Porphyr und Sinn und Sein. Der gemeinsame Ursprung von Gestalt und Bewegung: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Quarzporphyr.jpg|thumb|300px|[[Wikipedia:Löbejüner Porphyr|„Quarzporphyr“ (Rhyolith) aus Löbejün]]]]
"Die vorliegende Abhandlung ist auch für jene verständlich und, nach der Hoffnung des Verfassers, aufschlußreich, welche die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners nicht kennen. Für jene aber, die sich schon einige Vertrautheit mit dieser angeeignet haben, sei hinzugefügt, daß das im folgenden Ausgeführte eine Art Kommentar zu einigen Partien der Allgemeinen Menschenkunde [14 Vorträge, gehalten in Stuttgart vom 21.8. bis 5.9.1919, GA 293] Rudolf Steiners darstellt. Die betreffenden Stellen sind nach der Überzeugung des Verfassers nur dann verständlich, wenn man sich der Zusammenhänge innerhalb ihres eigenartigen Bereichs, auf welche sie hinweisen, durch eigene seelische Beobachtung und deren gedankliche Durchdringung, wie es in der vorliegenden Abhandlung vorgeschlagen wird, vergewissert. Übrigens dürften diese Ausführungen auch im allgemeinen eine Lesehilfe bei der Dechiffrierung geistesforscherischer Resultate sein." (Aus der Vorbemerkung von 'Sinn und Sein')


'''Porphyr''' (von {{ELSalt|πορφύρα}} ''porphyra'' „[[Purpur]]“) ist eine zusammenfassende Bezeichnung für unterschiedlich zusammengesetze [[Vulkanit|vulkanische]] [[Gestein]]e, die aus einem [[Wikipedia:Gefüge (Geologie)|Gefüge]] von einzelnen großen, gut ausgebildeten [[Kristall]]en in einer sehr feinkörnigen, typisch rötlichen bis purpurfarbenen Grundmasse bestehen. Teilweise sehen sie noch ähnlich aus wie [[Granite]]. Meist haben die Porphyre einen hohen Gehalt an [[Feldspat]]en, die in großen [[Kristall]]en erscheinen. Sie enthalten in der Regel wenig oder gar keinen [[Glimmer]], dafür aber meist [[Hornblende]] und [[Quarz]]. Quarzreiche Porphyre (''„Quarzporphyr“'') haben auch größere [[Quarz]]kristalle und werden heute als porphyrischer [[Wikipedia:Rhyolit|Rhyolit]] bezeichnet. Quarzarme Porphyre enthalten entweder gar keinen Quarz oder nur feinst verteilt in der Grundmasse.
Editorische Notiz: "Diese Schrift geht auf einen Vortrag zurück, welcher im Rahmen einer vom Rudolf-Steiner-Fonds für wissenschaftliche Forschung veranstalteten Tagung am 29.Januar 1979 in Stuttgart gehalten wurde. Sie ist in der vorliegenden Fassung das Ergebnis einer bis in den September 1988 reichenden kontinuierlichen, mehrere Jahre übergreifenden Folge umfangreicher Überarbeitungen und Erweiterungen. Die Schrift darf im ganzen als abgeschlossen gelten, wenn Herbert Witzenmann auch den Abschnitt 25, welchen er noch in den letzten Tagen vor seinem Ableben am 24. September 1988 einfügte, nicht mehr abschließen konnte und dieser daher Fragment blieb." (Richard Weinberg)


In einem Notizbucheintrag [[Rudolf Steiner]]s zur Gesteinsbildung aus dem Jahr 1923 heißt es:


{| style="width:600px;" | class="centered" |
== Inhalt ==
|-
Vorbemerkung 7
| valign="top"| <poem>Im Porphyr erstirbt das Welten-Pflanzen-
Tier - d a n n erstirbt im Schiefer
"Die seelische Beobachtung des Erkenntnisvorgangs und der Bewußtseinsereignisse überhaupt wird oft mit einem «Philosophieren» im Sinne eines schlußfolgernden Gebrauchs des Denkens verwechselt. Sie steht aber der naturwissenschaftlichen Forschungsweise entschieden näher als einer solchen Spekulation, da sie den Gedanken nur zur Ordnung und Durchdringung von Beobachtungen gebraucht." (S. 7)
das Pflanzenwesen - im Kalk das
Tierwesen - und im Salz erlischt das
Menschenwesen - der andere Pol
ist der Schwefel, in dem das
Mineral verbrennt.</poem> || valign="top" | <poem>M i n e r a l verbrennt im Schwefel.
P f l a n z e schichtet Wärme im Schiefer.
Pflanzen-Tier körnt Empfindung im Porphyr.
T i e r bewahrt Formgebilde im Kalk.
M e n s c h dichtet Gedanken in das Salz.
Sulphurisch tritt der Mensch ins Irdische.
Schiefrig macht er sich die Anpassung ans
Irdische zurecht.
Empfindung weckend (porphyrartig)
gliedert er sich
und formt sich menschlich im
in Salz-Einlagerung die Gedanken-
Grundlagen zu schaffen.</poem>
{{Lit|{{Beiträge|122|55}}}}
|}


Das „Welten-Pflanzen-Tier“, das im Porphyr erstarb, umfasste damals, als sich der [[Mond]] noch nicht von der [[Erde (Planet)|Erde]] abgetrennt hatte, noch die ganze Erden-Monden-Sphäre. Erst durch das Ersterben dieses „Welten-Pflanzen-Tieres“ konnten sich einerseits die [[Einzellebewesen]] und anderseits die [[Mineral]]ien bildenm, die sich aus der lebendigen [[Ureiweißatmosphäre]] der frühen Erde absonderten.
"Die seelische Beobachtung ist eine ''phänomenologische'' Methode, die nur solche Ausgangspunkte ihrer Untersuchung wählt, welche der Beobachtung unmittelbar zugänglich sind." (S. 8)


== Literatur ==
1. Erste Orientierung 11
2. Der Zusammenhang von Beobachtung und Bewegung. Sinn und Sein 12
3. Zusammenfassung einiges Vorangehenden 32
 
4. Strukturbildung und Sprache 36
5. Veranlagte, gelenkte und beobachtete Beobachtung 47
6. Zusammenfassung einiges Vorangehenden 51
7. Individualisierung und Universalisierung 53
8. Ein Scheinproblem; vom Rein-Wahrnehmlichen 57
 
"Ein Vorurteil, welches ein Hindernis der hier erforderlichen Klärung bildet, tritt nicht selten in Gestalt der Vermutung auf, von reiner Wahrnehmung könne (sofern überhaupt) nur dann die Rede sein, wenn unser Bewußtseinsumfang keinerlei begriffliche Elemente, also allein Rein-Wahrnehmliches enthalte. Daß ein solcher Bewußtseinszustand in unserem gewohnten Erfahren nur als seltene Ausnahme auftritt (etwa in der «Schrecksekunde»), steht außer Frage. Er ist auch nicht für ein überzeugtes Innesein (ohne besondere Übungsvorbereitung) dadurch herstellbar, daß man alle Begriffe aus unserem Bewußtseinsfeld herauszuschaffen versucht, - wenngleich man von diesen theoretisch absehen kann. Doch erweisen sich die Begriffe gegenüber einer solchen Bemühung im realen Fall
als absolut resistent, sie scheinen unlöslich an den Wahrnehmungen zu haften, ebenso wie diese sich weigern, die von ihnen festgehaltenen begrifflichen Beziehungen freizugeben." (S. 57f.)
 
