Phaidon und Rechnen: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
 
imported>Joachim Stiller
 
Zeile 1: Zeile 1:
Der '''Phaidon''' ({{ELSalt|Φαίδων}}, [[Latein|lat.]] ''{{lang|la|Phaedo}}'') ist ein zwischen 385 und 378 v. Chr. entstandener [[Platonischer Dialog|Dialog]] des griechischen Philosophen [[Platon]]. Er gehört zusammen mit den Dialogen [[Euthyphron]], [[Apologie (Platon)|Apologie des Sokrates]] und dem [[Kriton]] zur ersten [[Tetralogie (Platon)|Tetralogie]] der platonischen Werke. Platon schildert im ''Phaidon''  das letzte Zusammentreffen des [[Sokrates]] mit seinen Freunden. Der ''Phaidon'' ist zeitlich und thematisch an die [[Apologie (Platon)|Apologie des Sokrates]] und den [[Kriton]] angelehnt, gehört aber zu den mittleren Schriften, in denen die [[Ideenlehre]] im Mittelpunkt steht. Schriften aus dieser Periode sind außerdem das ''[[Symposion (Platon)|Symposion]]'', der ''[[Phaidros]]'' und das zweite bis zehnte Buch der ''[[Politeia]]''. Auf die Bitte des [[Pythagoras|Pythagoreers]] [[Echekrates]] aus [[Phleius]] berichtet Phaidon diesem von den letzten Stunden des Sokrates und von dem letzten Gespräch: der Argumentation vom Fortleben der Seele. Phaidon selbst gründete nach Sokrates' Tod eine [[Philosophenschule]] in [[Elis]] und schrieb sokratische Dialoge.
'''Rechnen''' ({{mhd|rechnen, rechenen}}; {{ahd|rechanon}}, von [[Indogermanische Wortwurzeln|indogerm.]] ''*reg-'' „lenken, richten, leiten“) ist eine [[mensch]]liche [[Fähigkeit]], die eine komplexere Form des [[Zählen]]s darstellt, bei der [[Menge (Mathematik)|Mengen]] nicht nur abgezählt, sondern etwa auch auf auf eine festgelegte Anzahl von Teilen aufgeteilt ([[#Die vier Grundrechnungsarten|Division, Teilung]]), zusammengezählt ([[#Die vier Grundrechnungsarten|Addition]]), vervielfacht ([[#Die vier Grundrechnungsarten|Multiplikation]]) oder voneinander abgezählt ([[#Die vier Grundrechnungsarten|Subtraktion]]) werden. Ganz allgemein handelt es sich dabei implizit um die [[Logik|logische]] Verküpfung zunächst konkreter und später auch abstrakter, d.h. rein gedanklicher [[Objekt]]e.


== Dialogsituation ==
== Ursprung der Rechenkunst ==
Der Dialog beginnt mit einer Rahmenhandlung, in der Echekrates, der erst nach der Hinrichtung des Sokrates nach Athen gekommen war, Phaidon bittet, über den Tag der Hinrichtung zu berichten. Phaidon willigt ein und verweist darauf, dass Sokrates die Zeit zu den Gesprächen mit seinen Schülern erhalten habe wegen des Brauches, dass die Athener im Gedenken an [[Theseus]] jährlich ein Schiff nach [[Delos]] schickten, um [[Apollon]] zu ehren, und dass während dieser Zeit niemand getötet werden dürfe. Der Prozess des Sokrates hatte aber gerade einen Tag nach Beginn der Zeremonie stattgefunden. Wenn im weiteren Dialog erwähnt wird, dass man versuchen müsse, „wie auf einem Floß unter Gefahren das Leben zu durchsegeln”, dann wird im Einleitungsgespräch eine entsprechende Parallele sichtbar: die anscheinend nebensächliche Erörterung der Verschiebung des Hinrichtungstermins (58a-58c). Denn der Aufschub erfolgte aufgrund eines Festes in Erinnerung an Theseus, der einst das Opferschiff für den Minotauros steuerte und sich und die anderen rettete, indem er den Minotauros besiegte. Diesen Theseus symbolisiert Sokrates, der auf dem Weg zur Erkenntnis die Möglichkeit hat, sich und seine Begleiter (durch die philosophische Rede) zu retten, indem er sie zum philosophischen Leben führt, das trotz allem noch gefährlich bleibt. So wird erst in diesem Zusammenhang sichtbar, dass die „zweimal sieben” (58a) in 59bc erwähnt werden. Es ist also kein Zufall, dass dort gerade vierzehn der anwesenden Personen beim Namen genannt werden.


So konnten die Freunde und Schüler des Sokrates jeden Tag zum Gefängnis gehen und warten, bis sie Einlass zu Sokrates erhalten, bei dem sie meist den ganzen Tag verbrachten. Die Hinrichtung erfolgte am Tag nach der Rückkehr des Schiffes aus Delos. Wieder hatten sich die Freunde vor dem Gefängnis versammelt, mussten aber länger als sonst warten, weil Sokrates am Morgen durch die [[Elfmänner]] die Mitteilung erhielt, dass der Tag der Hinrichtung gekommen sei. Als sie danach das Gefängnis betraten, war noch [[Xanthippe]] mit ihrem Sohn bei Sokrates, die dieser wegen ihres Jammerns wegbringen ließ.
Nach [[Rudolf Steiner]] wurde das Rechnen in seiner elementarsten Form erstmals von den [[Ur-Semiten]] in der [[Atlantis|atlantischen Zeit]] entwickelt und brachte nicht nur einen Fortschritt der praktischen [[Denkfähigkeit]], sondern hatte darüber hinaus vor allem auch eine große [[moral]]ische Bedeutung. Die Atlantier, namentlich die [[Ur-Turanier]], hatten damals bereits eine große [[Magie|magische]] Macht über die [[Lebenskräfte]] gewonnen und stellten diese immer mehr in den Dienst des persönlichen [[Egoismus]], wodurch zerstörerische Kräfte freigesetzt wurden, die zuletzt zum Untergang der [[Atlantis]] führten. Durch die Ursemiten wurde die Basis für die [[Kulturepochen|nachatlantische Kultur]] geschaffen.


Der Kreis der Versammelten war recht groß. Außer Phaidon waren noch anwesend Apollodoros, Kritobulos und dessen Vater Kriton, Äschines und Antisthenes, Ktesippos aus Päania, Menexenos und andere Landsleute sowie [[Simmias von Theben|Simmias]], Kebes und Phaidonides aus Theben sowie Eukleides und Terpsion aus Megara. Es fehlten Aristipp und Kleombrotos sowie Platon, der krank war. Die Stimmung beschreibt Phaidon als 'seltsam', schmerzvoll, aber doch auch freudig wegen der Gefasstheit von Sokrates und der Aussicht auf ein gelingendes Weiterleben auch nach dem Tod.
{{GZ|Solche zerstörende Wirkung konnte nur dadurch aufgehalten werden, daß im Menschen sich eine höhere Kraft ausbildete. Und das war die Denkkraft. Das logische Denken wirkt zurückhaltend auf die eigensüchtigen persönlichen Wünsche. Den Ursprung dieses logischen Denkens haben wir bei der fünften Unterrasse<ref name=Unterrasse>Der Begriff ''[[Unterrasse]]'' entstammt der damals gebräuchlichen Terminologie der [[Theosophische Gesellschaft|Theosophischen Gesellschaft]] und wurde von [[Rudolf Steiner]] später ebenso wie der Begriff «[[Wurzelrasse]]» nicht mehr verwendet. Steiner hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Begriff «[[Rasse]]» in der [[Kulturepochen|nachatlantischen Zeit]] eigentlich nicht mehr berechtigt ist, da nun nicht mehr die körperliche, sondern die seelisch-geistige Entwicklung in den Vordergrund rückt. Die Gliederung der Menschheit in Rassen wird allmählich völlig überwunden werden und ist schon heute für die geistige Entwicklung der Menschheit bedeutungslos.</ref> (den Ursemiten) zu suchen. Die Menschen fingen an, über die bloße Erinnerung an Vergangenes hinauszugehen und die verschiedenen Erlebnisse zu vergleichen. Die Urteilskraft entwickelte sich. Und nach dieser Urteilskraft wurden die Wünsche, die Begierden geregelt. Man fing an, zu rechnen, zu kombinieren. Man lernte, in Gedanken zu arbeiten. Hat man früher sich jedem Wunsche hingegeben, so frägt man jetzt erst, ob der Gedanke den Wunsch auch billigen könne. Stürmten die Menschen der vierten Unterrasse wild los auf die Befriedigung ihrer Begierden, so begannen diejenigen der fünften auf eine innere Stimme zu hören. Und diese innere Stimme wirkt eindämmend auf die Begierden, wenn sie auch die Ansprüche der eigensüchtigen Persönlichkeit nicht vernichten kann.


== Inhalt ==
So hat die fünfte Unterrasse die Antriebe zum Handeln in das menschliche Innere verlegt. Der Mensch will in diesem seinem Innern mit sich ausmachen, was er zu tun oder zu lassen hat. Aber das, was so im Innern an Kraft des Denkens gewonnen wurde, ging an Beherrschung äußerer Naturgewalten verloren. Mit diesem kombinierenden Denken kann man nur die Kräfte der mineralischen Welt bezwingen, nicht die Lebenskraft. Die fünfte Unterrasse entwickelte also das Denken auf Kosten der Herrschaft über die Lebenskraft. Aber gerade dadurch erzeugte sie den Keim zur Weiterentwickelung der Menschheit. Jetzt mochte die Persönlichkeit, die Selbstliebe, ja die Selbstsucht noch so groß werden: das bloße Denken, das ganz im Innern arbeitet und nicht mehr unmittelbar der Natur Befehle erteilen kann, vermag solche verheerende Wirkungen nicht anzurichten wie die mißbrauchten früheren Kräfte. Aus dieser fünften Unterrasse wurde der begabteste Teil ausgewählt, und dieser lebte hinüber über den Niedergang der vierten Wurzelrasse und bildete den Keim zur fünften, der [[Arier|arischen Rasse]], welche die vollständige Ausprägung der denkenden Kraft mit allem, was dazu gehört, zur Aufgabe hat.|11|40f|39}}
Ausgehend von seinen durch die nun gelösten Fesseln schmerzenden Gelenken denkt Sokrates über das eigenartige Verhältnis von Lust und Schmerz nach, die immer nacheinander auftauchen.
:„Zusammen mögen sie nicht beide zum Menschen kommen; wenn man aber dem einen nachjagt und es ergreift, so kann man kaum anders als auch das andere mit zu ergreifen: es sind gleichsam zwei verschiedene Wesen, aber mit gemeinsamem Scheitelpunkt.“ (60 e)<ref>Die Zitate aus dem Text des Phaidon erfolgen nach der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher. Die Seitenangaben beziehen sich auf die Stephanus-Paginierung.</ref>
Auf Frage des [[Kebes]], was er dem Euenos ausrichten solle, der sich darüber wunderte, dass Sokrates im Gefängnis begonnen hatte, Texte des [[Äsop]] in Verse zu fassen, meinte Sokrates, dieser solle ihm, wenn er klug wäre, nachfolgen. Aufgrund der Verwunderung des Kebes erläutert Sokrates, dass der Philosoph gerne sterbe. Zwar ist es streng verboten, sich selbst zu töten, weil es dem göttlichen Willen widerspricht, aber wer ernsthaft philosophiert, wird den Tod als sinnvoll anstreben. Die Ablehnung von Kebes und Simmias führt Sokrates dazu, seine Haltung grundsätzlich zu erläutern. Er fasst dabei seine Darlegung als philosophische Verteidigung seiner Lebensweise auf.
:„Wohlan denn, sprach er, lasst mich versuchen, ob ich mich mit besserem Erfolg vor euch verteidigen kann als vor den Richtern. Nämlich, oh Simmias und Kebes, wenn ich nicht glaubte, zuerst zu andern Göttern zu kommen, die auch weise und gut sind, und dann auch zu verstorbenen Menschen, welche besser sind als die hiesigen, so täte ich vielleicht unrecht, nicht unwillig zu sein über den Tod. Nun aber wisset nur, dass ich zu wackeren Männern zu kommen hoffe.“ (63 c - d)
Noch vor der ersten argumentativen Entfaltung seiner Hoffnung auf die Unsterblichkeit der Seele, wird dieses Thema als Kern des Dialogs herausgestellt. So beginnt Sokrates mit einer ausführlichen Erörterung seiner Hoffnung, dass er nach dem Tod zu den Göttern und zu den besseren verstorbenen Menschen gelange. Diese Hoffnung ziele auch darauf ab, dass es den Guten nach ihrem Sterben besser gehe als den Schlechten. '''Der Tod ist''' für Sokrates '''die Trennung von Leib und Seele''' – und danach strebe der wahre Philosoph schon zu Lebzeiten.
Er zeigt nun seinen Gesprächspartnern, dass der Philosoph sich nicht um die ''Gelüste'' wie Essen, Trinken, Geschlechtlichkeit, Schmuck usw. kümmere. Dagegen wende dieser sich sogar vom Leib ab und der Seele zu. Dies bedeute für den Philosophen, schon im Leben sehr nahe an den Zustand des Todes heranzukommen.
Als Nächstes zeigt er, dass der Leib der ''richtigen Einsicht'' im Wege stehe. Selbst die besten Sinnesorgane unterlegen der Täuschung. Aber im Denken offenbare sich das eigentlich Seiende, denn das Gerechte, das Schöne und Gute habe noch niemand gesehen, dennoch existiere das, worauf man sich täglich berufe, im Denken.
Danach erwähnt Sokrates die negative ''Abhängigkeit'' vom Leib, die sich in Krankheit, Gelüsten, Begierden, Furcht und Abhängigkeit von Nahrung äußere. Selbst Kriege seien auf die Begierden des Leibes zurückzuführen. Alle diese Begebenheiten wirkten sich als Störung für die Erkenntnis aus.
So kommt Sokrates zu dem Schluss, dass es aufgrund des zuvor Gesagtem nur zwei Möglichkeiten gebe: Entweder man komme niemals zur Einsicht oder aber nach dem Tod.


