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| '''Chrestós''' ({{ELSalt|Χριστός}}) ist in der [[Griechisch-Lateinische Kultur|griechischen]] [[Mystik]] die Bezeichnung für den [[Lebensgeist]] ([[Buddhi]]), der das zweite der drei höheren [[geist]]igen [[Wesensglieder]] des [[Mensch]]en ist.
| | #REDIRECT [[Chrestós]] |
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| {{GZ|In Griechenland nannte man die Buddhi
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| «Chrestos», und dies ist heute bei den meisten Menschen nur in den
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| ersten Anfängen da.|97|57}}
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| {{GZ|Überall da, wo Leidenschaften, Triebe und Instinkte
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| mitwirken, befinden sich die Menschen noch in Streit und
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| Hader, in wirrem Durcheinander, wie das Trieb- und Instinktleben
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| überhaupt ein wildes Chaos bildet. Wenn aber
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| einst die Triebe, Instinkte und Leidenschaften geläutert, rein
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| und ideal zu dem geworden sind, was man die Buddhi, was
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| man den Chrestos nennt, wenn sie ausgebildet sind bis zu
| |
| jener Höhe, auf der heute das logische, leidenschaftslose
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| Denken steht, dann wird das erreicht sein, was uns in den
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| alten Weisheitsreligionen, im Christentum, in der anthroposophischen
| |
| Geisteswissenschaft als das eigentliche Menschheitsideal
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| entgegenleuchtet. Wenn unser Denken und Fühlen
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| so geläutert ist, daß das, was einer fühlt, harmonisch zusammenklingt
| |
| mit dem, was andere fühlen, wenn auf dieser
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| Menschenerde für das Gefühl und die Empfindung dieselbe
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| Epoche gekommen sein wird, wie sie gekommen ist für den
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| uniformierenden Verstand, wenn Buddhi auf dieser Erde,
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| der Chrestos, verkörpert sein wird im Menschengeschlecht,
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| dann wird das Ideal der alten Weisheitslehrer, des Christentums,
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| der Anthroposophie erfüllt sein. Dann wird man
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| ebensowenig abzustimmen brauchen über dasjenige, was
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| man für gut und edel und richtig hält, wie man über das
| |
| abzustimmen braucht, was man für logisch richtig und
| |
| logisch falsch erkannt hat. Dieses Ideal kann jeder vor seine
| |
| Seele hinstellen, und wenn er das tut, dann hat er das Ideal
| |
| des Sonnenhelden vor sich, dasselbe, was alle Geheimlehrer,
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| die im sechsten Grad eingeweiht sind, auch haben.|54|244f}}
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| {{GZ|Ein zweites Glied dieses geistigen Wesenskernes des Menschen
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| ist die Buddhi. In unserer deutschen Sprache würden
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| wir sagen, der Lebensgeist. Dieses zweite Element in der
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| menschlichen Seele ist etwas, was bei den Höchstentwickelten,
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| bei den Führern, den Leitern der Menschheit in einer
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| gewissen Weise zum Ausdruck kommt. Wir können in gewisser
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| Weise beschreiben, was dieser Lebensgeist ist. Diese
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| Buddhi in höchster Glorie und Erhabenheit ist es, die bei den
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| alten Religionsstiftern, bei Hermes, Buddha, Zarathustra
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| und im höchsten Maße bei dem Christus Jesus im Innern gelebt
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| hat. Soll ich klarmachen, was diese Buddhi bedeutet im
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| geistigen Gebiete, so kann ich das nur durch ein Gleichnis
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| tun. Man muß das Geistige entweder sehen, oder man muß,
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| wie Goethe, der sagt: «Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis», Ewiges, Unvergängliches in ein Gleichnis fassen. Ein
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| solches Gleichnis möchte ich anführen für Buddhi. Wenn Sie
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| sich die gewöhnliche produktive Kraft im gewöhnlichen
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| sinnlichen Leben vorstellen, gepaart mit Liebe, aber nicht als
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| empfangende Liebe, sondern als eine ganz und gar gebende
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| Liebe: das ist Buddhi. Es gibt in der Natur kaum ein anderes