9. Zum Universalienproblem 61
 
"[Sprache] ist (wenigstens in ihrer ursprünglichen Funktion) nicht Zeichensetzung für ein Vorhandenes, sondern eine Ausdruckgestaltung, die aus einem sich bildenden Geschehen und dessen Mitvollziehen entsteht." (S. 66)
 
10. Zum Übergangsproblem vom Selbstgebundenen zum Nicht-Selbstgebundenen 68
 
11. Vom Gefüge der Begriffe 72
 
12. Beobachtung als in sich reflektiertes Bewußtsein 74
 
13. Intuitiver Wesentausch, inspirative begriffliche Phantasie und imaginative Inhärenz 79
 
"Die phantasiegewobenen Vorindividuationen [allgemeiner Begriffe, hgp] sind dem Wahrnehmlichen angebotene Postulate eines bestimmten Zusammenhanggefüges, das ihm Gestalt geben könne. Angesichts eines solchen Postulates fällt die (wirklichkeit- und wahrheitgemäße) Entscheidung über seine Tauglichkeit und Gültigkeit dadurch, daß das Widerständig-Beobachtbare das Angebot entweder abstößt oder annimmt, indem es dieses an sich heran- und in sich hineinzieht und vollends auf den ganz bestimmten Fall hin, den es darstellt, individualisiert und festlegt.[FN1] Im Falle der Angebotsannahme seitens des objektiven Wahrnehmungsäquivalents entsteht eine Vorstellung. Die Wirklichkeitgemäßheit dieser Vorstellung hängt davon ab, ob sie ihr individuelles Gepräge von der Seite des Objektiv-Wahrnehmlichen durch Festlegung an und in diesem und nicht durch die subjektive Willkür des Urteilenden, also durch unwissenschaftliches Vor-Urteil erhält. Die wirklichkeitgemäße Vorstellungbildung ist also nicht eine solche ''über'' ein ihr gegenüberstehendes Gebilde, sondern ein Vorgang ''in'' diesem, der an seiner Strukturbildung beteiligt ist. Die Vorstellungbildung als Indikator der Wahrheitbildung und -findung ist eine der großen Errungenschaften der goetheanistischen Erkenntniswissenschaft."
 
FN1 Vgl. H. Witzenmann, Intuition und Beobachtung, Teil 2, «Ein Weg zur Wirklichkeit».
(S. 80)
 
14. Der Inhärenzbegriff als wissenschaftlicher Grundbegriff 82
 
15. Das Wirklichkeitkriterium und die dreigliedrige Beobachtung 89
 
16. Inhärente und repräsentierende Vorstellungen. Zuwendung und Abwendung 91
 
17. Gestalt und Bewegung, Plastisches und Musikalisches 96
 
18. Hellere und dunklere Anteile der Gebildeformung 101
 
19. Ein spezifisches Merkmal ortsverändernder Bewegungen 107
 
"Diese Schrift möchte zur Verlebendigung des materialistisch erstarrten Weltbildes beitragen und an seine Stelle eine allseitig dynamisierte, geistdurchdrungene Welterfassung treten lassen, wie sie sich der unvoreingenommenen seelischen Beobachtung darstellt." (S. 113)
 
20. Sich selbst merklich machendes Wahrnehmliches 116
 
21. Beseitigung des solipsistischen Mißverständnisses 121
 
"Die vorgelegte Darstellung ist nicht Psychologie, sondern Ontologie."  (S. 121)
 
"Aufgabe dieser Schrift ist es, die Geistbeschaffenheit und -geschaffenheit der Wirklichkeit als Ergebnis der strukturphänomenologischen Forschung wissenschaftlich zu begründen." (S. 122)
 
22. Zusammenfassung einiges Vorangehenden 122
 
23. Efferenz und Afferenz 124
 
24. Grund und Sinn von Gestalt und Bewegung. Der Sinn der Sinne 134
 
"Gestalt und Bewegung werden daher in der vorliegenden Darstellung nicht vorausgesetzt, sondern erklärt. Es wird verständlich gemacht, wodurch es möglich ist, daß die Wirklichkeit in diesen beiden Grundgebilden und -prozessen erscheint, welche Strukturen diese aufweisen und wie sie sich in Verwandtschaft und Unterschied aufeinander beziehen. (Von hieraus lassen sich auch, wie nur beiläufig erwähnt sei, die Rätsel lösen, die uns Raum und Zeit aufgeben)." (S. 135)
 