Das erste Argument von Sokrates ist, dass die Seele weiter fortlebe und deshalb der Philosoph im Tode das Ziel seines Strebens erreicht habe – Unabhängigkeit. Doch da Kebes mit dieser Erklärung nicht zufrieden ist und an der Unsterblichkeit der Seele zweifelt, erläutert Sokrates seine Äußerung durch drei Argumente, die ihrer Art nach [[Gottesbeweis]]en ähnlich sind. Zum einen ist es die Erzählung von der Wanderung der Seele durch den [[Unterwelt der griechischen Mythologie|Hades]] und vom Vergehen und Entstehen in der Natur. In dieser Argumentation zeigen sich [[Pythagoras|pythagoreische]] und [[heraklit]]ische Einflüsse: Alles entstehe aus seinem Gegenteil - wie das Kalte aus dem Warmen entstehe oder das Wachende aus dem Schlafenden, so entstehe das Leben aus dem Tod.
{{GZ|Der Mensch von heute kann sich kaum mehr
:„würde nicht ebenso, lieber Kebes, wenn alles zwar stürbe, was am Leben Anteil hat, nachdem es aber gestorben wäre, das Tote immer in dieser Gestalt bliebe und nicht wieder auflebte, ganz notwendig zuletzt alles tot sein und nichts leben? Denn wenn zwar aus dem Andern das Lebende würde, das Lebende aber stürbe, wie wäre denn zu helfen, dass nicht zuletzt alles im Totsein aufginge?“ (72 c - d)
eine Vorstellung davon machen, welche Ausdehnung das
In dieser Argumentation steht der Gedanke der Seelenwanderung in Verbindung mit dem Begriff der Wiedererinnerung, der [[Anamnesis]], die insbesondere im Dialog [[Menon]] dargelegt wird.
Gedächtnis bei den Atlantiern gehabt hat. Rechnen konnten
:„wenn jemand irgend etwas sieht oder hört oder anders wahrnimmt und dann nicht nur jenes erkennt, sondern dabei noch ein anderes vorstellt, dessen Erkenntnis nicht dieselbe ist, sondern eine andere, ob wir dann nicht mit Recht sagen, dass er sich dessen nicht erinnere, wovon er so eine Vorstellung bekommen hat?“ (73 c - d)
sie nur wenig. Alles beruhte auf dem Zusammenhang, den
Daraus folgt, dass die Seelen auch schon vor der Geburt des Menschen existiert haben.
sie sich aus dem Gedächtnis heraus bildeten. Zum Beispiel
drei mal sieben wußten sie aus dem Gedächtnis, nicht aber
konnten sie es errechnen. Sie kannten kein Einmaleins. Eine
andere Kraft, welche bei ihnen ausgebildet war, die aber
noch schwieriger zu verstehen ist, war die, daß sie auf die
Lebenskraft selbst einen gewissen Einfluß hatten. Durch
eine besondere Ausbildung der Willenskraft konnten sie auf
das Lebendige einen unmittelbaren Einfluß gewinnen, so
zum Beispiel auf das Wachstum einer Pflanze.|53|300|301}}


Als dritter wichtiger Beweis wird die Ähnlichkeit der Seele mit dem unsichtbar Beständigen, dem unveränderlichen Sein, aufgeführt.
{{GZ|Der logische Verstand, die rechnerische
:„Das Gleiche selbst, das Schöne selbst, und so jegliches, was nur ist selbst, nimmt das wohl jemals auch nur irgendeine Veränderung an? Oder verhält sich nicht jedes dergleichen als ein einartiges Sein an und für sich immer auf gleiche Weise und nimmt niemals auf keine Weise irgendwie eine Veränderung an?“ (78 d)
Kombination, auf denen alles beruht, was heute hervorgebracht
Sokrates unterscheidet hier zwei Formen des Seins, deren Beschaffenheit grundsätzlich verschieden ist: Sinnendinge, die dem Leib entsprechen und [[Idee]]n, die der Seele entsprechen. Als Beherrscherin des Leibes ist die Seele dem göttlichen ähnlich.
wird, fehlten den ersten Atlantiern ganz. Dafür
:„Also welche sich so verhält, die geht zu dem ihr Ähnlichen, dem Unsichtbaren und zu dem Göttlichen, Unsterblichen, Vernünftigen, wohin ihr dann gelangt, zuteil wird, glückselig zu sein, von Irrtum und Unwissenheit, Furcht und wilder Liebe und allen andern menschlichen Übeln befreit, indem sie, wie es bei den Eingeweihten heißt, wahrhaft die übrige Zeit mit Göttern lebt.“ (81 a)
hatten sie ein hochentwickeltes ''[[Gedächtnis]]''. Dieses Gedächtnis
Sokrates lenkt das Gespräch auf die Frage nach der Ursache von Vergehen und Entstehen. Schon in seiner Jugend habe er Freude an der Frage nach der Ursache der Dinge gehabt. Doch die bekannten Antworten  wie Fäulnis ([[Archelaos (Philosoph)|Archelaos]]), Luft ([[Anaximenes]]) oder Feuer ([[Heraklit]]) hatten ihn nicht zufriedengestellt.
war eine ihrer hervorstechendsten Geistesfähigkeiten.
:„Und wenn ich wiederum das Vergehen von alle diesem betrachtete und die Veränderungen am Himmel und auf der Erde, so kam ich mir am Ende zu dieser ganzen Untersuchung so untauglich vor, dass gar nichts darübergeht.“ (96 b – c)
Sie rechneten zum Beispiel nicht, wie wir, dadurch,
Auch die Lösung des [[Anaxagoras]], der als Ursache von Werden und Vergehen etwas Immaterielles, den Geist (Nous), genannt hatte, war letztendlich unbefriedigend, weil auch bei diesem der Geist mit materiellen Wirkungen verbunden war. Knochen und Sehnen sind ein Mittel, aber nicht Ursache des Aufstehens. Daher schloss Sokrates
daß sie sich gewisse Regeln aneigneten, die sie
:„dass bei einem jeden Dinge etwas anderes ist, die Ursache und etwas anderes jenes, ohne welches die Ursache nicht Ursache sein könnte; und eben dies scheinen mir wie im Dunkeln tappend die meisten mit einem ungehörigen Namen, als wäre es selbst die Ursache, zu benennen.“ (99 b)
dann anwendeten. Ein «Einmaleins» war etwas in den
Eine Ursache kann man nicht sinnlich wahrnehmen. Eine Erklärung der Dinge mit Hilfe der Dinge ist nicht möglich. Daraus ergibt sich die Überlegung, dass eine Erklärung in den Gedanken (logoi) zu finden sei „und in diesen die Wahrheit der Dinge (aletheia ton onton)“ (99 e). Das Prinzip der dabei anzustellenden Untersuchung ist eine Hypothese. Hier wird das allgemeine Prinzip des sokratischen Gesprächs angesprochen. Jede Hypothese wird anhand von Argumenten auf Widersprüche hin untersucht.
atlantischen Zeiten ganz Unbekanntes. Niemand hatte
:„Also dahin wendete ich mich, und indem ich jedesmal den Gedanken zum Grunde lege, den ich für den stärksten halte, so setze ich, was mir scheint mit diesem übereinzustimmen, als wahr, es mag nun von Ursachen die Rede sein oder von was nur sonst, was aber nicht, als nicht wahr.“ (100 a)
seinem Verstande eingeprägt, daß dreimal vier zwölf ist.
So kommt Sokrates zu dem Schluss, dass die beste Erklärung darin liegt, dass die Ideen die Ursache des Seienden sind.
Daß er sich in dem Falle, wo er eine solche Rechnung
:„Mir scheint nämlich, wenn irgend etwas anderes schön ist außer jenem Selbstschönen, es wegen gar nichts anderem schön sei, als weil es teil habe an jenem Schönen, und ebenso sage ich von allem.“ (100 c)
auszuführen hatte, zurechtfand, beruhte darauf, daß er
Sokrates beschreibt das Verhältnis von Idee und Dingen als das Prinzip der Teilhabe ([[Methexis]]), der Anwesenheit (parusia) und der Gemeinschaft (koinonia). (vgl. 100 d) Zum Prinzip der Ideen gehört, die Möglichkeit gleichzeitiger Teilhabe der Dinge an unterschiedlichen und entgegengesetzten Wesenheiten. So ist Größe immer relativ zu etwas Anderem. Man kann im Verhältnis zu einer Person groß und zu einer anderen Person klein sein.
sich auf gleiche oder ähnliche Fälle besann. Er ''erinnerte''
:„Es ist nämlich dieses, dass nicht nur jenes Entgegengesetzte selbst sich einander nicht annimmt; sondern auch alles das, was einander eigentlich nicht entgegengesetzt ist, doch aber das Entgegengesetzte immer in sich hat, auch dieses scheint jene Idee nicht annehmen zu wollen, die der in ihm wohnenden entgegengesetzt ist, sondern, wenn sie kommt, entweder unterzugehen oder sich davonzumachen.“ (104 b - c)
sich, wie das bei früheren Gelegenheiten war. Man muß
Sokrates kommt zurück auf seinen Ausgangspunkt. Das Gegenteil von Leben ist der Tod. Und weil die Seele immer mit dem Leben verbunden ist, wird sie nie die Eigenschaft des Todes annehmen. Also ist die Seele unsterblich. Allerdings, so gesteht Sokrates zu, kann man das Ausgeführte nicht mit Vernunft beweisen. Der Glaube an das ewige Bestehen der Seele ist ein Wagnis.
sich nur klarmachen, daß jedesmal, wenn sich in einem
:„Denn es ist ein schönes Wagnis, und man muß mit solcherlei gleichsam sich selbst besprechen. Darum spinne ich auch schon so lange an der Erzählung. Also um deswillen muß ein Mann gutes Mutes sein seiner Seele wegen, der im Leben die andern Lüste, die es mit dem Leibe zu tun haben, und dessen Schmuck und Pflege hat fahren gelassen, als etwas ihn selbst nicht Angehendes und wodurch er nur Übel ärger zu machen befürchtete, jener Lust hingegen an der Forschung nachgestrebt und seine Seele geschmückt hat nicht mit fremdem, sondern mit dem ihr eigentümlichen Schmuck, Besonnenheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Edelmut und Wahrheit, so seine Fahrt nach der Unterwelt erwartend, um sie anzutreten, sobald das Schicksal rufen wird.“ (114 d – 115 a)
Wesen eine neue Fähigkeit ausbildet, eine alte an Kraft
und Schärfe verliert. Der heutige Mensch hat gegenüber
dem Atlantier den logischen Verstand, das Kombinationsvermögen
voraus. Das Gedächtnis ist dafür zurückgegangen. Jetzt denken die Menschen in Begriffen; der Atlantier
dachte in Bildern. Und wenn ein Bild vor seiner
Seele auftauchte, dann erinnerte er sich an so und so
viele ähnliche Bilder, die er bereits erlebt hatte. Danach
richtete er sein Urteil ein. Deshalb war damals auch aller
Unterricht anders als in späteren Zeiten. Er war nicht
darauf berechnet, das Kind mit Regeln auszurüsten, seinen
Verstand zu schärfen. Es wurde ihm vielmehr in anschaulichen
Bildern das Leben vorgeführt, so daß es später
sich an möglichst viel erinnern konnte, wenn es in diesen
oder jenen Verhältnissen handeln sollte. War das Kind
erwachsen und kam es ins Leben hinaus, so konnte es
sich bei allem, was es tun sollte, erinnern, daß ihm etwas
Ähnliches in seiner Lehrzeit vorgeführt worden war. Es
fand sich am besten zurecht, wenn der neue Fall irgendeinem
schon gesehenen ähnlich war. Unter ganz neuen
Verhältnissen war der Atlantier immer wieder aufs Probieren
angewiesen, während dem heutigen Menschen in
dieser Beziehung vieles erspart ist, weil er mit Regeln ausgerüstet
wird. Diese kann er auch in den Fällen leicht
anwenden, welche ihm noch nicht begegnet sind. Ein solches
Erziehungssystem gab dem ganzen Leben etwas
Gleichförmiges. Durch sehr lange Zeiträume hindurch
wurden immer wieder und wieder die Dinge in der gleichen
Weise besorgt. Das treue Gedächtnis ließ nichts aufkommen,
was der Raschheit unseres heutigen Fortschrittes
auch nur im entferntesten ähnlich wäre. Man tat, was man
früher immer «gesehen» hatte. Man ''erdachte'' nicht; man
erinnerte sich. Eine Autorität war nicht der, welcher viel
gelernt hatte, sondern wer viel erlebt hatte und sich daher
an viel erinnern konnte. Es wäre unmöglich gewesen,
daß in der atlantischen Zeit jemand vor Erreichung eines
gewissen Alters über irgendeine wichtige Angelegenheit
zu entscheiden gehabt hätte. Man hatte nur zu dem Vertrauen,
der auf lange Erfahrung zurückblicken konnte.