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| Gleichnis als die Henne, die auf dem Ei sitzt, mit der
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| eigenen Lebenswärme neues Leben hervorzaubernd, das
| |
| eigene Dasein in einer Liebeseigenschaft hinopfernd für das
| |
| neue Leben. Nun denken Sie sich das ins Geistige umgesetzt,
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| denken Sie sich eine Individualität, welche die großen, treibenden
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| Kräfte in der Menschennatur, das was Impuls ist in
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| unserer menschlichen Fortentwickelung, in geistiger Weise
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| so hervorbringt, wie das eben geschildert worden ist, dann
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| haben Sie es. Oder war nicht etwa das, was seit zwei Jahrtausenden
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| als der Gemüts- und Gefühlssegen, der durch die
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| abendländischen und amerikanischen Herzen flutet und uns
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| mit Seligkeit erfüllt, war das Element des christlichen Fühlens
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| und Empfindens nicht eine Grundkraft, nicht etwas, das
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| von Christus hervorgebracht und in Christus vorhanden
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| war? Und wurde es nicht in diese Welt hereingebracht in
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| höchst glorienhafter Weise, im Geiste darstellend das, was
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| im Sinnlichen lebt, die hingebende Liebe, die hervorbringt -
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| die nicht hervorbringt ein menschliches Wesen, sondern eine
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| geistige Liebe, die die Weltenweisheit, die durch die Jahrhunderte
| |
| fortzeugt, schafft? Denken Sie sich dieses Element
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| in der Menschennatur, dann haben wir das, was wir in der
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| christlichen Mystik den Christus, in der griechischen Mystik
| |
| den Chrestos, in der morgenländischen Mystik die Buddhi
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| nennen, den Lebensgeist in seiner höchsten Potenz. Ein jeder,
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| der etwas fühlt davon, was es heißt, geistig zu produzieren,
| |
| was als Kraft der Menschheitsentwickelung einverleibt
| |
| wird, was Impulse im geistigen Leben gibt, ein jeder,
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| der davon etwas fühlt, der hat in geistiger, heller, lichter
| |
| Klarheit ein Gefühl ähnlich dem, das sich hier unten durch
| |
| ein Gleichnis ausdrückt, das wahre Wonnegefühl, mit dem
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| das Huhn auf dem Ei sitzt. Das ist die Buddhi. In einem gewissen
| |
| Maße ist sie bei jedem einzelnen Menschen vorhanden,
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| wenigstens in der Anlage.|54|289|290}}
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| Verbunden damit war das [[Schauen der Sonne um Mitternacht]]:
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| {{GZ|Es war dasselbe allenthalben: in den ägyptischen Mysterien,
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| in den Eleusinischen Mysterien, in den Mysterien Vorderasiens,
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| in den babylonisch-chaldäischen ebensowohl als in den Mysterien
| |
| des persischen Mithrasdienstes und den indischen Brahmamysterien.
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| Überall erlebten die Schüler dieser Mysterienschulen dasselbe
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| um die mitternächtige Stunde der Weihe-Nacht.
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| Schon zeitig am Vorabend versammelten sie sich. In stillem Denken
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| mußten sie sich klarmachen, was dies wichtigste Ereignis bedeute.
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| Sie saßen in tiefem Schweigen im Dunkeln beieinander versammelt.
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| Wenn dann die Mitternacht herankam, hatten sie schon stundenlang
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| so gesessen im dunklen Räume. Gedanken der Ewigkeit
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| durchzogen ihr Inneres. Dann, gegen Mitternacht, erhoben sich geheimnisvolle
| |
| Töne, sie durchfluteten den Raum, im Anschwellen und
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| Abschwellen. Die Schüler, die diese Töne hörten, wußten: Das ist
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| die Sphärenmusik. Tiefe, weihevolle Andacht erfüllte ihre Herzen.
| |
| Dann wurde es schwach hell. Das Licht ging aus von einer schwach
| |
| erhellten Scheibe. Diejenigen, die das sahen, wußten, daß diese Scheibe
| |
| die Erde vorstelle. Die erhellte Scheibe wird dann dunkler und dunkler,
| |
| bis sie zuletzt ganz schwarz ist. Zugleich wurde es im Raum
| |
| ringsum heller. Diejenigen, die das sahen, wußten, daß das schwarze
| |
| Rund die Erde darstelle. Die Sonne, die sonst aber die Erde durchleuchtet,
| |
| ist verhüllt. Die Erde kann die Sonne nicht mehr sehen.