25. Die zu erfassende Einbettung, der Sinn der Evolution 137
 
26. Die Geistigkeit der äußeren Welt. Die Ästhetisierung der Wissenschaft 145
 
27. Die soziale Bedeutung des Dargestellten 146
 
"Im übrigen fällt vermutlich der hier umrissene Darstellungsinhalt dem eiligen Leser besonders auch dadurch lästig, daß er ihn nicht mit facts versorgt, die er ohne Anstrengung konsumierend in Empfang nehmen kann. Vielmehr wird ihm angesonnen, den wesentlichen Inhalt dieser Ausführungen erst durch das Vollziehen der vorgeschlagenen Beobachtungsübungen durch eigenes Produzieren in seinem Bewußtsein entstehen zu lassen." (S. 147)
 
28. Das Schauorgan für die Wirklichkeit. Die Begründung einer neuen Kulturepoche 149
 
29. Resultat 149
 
== Inhaltsangaben ==
== Bezüge zu GA 293 (Allgemeine Menschenkunde) ==
== Kommentar ==
''"Der Mensch, ich, gab der Welt in unsichtbarem Schöpferakt erst die Vollendung, das objektive Sein. Man hat diesen Akt dem Schöpfer allein zugeschrieben und nicht bedacht, daß wir damit Leben und Sein als eine auskalkulierte Maschine ansehen, die sinnlos, mitsamt der menschlichen Psyche, nach vorbekannten und -bestimmten Regeln weiterläuft. In einer solchen trostlosen Uhrwerkphantasie gibt es kein Drama von Welt, Mensch und Gott; keinen 'neuen Tag', der zu 'neuen Ufern' führt, sondern nur die Öde errechneter Abläufe. (...) [D]er Mensch ist unerläßlich zur Vollendung der Schöpfung, ja er ist der zweite Weltschöpfer selber, welcher der Welt erst das objektive Sein gibt, ohne das sie ungehört, ungesehen, ... durch Hunderte von Jahrmillionen in der tiefsten Nacht des Nicht-Seins zu einem unbestimmten Ende hin ablaufen würde. Menschliches Bewußtsein erst hat objektives Sein und den Sinn geschaffen, und dadurch hat der Mensch seine im großen Seinsprozeß unerläßliche Stellung gefunden. ([[C.G. Jung]]: Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung, Walter-Verlag, Olten, 1971, S. 259f.)''
 
== Online-Text GA 293, Seite xy  (Test)==
 
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</div>
</center>


#''Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe'', Heft 122 {{Beiträge|122}}
== Personen- und Sachregister ==
===== Personenregister =====
*Ayer, Alfred 34
*Brentano, Franz 48
*Chomsky, Noam 135
*Eckhart, Meister 75
*Goethe 67, 79, 134ff.
*Helmholtz, Hermann von 14
*Kant 83
*Newton 134
*Schleiermacher, Friedrich 69
*Stegmüller, Wolfgang 62
*Steiner, Rudolf 71, 83, 92, 149, 151
*Wittgenstein, Ludwig 63


{{GA}}
===== Sachregister =====
* Abstraktionstheorie 83, 89, 106
* Afferenz und Efferenz
* Affizierung 17, 19-32, 39, 43ff., 76-78, 112, 116, 132f., 138, 144
* Affizierungstheorie 23
* Antikausalität 22, 137, 140, 148
* Basisaffizierung 132f.
* Beobachtungssinn 17, 28f., 124, 126, 148
* Dekomposition 20f.
* Eigenaffektionssinn 37f.
* Eigenaffizierung s. Affizierung
* Efferenz s. Afferenz und Efferenz
* Erkenntniswissenschaft 80
* Evolution 22, 34, 57, 137ff., s.a. Weltentwickelung
* Freiheit
* Goetheanismus 80
* intersubjektiv 64
* Lebenssinn 18ff., 28, 37, 53, 77f.
* Organisation (leibliche)
* Organismus (leiblicher) s. Organisation
* Selbstaffizierung s. Affizierung
* Sinn 16, 23, 28f., 34, 44 - 47, 53, 68, 79f., 84, 86, 89, 95, 132 - 140, 146ff., 150
** Beobachtungssinn 17, 28f., 124, 126, 148
** (im Sinne von Gewahren)
** (im Sinne von Bedeutung)
* Subjekt, subjektiv 20, 24, 26, 29, 32f., 35, 48, 64, 73, 80, 89f., 104, 117, 120, 150f.
**intersubjektiv 64
**subjektallgemein 73
**übersubjektiv 117, 122
* Vorerkannte, das
* Wahrheit 80,83
* Wahrheitkriterium 83
* Weltentwickelung 68f., s.a. Evolution
* Wissen, wissen
* Wissenschaftlichkeit 80


