben]]
 
[[Kategorie:Alltagskultur]]
Beim Versuch, einen gemeinsamen Wertekatalog zu definieren, stellen sich Fragen wie die, ob ein gemeinsamer Wertekatalog über Vorstellungen vom „Guten“ (etwa Solidarität) hinaus auch Verfahrensregeln (etwa die Rechtsstaatlichkeit) einbeziehen solle, und inwieweit auch Postulate dazugehören können, welche in der Realität bisher nicht umgesetzt werden.<ref>{{Internetquelle|autor=Klaus Buchenau|url=http://www.bpb.de/internationales/europa/europa-kontrovers/38050/standpunkt-klaus-buchenau?p=all|titel=Standpunkt: Den europäischen Wertekatalog gibt es nicht!|hrsg=Bundeszentrale für politische Bildung|datum=2010-01-20|zugriff=2017-07-17}}</ref>
[[Kategorie:Freizeit|Hx]]
 
[[Kategorie:Wissenspraxis]]
Individuelle Werte und Einstellungen untersucht die [[Differentielle Psychologie]]. Das Teilen, Weitergeben oder Diskutieren von Werten in Gruppen behandeln die [[Sozialwissenschaften]] und die [[Sozialpsychologie]]. Andere Wissenschaften, wie etwa die [[Moraltheologie]] und die Pädagogik, müssen sich mit Fragen des Wertbestands und der Weitergabe von Werten direkt befassen. Diese sind darüber hinaus Gegenstand gesellschaftlicher und politischer Diskussion.
[[Kategorie:Information]]
 
Im fachsprachlichen Gebrauch der deutschsprachigen Philosophie können „Werte“ zum Beispiel Teilaspekte [[Das Gute|des Guten]] ausmachen. Darüber hinaus existiert ein breites Spektrum philosophischer Wertbegriffe sowie [[Moralphilosophie|moralphilosophischer]] und [[Metaethik|metaethischer]] Rahmentheorien – ein Themengebiet, das auch als [[Axiologie (Philosophie)|Axiologie]] bezeichnet wird.
 
== Philosophie ==
{{Hauptartikel|Geschichte der Ethik|Axiologie (Philosophie)|Wertschöpfung (Ethik)}}
 
In der [[Wertphilosophie]], speziell ihrem Teilbereich [[Ethik]], beinhalten die Begriffe  „Wertvorstellung“, „Werthaltung“ oder  „Wertschöpfung“ nach ihren bedeutenden Vertretern [[Oskar Kraus]], [[Hermann Lotze]] oder [[Max Scheler]] die Fundierung und Ausrichtung des Denkens und Handelns nach ideellen Werten. Unter ideellen Werten versteht man nach [[Siegbert A. Warwitz]]<ref>Siegbert A. Warwitz: ''Wenn Wagnis den Weg weist des Werdens.'' In: Ders.: ''Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen. Erklärungsmodelle für grenzüberschreitendes Verhalten.'' 2., erw. Auflage, Verlag Schneider, Baltmannsweiler 2016, S. 260–295</ref> Werte, die nicht primär der materiellen Gewinnvermehrung dienen, sondern sich nach sozialen Maßstäben ausrichten  bzw. eine Steigerung der geistigen Lebensqualität, eine innere Bereicherung, eine Reifung der Persönlichkeit bedeuten. Dies setzt ein Verständnis für immaterielle Werte und die Unterscheidungsfähigkeit von Nutzdenken und Sinnstreben voraus. Als bedeutendste Motivationsquellen sieht er „eine metaphysische, auch religiöse Orientierung, ein humanistisches Denken oder eine soziale Ausrichtung“.
 