Der Dialog endet mit der Schilderung, wie Sokrates sich von seiner Familie verabschiedet und der Sterbeszene, in der Sokrates den [[Schierlingsbecher]] in Anwesenheit seiner weinenden Freunde ruhig trank und gelassen auf das Eintreten des Todes wartete. Den Schlusssatz hat Phaidon:
Das hier Gesagte gilt nicht von den [[Einweihung|Eingeweihten]] und
:„Dies, o Echekrates, war das Ende unseres Freundes, des Mannes, der unserm Urteil nach von den damaligen, mit denen wir es versucht haben, der trefflichste war und auch sonst der vernünftigste und gerechteste.“ (118 a)
ihren Schulen. Denn ''sie'' sind ja dem Entwickelungsgrade
ihres Zeitalters voraus. Und für die Aufnahme in solche
Schulen entscheidet nicht das Alter, sondern der Umstand,
ob der Aufzunehmende in seinen früheren Verkörperungen
sich die Fähigkeiten erworben hat, höhere Weisheit
aufzunehmen. Das Vertrauen, das den Eingeweihten
und ihren Agenten während der atlantischen Zeit entgegengebracht
worden ist, beruhte nicht auf der Fülle ihrer
persönlichen Erfahrung, sondern auf dem ''Alter'' ihrer
Weisheit. Beim Eingeweihten hört die Persönlichkeit auf,
eine Bedeutung zu haben. Er steht ganz im Dienste der
ewigen Weisheit.|11|26ff}}


== Die Ideenlehre im Phaidon ==
== Fingerrechnen und Kopfrechnen ==


Da weder der ''Phaidon'' noch ein anderer Dialog eine Begründung der [[Ideenlehre]] enthält, bleibt es dem Leser überlassen, die Begründung zu rekonstruieren. Im „Phaidon“ sind dafür die Abschnitte 72&thinsp;e–79&thinsp;e und 95&thinsp;e–105&thinsp;b wichtig.
[[Zählen]] und Rechnen ist primäre keine Tätigkeit des [[Kopf]]es, des [[Gehirn]]s, sondern wird mit dem ganzen Körper erlebt und das Gehirn spiegelt diese Erlebnisse nur ab. Wenn wir als Erwachsener auch nicht mehr äußerlich mit den Fingern zählen, so tun wir es doch mit den Fingern des [[Ätherleib]]s. Das sog. „Kopfrechnen“ ist also ein verinnerlichtes Zählen und Rechnen mit den Ätherfingern. Dazu kommt später das [[Wikipedia:Einmaleins|Einmaleins]], mit dem Zahlenrhythmen [[gedächtnis]]mäßig im Ätherleib verankert werden.
Zwei Themenfelder übernimmt die europäische [[Philosophie]] allerdings von Platon: die von Leib und [[Seele]], sowie die von Sinnendingen und [[Idee]]n. Im Phaidon werden beide Themenkomplexe behandelt, denn er handelt von der [[Erkenntnis]] der Ideen, um die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen.
:„Ehe wir also anfingen zu sehen oder zu hören oder die anderen Sinne zu gebrauchen, mussten wir schon irgendwoher die Erkenntnis bekommen haben des eigentlich Gleichen, was es ist, wenn wir doch das Gleiche in den Wahrnehmungen so auf jenes beziehen sollten, dass dergleichen alles zwar strebt zu sein wie jenes, aber doch immer schlechter ist.“ (75 a)


:„Wenn das etwas ist, was wir immer im Munde führen, das Schöne und Gute und jegliches Wesen dieser Art, und wir hierauf alles, was uns durch die Sinne kommt, beziehen, als auf ein vorher Gehabtes, was wir als das Unsrige wieder auffinden, und diese Dinge damit vergleichen, so muss notwendig, ebenso wie dieses ist, so auch unsere Seele sein, auch ehe wir noch geboren worden sind.“ (76 d - e)
Da der Mensch [[zehn]] [[Finger]] hat, ergibt sich daraus auch die Präferenz für das [[Wikipedia:Dezimalsystem|Dezimalsystem]]. Aber auch in dem später von den [[Wikipedia:Sumer|Sumerern]] und [[Wikipedia:Babylon|Babyloniern]] entwickelten [[Wikipedia:Sexagesimalsystem|Sexagesimalsystem]] (60er-System), das wir heute noch für die [[Zeit]]- und [[Wikipedia:Winkel|Winkel]]berechnung verwenden, kann gut mit den 10 Fingern gerechnet werden.


:„Sieh nun zu, sprach er, o Kebes, ob aus allem Gesagten uns dieses hervorgeht, dass dem Göttlichen, Unsterblichen, Vernünftigen, Eingestaltigen, Unauflöslichen und immer einerlei und sich selbst gleich sich Verhaltenden am ähnlichsten ist die Seele, dem Menschlichen und Sterblichen und Unvernünftigen und Vielgestaltigen und Auflöslichen und nie einerlei und sich selbst gleich Bleibenden diesem wiederum der Leib am ähnlichsten ist?“ (80 a – b)
{{GZ|Der Mensch glaubt gewöhnlich, er habe die Zahlen ausgedacht,
indem er immer eins zum andern hinzugefügt hat. Das ist aber gar
nicht wahr, der Kopf zählt überhaupt nicht. Man glaubt im gewöhnlichen
Leben gar nicht, welch ein merkwürdiges, unnützes Organ für
das Erdenleben dieser menschliche Kopf eigentlich ist. Er ist zur
Schönheit da, gewiß, weil das Antlitz den anderen gefällt. Er hat
noch mancherlei andere Tugenden, aber zu den geistigen Tätigkeiten
ist er eigentlich gar nicht so stark da, denn dasjenige, was er geistig
in sich hat, führt immer zurück in das frühere Erdenleben; er ist
das umgestaltete frühere Erdenleben. Und einen richtigen Sinn hat es
eigentlich nur dann für den Menschen, einen Kopf zu haben, wenn er
etwas weiß von seinen früheren Erdenleben. Alles andere kommt gar
nicht aus dem Kopf. Wir zählen nämlich in Wirklichkeit im Unterbewußten
nach den Fingern. In Wirklichkeit zählen wir 1-10 an den
Fingern und 11, 12, 13, 14 an den Zehen weiter. Das sieht man zwar
nicht, aber man macht das so bis 20. Und dasjenige, was man
im Körper auf diese Weise tut, das spiegelt sich im Kopfe nur ab.
Der Kopf schaut nur bei allem zu. Der Kopf im Menschen ist wirklich
nur ein Spiegelungsapparat von dem, was der Körper macht.
Der Körper denkt, zählt; der Kopf ist nur ein Zuschauer.


Zitate aus Platons Schriften lassen sich zu der These verdichten, dass Platon an einer rationalen Erkennbarkeit der Ideen letztlich zweifelt. Seine Schriften lassen keinen festen Standpunkt erkennen. So ist die Ideenlehre mehr das Produkt der Rezeption denn der Philosophie Platons.
Dieser Kopf hat eine merkwürdige Ähnlichkeit mit etwas anderem. Wenn Sie hier ein Auto haben (es wird gezeichnet) und Sie
sitzen bequem darinnen, so tun Sie gar nichts, der Chauffeur da
vorne muß sich plagen. Sie sitzen drinnen und werden durch die
Welt gefahren. So ist es auch mit dem Kopf; der plagt sich nicht, der
ist einfach auf Ihrem Körper, läßt sich ruhig durch die Welt tragen
und schaut allem zu. Dasjenige, was getan wird im geistigen Leben,
das wird alles vom Körper aus gemacht. Mathematisiert wird vom
Körper aus, gedacht wird auch vom Körper aus, gefühlt wird auch
vom Körper aus. - Die Rechenmaschine entspringt eben dem Irrtum,
als ob der Mensch mit dem Kopf rechnete. Man bringt dann dem
Kinde mit der Rechenmaschine die Rechnungen bei, das heißt, man
strengt seinen Kopf an, und der Kopf strengt dann damit den Körper
an, denn rechnen muß doch der Körper. Man berücksichtigt nicht,
daß der Körper rechnen muß. Das ist wichtig. Deshalb ist es richtig,
daß man das Kind mit den Fingern und auch mit den Zehen zählen
läßt, wie es überhaupt ganz gut wäre, wenn man möglichste Geschicklichkeit
bei den Kindern herausfordern würde.|311|81f}}


Kurzgefasst kann gesagt werden, dass sich der Begriff der Idee als Vermittlung zwischen Welt als Wirkung und einer letzten Ursache des Seins verstehen lässt. Insofern kann natürlich nur im übertragenen Sinne von einem Ideenhimmel oder dergl. gesprochen werden. Vom ontologischen Status der Ideen wird im Dialog ''Phaidon'' nicht gesprochen.
{{GZ|Aber warum können wir denn überhaupt
zählen? Ja, in Wirklichkeit machen wir es nämlich nicht anders
als die Wilden, nur haben die Wilden das mit ihren fünf Fingern
gemacht, mit ihren fünf physischen Fingern. Wir zählen auch, nur
zählen wir mit den Fingern unseres Ätherleibes und wissen nichts
mehr davon. Das spielt sich im Unterbewußtsein ab, da abstrahieren
wir. Denn dasjenige, wodurch wir zählen, das ist eigentlich der
Ätherleib, und eine Zahl ist noch immer nichts anderes in Wirklichkeit
als ein Vergleichen mit demjenigen, was in uns ist. Die ganze
Arithmetik ist in uns, und wir haben sie in uns hineingeboren durch
unseren Astralleib, so daß sie eigentlich aus unserem Astralleib
herauskommt, und unsere zehn Finger sind nur der Abdruck dieses
Astralischen und Ätherischen. Und dieser beiden bedient sich
nur dieser äußere Finger, während wir, wenn wir rechnen, dasjenige,
was durch den Astralleib bewirkt Inspiration von der Zahl, im Ätherleib
ausdrücken und dann durch den Ätherleib, mit dem wir überhaupt
denken, zählen. So daß wir sagen können: Äußerlich ist heute
für uns das Zählen etwas recht Abstraktes, innerlich hängt es damit
zusammen - und es ist sehr interessant, die verschiedenen Zählungsmethoden
nach der Zehnzahl, nach dem Dezimalsystem oder nach
der Zwölfzahl bei den verschiedenen Völkern zu verfolgen, wie das
mit der verschiedenen Konstitution ihres Ätherischen und Astralischen
zusammenhängt - , innerlich hängt es damit zusammen, daß
wir zählen, weil wir selbst erst gezählt sind; wir sind aus der Weltenwesenheit
heraus gezählt und nach der Zahl geordnet. Die Zahl ist
uns eingeboren, einverwoben von dem Weltenganzen. Draußen
werden uns nach und nach die Zahlen gleichgültig; in uns sind sie
nicht gleichgültig, in uns hat jede Zahl ihre bestimmte Qualität.
Versuchen Sie es nur einmal, die Zahlen herauszuwerfen aus dem
Weltenall, und sehen Sie sich an, was der Zahl gemäß gestaltet wird,
wenn einfach eins zu dem anderen hinzugesetzt würde; sehen Sie
sich an, wie dann Ihre Hand ausschauen würde, wenn da der
Daumen wäre, und nachher würde einfach das Nächste hinzugesetzt
als die gleiche Einheit, dann wiederum, wiederum: Sie hätten fünf
Daumen an der Hand, an der anderen Hand auch wiederum fünf
Daumen! - Das würde dann entsprechen dem abstrakten Zählen.
So zählen die Geister des Weltenalls nicht. Die Geister des Weltenalls
gestalten nach der Zahl und sie gestalten in jenem Sinne nach
der Zahl, den man früher mit der Zahl verband, wie gesagt, noch in
der ersten, noch in der zweiten Periode der nachatlantischen Zeit.
Das Herausentwickeln der abstrakten Zahl aus der ganz konkreten
Vorstellung des Zahlenhaften, des Zahlenmäßigen, das hat sich erst
im Laufe der Menschheitsentwickelung gebildet. Und darüber muß
man sich klar sein, daß es eine tiefe Bedeutung hat, wenn aus den
alten Mysterien heraus überliefert wird: Die Götter haben den Menschen
nach der Zahl gebildet. - Die Welt ist voller Zahl, das heißt,
alles wird nach der Zahl gebildet, und der Mensch ist nach der Zahl
herausgestaltet, so daß unser Zählen in jenen alten Zeiten nicht
vorhanden war; aber ein bildhaftes Denken in den Qualitäten der
Zahl, das war vorhanden.