== Weblinks ==
== Literaturverweise ==
{{Commonscat|Porphyry}}
H. Witzenmann, Intuition und Beobachtung, Teil 2, «Ein Weg zur Wirklichkeit». (S. 80)
* [[Mineralienatlas: Porphyr]]


[[Kategorie:Geologie]] [[Kategorie:Gestein]]
== Literatur ==
* [[Herbert Witzenmann]]: ''Sinn und Sein. Der gemeinsame Ursprung von Gestalt und Bewegung. Zur Phänomenologie des Denkblicks. Ein Beitrag zur Erschließung seiner menschenkundlichen Bedeutung'', Verlag Freies Geistesleben (1989), ISBN 3772508723
* Rudolf Steiner: ''Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik'', [[GA 293]] (1992), ISBN 3-7274-2930-5 {{Vorträge|293}}
[[Kategorie:Philosophie]][[Kategorie:Erkenntnistheorie]][[Kategorie:Ontologie]][[Kategorie:Herbert Witzenmann]]
* [[wikipedia:Reto Andrea Savoldelli|Reto Andrea Savoldelli]]: ''Vom Verstehen und Vergehen. Strukturphänomenologische Betrachtung zu Unterschied und Zusammenhang zwischen Gestalt und Bewegung, den Grundgebilden des Erkennens und des Wirklichkeitsaufbaues.'', 2012, PDF, erhältlich im e-store von das-seminar.ch,  Online-Text im SeminarBlog: [http://www.das-seminar.ch/styled/Herbert%20Witzenmann/das%20Seminar/page24/files/b414ddbcca09058f813d3e0a68b8ad44-14.php]

Version vom 28. November 2015, 13:51 Uhr

"Die vorliegende Abhandlung ist auch für jene verständlich und, nach der Hoffnung des Verfassers, aufschlußreich, welche die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners nicht kennen. Für jene aber, die sich schon einige Vertrautheit mit dieser angeeignet haben, sei hinzugefügt, daß das im folgenden Ausgeführte eine Art Kommentar zu einigen Partien der Allgemeinen Menschenkunde [14 Vorträge, gehalten in Stuttgart vom 21.8. bis 5.9.1919, GA 293] Rudolf Steiners darstellt. Die betreffenden Stellen sind nach der Überzeugung des Verfassers nur dann verständlich, wenn man sich der Zusammenhänge innerhalb ihres eigenartigen Bereichs, auf welche sie hinweisen, durch eigene seelische Beobachtung und deren gedankliche Durchdringung, wie es in der vorliegenden Abhandlung vorgeschlagen wird, vergewissert. Übrigens dürften diese Ausführungen auch im allgemeinen eine Lesehilfe bei der Dechiffrierung geistesforscherischer Resultate sein." (Aus der Vorbemerkung von 'Sinn und Sein')

Editorische Notiz: "Diese Schrift geht auf einen Vortrag zurück, welcher im Rahmen einer vom Rudolf-Steiner-Fonds für wissenschaftliche Forschung veranstalteten Tagung am 29.Januar 1979 in Stuttgart gehalten wurde. Sie ist in der vorliegenden Fassung das Ergebnis einer bis in den September 1988 reichenden kontinuierlichen, mehrere Jahre übergreifenden Folge umfangreicher Überarbeitungen und Erweiterungen. Die Schrift darf im ganzen als abgeschlossen gelten, wenn Herbert Witzenmann auch den Abschnitt 25, welchen er noch in den letzten Tagen vor seinem Ableben am 24. September 1988 einfügte, nicht mehr abschließen konnte und dieser daher Fragment blieb." (Richard Weinberg)