| |
| Dann bildete sich um die Erdscheibe, nach außen verlaufend, Kreis
| |
| um Kreis in Regenbogenfarben. Diejenigen, die das sahen, wußten:
| |
| das ist die Iris. Dann erhob sich um Mitternacht allmählich, anstelle
| |
| des schwarzen Erdkreises, ein violett-rötlich leuchtender Kreis; auf
| |
| dem stand ein Wort. Dies Wort war verschieden, je nach den Völkern,
| |
| deren Glieder dies Mysterium erleben durften. In unserer
| |
| heutigen Sprache würde das Wort lauten «Christos». Diejenigen, die
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| das sahen, wußten: das ist die Sonne. Sie erschien ihnen in der
| |
| mitternächtigen Stunde, wenn die Welt ringsum im tiefsten Dunkel
| |
| ruht. Den Schülern wurde klargemacht, daß sie jetzt in Bildern erlebt
| |
| hätten das, was man in den Mysterien nennt: die Sonne um Mitternacht
| |
| schauen.
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| Derjenige, der wirklich eingeweiht ist, lernt die Sonne um Mitternacht
| |
| wahrhaftig schauen, denn in ihm ist das Materielle ausgelöscht.
| |
| Nur die Sonne des Geistes lebt in seinem Inneren und überstrahlt
| |
| alle Dunkelheit der Materie.|96|191f}}
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| {{GZ|«Christus» geworden sind einfach in den alten Mysterien diejenigen,
| |
| die zum höchsten Wissen aufgestiegen sind; wie Sie ja auch heute zum
| |
| Beispiel sich nicht zu verwundern brauchen, wenn einer bis zu seinem
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| fünfundzwanzigsten Jahre studiert hat - vorher war er der ganz gewöhnliche
| |
| Joseph Müller, jetzt ist er plötzlich der Herr Doktor. So wurde
| |
| man in den alten Mysterien «Christus», allerdings nicht auf so unschuldige,
| |
| das heißt einfache Art; denn man kann natürlich der größte
| |
| Trottel sein, und mit fünfundzwanzig Jahren doch Doktor werden!
| |
| Das war nicht in den alten Mysterien möglich; da war es eine tiefe,
| |
| tiefe Weisheit. Da wurde man der «Christus». Es war ein Titel, der
| |
| gegeben wurde den höchsten Weisen, wie heute der Titel «Doktor»
| |
| gegeben wird nach einem gewissen Studium; nur war es damals, wenn
| |
| es richtig zugegangen ist, ja wirkliche Weisheit. Und bei dem Christus
| |
| ist es eben von selbst gekommen. Das heißt aber, es ist das, was sonst
| |
| von der Erde gegeben worden ist, von den Menschen, es ist das gegeben
| |
| worden aus den Weltenweiten. Das ist nur einmal so geschehen.
| |
| Dadurch hat die Weltgeschichte eine andere Wendung genommen. Und
| |
| dieses Geheimnis kann niemand leugnen, selbst der nicht, der kein Christ
| |
| ist, daß da die Weltgeschichte eine andere Wendung genommen hat.|349|217f}}
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| {{GZ|Wie soll der Mensch die Kraft gewinnen
| |
| zu diesem Pfingstgedanken, wenn er nicht durchzudringen vermag
| |
| zu dem Ostergedanken, zu dem wahren Ostergedanken, zu dem
| |
| Gedanken von der Auferstehung des Geistes! Es darf der Mensch nicht
| |
| betäubt werden durch das Bild des sterbenden, des schmerzdurchdrungenen
| |
| Erlösers. Es muß der Mensch lernen das Verbundensein des
| |
| Schmerzes mit dem Zusammengefügtsein mit dem materiellen Dasein.
| |
| Das war ein Grundprinzip der alten Weisheit, die noch aus instinktiven
| |
| Untergründen des menschlichen Erkennens heraus gekommen ist.
| |
| Wir müssen uns diese Erkenntnis durch bewußtes Erkennen wiederum
| |
| erringen. Das war aber ein Grundprinzip, daß des Schmerzes Ursprung
| |
| die Verbindung mit der Materie ist, daß das Leiden stammt von der
| |
| Verbindung des Menschen mit der Materie. Ein Unding wäre es allerdings,
| |
| zu glauben, daß der Christus, weil er als göttlich-geistiges Wesen
| |
| durch den Tod hindurchgegangen ist, den Schmerz nicht erlitten habe.