[[Erich Fromm]]<ref>Erich Fromm: ''Haben oder Sein – Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft.'' [[Deutsche Verlags-Anstalt]], Stuttgart 1976.</ref> differenziert in seiner Gesellschaftskritik grundsätzlich zwischen „idealistischen“ und „materialistischen“ Wertanschauungen. Dabei geht es ihm um die Alternative einer Bereicherung durch äußere Güter oder menschliche Qualitäten. Von 
Hermann Lotze wird  der Terminus „Wert“ im Sinne eines „von den Menschen gefühlsmäßig als übergeordnet Anerkannte[n], zu dem man sich anschauend, anerkennend, verehrend, strebend, verhalten kann“ gebraucht.<ref> So ein Definitionsversuch des Kantforschers Paul Menzer, der zitiert wird bei [[Georgi Schischkoff]]: Art. ''Wert.'' In: Ders.: ''Philosophisches Wörterbuch.'' [[Alfred Kröner Verlag|Kröner]], Stuttgart 1982<sup>21</sup>, S. 746f, hier: 746</ref>
 
Vertreter der Wertphilosophie sind der Ansicht, dass die Wertfrage bereits seit den Anfängen des philosophischen Denkens der Frage nach dem Charakter und der Seinsweise der Werte gestellt worden sei, so vor allem in der Güterethik des [[Aristoteles]].<ref>Vgl. Aristoteles: ''Nikomachische Ethik,'' erstes Buch, erstes Kapitel; zum Beispiel nach Oelmüller/Dölle/P.<!--worauf bezieht sich das? Ist Willi Oelmüller, Ruth Dölle-Oelmüller: ''Grundkurs philosophische Anthropologie'' (= ''UTB, Bd. 1906'') [[Wilhelm Fink Verlag|Fink]], München 1996, ISBN 3-7705-3090-X, gemeint? Dass. s. u.-->, Seite 130</ref> [[Platon]] beschrieb in seinem Werk die [[Idee des Guten]].<ref>Vgl. Platon: ''Staat'', 5.–7. Buch; zum Beispiel nach Oelmüller/Dölle/P.<!--worauf bezieht sich das?-->, Seiten 120 und 125</ref> Die antike Güterethik aristotelischen Ursprungs wurde auch in der Theologie aufgegriffen und im Rahmen der [[Moraltheologie]] weitergeführt.
 
[[Wilhelm Windelband|Windelband]], [[Heinrich Rickert (Philosoph)|Rickert]] und andere entwickelten eine Wertethik mit der Intention, die philosophische Ethik stärker [[Anthropologie|anthropologisch]] als [[Ontologie|ontologisch]] zu fundieren. Maßgebliche Bedeutung erhält der Begriff im Ansatz der materialen Wertethik von Max Scheler in den Jahren 1913 bis 1916. Scheler hat seine Wertethik ausdrücklich von der traditionellen Güterethik abgegrenzt.
 
[[Joseph Maria Bocheński|Bochenski]] (1902–1995) unterschied 1959 drei Gruppen immaterieller Werte, die man durch sein Verhalten verwirklichen kann: die moralischen, die ästhetischen und die religiösen.
* Die moralischen Werte sind Forderung zur Tat; sie enthalten das Tun-Sollen.
* Die ästhetischen Werte enthalten das Sein-Sollen.
* Die religiösen Werte als Verbindung moralischer und ästhetischer Werte berücksichtigen auch das Nicht-Sein-Sollen und das Nicht-Tun-Sollen und geben es in Form der [[Sünde]] an.<ref>Bochenski<!--worauf bezieht sich das? Ist der im Art. Bochenski aufgeführte Aufsatz gemeint?-->, S. 73 f.; vgl. aus psychologischer Sicht [[Rolf Oerter]]: ''Moderne Entwicklungspsychologie.'' Auer Verlag, Donauwörth 1967, S. 287–295, Begriff „Religiöse Werthaltungen“</ref>
 