Inhalt

Vorbemerkung 7

"Die seelische Beobachtung des Erkenntnisvorgangs und der Bewußtseinsereignisse überhaupt wird oft mit einem «Philosophieren» im Sinne eines schlußfolgernden Gebrauchs des Denkens verwechselt. Sie steht aber der naturwissenschaftlichen Forschungsweise entschieden näher als einer solchen Spekulation, da sie den Gedanken nur zur Ordnung und Durchdringung von Beobachtungen gebraucht." (S. 7)

"Die seelische Beobachtung ist eine phänomenologische Methode, die nur solche Ausgangspunkte ihrer Untersuchung wählt, welche der Beobachtung unmittelbar zugänglich sind." (S. 8)

1. Erste Orientierung 11

2. Der Zusammenhang von Beobachtung und Bewegung. Sinn und Sein 12

3. Zusammenfassung einiges Vorangehenden 32

4. Strukturbildung und Sprache 36

5. Veranlagte, gelenkte und beobachtete Beobachtung 47

6. Zusammenfassung einiges Vorangehenden 51

7. Individualisierung und Universalisierung 53

8. Ein Scheinproblem; vom Rein-Wahrnehmlichen 57

"Ein Vorurteil, welches ein Hindernis der hier erforderlichen Klärung bildet, tritt nicht selten in Gestalt der Vermutung auf, von reiner Wahrnehmung könne (sofern überhaupt) nur dann die Rede sein, wenn unser Bewußtseinsumfang keinerlei begriffliche Elemente, also allein Rein-Wahrnehmliches enthalte. Daß ein solcher Bewußtseinszustand in unserem gewohnten Erfahren nur als seltene Ausnahme auftritt (etwa in der «Schrecksekunde»), steht außer Frage. Er ist auch nicht für ein überzeugtes Innesein (ohne besondere Übungsvorbereitung) dadurch herstellbar, daß man alle Begriffe aus unserem Bewußtseinsfeld herauszuschaffen versucht, - wenngleich man von diesen theoretisch absehen kann. Doch erweisen sich die Begriffe gegenüber einer solchen Bemühung im realen Fall als absolut resistent, sie scheinen unlöslich an den Wahrnehmungen zu haften, ebenso wie diese sich weigern, die von ihnen festgehaltenen begrifflichen Beziehungen freizugeben." (S. 57f.)

9. Zum Universalienproblem 61

"[Sprache] ist (wenigstens in ihrer ursprünglichen Funktion) nicht Zeichensetzung für ein Vorhandenes, sondern eine Ausdruckgestaltung, die aus einem sich bildenden Geschehen und dessen Mitvollziehen entsteht." (S. 66)

10. Zum Übergangsproblem vom Selbstgebundenen zum Nicht-Selbstgebundenen 68

11. Vom Gefüge der Begriffe 72

12. Beobachtung als in sich reflektiertes Bewußtsein 74

13. Intuitiver Wesentausch, inspirative begriffliche Phantasie und imaginative Inhärenz 79

"Die phantasiegewobenen Vorindividuationen [allgemeiner Begriffe, hgp] sind dem Wahrnehmlichen angebotene Postulate eines bestimmten Zusammenhanggefüges, das ihm Gestalt geben könne. Angesichts eines solchen Postulates fällt die (wirklichkeit- und wahrheitgemäße) Entscheidung über seine Tauglichkeit und Gültigkeit dadurch, daß das Widerständig-Beobachtbare das Angebot entweder abstößt oder annimmt, indem es dieses an sich heran- und in sich hineinzieht und vollends auf den ganz bestimmten Fall hin, den es darstellt, individualisiert und festlegt.[FN1] Im Falle der Angebotsannahme seitens des objektiven Wahrnehmungsäquivalents entsteht eine Vorstellung. Die Wirklichkeitgemäßheit dieser Vorstellung hängt davon ab, ob sie ihr individuelles Gepräge von der Seite des Objektiv-Wahrnehmlichen durch Festlegung an und in diesem und nicht durch die subjektive Willkür des Urteilenden, also durch unwissenschaftliches Vor-Urteil erhält. Die wirklichkeitgemäße Vorstellungbildung ist also nicht eine solche über ein ihr gegenüberstehendes Gebilde, sondern ein Vorgang in diesem, der an seiner Strukturbildung beteiligt ist. Die Vorstellungbildung als Indikator der Wahrheitbildung und -findung ist eine der großen Errungenschaften der goetheanistischen Erkenntniswissenschaft."

