Herbert Schnädelbach und Common-Sense-Philosophie: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:HS Cover Bild1.jpg|mini|Herbert Schnädelbach, 2007]]
[[Datei:ThomasReid.jpg|mini|[[Thomas Reid]] (1710-1796), Porträt von Sir Henry Raeburn (1796)]]
[[Datei:Herbert Schnädelbach vorhof der völker 01.jpg|mini|Podiumsdiskussion in Berlin, 2013]]
[[Datei:Five men; Robert Burns, Richard Baxter, Francis Bacon, Wellcome L0038353.jpg|mini|[[Wikipedia:James Beattie (Schriftsteller)|James Beattie]] (1735–1803)]]
'''Herbert Schnädelbach''' (* 6. August 1936 in Altenburg, Thüringen) ist ein deutscher [[Philosoph]]. Er war Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Präsident der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie. Seine „methodisch-rationale Gesprächsphilosophie“<ref>[http://www.3sat.de/page/?source=/scobel/139649/index.html Scobel bei 3sat, Sendung vom 26. November 2009]</ref> umfasst Beiträge zur Entwicklung der [[Diskurs]]- und [[Sozialphilosophie]], zur Konstruktion philosophischer [[Rationalität]]stheorien, zur Ausdifferenzierung des [[Wikipedia:Historismus (Geschichtswissenschaft)|Historismus]] und zur Etablierung einer sprachpragmatischen [[Erkenntnistheorie]]. Er beteiligt sich an gesellschaftlichen Debatten zum [[Atheismus]], zur Willensfreiheit, zu den Werten und zum kommunikativen [[Handeln|Handlungsbegriff]].
[[Datei:Portrait of Thomas Paine.jpg|mini|[[Wikipedia:Thomas Paine|Thomas Paine]] (1737-1809)]]
[[Datei:DugaldStewart.jpg|mini|[[Wikipedia:Dugald Stewart (Philosoph)|Dugald Stewart]] (1753–1828)]]
[[Datei:William Hamilton b1788.jpg|mini|[[Wikipedia:William Hamilton (Philosoph)|William Hamilton]] (1788–1856)]]
[[Datei:George Edward Moore.jpg|mini|[[George Edward Moore]] (1873-1958)]]
Die '''Common-Sense-Philosophie''' ging als Frucht der [[Aufklärung]] im [[Wikipedia:18. Jahrhundert|18.]] und [[Wikipedia:19. Jahrhundert|19. Jahrhundert]] von [[Wikipedia:Schottland|Schottland]] aus, weshalb auch die Bezeichnung '''Schottische Schule''' ({{EnS|}} '''Scottish Common Sense Realism''', '''Scottish School of Common Sense''') gebräuchlich ist. Sie vertrat einen [[Naiver Realismus|naiven Realismus]] und sah den „[[common sense]]“ als natürliche Grundlage des [[Philosophie|philosophischen]] [[Denken]]s an. Dem ''common sense'' entspricht dabei im [[Deutsche Sprache|Deutschen]] in etwa der [[Gesunder Menschenverstand|gesundene Menschenverstand]], verbunden mit einem auf das [[Gemeinwohl]] gerichteten Denken, Fühlen und Handeln ([[Gemeinsinn]]).


== Leben ==
Die Common-Sense-Philosophie richtete sich vor allem gegen den von [[David Hume]] vertretenen [[England|englichen]] [[Skeptizismus]] und gegen den [[Frankreich|französischen]] [[Materialismus]]. Als ihr eigentlicher Begründer gilt der schottische [[Philosoph]] [[Thomas Reid]] (1710-1796), der mit seiner [[Wikipedia:1764|1764]] veröffentlichten Schrift „''Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense''“ (''Untersuchung über den menschlichen Geist, nach den Grundsätzen des gemeinen Menschenverstandes'') seinem Zeitgenossen Hume entschlossen entgegentrat.
Herbert Schnädelbach zog im Alter von zwei Jahren mit der Familie von Altenburg nach [[Breslau]]. Die Schulzeit verbrachte er in Breslau, Leipzig, Bad Bergzabern und Landau in der Pfalz. Dort bestand er 1955 das Abitur.


Schnädelbach studierte an der [[Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main]] Philosophie, Soziologie, Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaften. Als wissenschaftliche Hilfskraft war er von 1962 bis 1966 am Philosophischen Seminar tätig. 1965 wurde er mit einer Dissertation zu ''Hegels Theorie der subjektiven Freiheit'' in Philosophie promoviert. Schnädelbach erhielt ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Im Jahr 1970 habilitierte er sich mit der Schrift ''Erfahrung, Begründung und Reflexion. Versuch über den Positivismus''. Die Arbeit ist noch von [[Theodor W. Adorno]] begutachtet worden. Nach dessen Tod betreute [[Jürgen Habermas]] das Habilitationsverfahren.
{{Zitat|Der moderne Skeptizismus ist der natürliche Nachwuchs des neues System; und obwohl das System dieses Monster bis zum Jahr 1739 nicht geboren hat, als Humes „Abhandlung über die menschliche Natur“ veröffentlicht wurde, kann man sagen, dass sie in seinem Schoß von Anfang getragen wurde.  