In der jüngeren Diskussion sind die Versuche, Werte ontologisch oder anthropologisch zu begründen, stark in die Kritik geraten. So argumentiert der Freiburger Philosoph [[Andreas Urs Sommer]] 2016 in einem stark beachteten Buch,<ref>Andreas Urs Sommer: Werte. Warum man sie braucht, obwohl es sie nicht gibt, Stuttgart: Metzler 2016, vgl. Andreas Urs Sommer: Werte sind verhandelbar. Ihre grosse Leerheit ist ihre grösste Stärke. Plädoyer für einen selbstbewussten Werterelativismus, in: Neue Zürcher Zeitung,  Nr. 61, 14. März 2016, S. 29, auch unter http://www.nzz.ch/feuilleton/wertedebatte-werte-sind-verhandelbar-ld.7385</ref> Werte seien "regulative Fiktionen", die je nach den individuellen und sozialen Bedürfnissen immer wieder umgestaltet würden. Die Vorstellungen ewiger, für sich bestehender Werte weist Sommer zurück, ohne jedoch einen Werteverfall zu diagnostizieren. Werte seien notwendig plural und relativ - und dass sie es seien, sei begrüßenswert.
 
== Psychologie ==
Der Wertbegriff wurde in der Psychologie „großzügig“ gehandhabt und „vielfach nur im Sinne der Umgangssprache“<ref>[[Rolf Oerter]]: ''Moderne Entwicklungspsychologie,'' S. 228</ref> verwendet. Es war auch üblich, den in philosophischer Sichtweise eingesetzten Begriff aufgrund der Ergebnisse psychologischer Forschung zu erklären und zu variieren.<ref>vgl. Heinz Remplein: ''Die seelische Entwicklung des Menschen im Kindes- und Jugendalter.'' Ernst Reinhardt Verlag, München, Basel 1958, S. 121–634<!--bitte etwas genauer!--> (viele Nachaufl.)</ref> 1924 wurde der Begriff in dem jahrzehntelang neu aufgelegten, jugendpsychologischen Werk [[Eduard Spranger]]s in Formulierungen wie „Wertganzes“, „Wertverwirklichung“ und „Wertgehalt der Welt“ verwendet.<ref>Eduard Spranger: ''Psychologie des Jugendalters.'' Verlag Quelle und Meyer, Leipzig 1924, S. 19, 23 und 92 (viele Nachaufl)</ref>
 
Der Begriff erhielt allerdings seit den 1960er Jahren aufgrund vielfacher Untersuchungen (zum Beispiel [[Kurt Lewin]], [[Clark L. Hull]], [[Edward Tolman|Edward C. Tolman]], [[Desmond Morris]]) eine definitorische Zweideutigkeit, „nach zwei Richtungen hin“ ([[Rolf Oerter]]): 1. Werte als den Dingen oder Lebewesen eigene Bezugspunkte wirken anziehend oder abstoßend. 2. Ein mit der Kultur vermittelter Wert dient als „Richtlinie“<ref>F. L. Ruch und [[Philip Zimbardo]]: ''Lehrbuch der Psychologie.'' [[SE Springer-Verlag|Springer]], Berlin, Heidelberg, New York 1975, S. 308.</ref> dem Menschen zum Verständnis bzw. zur Erkenntnis der Welt und wird infolgedessen bei der Planung des Verhaltens zur Prämisse.
 