== Rezeption ==
Da kommen wir in alte Zeiten zurück, wie gesagt, bis in die erste,
Der ''Phaidon'' ist einer der bekanntesten Dialoge Platons. Seine Wirkung entfaltet er insbesondere durch den Argumentationsgang von dem Weiterleben der Seele nach dem Tod. Hatte Sokrates in der Apologie noch gesagt ''Nun aber ist die Zeit gekommen uns zu trennen, ich als derjenige der sterben wird, ihr als die, die weiterleben werden. Wer von uns den bessern Weg geht, das bleibt allen verborgen, außer dem Gott'', nimmt er im Phaidon eine wesentlich zuversichtlichere Haltung bezüglich des Weiterlebens der Seele nach dem Tode ein.
zweite nachatlantische Periode, in die urindische, in die urpersische
Zeit, in denen ein Zählen in unserem Sinne durchaus nicht möglich
war, wo man mit der Zwei etwas ganz anderes verbunden hat, als
zweimal die Eins, mit der Drei etwas ganz anderes, als zwei und eins
und dergleichen.|204|134f}}


Platons Dialog erscheint als recht eingängig und klar, allerdings verbirgt sich hinter dem lockeren Dialog eine sehr schwierige und logisch komplizierte philosophische Konstruktion. Daher sind in neuerer Zeit verschiedene Kommentare zu einzelnen Dialogen geschrieben worden, die dem Leser die Möglichkeit geben, sich den Themen Platons nach Gesichtspunkten neuerer Forschung zu nähern.
== Einmaleins ==
So werden zwar der Argumentation des Sokrates heute viele logische Fehler nachgewiesen, allerdings wird die These vertreten, dass Platon diese Fehler bewusst inszeniert, um seine Leser zu gründlicherem Nachdenken zu veranlassen.
Häufig wird durch eine zu sehr vereinfachende Darstellung der Ideenlehre Platons der Eindruck vermittelt, es handele sich hier um ein starres Konzept [[Ontologie|ontologischer]] Ordnungen – dass er sich aber vielmehr um das Sprachfeld einer der wichtigsten Themenfelder der Philosophie handelt, wird dabei übersehen. Nicht nur dass es keine ausformulierte [[Ideenlehre]] bei Platon gibt, dieser Begriff selbst ist nachträglich auf das Konstrukt Platons gesetzt worden, weiter ist es auch nicht zulässig, die Dialogform außer Acht zu lassen, so ist der Dialog ''Phaidon'' in seiner Argumentation eher pythagoreisch, da die Gesprächspartner [[Pythagoreer]] sind. In der modernen Rezeption wird genau dieses berücksichtigt und mehr auf die Entfaltung eines Grundproblems hingewiesen, denn als auf eine feststehende Ideenlehre. Von besonderer Bedeutung ist hier der Kommentar zum Phaidon von [[Wikipedia:Theodor Ebert (Philosoph)|Theodor Ebert]].


== Ausgaben und Übersetzungen ==
{{GZ|Eine astralische Mutterhülle trägt der Mensch mit sich herum bis
* [[Wikipedia:John Burnet (Philologe)|John Burnet]] (Hrsg.): ''Plato: Phaedo''. In: ''Platonis Opera'', Bd. 1, Oxford 1958
zum vierzehnten, fünfzehnten Jahre, bis zur Geschlechtsreife. Da
* Platon: ''Phaidon'', übersetzt von Friedrich Schleiermacher und mit einem Nachwort von [[Wikipedia:Andreas Graeser|Andreas Graeser]], Stuttgart 1986. ISBN 978-3-15-000918-5
wirft er sie ab, und der [[Astralleib]] wird frei: sozusagen eine dritte Geburt
* Platon: ''Phaidon''; in: Sämtliche Werke Bd. II, Hamburg 1994. ISBN 3-499-55562-X
findet statt. Der Astralleib ist der Träger des menschlichen Urteils,
* Platon: ''Drei große Dialoge. Phaidon. Das Gastmahl. Phaidros.'' Einleitung, Übersetzung und Kommentar von [[Wikipedia:Arthur Hübscher|Arthur Hübscher]], München 2002. ISBN 3-492-23478-X
der menschlichen Kritik. Man sollte abkommen von der Ansicht,
* Platon, ''Phaidon''. Übersetzung und Kommentar von Theodor Ebert, Göttingen 2004.
daß das Kind möglichst früh zu einem selbständigen [[Urteil]] kommen
* Platon: ''Phaidon''. Griechisch–deutsch, übersetzt und herausgegeben von [[Wikipedia:Barbara Zehnpfennig|Barbara Zehnpfennig]], 2. Auflage, Hamburg 2008. ISBN 978-3-7873-1859-9
soll. Vom siebenten bis vierzehnten Jahr ist es notwendig, einen weisen
* Friedrich Schleiermacher (Übersetzer): ''Phaidon''. In: Erich Loewenthal (Hrsg.): ''Platon: Sämtliche Werke in drei Bänden'', Bd. 1, unveränderter Nachdruck der 8., durchgesehenen Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17918-8, S. 729–811 (nur Übersetzung)
Gedächtnisschatz zu sammeln für das Leben, um so sich in der
* [[Wikipedia:Otto Apelt|Otto Apelt]] (Übersetzer): ''Platon: Phaidon oder Über die Unsterblichkeit der Seele''. In: Otto Apelt (Hrsg.): ''Platon: Sämtliche Dialoge'', Bd. 2, Meiner, Hamburg 2004, ISBN 3-7873-1156-4 (Übersetzung mit Einleitung und Erläuterungen; Nachdruck der 3. Auflage, Leipzig 1923)
Zeit, wo der Astralleib geboren wird, einen möglichst reifen und
reichen Seeleninhalt zu erschaffen. Erst dann soll das Urteilen beginnen. Die frühere Methode, in den Schulen das Einmaleins einfach auswendig
lernen zu lassen: 1*1 &#61; 1 und so weiter, ist, da sie eine rein
gedächtnismäßige ist, bedeutend vorzuziehen der jetzigen abstrakten
Methode, an der sogenannten Rechenmaschine das Einmaleins mit
roten und weißen Kugeln zu «beweisen». Diese ist entschieden schädlich.
Auch hier gilt dasselbe wie beim kleinen Kinde; dieses versteht
die Sprache lange Zeit, ehe es selbst sprechen kann. So soll man es
auch erst urteilen lassen wollen, wenn es einen guten Gedächtnisschatz
für den Ätherleib sich angeeignet, gewisse bleibende Neigungen
und Gewohnheiten entwickelt hat.|109|207f}}


== Literatur ==
{{GZ|Wenn gerade heute sehr viel darauf gesehen wird, daß alles verstanden
* Torsten Menkhaus: ''Eidos, Psyche und Unsterblichkeit. Ein Kommentar zu Platons Phaidon'', Frankfurt und London 2003
werden soll, daß man gewissermaßen nicht einmal das Einmaleins
* [[Wikipedia:Franz von Kutschera|Franz von Kutschera]]: ''Platons Philosophie II'', Paderborn 2002
den Kindern beibringen soll, ohne daß sie überall verstehen
* [[Wikipedia:David Bostock|David Bostock]]: ''Plato’s Phaedo'', Oxford 1986
sollen — sie verstehen es ja doch nicht! -, dann macht man die Kinder
* [[Wikipedia:Dorothea Frede|Dorothea Frede]]: ''Platons Phaidon, Werkinterpretation'', Darmstadt 1999
statt zu verständigen Menschen zu Rechenmaschinen. Man prägt
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_platon_phaidon.pdf Platon: Phaidon - Anmerkungen] PDF
ihnen den in der elementaren Umwelt gelegenen Verstand ein, von
dem ich letzthin gesprochen habe, statt daß man ihren eigenen Verstand
entwickelt. Und das geschieht nämlich heute sehr häufig. Die
Leute bemühen sich geradezu, das Ideal aufzustellen, nicht aus den
Menschen den Verstand herauszuholen, sondern den Elementarverstand
heranzutragen, der in der Umwelt ist, so daß das Kind eingewoben
wird, eingesponnen wird in die elementarische Welt. Das
zeigt sich auch an vielen zeitgenössischen Fällen. Vielem gegenüber
können wir heute geradezu sagen: Die Menschen denken doch gar
nicht selber, sondern sie denken sozusagen in einer allgemeinen
Denkatmosphäre. Und soll etwas Individuelles herauskommen, so
rührt das von ganz anderem her als von dem, was in der Menschennatur
als Göttliches aufgefaßt wird.|177|132}}


== Weblinks ==
{{GZ|Sie wissen ja, die äußere Methodik schreibt vor, im ersten Schuljahr
* [http://books.google.com/books?id=BjoLAAAAQAAJ&pg=PA17 Phaidon, in F. Schleiermacher ''Platons Werke'' Teil 2, Band 3, 3. Aufl. 1861] in Google Books
vorzugsweise die Zahlen im Zahlenraum bis 100 zu behandeln. Man
* [http://www.zeno.org/Philosophie/M/Platon/Phaidon Deutsche Übersetzung] nach Schleiermacher von 1809 bei [[Wikipedia:Zeno.org|Zeno.org]] (ohne Abschnittszählung)
kann sich an das auch halten, denn es ist ziemlich gleichgültig, wenn
* {{IEP|http://www.iep.utm.edu/phaedo/|Plato’s Phaedo|Tim Connolly}}
man bei den einfacheren Zahlen bleibt, wie weit man den Zahlenraum
im ersten Schuljahr treibt. Die Hauptsache ist, daß sie, insofern Sie
den Zahlenraum gebrauchen, die Rechnungsarten darin so betreiben,
daß Sie eben dem Rechnung tragen, was ich gesagt habe: die Addition
zuerst aus der Summe heraus, die Subtraktion aus dem Rest heraus,
die Multiplikation aus dem Produkt heraus und die Division aus dem
Quotienten heraus entwickelt. Also gerade das Umgekehrte von dem,
was gewöhnlich gemacht wird. Und erst nachdem man gezeigt hat,
5 ist 3 plus 2, zeigt man das Umgekehrte: durch Addition von 2 und 3
entsteht 5. Denn man muß starke Vorstellungen im Kinde hervorrufen,
daß 5 gleich 3 plus 2 ist, daß 5 aber auch 4 plus 1 ist und so weiter.
Also die Addition erst als zweites nach der Auseinanderteilung der
Summe; und die Subtraktion, nachdem man gefragt hat: Was muß ich
von einem Minuenden abziehen, damit ein bestimmter Rest bleibt und
so weiter. Wie gesagt, daß man das dann mit den einfacheren Zahlen
im ersten Schuljahr macht, ist selbstverständlich. Ob man nun gerade
den Zahlenraum bis 100 oder bis 105 oder bis 95 benützt, das ist im
Grunde nebensächlich.


== Einzelnachweise ==
Dann aber beginne man, wenn das Kind mit dem Zahnwechsel fertig
<references />
ist, ja gleich damit, es das Einmaleins lernen zu lassen, und meinetwillen
sogar das Einspluseins; wenigstens, sagen wir, bis zur Zahl 6
oder 7. Also das Kind möglichst früh das Einmaleins und Einspluseins
einfach gedächtnismäßig lernen zu lassen, nachdem man ihm nur prinzipiell
erklärt hat, was das eigentlich ist, es prinzipiell an der einfachen
Multiplikation erklärt hat, die man so in Angriff nimmt, wie
wir das gesagt haben. Also kaum daß man imstande ist, dem Kinde
den Begriff des Multiplizierens beizubringen, übertrage man ihm auch
schon die Pflicht, das Einmaleins gedächtnismäßig zu lernen.|295|167f}}
 
== Rechenunterricht und moralische Prinzipien ==
 
{{GZ|Früh ist das Kind bereits veranlagt für die ersten Elemente der
Rechenkunst. Aber gerade bei der Rechenkunst kann man beobachten,
wie nur allzuleicht ein intellektualistisches Element zu früh in das Kind
hineinkommt. Rechnen als solches ist ja keinem Menschen in keinem
Lebensalter ganz fremd. Es entwickelt sich aus der menschlichen Natur
heraus, und es kann nicht eine solche Fremdheit zwischen den menschlichen
Fähigkeiten und den Rechenoperationen eintreten wie zwischen
diesen Fähigkeiten und den Buchstaben in einer folgenden Kultur. Aber
dennoch, gerade darauf kommt ungeheuer viel an, daß der Rechenunterricht
in richtiger Weise an das Kind herangebracht wird. Das kann
im Grunde genommen nur derjenige beurteilen, der aus einer gewissen
spirituellen Grundlage heraus das gesamte menschliche Leben beobachten
kann.
 