| |
| Den Schmerz beim Mysterium von Golgatha für einen bloßen Scheinschmerz
| |
| zu erklären, wäre unreal gedacht. Er muß im allerbedeutendsten
| |
| Sinne als wirklich gedacht werden, aber er darf nicht gedacht werden
| |
| als sein Gegenbild. Es muß wieder etwas gewonnen werden von
| |
| dem, was vor uns steht, wenn wir mit dem Überblick über die ganze
| |
| Menschheitsentwickelung das Mysterium von Golgatha vor uns hinstellen.
| |
| Wenn den alten zu initiierenden Schülern der freieste Mensch im
| |
| Bilde vorgeführt werden sollte, wenn diese zu initiierenden Schüler die
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| verschiedensten Vorstufen durchgemacht hatten, wenn sie durchgegangen
| |
| waren durch alle die Übungen, durch die sie sich gewisse Erkenntnisse
| |
| erringen konnten, und die ihnen im Bilde dramatisch vorgeführt
| |
| worden sind, dann wurden sie zuletzt geführt vor das Bild des ganz
| |
| und gar in seinem physischen Leibe leidenden Menschen im roten Purpurmantel
| |
| mit der Dornenkrone auf dem Haupte, vor das Bild des
| |
| Chrestos. Und im Anschauen dieses Chrestos sollte sich der Seele entringen
| |
| diejenige Kraft, die den Menschen zum eigentlichen Menschen
| |
| macht. Und die Blutstropfen, die an allen wichtigeren Stellen jenes
| |
| alten Chrestos dem Schauenden, dem zu Initiierenden entgegentraten,
| |
| die sollten da sein zur Beseitigung der Ohnmacht und der menschlichen
| |
| Schwäche und zum Erheben des triumphierenden Geistes aus
| |
| dem menschlichen Inneren.
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| | |
| Die Schmerzesanschauung sollte bedeuten die Auferstehung des geistigen
| |
| Wesens. Im tiefsten Sinne sollte im Bilde vor dem Menschen
| |
| stehen, was man in einfachen Worten so ausdrücken kann: Deiner Lust
| |
| magst du manches im Leben verdanken; hast du dir aber Erkenntnis,
| |
| hast du dir Einsicht in die geistigen Zusammenhänge verschafft, so verdankst
| |
| du das deinem Leide, deinem Schmerze. Du verdankst es dem
| |
| Umstände, daß du in deinem Leide und deinem Schmerze nicht untergegangen
| |
| bist, sondern die Kraft hattest, dich aus ihnen zu erheben. -
| |
| Deshalb wurde in den alten Mysterien das Bild des leidenden Chrestos
| |
| abgelöst durch das andere Bild des triumphierenden Christus, der herunterschaut
| |
| auf den leidenden Chrestos als auf dasjenige, was überwunden
| |
| ist.
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| | |
| Wiedergefunden werden muß so die Möglichkeit, den triumphierenden
| |
| geistigen Christus vor der Seele und in der Seele und namentlich
| |
| im Willen zu haben. Das ist dasjenige, was uns bevorstehen muß in der
| |
| Gegenwart und insbesondere in dem, was wir tun wollen in dieser Gegenwart
| |
| zu der Herbeiführung einer heilsamen menschlichen Zukunft.|203|287f}}
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| == Literatur ==
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| * [[Rudolf Steiner]]: ''Die Welträtsel und die Anthroposophie'', [[GA 54]] (1983), ISBN 3-7274-0540-6 {{Vorträge|054}}
| |
| * [[Rudolf Steiner]]: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), ISBN 3-7274-0961-4 {{Vorträge|096}}
| |
| * [[Rudolf Steiner]]: ''Das christliche Mysterium'', [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
| |
| * [[Rudolf Steiner]]: ''Die Verantwortung des Menschen für die Weltentwickelung durch seinen geistigen Zusammenhang mit dem Erdplaneten und der Sternenwelt'', [[GA 203]] (1989), ISBN 3-7274-2030-8 {{Vorträge|203}}
| |
| * [[Rudolf Steiner]]: ''Vom Leben des Menschen und der Erde. Über das Wesen des Christentums'', [[GA 349]] (1980), ISBN 3-7274-3490-2 {{Vorträge|349}}
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| {{GA}}
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| [[Kategorie:Wesensglieder]] [[Kategorie:Buddhi|D]] [[Kategorie:Christus]]
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