Als hypothetisches Konstrukt einer Individuum-Welt-Beziehung wird der Wert entweder als Komplex von Wirkungsfaktoren der Welt auf das Lebewesen wahrgenommen oder im [[motivation]]alen Konzept des Individuums als Zielentwurf oder Korrektiv zur Gestaltung der Welt verwendet. Überwiegend war jedoch der Wertbegriff als dynamisches Konzept in der Literatur zu finden. In diesem auf eine breitere Basis psychologischer Untersuchungen gestellten „Wertkonzept“ wurden die handlungsorientierten Bedeutungen der im deutschsprachigen Raum beschriebenen Begriffe „Werterleben“ und „Wertverwirklichung“ wiedergefunden.<ref>Oerter: ''Moderne Entwicklungspsychologie,'' S. 229.</ref> Als ein Ergebnis seiner Forschung über die Kognitionsentwicklung erklärte [[Jean Piaget]] 1966, dass das im Kindheitsstadium erworbene formale Denken eine später auch affektiv begleitende Voraussetzung sei, um zur Planung von Lebensentwürfen im Erwachsenenalter die „mit Zukunftsprojekten verbundenen Werte“ passend strukturieren zu können.<ref>[[Bärbel Inhelder]], [[Jean Piaget]]: ''Die Psychologie des Kindes'' (= ''Fischer Taschenbücher, Bd. 6339''). [[S. Fischer Verlag|Fischer Taschenbuch Verlag]], Frankfurt am Main 1977 (Paris 1966, dt. Ausgabe 1972), ISBN 3-436-02401-5, S. 109–111. Diesbezüglich merkten Inhelder und Piaget den Mangel an anderen wissenschaftlichen Untersuchungen kritisch an. Die Ergebnisse von [[Erik H. Erikson]], M. Mead, Malinowski, Schelsky u.&nbsp;a. wurden relativiert; vgl. Fußnoten 8 und 10 in Kapitel 5, S. 111 und 130.</ref> Aus der Sicht der [[Existenzanalyse]] gab [[Viktor E. Frankl|Frankl]] 1974 den Werten die Geltung als „umfassende Sinnmöglichkeiten“<ref>Viktor E. Frankl: ''Der unbewußte Gott. Psychotherapie und Religion.'' [[Kösel-Verlag|Kösel]], München 1948–2004, und [[Dtv Verlagsgesellschaft|dtv]], ''Bd. 35058,'' München 2014<sup>12</sup>, ISBN 3-466-20302-3, S. 72.</ref>
 
Innerhalb der Motivationstheorie beschrieb Haseloff 1974 die Werteinstellungen als langfristig effiziente Wirkungskomplexe aus der Motivklasse der Strebungen, „die sozio-kulturell thematisierte und normierte Dauerquellen“ darstellen, direkten Bezug auf die „Wertsysteme und die Präferenzordnung der Persönlichkeit“ nehmen und sich „meist […] gemäß dem Gesetz von der funktionellen Autonomie der Motive“ (G. Allport) verfestigen.<ref>Otto W. Haseloff: ''Marktforschung und Motivationstheorie.'' In: [[Karl Christian Behrens]] (Hg.): ''Handbuch der Marktforschung, Band 1 Methoden der Marktforschung.'' [[Springer Gabler|Gabler]], Wiesbaden 1974, S. 120.</ref> Aus einer [[Synopse]] von psychologischer mit soziologischer Literatur resultierte bei [[Hans Joas]] 2004 die Beschreibung einer inner-individuellen Dynamik in dem Begriff „Wertbindungen“, die der Mensch in einem aktiven Vorgang, „in den Prozessen der Selbstbildung und […] in Erfahrungen der Selbsttranszendenz“ entwickelt.<ref>Vgl. [[Hans Joas]]: ''Die Entstehung der Werte.'' Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997, S. 257</ref>
 
== Soziale Normen ==
Aus Werten (z.&nbsp;B. dem Wert der Achtung des Eigentums) lassen sich [[soziale Norm]]en (konkrete Vorschriften für das soziale Handeln) ableiten – z.&nbsp;B. „Wer eine fremde bewegliche Sache, in der Absicht, sie sich anzueignen, wegnimmt …“. Allerdings gehen historisch konkrete Gebote wie „Du sollst nicht stehlen!“ oft ihren Wert-Abstraktionen voraus. Werte sind ein zentraler Bestandteil vieler Verhaltensvorschriften, jedoch sind sie nicht selber Verhaltensvorschriften. Werte sind attraktiv, während Normen restriktiven Charakter haben.<ref>Vgl. Hans Joas: ''Die kulturellen Werte Europas. Eine Einleitung.'' In: Ders./[[Klaus Wiegandt]] (Hrsg.): ''Die kulturellen Werte Europas.'' Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16402-8, S. 14</ref>
 