Zwei Dinge liegen logisch scheinbar einander recht fern: Rechenunterricht
und moralische Prinzipien. Man rückt gewöhnlich gar nicht
den Rechenunterricht an die moralischen Prinzipien heran, weil man
keinen logischen Zusammenhang zunächst findet. Aber für den, der
nun nicht bloß logisch, sondern lebensvoll betrachtet, für den stellt
sich die Sache so, daß das eine Kind, das in der richtigen Weise an das
Rechnen herangebracht worden ist, ein ganz anderes moralisches Verantwortungsgefühl
im späteren Alter hat, als dasjenige Kind, das nicht
in der richtigen Weise an das Rechnen herangebracht worden ist.|305|109f}}
 
{{GGZ|Nun werden Sie vielleicht mich noch besser verstehen, wenn ich ein
klein wenig das Prinzip des Rechenunterrichts Ihnen darlege. Heute
geht doch vielfach das Rechnen davon aus, daß wir zunächst damit
beginnen, daß wir eins zum anderen hinzufügen. Allein bedenken Sie,
welche fremde Betätigung das für die menschliche Seele ist, daß man
eine Erbse zu den anderen hinzufügt, und immer wenn etwas hinzugefügt
ist, man wieder einen neuen Namen gibt. Der Übergang von
eins zu zwei, dann wiederum zu drei, dieses Zählen ist ja etwas, was
ganz wie willkürlich im Menschen als Tätigkeit sich vollzieht. Aber
es gibt eine andere Möglichkeit, zu zählen. Wir finden diese Möglichkeit,
wenn wir etwas in der menschlichen Kulturgeschichte zurückgehen.
Denn ursprünglich wurde gar nicht so gezählt, daß man eine
Erbse zu der anderen legte, Einheit zu Einheit hinzulegte, und dadurch
etwas Neues entstand, was wenigstens zunächst für das Seelenleben
außerordentlich wenig mit dem Vorhergehenden zu tun hat. Aber man
zählte etwa in der folgenden Weise. Man sagte sich: Was man im Leben
hat, ist immer ein Ganzes, das man als Ganzes aufzufassen hat, und es
kann das Verschiedenste eben eine Einheit sein. Wenn ich einen Volkshaufen
vor mir habe, so ist er zunächst eine Einheit. Wenn ich einen
einzelnen Menschen vor mir habe, ist er auch eine Einheit. Die Einheit
ist im Grunde genommen etwas ganz Relatives. Das berücksichtige ich,
wenn ich nicht zähle 1, 2, 3, 4 und so fort, sondern wenn ich in der
folgenden Weise zähle:
 
[[Datei:GA305 111a.gif|center|800px|Zeichnung aus GA 305, S. 111]]
 
und so weiter, wenn ich das Ganze gliedere, weil ich also von der Einheit
ausgehe, und in der Einheit als Mannigfaltigkeit die Teile suche.
Das ist auch die ursprüngliche Anschauung vom Zahlen. Die Einheit
war immer das Ganze, und in der Einheit suchte man erst die Zahlen.
Man dachte sich nicht die Zahlen entstehend als 1 zu 1 hinzugefügt,
sondern man dachte sich die Zahlen alle als in einer Einheit darinnen,
aus der Einheit organisch hervorgehend.
 
Das, angewendet auf den ganzen Rechenunterricht, gibt das Folgende:
Sie werfen, statt daß Sie Erbse zu Erbse hinzulegen, einen Erbsenhaufen
dem Kinde hin. (Es wird gezeichnet.) Der Erbsenhaufe ist
das Ganze. Von dem geht man aus. Und jetzt bringt man etwa dem
Kinde bei: Ich habe den Erbsenhaufen, oder, sagen wir, damit es für
das Kind empfindlich anschaulich wird, einen Haufen von Äpfeln und
3 Kinder, vielleicht 3 Kinder von verschiedenem Alter, die verschieden
stark zu essen haben, und wir wollen etwas tun, was mit dem Leben
zusammenhängt. Was können wir da tun? Nun, wir können das tun,
daß wir den Äpfelhaufen in einer gewissen Weise teilen, und daß wir
dann den ganzen Haufen als Summe betrachten gleich den einzelnen
Teilen, in die wir ihn aufgeteilt haben. Wir haben den Äpfelhaufen
dort, und wir sagen: Wir haben 3 Teile, und bringen so dem Kinde bei,
daß die Summe gleich ist den 3 Teilen. Summe &#61; 3 Teile. Das heißt, wir
 
[[Datei:GA305 111b.gif|center|200px|Zeichnung aus GA 305, S. 111]]
 
gehen bei der Addition nicht von den einzelnen Teilen aus und haben
nachher die Summe, sondern wir nehmen zuerst die Summe und gehen zu
den Teilen über. So gehen wir von dem Ganzen aus, und gehen zu den
Addenden, zu den Teilen über, um auf diese Weise ein lebendiges Erfassen
der Addition zu haben. Denn dasjenige, worauf es in der Addition
ankommt, das ist immer die Summe, und die Teile, die Glieder sind dasjenige,
was in der Summe in einer gewissen Weise drinnen sein muß.
So ist man in der Lage, das Kind heranzubringen an das Leben in
der Art, daß es sich hineinfügt, Ganzheiten zu erfassen, nicht immer
von dem Wenigen zu dem Mehr überzugehen. Und das übt einen außerordentlich
starken Einfluß auf das ganze Seelenleben des Kindes. Wenn
das Kind daran gewöhnt wird, hinzuzufügen, dann entsteht eben jene
moralische Anlage, die vorzugsweise ausbildet das nach dem Begehrlichen
Hingehen. Wenn von dem Ganzen zu den Teilen übergegangen
wird, und wenn entsprechend so auch die Multiplikation ausgebildet
wird, so bekommt das Kind die Neigung, nicht das Begehrliche so stark
zu entwickeln, sondern es entwickelt dasjenige, was im Sinne der platonischen
Weltanschauung genannt werden kann die Besonnenheit, die
Mäßigkeit im edelsten Sinne des Wortes. Und es hängt innig zusammen
dasjenige, was einem im Moralischen gefällt und mißfällt, mit der Art
und Weise, wie man mit den Zahlen umzugehen gelernt hat. Zwischen
dem Umgehen mit den Zahlen und den moralischen Ideen, Impulsen,
scheint ja zunächst kein logischer Zusammenhang, so wenig, daß derjenige,
der nur intellektualistisch denken will, darüber höhnen kann,
wenn man davon spricht. Es kann ihm lächerlich vorkommen. Man
begreift es auch ganz gut, wenn jemand lachen kann darüber, daß man
beim Addieren von der Summe ausgehen soll, und nicht von dem
Addenden. Aber wenn man die wirklichen Zusammenhänge im Leben
ins Auge faßt, dann weiß man, daß die logisch entferntesten Dinge im
wirklichen Dasein einander oftmals sehr nahe stehen.|305|110ff}}
 
== Die vier Grundrechnungsarten ==
 
Die bekannten vier '''Grundrechenarten''' sind:
 
* die '''Addition''' ([[lat.]] ''additio'', von ''addere'' „hinzufügen“) oder '''Plusrechnung''': Summe = Summand<sub>1</sub> + Summand<sub>2</sub>
* die '''Subtraktion''' (von [[lat.]] ''subtrahere'' „wegziehen“, „entfernen“) oder '''Minusrechnung''': Differenz = Minuend - Subtrahend
* die '''Multiplikation''' ([[lat.]] ''multiplicatio'', von ''multiplicare'' „vervielfachen“) oder '''Malrechnung''': Produkt = Faktor<sub>1</sub> × Faktor<sub>2</sub> = Faktor<sub>2</sub> · Faktor<sub>1</sub>
* die '''Division''' (von [[lat.]] ''divisio'' „Teilung“) oder '''Teilung''' bzw. das '''Verhältnis''' zweier Größen zueinander: Quotient = Dividend : Divisor = Dividend ÷ Divisor
 
=== Zusammenhang mit den vier Temperamenten ===
 
{{GZ|Gehen wir einmal von der Addition aus, und zwar so, wie wir die
Addition auffassen. Nehmen wir an, ich habe Bohnen oder ein Häufchen
Holunderkügelchen. Nun will ich für den heutigen Fall annehmen,
daß die Kinder schon zählen können, was sie ja auch erst lernen
müssen. Das Kind zählt, es hat 27. - «27», sage ich, «das ist die Summe.» Wir gehen aus von der Summe, nicht von den Addenden! Die
psychologische Bedeutung davon können Sie in meiner Erkenntnistheorie
verfolgen. Diese Summe teilen wir jetzt ab in Addenden, in
Teile oder in Häufchen. Ein Häufchen Holunderkügelchen, sagen wir
12; weiter ein Häufchen, sagen wir 7; weiter eines, sagen wir 3; weiter
eines, sagen wir 5. Dann werden wir die Holunderkügelchen erschöpft
haben: 27 &#61; 12 + 7 + 3 + 5. Wir machen ja den Rechnungsvorgang
von der Summe 27. Solch einen Vorgang lasse ich nun eine Anzahl von
Kindern machen, welche ausgesprochen phlegmatisches Temperament
haben. Man wird sich allmählich bewußt werden, daß diese Art des
Addierens besonders geeignet ist für Phlegmatiker. - Dann werde ich
mir, weil ja der Vorgang zurückverfolgt werden kann, cholerische Kinder
aufrufen und werde die Holunderkügelchen wieder zusammenwerfen
lassen, aber so, daß es geordnet ist gleich 5 und 3 und 7 und 12
sind 27. Also das cholerische Kind macht den umgekehrten Vorgang.
Das Addieren ist ganz besonders die Rechnungsart der phlegmatischen
Kinder.
 
Nun nehme ich jemand heraus aus den melancholischen Kindern.
Ich sage: «Hier ist ein Häufchen Holunderbeerchen; zähle sie mal ab!»
Es kriegt heraus, sagen wir einmal 8. «Siehst du, ich will nicht haben
8, ich will nur haben 3. Wieviel muß weggelegt werden von den Holunderkügelchen,
damit ich nur 3 bekomme?» Dann wird es darauf
ankommen, daß 5 weggenommen werden müssen. Das Subtrahieren
in dieser Form ist vor allem die Rechnungsart der melancholischen
Kinder. - Nun rufe ich ein sanguinisches Kind auf und lasse die Rechnung
zurück machen. Nun sage ich: «Was ist weggenommen worden?»
Und ich lasse mir sagen: Wenn ich 5 von 8 wegnehme, so bleiben mir
3 übrig. - Das sanguinische Kind lasse ich wieder die umgekehrte Rechnungsart
ausführen. Ich will nur sagen, daß «vorzugsweise» die Subtraktion
- aber so ausgeführt, wie wir es tun - für die melancholischen
Kinder ist.
 
Nun nehme ich mir ein Kind vor aus der Gruppe der Sanguiniker.
Ich werfe wieder eine Anzahl Holunderkügelchen hin, ich sorge aber
dafür, daß es in irgendeiner Weise paßt. Nicht wahr, ich muß das ja
schon anordnen, sonst würde die Sache zu rasch ins Bruchrechnen hineinführen.
Also, nun lasse ich zählen: 56 Holunderkügelchen. - «Nun
sieh einmal an, da habe ich 8 Holunderkügelchen. Nun mußt du mir
sagen, wie oft die 8 Holunderkügelchen in den 56 drinnen sind.» Sie
sehen, die Multiplikation führt zu einer Division. Es bekommt heraus
7. Nun lasse ich die Rechnung zurückmachen von dem melancholischen
Kinde und sage: «Nun will ich aber nicht untersuchen, wie oft
die 8 enthalten sind in den 56, sondern wie oft ist die 7 enthalten in
56? Wie oft kommt die 7 heraus?» Ich lasse die umgekehrte Rechnung
immer von dem entgegengesetzten Temperament ausführen.
Dem Choleriker lege ich vor zunächst die Division, vom Kleinen
zum Größten, indem ich sage: «Siehe, da hast du das Häufchen von 8.
Ich will von dir nun wissen, in welcher Zahl die 8 siebenmal drinnensteckt.» Und er muß herauskriegen: in 56; in einem Häufchen von 56. -
Dann lasse ich das Umgekehrte, die gewöhnliche Division, von dem
phlegmatischen Kinde machen. Für das cholerische Kind wende ich in
dieser Form die Division an. Denn in dieser Form ist sie insbesondere
die Rechnungsart der cholerischen Kinder.
 