FN1 Vgl. H. Witzenmann, Intuition und Beobachtung, Teil 2, «Ein Weg zur Wirklichkeit». (S. 80)

14. Der Inhärenzbegriff als wissenschaftlicher Grundbegriff 82

15. Das Wirklichkeitkriterium und die dreigliedrige Beobachtung 89

16. Inhärente und repräsentierende Vorstellungen. Zuwendung und Abwendung 91

17. Gestalt und Bewegung, Plastisches und Musikalisches 96

18. Hellere und dunklere Anteile der Gebildeformung 101

19. Ein spezifisches Merkmal ortsverändernder Bewegungen 107

"Diese Schrift möchte zur Verlebendigung des materialistisch erstarrten Weltbildes beitragen und an seine Stelle eine allseitig dynamisierte, geistdurchdrungene Welterfassung treten lassen, wie sie sich der unvoreingenommenen seelischen Beobachtung darstellt." (S. 113)

20. Sich selbst merklich machendes Wahrnehmliches 116

21. Beseitigung des solipsistischen Mißverständnisses 121

"Die vorgelegte Darstellung ist nicht Psychologie, sondern Ontologie." (S. 121)

"Aufgabe dieser Schrift ist es, die Geistbeschaffenheit und -geschaffenheit der Wirklichkeit als Ergebnis der strukturphänomenologischen Forschung wissenschaftlich zu begründen." (S. 122)

22. Zusammenfassung einiges Vorangehenden 122

23. Efferenz und Afferenz 124

24. Grund und Sinn von Gestalt und Bewegung. Der Sinn der Sinne 134

"Gestalt und Bewegung werden daher in der vorliegenden Darstellung nicht vorausgesetzt, sondern erklärt. Es wird verständlich gemacht, wodurch es möglich ist, daß die Wirklichkeit in diesen beiden Grundgebilden und -prozessen erscheint, welche Strukturen diese aufweisen und wie sie sich in Verwandtschaft und Unterschied aufeinander beziehen. (Von hieraus lassen sich auch, wie nur beiläufig erwähnt sei, die Rätsel lösen, die uns Raum und Zeit aufgeben)." (S. 135)

25. Die zu erfassende Einbettung, der Sinn der Evolution 137

26. Die Geistigkeit der äußeren Welt. Die Ästhetisierung der Wissenschaft 145

27. Die soziale Bedeutung des Dargestellten 146

"Im übrigen fällt vermutlich der hier umrissene Darstellungsinhalt dem eiligen Leser besonders auch dadurch lästig, daß er ihn nicht mit facts versorgt, die er ohne Anstrengung konsumierend in Empfang nehmen kann. Vielmehr wird ihm angesonnen, den wesentlichen Inhalt dieser Ausführungen erst durch das Vollziehen der vorgeschlagenen Beobachtungsübungen durch eigenes Produzieren in seinem Bewußtsein entstehen zu lassen." (S. 147)

28. Das Schauorgan für die Wirklichkeit. Die Begründung einer neuen Kulturepoche 149

29. Resultat 149

Inhaltsangaben

Bezüge zu GA 293 (Allgemeine Menschenkunde)