„Die Norm sagt, was in einer Situation notwendig und allgemeingültig geschehen soll.“ Eine bestimmte Art der Verknüpfung von Handlungsbedingungen in einer Situation mündet in den Anspruch einer Forderung zum Tun. Wie verhält sich die soziale Norm bezogen auf die geistigen Dispositionen des Wollens? Zu den Normen gehört die Idealität. Ihnen liegen Entwürfe zugrunde, die als ideale Möglichkeiten im Geist beim Aufbau eines Lebenskonzeptes vorbereitet werden. Bezugspunkt dieser Normen ist „eindeutig der Wert als Kategorie der Selektion“. Die Befolgung der Normen „wird durch die negativen Konsequenzen ihrer Nichtbefolgung“ lanciert. „Die Normen des sozialen Umgangs verleihen den Verhaltensweisen Ordnung. Sie fungieren als Gruppenstabilisatoren.“<ref>W. Heistermann: ''Das Problem der Norm.'' In: [[Zeitschrift für philosophische Forschung]], 1966, S. 202f.</ref> Mit gesellschaftspolitischem Blick bezieht sich Habermas 2004 wie selbstverständlich auf die Orientierung des Bürgers am Normativen; er verwendet für diese ethische Disposition den Begriff „Normbewusstsein“.<ref>[[Jürgen Habermas]] und [[Benedikt XVI.|Joseph Ratzinger]]: ''Vorpolitische moralische Grundlagen eines freiheitlichen Staates.'' In: „Zur Debatte“ (hrsg. von der Katholischen Akademie Bayern), 2005, Nr. 3, III.; siehe: [[Ludger Honnefelder]] und Matthias C. Schmidt (Hrsg.): ''Was heißt Verantwortung heute?'' [[Verlag Ferdinand Schöningh|Schoeningh]], Paderborn 2008, ISBN 978-3-506-76318-1, S. 16. Habermas sieht es ausdrücklich als ein Interesse des Verfassungsstaates an, mit den kulturellen Quellen, aus denen sich das „Normbewusstsein und die Solidarität von Bürgern speist“, schonend umzugehen. Er verweist in diesem Kontext auf die „Handlungskoordinierung über Werte, Normen und verständigungsorientierten Sprachgebrauch“. Joas formulierte stärker als Habermas; Lit.: Joas, 2004<sup>2</sup>, S. 126–128.</ref>
 
=== Wertewandel ===
{{Hauptartikel|Wertewandel}}
 
Werte werden in der Regel über die [[Sozialisation]] an nachfolgende Generationen weitergegeben. Dies geschieht nicht vollständig. So lässt sich beispielsweise in den westlichen [[Industriegesellschaft]]en ein stetiger Wertewandel beobachten. Die Ursachen für den Wertewandel sind vielfältig (veränderte Umweltbedingungen, Konflikthaltung gegenüber anderen Generationen usw.). Werte unterscheiden sich von [[Einstellung (Psychologie)|Einstellungen]] darin, dass sie stabiler sind.
 
=== Wertekonflikte ===
Das System aller Werte ist anscheinend nicht widerspruchsfrei bzw. einzelne Werte scheinen mit bestimmten anderen Werten in einem Konkurrenzverhältnis zu stehen. So wird gelegentlich postuliert, dass der Wert des [[Wohlstand]]s im Konflikt mit dem Wert der [[Nachhaltigkeit]] oder der Wert der individuellen [[Freiheit]] mit anderen Werten (etwa der [[Gleichheit]]) steht.
 
Eine differenziertere Betrachtung ergibt allerdings auch hier ein differenzierteres Bild. So werden bei solchen Debatten oft verschiedene Zeit- und Abstraktionsebenen vermischt. Im obigen Beispiel etwa steht der Wert des Wohlstands nur kurzfristig im Konflikt mit dem Wert der Nachhaltigkeit; langfristig kann ohne Nachhaltigkeit kein Wohlstand generiert werden. Auch die Freiheit steht im Grunde nicht im Gegensatz zu anderen Werten, sondern mit anderen Freiheiten (bzw. der Freiheit anderer).
 