Auf diese Weise, indem ich es fortwährend so durchführe, bekomme
ich gerade für die vier Rechnungsarten die Möglichkeit, sie zu gebrauchen
für die Heranziehung der vier Temperamente: das Additive ist
verwandt dem Phlegmatischen, das Subtrahieren dem Melancholischen,
das Multiplizieren dem Sanguinischen, das Dividieren, mit dem Zurückgehen
zu dem Dividenden, dem Cholerischen. - Das ist es, was ich
Sie bitte, im Anschluß zu dem von Herrn N. Gesagten zu beachten.
Es ist von besonderer Wichtigkeit, daß man nicht langweilig fortarbeitet:
ein halbes Jahr bloß addiert, dann subtrahiert und so weiter,
sondern wir werden diese vier Rechnungsarten womöglich nicht allzu
langsam nacheinander durchnehmen, und dann alle vier üben! Zuerst
nur bis 40 etwa. So werden wir Rechnen lehren nicht nach dem gewöhnlichen
Stundenplan, sondern so, daß durch das Üben diese vier Arten
fast gleichzeitig angeeignet werden. Sie werden finden, daß es auf diese
Weise sehr ökonomisch geht, und daß man die Kinder die Dinge ineinanderarbeiten
lassen kann. - Es ist ja die Division verwandt mit der
Subtraktion, und die Multiplikation ist eigentlich nur eine wiederholte
Addition. So daß man also auch umwechseln und zum Beispiel das
cholerische Kind an die Subtraktion heranbringen kann.|295|41ff}}
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Rechnen}}
* {{WikipediaDE|Rechnen}}
* {{WikipediaDE|Fingerrechnen}}
* {{WikipediaDE|Kopfrechnen}}
* {{WikipediaDE|Einmaleins}}
 
==Literatur==
 
* [[Ernst Bindel]]: ''Das Rechnen: Menschenkundliche Begründung und pädagogische Bedeutung'', 3. Auflage, J. Ch. Mellinger-Verlag 1996, ISBN 978-3880690134
* [[Ernst Bindel]]: ''Die Arithmetik: Menschenkundliche Begründung und pädagogische Bedeutung'', J. Ch. Mellinger-Verlag 1967, ISBN 978-3880690141
* [[Ernst Bindel]]: ''Die geistigen Grundlagen der Zahlen: Die Zahl im Spiegel der Kulturen. Elemente einer spirituellen Geometrie und Arithmetik'', 2. Auflage, Verlag Freies Geistesleben 2003, ISBN 978-3772512513
* [[Rudolf Steiner]]: ''Aus der Akasha-Chronik'', [[GA 11]] (1986), ISBN 3-7274-0110-9 {{Schriften|011}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Ursprung und Ziel des Menschen'', [[GA 53]] (1981), ISBN 3-7274-0532-5 {{Vorträge|053}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Prinzip der spirituellen Ökonomie im Zusammenhang mit Wiederverkörperungsfragen'', [[GA 109]] (2000), ISBN 3-7274-1090-6 {{Vorträge|109}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis'', [[GA 177]] (1999), ISBN 3-7274-1771-4 {{Vorträge|177}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Perspektiven der Menschheitsentwickelung'', [[GA 204]] (1979), ISBN 3-7274-2040-5 {{Vorträge|204}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Erziehungskunst. Seminarbesprechungen und Lehrplanvorträge'', [[GA 295]] (1984), ISBN 3-7274-2950-X {{Vorträge|295}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst. Spirituelle Werte in Erziehung und sozialem Leben.'', [[GA 305]] (1991), ISBN 3-7274-3050-8 {{Vorträge|305}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Kunst des Erziehens aus dem Erfassen der Menschenwesenheit'', [[GA 311]] (1989), ISBN 3-7274-3110-5 {{Vorträge|311}}


{{Navigationsleiste Platon}}
{{GA}}
{{Normdaten|TYP=w|GND=4006824-9}}


[[Kategorie:Philosophisches Werk von Platon|115]]
== Einzelanachweise ==
[[Kategorie:Philosophisches Werk]]
<references />
[[Kategorie:Corpus Platonicum|115]]


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Rechnen|!]]

Version vom 10. Februar 2020, 14:19 Uhr

Rechnen (mhd. rechnen, rechenen; ahd. rechanon, von indogerm. *reg- „lenken, richten, leiten“) ist eine menschliche Fähigkeit, die eine komplexere Form des Zählens darstellt, bei der Mengen nicht nur abgezählt, sondern etwa auch auf auf eine festgelegte Anzahl von Teilen aufgeteilt (Division, Teilung), zusammengezählt (Addition), vervielfacht (Multiplikation) oder voneinander abgezählt (Subtraktion) werden. Ganz allgemein handelt es sich dabei implizit um die logische Verküpfung zunächst konkreter und später auch abstrakter, d.h. rein gedanklicher Objekte.

Ursprung der Rechenkunst

Nach Rudolf Steiner wurde das Rechnen in seiner elementarsten Form erstmals von den Ur-Semiten in der atlantischen Zeit entwickelt und brachte nicht nur einen Fortschritt der praktischen Denkfähigkeit, sondern hatte darüber hinaus vor allem auch eine große moralische Bedeutung. Die Atlantier, namentlich die Ur-Turanier, hatten damals bereits eine große magische Macht über die Lebenskräfte gewonnen und stellten diese immer mehr in den Dienst des persönlichen Egoismus, wodurch zerstörerische Kräfte freigesetzt wurden, die zuletzt zum Untergang der Atlantis führten. Durch die Ursemiten wurde die Basis für die nachatlantische Kultur geschaffen.

„Solche zerstörende Wirkung konnte nur dadurch aufgehalten werden, daß im Menschen sich eine höhere Kraft ausbildete. Und das war die Denkkraft. Das logische Denken wirkt zurückhaltend auf die eigensüchtigen persönlichen Wünsche. Den Ursprung dieses logischen Denkens haben wir bei der fünften Unterrasse[1] (den Ursemiten) zu suchen. Die Menschen fingen an, über die bloße Erinnerung an Vergangenes hinauszugehen und die verschiedenen Erlebnisse zu vergleichen. Die Urteilskraft entwickelte sich. Und nach dieser Urteilskraft wurden die Wünsche, die Begierden geregelt. Man fing an, zu rechnen, zu kombinieren. Man lernte, in Gedanken zu arbeiten. Hat man früher sich jedem Wunsche hingegeben, so frägt man jetzt erst, ob der Gedanke den Wunsch auch billigen könne. Stürmten die Menschen der vierten Unterrasse wild los auf die Befriedigung ihrer Begierden, so begannen diejenigen der fünften auf eine innere Stimme zu hören. Und diese innere Stimme wirkt eindämmend auf die Begierden, wenn sie auch die Ansprüche der eigensüchtigen Persönlichkeit nicht vernichten kann.

So hat die fünfte Unterrasse die Antriebe zum Handeln in das menschliche Innere verlegt. Der Mensch will in diesem seinem Innern mit sich ausmachen, was er zu tun oder zu lassen hat. Aber das, was so im Innern an Kraft des Denkens gewonnen wurde, ging an Beherrschung äußerer Naturgewalten verloren. Mit diesem kombinierenden Denken kann man nur die Kräfte der mineralischen Welt bezwingen, nicht die Lebenskraft. Die fünfte Unterrasse entwickelte also das Denken auf Kosten der Herrschaft über die Lebenskraft. Aber gerade dadurch erzeugte sie den Keim zur Weiterentwickelung der Menschheit. Jetzt mochte die Persönlichkeit, die Selbstliebe, ja die Selbstsucht noch so groß werden: das bloße Denken, das ganz im Innern arbeitet und nicht mehr unmittelbar der Natur Befehle erteilen kann, vermag solche verheerende Wirkungen nicht anzurichten wie die mißbrauchten früheren Kräfte. Aus dieser fünften Unterrasse wurde der begabteste Teil ausgewählt, und dieser lebte hinüber über den Niedergang der vierten Wurzelrasse und bildete den Keim zur fünften, der arischen Rasse, welche die vollständige Ausprägung der denkenden Kraft mit allem, was dazu gehört, zur Aufgabe hat.“ (Lit.:GA 11, S. 40f)

„Der Mensch von heute kann sich kaum mehr eine Vorstellung davon machen, welche Ausdehnung das Gedächtnis bei den Atlantiern gehabt hat. Rechnen konnten sie nur wenig. Alles beruhte auf dem Zusammenhang, den sie sich aus dem Gedächtnis heraus bildeten. Zum Beispiel drei mal sieben wußten sie aus dem Gedächtnis, nicht aber konnten sie es errechnen. Sie kannten kein Einmaleins. Eine andere Kraft, welche bei ihnen ausgebildet war, die aber noch schwieriger zu verstehen ist, war die, daß sie auf die Lebenskraft selbst einen gewissen Einfluß hatten. Durch eine besondere Ausbildung der Willenskraft konnten sie auf das Lebendige einen unmittelbaren Einfluß gewinnen, so zum Beispiel auf das Wachstum einer Pflanze.“ (Lit.:GA 53, S. 300)

„Der logische Verstand, die rechnerische Kombination, auf denen alles beruht, was heute hervorgebracht wird, fehlten den ersten Atlantiern ganz. Dafür hatten sie ein hochentwickeltes Gedächtnis. Dieses Gedächtnis war eine ihrer hervorstechendsten Geistesfähigkeiten. Sie rechneten zum Beispiel nicht, wie wir, dadurch, daß sie sich gewisse Regeln aneigneten, die sie dann anwendeten. Ein «Einmaleins» war etwas in den atlantischen Zeiten ganz Unbekanntes. Niemand hatte seinem Verstande eingeprägt, daß dreimal vier zwölf ist. Daß er sich in dem Falle, wo er eine solche Rechnung auszuführen hatte, zurechtfand, beruhte darauf, daß er sich auf gleiche oder ähnliche Fälle besann. Er erinnerte sich, wie das bei früheren Gelegenheiten war. Man muß sich nur klarmachen, daß jedesmal, wenn sich in einem Wesen eine neue Fähigkeit ausbildet, eine alte an Kraft und Schärfe verliert. Der heutige Mensch hat gegenüber dem Atlantier den logischen Verstand, das Kombinationsvermögen voraus. Das Gedächtnis ist dafür zurückgegangen. Jetzt denken die Menschen in Begriffen; der Atlantier dachte in Bildern. Und wenn ein Bild vor seiner Seele auftauchte, dann erinnerte er sich an so und so viele ähnliche Bilder, die er bereits erlebt hatte. Danach richtete er sein Urteil ein. Deshalb war damals auch aller Unterricht anders als in späteren Zeiten. Er war nicht darauf berechnet, das Kind mit Regeln auszurüsten, seinen Verstand zu schärfen. Es wurde ihm vielmehr in anschaulichen Bildern das Leben vorgeführt, so daß es später sich an möglichst viel erinnern konnte, wenn es in diesen oder jenen Verhältnissen handeln sollte. War das Kind erwachsen und kam es ins Leben hinaus, so konnte es sich bei allem, was es tun sollte, erinnern, daß ihm etwas Ähnliches in seiner Lehrzeit vorgeführt worden war. Es fand sich am besten zurecht, wenn der neue Fall irgendeinem schon gesehenen ähnlich war. Unter ganz neuen Verhältnissen war der Atlantier immer wieder aufs Probieren angewiesen, während dem heutigen Menschen in dieser Beziehung vieles erspart ist, weil er mit Regeln ausgerüstet wird. Diese kann er auch in den Fällen leicht anwenden, welche ihm noch nicht begegnet sind. Ein solches Erziehungssystem gab dem ganzen Leben etwas Gleichförmiges. Durch sehr lange Zeiträume hindurch wurden immer wieder und wieder die Dinge in der gleichen Weise besorgt. Das treue Gedächtnis ließ nichts aufkommen, was der Raschheit unseres heutigen Fortschrittes auch nur im entferntesten ähnlich wäre. Man tat, was man früher immer «gesehen» hatte. Man erdachte nicht; man erinnerte sich. Eine Autorität war nicht der, welcher viel gelernt hatte, sondern wer viel erlebt hatte und sich daher an viel erinnern konnte. Es wäre unmöglich gewesen, daß in der atlantischen Zeit jemand vor Erreichung eines gewissen Alters über irgendeine wichtige Angelegenheit zu entscheiden gehabt hätte. Man hatte nur zu dem Vertrauen, der auf lange Erfahrung zurückblicken konnte.

Das hier Gesagte gilt nicht von den Eingeweihten und ihren Schulen. Denn sie sind ja dem Entwickelungsgrade ihres Zeitalters voraus. Und für die Aufnahme in solche Schulen entscheidet nicht das Alter, sondern der Umstand, ob der Aufzunehmende in seinen früheren Verkörperungen sich die Fähigkeiten erworben hat, höhere Weisheit aufzunehmen. Das Vertrauen, das den Eingeweihten und ihren Agenten während der atlantischen Zeit entgegengebracht worden ist, beruhte nicht auf der Fülle ihrer persönlichen Erfahrung, sondern auf dem Alter ihrer Weisheit. Beim Eingeweihten hört die Persönlichkeit auf, eine Bedeutung zu haben. Er steht ganz im Dienste der ewigen Weisheit.“ (Lit.:GA 11, S. 26ff)

Fingerrechnen und Kopfrechnen

Zählen und Rechnen ist primäre keine Tätigkeit des Kopfes, des Gehirns, sondern wird mit dem ganzen Körper erlebt und das Gehirn spiegelt diese Erlebnisse nur ab. Wenn wir als Erwachsener auch nicht mehr äußerlich mit den Fingern zählen, so tun wir es doch mit den Fingern des Ätherleibs. Das sog. „Kopfrechnen“ ist also ein verinnerlichtes Zählen und Rechnen mit den Ätherfingern. Dazu kommt später das Einmaleins, mit dem Zahlenrhythmen gedächtnismäßig im Ätherleib verankert werden.

Da der Mensch zehn Finger hat, ergibt sich daraus auch die Präferenz für das Dezimalsystem. Aber auch in dem später von den Sumerern und Babyloniern entwickelten Sexagesimalsystem (60er-System), das wir heute noch für die Zeit- und Winkelberechnung verwenden, kann gut mit den 10 Fingern gerechnet werden.