Kommentar

"Der Mensch, ich, gab der Welt in unsichtbarem Schöpferakt erst die Vollendung, das objektive Sein. Man hat diesen Akt dem Schöpfer allein zugeschrieben und nicht bedacht, daß wir damit Leben und Sein als eine auskalkulierte Maschine ansehen, die sinnlos, mitsamt der menschlichen Psyche, nach vorbekannten und -bestimmten Regeln weiterläuft. In einer solchen trostlosen Uhrwerkphantasie gibt es kein Drama von Welt, Mensch und Gott; keinen 'neuen Tag', der zu 'neuen Ufern' führt, sondern nur die Öde errechneter Abläufe. (...) [D]er Mensch ist unerläßlich zur Vollendung der Schöpfung, ja er ist der zweite Weltschöpfer selber, welcher der Welt erst das objektive Sein gibt, ohne das sie ungehört, ungesehen, ... durch Hunderte von Jahrmillionen in der tiefsten Nacht des Nicht-Seins zu einem unbestimmten Ende hin ablaufen würde. Menschliches Bewußtsein erst hat objektives Sein und den Sinn geschaffen, und dadurch hat der Mensch seine im großen Seinsprozeß unerläßliche Stellung gefunden. (C.G. Jung: Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung, Walter-Verlag, Olten, 1971, S. 259f.)

Online-Text GA 293, Seite xy (Test)

Personen- und Sachregister

Personenregister
  • Ayer, Alfred 34
  • Brentano, Franz 48
  • Chomsky, Noam 135
  • Eckhart, Meister 75
  • Goethe 67, 79, 134ff.
  • Helmholtz, Hermann von 14
  • Kant 83
  • Newton 134
  • Schleiermacher, Friedrich 69
  • Stegmüller, Wolfgang 62
  • Steiner, Rudolf 71, 83, 92, 149, 151
  • Wittgenstein, Ludwig 63
Sachregister
  • Abstraktionstheorie 83, 89, 106
  • Afferenz und Efferenz
  • Affizierung 17, 19-32, 39, 43ff., 76-78, 112, 116, 132f., 138, 144
  • Affizierungstheorie 23
  • Antikausalität 22, 137, 140, 148
  • Basisaffizierung 132f.
  • Beobachtungssinn 17, 28f., 124, 126, 148
  • Dekomposition 20f.
  • Eigenaffektionssinn 37f.
  • Eigenaffizierung s. Affizierung
  • Efferenz s. Afferenz und Efferenz
  • Erkenntniswissenschaft 80
  • Evolution 22, 34, 57, 137ff., s.a. Weltentwickelung
  • Freiheit
  • Goetheanismus 80
  • intersubjektiv 64
  • Lebenssinn 18ff., 28, 37, 53, 77f.
  • Organisation (leibliche)
  • Organismus (leiblicher) s. Organisation
  • Selbstaffizierung s. Affizierung
  • Sinn 16, 23, 28f., 34, 44 - 47, 53, 68, 79f., 84, 86, 89, 95, 132 - 140, 146ff., 150
    • Beobachtungssinn 17, 28f., 124, 126, 148
    • (im Sinne von Gewahren)
    • (im Sinne von Bedeutung)
  • Subjekt, subjektiv 20, 24, 26, 29, 32f., 35, 48, 64, 73, 80, 89f., 104, 117, 120, 150f.
    • intersubjektiv 64
    • subjektallgemein 73
    • übersubjektiv 117, 122
  • Vorerkannte, das
  • Wahrheit 80,83
  • Wahrheitkriterium 83
  • Weltentwickelung 68f., s.a. Evolution
  • Wissen, wissen
  • Wissenschaftlichkeit 80

Literaturverweise

H. Witzenmann, Intuition und Beobachtung, Teil 2, «Ein Weg zur Wirklichkeit». (S. 80)

Literatur

  • Herbert Witzenmann: Sinn und Sein. Der gemeinsame Ursprung von Gestalt und Bewegung. Zur Phänomenologie des Denkblicks. Ein Beitrag zur Erschließung seiner menschenkundlichen Bedeutung, Verlag Freies Geistesleben (1989), ISBN 3772508723
  • Rudolf Steiner: Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik, GA 293 (1992), ISBN 3-7274-2930-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  • Reto Andrea Savoldelli: Vom Verstehen und Vergehen. Strukturphänomenologische Betrachtung zu Unterschied und Zusammenhang zwischen Gestalt und Bewegung, den Grundgebilden des Erkennens und des Wirklichkeitsaufbaues., 2012, PDF, erhältlich im e-store von das-seminar.ch, Online-Text im SeminarBlog: [1]