Andererseits können Werte, die abstrakt gesehen durchaus vereinbar scheinen, in konkreten Situationen miteinander in Konflikt treten. Es ist dann nicht möglich, sich so zu verhalten, dass man allen Werten gleichzeitig gerecht wird. In diesem Zusammenhang wird auch von einer ''Werte-Hierarchie'' gesprochen. Nicht alle Werte werden als gleichrangig angesehen, sodass auch in solchen Fällen meist eine mehr oder weniger klare Orientierung gegeben ist. Die jeweilige  Gewichtung eines Wertes ist im Einzelfall situations- und/oder kulturabhängig. Auch hier ist zu prüfen, ob es sich tatsächlich um eine Kollision von (abstrakt-generellen) Werten an sich handelt – oder nicht doch um einen (konkret-individuellen) normativen Zielkonflikt („Pflichtenkollision“). Dieser Konflikt wurde einschlägig von [[Max Weber]] durch die Unterscheidung zwischen [[Verantwortungsethik|Verantwortungs-]] und [[Gesinnungsethik]] zum Ausdruck gebracht.
 
Politische, geschäftliche, zwischenmenschliche oder auch innerpersonale Konflikte lassen sich häufig auf eine Kollision zwischen unterschiedlichen Werten bzw. Glaubenssätzen zurückführen. Im [[Gordon-Modell]], einem Kommunikations-Modell zur Lösung von Konflikten, wird zwischen Wertekonflikten und Bedürfniskonflikten unterschieden.<ref>Winfried Noack: ''Seelsorgerliche Diakonie: Leitfaden für ehrenamtliche Helfer in Kirchengemeinden und Mitarbeiter in diakonischen Einrichtungen.'' [[Frank & Timme]], Berlin 2010, ISBN 978-3-86596-287-4, [http://books.google.com/books?id=8TlQTYhPM6cC&pg=PA43 S. 43]</ref>
 
=== Durchsetzung von Werten ===
Problematisch ist auch, wie man die allgemein anerkannten Werte durchsetzt. Aus [[Egoismus|egoistischer]] Sicht ist es manchmal vorteilhafter, sich nicht an soziale Normen zu halten, insbesondere dann, wenn man eine gute Chance hat, nicht erwischt zu werden. Deswegen braucht eine Gesellschaft ein (möglichst gut funktionierendes) Sanktionssystem, damit aus Werten abgeleitete Normen möglichst gut von allen eingehalten werden. Ist dieser Druck zu groß, beschneidet man allerdings wieder die individuelle Freiheit des Einzelnen.
{{Siehe auch|Ethik#Das Durchsetzungsproblem|titel1=„Das Durchsetzungsproblem“ im Artikel Ethik}}
 
== Universelle Werte ==
In den 1980er Jahren hatte der Psychologe [[Shalom H. Schwartz]] zusammen mit [[Wolfgang Bilsky]] die Frage aufgeworfen, ob es universelle Werte gibt. Er entwarf ein ''Wertemodell'' und postulierte eine Anzahl von Werten, die alle Menschen in unterschiedlichen Ausprägungen gemeinsam haben müssten. Sein Forschungsschwerpunkt lag dabei allerdings auf der Wertestruktur und deren motivationale Beziehung zueinander.
 
Das [[InterAction Council]], eine Expertengruppe aus Politikern, Sozialwissenschaftlern und Vertretern weltweiter Religionsgemeinschaften erarbeitete eine möglichst umfangreiche Minimalsynthese, ausgehend von politischen Prämissen und einer Bestandsaufnahme weltanschaulicher und religiöser Ideale. 1997 wurden ethische Optionen für den Alltag als „[[Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten]]“ vorgelegt.
 