„Der Mensch glaubt gewöhnlich, er habe die Zahlen ausgedacht, indem er immer eins zum andern hinzugefügt hat. Das ist aber gar nicht wahr, der Kopf zählt überhaupt nicht. Man glaubt im gewöhnlichen Leben gar nicht, welch ein merkwürdiges, unnützes Organ für das Erdenleben dieser menschliche Kopf eigentlich ist. Er ist zur Schönheit da, gewiß, weil das Antlitz den anderen gefällt. Er hat noch mancherlei andere Tugenden, aber zu den geistigen Tätigkeiten ist er eigentlich gar nicht so stark da, denn dasjenige, was er geistig in sich hat, führt immer zurück in das frühere Erdenleben; er ist das umgestaltete frühere Erdenleben. Und einen richtigen Sinn hat es eigentlich nur dann für den Menschen, einen Kopf zu haben, wenn er etwas weiß von seinen früheren Erdenleben. Alles andere kommt gar nicht aus dem Kopf. Wir zählen nämlich in Wirklichkeit im Unterbewußten nach den Fingern. In Wirklichkeit zählen wir 1-10 an den Fingern und 11, 12, 13, 14 an den Zehen weiter. Das sieht man zwar nicht, aber man macht das so bis 20. Und dasjenige, was man im Körper auf diese Weise tut, das spiegelt sich im Kopfe nur ab. Der Kopf schaut nur bei allem zu. Der Kopf im Menschen ist wirklich nur ein Spiegelungsapparat von dem, was der Körper macht. Der Körper denkt, zählt; der Kopf ist nur ein Zuschauer.

Dieser Kopf hat eine merkwürdige Ähnlichkeit mit etwas anderem. Wenn Sie hier ein Auto haben (es wird gezeichnet) und Sie sitzen bequem darinnen, so tun Sie gar nichts, der Chauffeur da vorne muß sich plagen. Sie sitzen drinnen und werden durch die Welt gefahren. So ist es auch mit dem Kopf; der plagt sich nicht, der ist einfach auf Ihrem Körper, läßt sich ruhig durch die Welt tragen und schaut allem zu. Dasjenige, was getan wird im geistigen Leben, das wird alles vom Körper aus gemacht. Mathematisiert wird vom Körper aus, gedacht wird auch vom Körper aus, gefühlt wird auch vom Körper aus. - Die Rechenmaschine entspringt eben dem Irrtum, als ob der Mensch mit dem Kopf rechnete. Man bringt dann dem Kinde mit der Rechenmaschine die Rechnungen bei, das heißt, man strengt seinen Kopf an, und der Kopf strengt dann damit den Körper an, denn rechnen muß doch der Körper. Man berücksichtigt nicht, daß der Körper rechnen muß. Das ist wichtig. Deshalb ist es richtig, daß man das Kind mit den Fingern und auch mit den Zehen zählen läßt, wie es überhaupt ganz gut wäre, wenn man möglichste Geschicklichkeit bei den Kindern herausfordern würde.“ (Lit.:GA 311, S. 81f)

„Aber warum können wir denn überhaupt zählen? Ja, in Wirklichkeit machen wir es nämlich nicht anders als die Wilden, nur haben die Wilden das mit ihren fünf Fingern gemacht, mit ihren fünf physischen Fingern. Wir zählen auch, nur zählen wir mit den Fingern unseres Ätherleibes und wissen nichts mehr davon. Das spielt sich im Unterbewußtsein ab, da abstrahieren wir. Denn dasjenige, wodurch wir zählen, das ist eigentlich der Ätherleib, und eine Zahl ist noch immer nichts anderes in Wirklichkeit als ein Vergleichen mit demjenigen, was in uns ist. Die ganze Arithmetik ist in uns, und wir haben sie in uns hineingeboren durch unseren Astralleib, so daß sie eigentlich aus unserem Astralleib herauskommt, und unsere zehn Finger sind nur der Abdruck dieses Astralischen und Ätherischen. Und dieser beiden bedient sich nur dieser äußere Finger, während wir, wenn wir rechnen, dasjenige, was durch den Astralleib bewirkt Inspiration von der Zahl, im Ätherleib ausdrücken und dann durch den Ätherleib, mit dem wir überhaupt denken, zählen. So daß wir sagen können: Äußerlich ist heute für uns das Zählen etwas recht Abstraktes, innerlich hängt es damit zusammen - und es ist sehr interessant, die verschiedenen Zählungsmethoden nach der Zehnzahl, nach dem Dezimalsystem oder nach der Zwölfzahl bei den verschiedenen Völkern zu verfolgen, wie das mit der verschiedenen Konstitution ihres Ätherischen und Astralischen zusammenhängt - , innerlich hängt es damit zusammen, daß wir zählen, weil wir selbst erst gezählt sind; wir sind aus der Weltenwesenheit heraus gezählt und nach der Zahl geordnet. Die Zahl ist uns eingeboren, einverwoben von dem Weltenganzen. Draußen werden uns nach und nach die Zahlen gleichgültig; in uns sind sie nicht gleichgültig, in uns hat jede Zahl ihre bestimmte Qualität. Versuchen Sie es nur einmal, die Zahlen herauszuwerfen aus dem Weltenall, und sehen Sie sich an, was der Zahl gemäß gestaltet wird, wenn einfach eins zu dem anderen hinzugesetzt würde; sehen Sie sich an, wie dann Ihre Hand ausschauen würde, wenn da der Daumen wäre, und nachher würde einfach das Nächste hinzugesetzt als die gleiche Einheit, dann wiederum, wiederum: Sie hätten fünf Daumen an der Hand, an der anderen Hand auch wiederum fünf Daumen! - Das würde dann entsprechen dem abstrakten Zählen. So zählen die Geister des Weltenalls nicht. Die Geister des Weltenalls gestalten nach der Zahl und sie gestalten in jenem Sinne nach der Zahl, den man früher mit der Zahl verband, wie gesagt, noch in der ersten, noch in der zweiten Periode der nachatlantischen Zeit. Das Herausentwickeln der abstrakten Zahl aus der ganz konkreten Vorstellung des Zahlenhaften, des Zahlenmäßigen, das hat sich erst im Laufe der Menschheitsentwickelung gebildet. Und darüber muß man sich klar sein, daß es eine tiefe Bedeutung hat, wenn aus den alten Mysterien heraus überliefert wird: Die Götter haben den Menschen nach der Zahl gebildet. - Die Welt ist voller Zahl, das heißt, alles wird nach der Zahl gebildet, und der Mensch ist nach der Zahl herausgestaltet, so daß unser Zählen in jenen alten Zeiten nicht vorhanden war; aber ein bildhaftes Denken in den Qualitäten der Zahl, das war vorhanden.

Da kommen wir in alte Zeiten zurück, wie gesagt, bis in die erste, zweite nachatlantische Periode, in die urindische, in die urpersische Zeit, in denen ein Zählen in unserem Sinne durchaus nicht möglich war, wo man mit der Zwei etwas ganz anderes verbunden hat, als zweimal die Eins, mit der Drei etwas ganz anderes, als zwei und eins und dergleichen.“ (Lit.:GA 204, S. 134f)

Einmaleins

„Eine astralische Mutterhülle trägt der Mensch mit sich herum bis zum vierzehnten, fünfzehnten Jahre, bis zur Geschlechtsreife. Da wirft er sie ab, und der Astralleib wird frei: sozusagen eine dritte Geburt findet statt. Der Astralleib ist der Träger des menschlichen Urteils, der menschlichen Kritik. Man sollte abkommen von der Ansicht, daß das Kind möglichst früh zu einem selbständigen Urteil kommen soll. Vom siebenten bis vierzehnten Jahr ist es notwendig, einen weisen Gedächtnisschatz zu sammeln für das Leben, um so sich in der Zeit, wo der Astralleib geboren wird, einen möglichst reifen und reichen Seeleninhalt zu erschaffen. Erst dann soll das Urteilen beginnen. Die frühere Methode, in den Schulen das Einmaleins einfach auswendig lernen zu lassen: 1*1 = 1 und so weiter, ist, da sie eine rein gedächtnismäßige ist, bedeutend vorzuziehen der jetzigen abstrakten Methode, an der sogenannten Rechenmaschine das Einmaleins mit roten und weißen Kugeln zu «beweisen». Diese ist entschieden schädlich. Auch hier gilt dasselbe wie beim kleinen Kinde; dieses versteht die Sprache lange Zeit, ehe es selbst sprechen kann. So soll man es auch erst urteilen lassen wollen, wenn es einen guten Gedächtnisschatz für den Ätherleib sich angeeignet, gewisse bleibende Neigungen und Gewohnheiten entwickelt hat.“ (Lit.:GA 109, S. 207f)

„Wenn gerade heute sehr viel darauf gesehen wird, daß alles verstanden werden soll, daß man gewissermaßen nicht einmal das Einmaleins den Kindern beibringen soll, ohne daß sie überall verstehen sollen — sie verstehen es ja doch nicht! -, dann macht man die Kinder statt zu verständigen Menschen zu Rechenmaschinen. Man prägt ihnen den in der elementaren Umwelt gelegenen Verstand ein, von dem ich letzthin gesprochen habe, statt daß man ihren eigenen Verstand entwickelt. Und das geschieht nämlich heute sehr häufig. Die Leute bemühen sich geradezu, das Ideal aufzustellen, nicht aus den Menschen den Verstand herauszuholen, sondern den Elementarverstand heranzutragen, der in der Umwelt ist, so daß das Kind eingewoben wird, eingesponnen wird in die elementarische Welt. Das zeigt sich auch an vielen zeitgenössischen Fällen. Vielem gegenüber können wir heute geradezu sagen: Die Menschen denken doch gar nicht selber, sondern sie denken sozusagen in einer allgemeinen Denkatmosphäre. Und soll etwas Individuelles herauskommen, so rührt das von ganz anderem her als von dem, was in der Menschennatur als Göttliches aufgefaßt wird.“ (Lit.:GA 177, S. 132)

„Sie wissen ja, die äußere Methodik schreibt vor, im ersten Schuljahr vorzugsweise die Zahlen im Zahlenraum bis 100 zu behandeln. Man kann sich an das auch halten, denn es ist ziemlich gleichgültig, wenn man bei den einfacheren Zahlen bleibt, wie weit man den Zahlenraum im ersten Schuljahr treibt. Die Hauptsache ist, daß sie, insofern Sie den Zahlenraum gebrauchen, die Rechnungsarten darin so betreiben, daß Sie eben dem Rechnung tragen, was ich gesagt habe: die Addition zuerst aus der Summe heraus, die Subtraktion aus dem Rest heraus, die Multiplikation aus dem Produkt heraus und die Division aus dem Quotienten heraus entwickelt. Also gerade das Umgekehrte von dem, was gewöhnlich gemacht wird. Und erst nachdem man gezeigt hat, 5 ist 3 plus 2, zeigt man das Umgekehrte: durch Addition von 2 und 3 entsteht 5. Denn man muß starke Vorstellungen im Kinde hervorrufen, daß 5 gleich 3 plus 2 ist, daß 5 aber auch 4 plus 1 ist und so weiter. Also die Addition erst als zweites nach der Auseinanderteilung der Summe; und die Subtraktion, nachdem man gefragt hat: Was muß ich von einem Minuenden abziehen, damit ein bestimmter Rest bleibt und so weiter. Wie gesagt, daß man das dann mit den einfacheren Zahlen im ersten Schuljahr macht, ist selbstverständlich. Ob man nun gerade den Zahlenraum bis 100 oder bis 105 oder bis 95 benützt, das ist im Grunde nebensächlich.

Dann aber beginne man, wenn das Kind mit dem Zahnwechsel fertig ist, ja gleich damit, es das Einmaleins lernen zu lassen, und meinetwillen sogar das Einspluseins; wenigstens, sagen wir, bis zur Zahl 6 oder 7. Also das Kind möglichst früh das Einmaleins und Einspluseins einfach gedächtnismäßig lernen zu lassen, nachdem man ihm nur prinzipiell erklärt hat, was das eigentlich ist, es prinzipiell an der einfachen Multiplikation erklärt hat, die man so in Angriff nimmt, wie wir das gesagt haben. Also kaum daß man imstande ist, dem Kinde den Begriff des Multiplizierens beizubringen, übertrage man ihm auch schon die Pflicht, das Einmaleins gedächtnismäßig zu lernen.“ (Lit.:GA 295, S. 167f)

Rechenunterricht und moralische Prinzipien

„Früh ist das Kind bereits veranlagt für die ersten Elemente der Rechenkunst. Aber gerade bei der Rechenkunst kann man beobachten, wie nur allzuleicht ein intellektualistisches Element zu früh in das Kind hineinkommt. Rechnen als solches ist ja keinem Menschen in keinem Lebensalter ganz fremd. Es entwickelt sich aus der menschlichen Natur heraus, und es kann nicht eine solche Fremdheit zwischen den menschlichen Fähigkeiten und den Rechenoperationen eintreten wie zwischen diesen Fähigkeiten und den Buchstaben in einer folgenden Kultur. Aber dennoch, gerade darauf kommt ungeheuer viel an, daß der Rechenunterricht in richtiger Weise an das Kind herangebracht wird. Das kann im Grunde genommen nur derjenige beurteilen, der aus einer gewissen spirituellen Grundlage heraus das gesamte menschliche Leben beobachten kann.