Weitere Ansätze sind das Projekt [[Weltethos]] von [[Hans Küng]], die internationale [[Erd-Charta]], die [[Diskursethik]] oder das Projekt ''Ethify Yourself''.<ref>Roland Alton: ''Ethify Yourself. Mit neun Werten leben und wirtschaften.'' [http://ethify.org/content/werte Online Buch], ethify.org, Kapitel Werte, abgerufen am 18. April 2014.</ref>
 
Allerdings werden global-ethische Perspektiven nicht ohne Kritik akzeptiert.<ref>Vgl. J.-C. Kapumba Akenda: ''Kulturelle Identität und interkulturelle Kommunikation.'' IKO, Frankfurt/M. 2004, S. 166.</ref> 2004 formulierte [[Jean-Chrysostome Kapumba Akenda|J.-C. Kapumba Akenda]] als Dilemma des ethischen Universalismus: Einerseits ist der weltweite Anspruch der [[Vernunft]] und der Gerechtigkeit und andererseits die Souveränität [[Lokale Gemeinschaften|lokaler Gemeinschaften]] zu achten ''(siehe hierzu auch die unterschiedlichen Überzeugungen der [[Kalte und heiße Kulturen oder Optionen|„kalten und heißen Kulturen“]].)'' Als „Bausteine des ethischen Universalismus“ schlug Akenda diesbezüglich die „Solidarität ohne [[Paternalismus]]“ und die „Kommunikation ohne Konsenszwang“ vor.<ref>Vgl. Akenda: ''Kulturelle Identität.'' S. 268ff und S. 285</ref>
 
== Werte im Wirtschaftsleben ==
{{Hauptartikel|Wirtschaftsethik|Wertschöpfung (Wirtschaft)}}
 
Im Wirtschaftsleben findet der Wertebegriff vorrangig in materieller Bedeutung Verwendung: So versteht etwa die [[Geldwirtschaft]] „Wertschöpfung“ als das wesentliche Ziel produktiver [[Tätigkeit]]. Dabei geht es um die Umwandlung vorhandener [[Gut (Wirtschaftswissenschaft)|Güter]] in Güter mit höherem [[Geldwert]]. Produzierende Unternehmen rechnen mit einem Produktionskonto, mit dem die durch die Produktionstätigkeit entstandenen Einnahmen und Ausgaben dargestellt werden. Die „Bruttowertschöpfung“ gilt als Messgröße für die wirtschaftliche Leistung eines Betriebes.<ref>[[Michael S. Aßländer]]: ''Von der vita activa zur industriellen Wertschöpfung: Eine Sozial- und Wirtschaftsgeschichte menschlicher Arbeit.'' Metropolis, Marburg 2005.</ref>
 
Das Thema Werte hat jedoch im Zusammenhang mit der Banken- und Managerkrise in den letzten Jahren auch in der ökonomischen Diskussion eine zunehmende (und neue) Beachtung gefunden. Es ist im Sinne von [[Erich Fromm]]<ref>Erich Fromm: ''Haben oder Sein – Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft.'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1976.</ref> eine neuerliche Ethikdiskussion über das Verhältnis von materiellen und immateriellen Werten in einer wissensbasierten [[Ökonomie]] und deren Bewertung aufgebrochen. Relevante Stichworte dazu sind [[Nachhaltigkeit]], soziale Verantwortung (''[[Corporate Social Responsibility]]''), Wertemanagement, werteorientierte [[Teamführung|Personalführung]], wertebalancierte [[Unternehmensführung]] und ethische Entwicklung. Angesichts der Skandale ist zunehmend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt, dass die materielle Wertorientierung von der ethischen nicht abgekoppelt werden darf, wenn die Gesellschaft eine humane Ausrichtung erhalten soll.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Wertvorstellung}}
* {{WikipediaDE|Wertvorstellung}}
* {{WikipediaDE|European Values Study}}, eine umfangreiche, transnationale empirische Langzeitstudie zu Werten und Einstellungen der Europäer.
* {{WikipediaDE|World Values Survey}} (Weltweite Werte-Erhebung), die umfangreichste und weiträumigste Umfrage über menschliche Werte.
 
== Literatur ==
; Allgemeines
 
* Michael S. Aßländer: ''Von der vita activa zur industriellen Wertschöpfung: Eine Sozial- und Wirtschaftsgeschichte menschlicher Arbeit.'' Metropolis, Marburg 2005, ISBN 3-89518-510-8.
* Erich Fromm: ''Haben oder Sein – Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft.'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1976, ISBN 3-421-01734-4.
* Hans Joas: ''Braucht der Mensch Religion?'' Herder, Freiburg im Breisgau 2004<sup>2</sup>, ISBN 3-451-05459-0.
* Hans Joas: ''Die Entstehung der Werte.'' Suhrkamp, Frankfurt/Main 1997, ISBN 3-518-29016-9.
* Hans Küng: ''Projekt Weltethos.'' Piper, München 1990, ISBN 3492034268.
* Herbert Schnädelbach, ''Werte und Wertungen.'' In: Ders.: ''Analytische und postanalytische Philosophie.'' Suhrkamp, Frankfurt 2004, ISBN 3-518-29290-0, S. 242–265.
* Max Scheler: ''Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik. Neuer Versuch der Grundlegung eines ethischen Personalismus.'' Verlag von Max Niemeyer, Halle 1916.
* Andreas Urs Sommer: ''Werte. Warum man sie braucht, obwohl es sie nicht gibt''. Metzler, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-476-02649-1.
* Siegbert A. Warwitz: ''Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen. Erklärungsmodelle für grenzüberschreitendes Verhalten.'' 2., erw. Auflage, Schneider, Baltmannsweiler 2016, ISBN 978-3-8340-1620-1.
 
; Einführungen
* Joseph Maria Bocheński: ''Wege zum philosophischen Denken.'' Herder Verlag, Freiburg i. Br. 1972<sup>10</sup>, ISBN 3-451-01562-5 (viele Nachaufl.).
* Hans Joas: ''Die Entstehung der Werte.'' Suhrkamp, Frankfurt/Main 1997, ISBN 3-518-29016-9.
 
; Anthologien
* Ronald Inglehart, Alejandro Moreno, Miguel Basanez: ''Human Values and Beliefs: A Cross-Cultural Sourcebook.'' University of Michigan Press, Ann Arbor 1998, ISBN 0472108336.
* Peter Prange: ''Werte – Von Plato bis POP – Alles, was uns verbindet.'' Droemer Knaur, München 2006, ISBN 3-426-27392-6.
 
; Zeitgeist, Wertwandel, Zukunft
* Jean-Chrysostome Kapumba Akenda: ''Kulturelle Identität und interkulturelle Kommunikation.'' Zur Problematik des ethischen Universalismus im Zeitalter der Globalisierung. Iko-Verlag für Interkulturelle Kommunikation, Frankfurt am Main, London 2004, ISBN 3-88939-742-5.
* Karl-Heinz Hillmann: ''Wertwandel. Ursachen – Tendenzen – Folgen.'' Carolus, Würzburg o. J. [2004], ISBN 3-9806238-1-5.
 
; Studien
* Thomas Gensicke: ''Jugend und Religiosität.'' In: Deutsche Shell (Hrsg.): ''Jugend 2006. Eine pragmatische Jugend unter Druck.'' 15. Shell Jugendstudie, Fischer, Frankfurt/Main 2006.
* Thomas Gensicke: ''Zeitgeist und Wertorientierungen.'' In: Deutsche Shell (Hrsg.): ''Jugend 2006. Eine pragmatische Jugend unter Druck.'' 15. Shell Jugendstudie, Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 2006.
* UNICEF: [http://www.unicef.de/6060.html ''Repräsentativer Kinderwerte-Monitor 2008''].
 
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
{{Wikiquote|Wert}}
* [http://www.respectresearchgroup.org/ Interdisziplinäres Forschungsprojekt zum Wert „Respekt“, mit Zitaten, Forschungsnewsletter und Literaturhinweisen], RespectResearchGroup
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4132695-7}}
 
[[Kategorie:Sozialpsychologie]]
[[Kategorie:Wertvorstellung|!]]
[[Kategorie:Wertphilosophie]]
[[Kategorie:Wertethik]]
[[Kategorie:Ethik]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 10. Dezember 2019, 00:03 Uhr


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