Zwei Dinge liegen logisch scheinbar einander recht fern: Rechenunterricht und moralische Prinzipien. Man rückt gewöhnlich gar nicht den Rechenunterricht an die moralischen Prinzipien heran, weil man keinen logischen Zusammenhang zunächst findet. Aber für den, der nun nicht bloß logisch, sondern lebensvoll betrachtet, für den stellt sich die Sache so, daß das eine Kind, das in der richtigen Weise an das Rechnen herangebracht worden ist, ein ganz anderes moralisches Verantwortungsgefühl im späteren Alter hat, als dasjenige Kind, das nicht in der richtigen Weise an das Rechnen herangebracht worden ist.“ (Lit.:GA 305, S. 109f)

„Nun werden Sie vielleicht mich noch besser verstehen, wenn ich ein klein wenig das Prinzip des Rechenunterrichts Ihnen darlege. Heute geht doch vielfach das Rechnen davon aus, daß wir zunächst damit beginnen, daß wir eins zum anderen hinzufügen. Allein bedenken Sie, welche fremde Betätigung das für die menschliche Seele ist, daß man eine Erbse zu den anderen hinzufügt, und immer wenn etwas hinzugefügt ist, man wieder einen neuen Namen gibt. Der Übergang von eins zu zwei, dann wiederum zu drei, dieses Zählen ist ja etwas, was ganz wie willkürlich im Menschen als Tätigkeit sich vollzieht. Aber es gibt eine andere Möglichkeit, zu zählen. Wir finden diese Möglichkeit, wenn wir etwas in der menschlichen Kulturgeschichte zurückgehen. Denn ursprünglich wurde gar nicht so gezählt, daß man eine Erbse zu der anderen legte, Einheit zu Einheit hinzulegte, und dadurch etwas Neues entstand, was wenigstens zunächst für das Seelenleben außerordentlich wenig mit dem Vorhergehenden zu tun hat. Aber man zählte etwa in der folgenden Weise. Man sagte sich: Was man im Leben hat, ist immer ein Ganzes, das man als Ganzes aufzufassen hat, und es kann das Verschiedenste eben eine Einheit sein. Wenn ich einen Volkshaufen vor mir habe, so ist er zunächst eine Einheit. Wenn ich einen einzelnen Menschen vor mir habe, ist er auch eine Einheit. Die Einheit ist im Grunde genommen etwas ganz Relatives. Das berücksichtige ich, wenn ich nicht zähle 1, 2, 3, 4 und so fort, sondern wenn ich in der folgenden Weise zähle:

Zeichnung aus GA 305, S. 111
Zeichnung aus GA 305, S. 111

und so weiter, wenn ich das Ganze gliedere, weil ich also von der Einheit ausgehe, und in der Einheit als Mannigfaltigkeit die Teile suche. Das ist auch die ursprüngliche Anschauung vom Zahlen. Die Einheit war immer das Ganze, und in der Einheit suchte man erst die Zahlen. Man dachte sich nicht die Zahlen entstehend als 1 zu 1 hinzugefügt, sondern man dachte sich die Zahlen alle als in einer Einheit darinnen, aus der Einheit organisch hervorgehend.

Das, angewendet auf den ganzen Rechenunterricht, gibt das Folgende: Sie werfen, statt daß Sie Erbse zu Erbse hinzulegen, einen Erbsenhaufen dem Kinde hin. (Es wird gezeichnet.) Der Erbsenhaufe ist das Ganze. Von dem geht man aus. Und jetzt bringt man etwa dem Kinde bei: Ich habe den Erbsenhaufen, oder, sagen wir, damit es für das Kind empfindlich anschaulich wird, einen Haufen von Äpfeln und 3 Kinder, vielleicht 3 Kinder von verschiedenem Alter, die verschieden stark zu essen haben, und wir wollen etwas tun, was mit dem Leben zusammenhängt. Was können wir da tun? Nun, wir können das tun, daß wir den Äpfelhaufen in einer gewissen Weise teilen, und daß wir dann den ganzen Haufen als Summe betrachten gleich den einzelnen Teilen, in die wir ihn aufgeteilt haben. Wir haben den Äpfelhaufen dort, und wir sagen: Wir haben 3 Teile, und bringen so dem Kinde bei, daß die Summe gleich ist den 3 Teilen. Summe = 3 Teile. Das heißt, wir

Zeichnung aus GA 305, S. 111
Zeichnung aus GA 305, S. 111

gehen bei der Addition nicht von den einzelnen Teilen aus und haben nachher die Summe, sondern wir nehmen zuerst die Summe und gehen zu den Teilen über. So gehen wir von dem Ganzen aus, und gehen zu den Addenden, zu den Teilen über, um auf diese Weise ein lebendiges Erfassen der Addition zu haben. Denn dasjenige, worauf es in der Addition ankommt, das ist immer die Summe, und die Teile, die Glieder sind dasjenige, was in der Summe in einer gewissen Weise drinnen sein muß. So ist man in der Lage, das Kind heranzubringen an das Leben in der Art, daß es sich hineinfügt, Ganzheiten zu erfassen, nicht immer von dem Wenigen zu dem Mehr überzugehen. Und das übt einen außerordentlich starken Einfluß auf das ganze Seelenleben des Kindes. Wenn das Kind daran gewöhnt wird, hinzuzufügen, dann entsteht eben jene moralische Anlage, die vorzugsweise ausbildet das nach dem Begehrlichen Hingehen. Wenn von dem Ganzen zu den Teilen übergegangen wird, und wenn entsprechend so auch die Multiplikation ausgebildet wird, so bekommt das Kind die Neigung, nicht das Begehrliche so stark zu entwickeln, sondern es entwickelt dasjenige, was im Sinne der platonischen Weltanschauung genannt werden kann die Besonnenheit, die Mäßigkeit im edelsten Sinne des Wortes. Und es hängt innig zusammen dasjenige, was einem im Moralischen gefällt und mißfällt, mit der Art und Weise, wie man mit den Zahlen umzugehen gelernt hat. Zwischen dem Umgehen mit den Zahlen und den moralischen Ideen, Impulsen, scheint ja zunächst kein logischer Zusammenhang, so wenig, daß derjenige, der nur intellektualistisch denken will, darüber höhnen kann, wenn man davon spricht. Es kann ihm lächerlich vorkommen. Man begreift es auch ganz gut, wenn jemand lachen kann darüber, daß man beim Addieren von der Summe ausgehen soll, und nicht von dem Addenden. Aber wenn man die wirklichen Zusammenhänge im Leben ins Auge faßt, dann weiß man, daß die logisch entferntesten Dinge im wirklichen Dasein einander oftmals sehr nahe stehen.“ (S. 110ff)

Die vier Grundrechnungsarten

Die bekannten vier Grundrechenarten sind:

  • die Addition (lat. additio, von addere „hinzufügen“) oder Plusrechnung: Summe = Summand1 + Summand2
  • die Subtraktion (von lat. subtrahere „wegziehen“, „entfernen“) oder Minusrechnung: Differenz = Minuend - Subtrahend
  • die Multiplikation (lat. multiplicatio, von multiplicare „vervielfachen“) oder Malrechnung: Produkt = Faktor1 × Faktor2 = Faktor2 · Faktor1
  • die Division (von lat. divisio „Teilung“) oder Teilung bzw. das Verhältnis zweier Größen zueinander: Quotient = Dividend : Divisor = Dividend ÷ Divisor

Zusammenhang mit den vier Temperamenten

„Gehen wir einmal von der Addition aus, und zwar so, wie wir die Addition auffassen. Nehmen wir an, ich habe Bohnen oder ein Häufchen Holunderkügelchen. Nun will ich für den heutigen Fall annehmen, daß die Kinder schon zählen können, was sie ja auch erst lernen müssen. Das Kind zählt, es hat 27. - «27», sage ich, «das ist die Summe.» Wir gehen aus von der Summe, nicht von den Addenden! Die psychologische Bedeutung davon können Sie in meiner Erkenntnistheorie verfolgen. Diese Summe teilen wir jetzt ab in Addenden, in Teile oder in Häufchen. Ein Häufchen Holunderkügelchen, sagen wir 12; weiter ein Häufchen, sagen wir 7; weiter eines, sagen wir 3; weiter eines, sagen wir 5. Dann werden wir die Holunderkügelchen erschöpft haben: 27 = 12 + 7 + 3 + 5. Wir machen ja den Rechnungsvorgang von der Summe 27. Solch einen Vorgang lasse ich nun eine Anzahl von Kindern machen, welche ausgesprochen phlegmatisches Temperament haben. Man wird sich allmählich bewußt werden, daß diese Art des Addierens besonders geeignet ist für Phlegmatiker. - Dann werde ich mir, weil ja der Vorgang zurückverfolgt werden kann, cholerische Kinder aufrufen und werde die Holunderkügelchen wieder zusammenwerfen lassen, aber so, daß es geordnet ist gleich 5 und 3 und 7 und 12 sind 27. Also das cholerische Kind macht den umgekehrten Vorgang. Das Addieren ist ganz besonders die Rechnungsart der phlegmatischen Kinder.

Nun nehme ich jemand heraus aus den melancholischen Kindern. Ich sage: «Hier ist ein Häufchen Holunderbeerchen; zähle sie mal ab!» Es kriegt heraus, sagen wir einmal 8. «Siehst du, ich will nicht haben 8, ich will nur haben 3. Wieviel muß weggelegt werden von den Holunderkügelchen, damit ich nur 3 bekomme?» Dann wird es darauf ankommen, daß 5 weggenommen werden müssen. Das Subtrahieren in dieser Form ist vor allem die Rechnungsart der melancholischen Kinder. - Nun rufe ich ein sanguinisches Kind auf und lasse die Rechnung zurück machen. Nun sage ich: «Was ist weggenommen worden?» Und ich lasse mir sagen: Wenn ich 5 von 8 wegnehme, so bleiben mir 3 übrig. - Das sanguinische Kind lasse ich wieder die umgekehrte Rechnungsart ausführen. Ich will nur sagen, daß «vorzugsweise» die Subtraktion - aber so ausgeführt, wie wir es tun - für die melancholischen Kinder ist.

Nun nehme ich mir ein Kind vor aus der Gruppe der Sanguiniker. Ich werfe wieder eine Anzahl Holunderkügelchen hin, ich sorge aber dafür, daß es in irgendeiner Weise paßt. Nicht wahr, ich muß das ja schon anordnen, sonst würde die Sache zu rasch ins Bruchrechnen hineinführen. Also, nun lasse ich zählen: 56 Holunderkügelchen. - «Nun sieh einmal an, da habe ich 8 Holunderkügelchen. Nun mußt du mir sagen, wie oft die 8 Holunderkügelchen in den 56 drinnen sind.» Sie sehen, die Multiplikation führt zu einer Division. Es bekommt heraus 7. Nun lasse ich die Rechnung zurückmachen von dem melancholischen Kinde und sage: «Nun will ich aber nicht untersuchen, wie oft die 8 enthalten sind in den 56, sondern wie oft ist die 7 enthalten in 56? Wie oft kommt die 7 heraus?» Ich lasse die umgekehrte Rechnung immer von dem entgegengesetzten Temperament ausführen. Dem Choleriker lege ich vor zunächst die Division, vom Kleinen zum Größten, indem ich sage: «Siehe, da hast du das Häufchen von 8. Ich will von dir nun wissen, in welcher Zahl die 8 siebenmal drinnensteckt.» Und er muß herauskriegen: in 56; in einem Häufchen von 56. - Dann lasse ich das Umgekehrte, die gewöhnliche Division, von dem phlegmatischen Kinde machen. Für das cholerische Kind wende ich in dieser Form die Division an. Denn in dieser Form ist sie insbesondere die Rechnungsart der cholerischen Kinder.

Auf diese Weise, indem ich es fortwährend so durchführe, bekomme ich gerade für die vier Rechnungsarten die Möglichkeit, sie zu gebrauchen für die Heranziehung der vier Temperamente: das Additive ist verwandt dem Phlegmatischen, das Subtrahieren dem Melancholischen, das Multiplizieren dem Sanguinischen, das Dividieren, mit dem Zurückgehen zu dem Dividenden, dem Cholerischen. - Das ist es, was ich Sie bitte, im Anschluß zu dem von Herrn N. Gesagten zu beachten. Es ist von besonderer Wichtigkeit, daß man nicht langweilig fortarbeitet: ein halbes Jahr bloß addiert, dann subtrahiert und so weiter, sondern wir werden diese vier Rechnungsarten womöglich nicht allzu langsam nacheinander durchnehmen, und dann alle vier üben! Zuerst nur bis 40 etwa. So werden wir Rechnen lehren nicht nach dem gewöhnlichen Stundenplan, sondern so, daß durch das Üben diese vier Arten fast gleichzeitig angeeignet werden. Sie werden finden, daß es auf diese Weise sehr ökonomisch geht, und daß man die Kinder die Dinge ineinanderarbeiten lassen kann. - Es ist ja die Division verwandt mit der Subtraktion, und die Multiplikation ist eigentlich nur eine wiederholte Addition. So daß man also auch umwechseln und zum Beispiel das cholerische Kind an die Subtraktion heranbringen kann.“ (Lit.:GA 295, S. 41ff)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelanachweise

  1. Der Begriff Unterrasse entstammt der damals gebräuchlichen Terminologie der Theosophischen Gesellschaft und wurde von Rudolf Steiner später ebenso wie der Begriff «Wurzelrasse» nicht mehr verwendet. Steiner hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Begriff «Rasse» in der nachatlantischen Zeit eigentlich nicht mehr berechtigt ist, da nun nicht mehr die körperliche, sondern die seelisch-geistige Entwicklung in den Vordergrund rückt. Die Gliederung der Menschheit in Rassen wird allmählich völlig überwunden werden und ist schon heute für die geistige Entwicklung der Menschheit bedeutungslos.