Als Professor für Philosophie lehrte Herbert Schnädelbach von 1971 bis 1978 in [[Frankfurt am Main]] mit Schwerpunkten in ''Geschichtsphilosophie'', ''[[Wissenschaftsphilosophie]]'' und ''[[Diskursanalyse]]''. Zeitweise war er auch Dekan. Anschließend wechselte er an die [[Universität Hamburg]] und übernahm dort eine Professur mit dem Schwerpunkt ''[[Sozialphilosophie]]''.
Das alte System akzeptierte alle Prinzipien des Common Sense als erste Prinzipien, ohne dass sie nachgewiesen werden müssen; und deshalb, obwohl seine Argumentation häufig vage war, analog und dunkel, wurde es auf einem breiten Fundament gebaut und hatte keine Neigung zur Skeptizismus.|Thomas Reid|''Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense'' (1764), Kapitel 7|ref=<ref>„Modern scepticism is the natural offspring of the new system; and although the system didn’t give birth to this monster until the year 1739 when Hume’s Treatise of Human Nature was published, it can be said to have carried it in its womb from the beginning.<br />
The old system accepted all the principles of common sense as first principles, without requiring any proof of them; and therefore, though its reasoning was commonly vague, analogical and dark, it was built on a broad foundation and had no tendency to scepticism.“<br />
[[Thomas Reid]]: [http://www.earlymoderntexts.com/authors/reid ''Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense''], Glasgow & London 1764  [http://www.earlymoderntexts.com/assets/pdfs/reid1764.pdf pdf] [https://archive.org/details/inquiryintohuman00reidiala archive.org]
(deutsch: ''Thomas Reid's Untersuchung über den menschlichen Geist, nach den Grundsätzen des gemeinen Menschenverstandes''. Aus d. Engl., nach d. 3.&nbsp;Aufl. übers., Leipzig, im Schwickertschen Verlage, 1782 [https://books.google.at/books?id=js0AAAAAcAAJ google])</ref>}}


Zwischen 1988 und 1990 war Schnädelbach Präsident der [[Wikipedia:Deutsche Gesellschaft für Philosophie|Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie in Deutschland]]. Er organisierte 1990 deren XV. Kongress „Philosophie der Gegenwart - Gegenwart der Philosophie“.<ref>Vgl. Herbert Schnädelbach, G. Keil (Hrsg.), ''Philosophie der Gegenwart. Gegenwart der Philosophie''. Junius, Hamburg 1993, Vorwort</ref> 1993 wurde er an die Humboldt-Universität zu Berlin berufen. Dort übernahm er den Lehrstuhl für [[Theoretische Philosophie]]. Schnädelbach war maßgeblich am Neuaufbau des Instituts für Philosophie beteiligt. Er beschäftigte sich mit analytischer ''[[Sprachphilosophie]]'', Diskurs- und Rationalitätstheorien und setzte sich mit Hegel auseinander. Zu seinem sechzigsten Geburtstag erschien die Festschrift ''Sich im Denken orientieren''.<ref>Simone Dietz, Heiner Hastedt, Geert Keil und Anke Thyen, ''Sich im Denken orientieren''. Festschrift für Herbert Schnädelbach. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1996, ISBN 3-518-28853-9.</ref> 2000 veröffentlichte er sein dreibändiges Werk ''Hegels Philosophie. Kommentare zu den Hauptwerken''. Zu Schnädelbachs Schülern zählen Micha Brumlik, Simone Dietz, Kathrin Glüer, Heiner Hastedt, Geert Keil, Christian Thies, Udo Tietz, Anke Thyen und Mark Young. 2002 erfolgte die Emeritierung.
[[Rudolf Steiner]] schreibt über Reid:


Schnädelbach bezeichnet sich als Atheisten. Sein Zeitungsartikel ''Der Fluch des Christentums. Die sieben Geburtsfehler einer alt gewordenen Weltreligion'' in der Wochenzeitung ''Die Zeit'' löste im Jahr 2000 eine überregionale Kontroverse aus.<ref>Herbert Schnädelbach, [http://www.zeit.de/2000/20/200020.christentum_.xml „Der Fluch des Christentums“], in: ''Die Zeit'' vom 11. Mai 2000</ref> Durch Vorlesungen, Zeitungsartikel, Interviews und zahlreiche Veröffentlichungen ist Schnädelbach über die Fachwelt hinaus einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. 2012 erhielt er den Tractatus-Preis.
{{GZ|Vor dem Eingange der Weltanschauungsentwickelung
des neunzehnten Jahrhunderts steht in England ''Thomas Reid'' (1710—1796). Es bildet den Grundzug der Überzeugung
dieses Mannes, was auch Goethe als seine Anschauung
mit den Worten ausspricht: «Es sind am Ende
doch nur, wie mich dünkt, die praktischen und sich selbst
rektifizierenden Operationen des gemeinen Menschenverstandes,
der sich in einer höheren Sphäre zu üben wagt.»
(Vgl. Goethes Werke, Band 36, S. 595 in Kürschners
Deutscher National-Literatur.) Dieser gemeine Menschenverstand
zweifelt nicht daran, daß er es mit wirklichen,
wesenhaften Dingen und Vorgängen zu tun habe, wenn
er die Tatsachen der Welt betrachtet. Reid sieht nur eine
solche Weltanschauung für lebensfähig an, die an dieser
Grundansicht des gesunden Menschenverstandes festhält.
Wenn man selbst zugäbe, daß uns unsere Beobachtung
täuschen könne, und das wahre Wesen der Dinge ein ganz
anderes wäre als uns Sinne und Verstand sagen, so brauchten
wir uns um eine solche Möglichkeit nicht zu kümmern.
Wir kommen im Leben nur zurecht, wenn wir unserer Beobachtung
glauben; alles weitere geht uns nichts an. Von
diesem Gesichtspunkte aus glaubt Reid zu wirklich befriedigenden
Wahrheiten zu kommen. Er sucht nicht durch
komplizierte Denkverrichtungen zu einer Anschauung über
die Dinge zu kommen, sondern durch Zurückgehen auf
die von der Seele instinktiv angenommenen Ansichten.
Und instinktiv, unbewußt, besitzt die Seele schon das
Richtige, bevor sie es unternimmt, mit der Fackel des Bewußtseins
in ihre eigene Wesenheit hineinzuleuchten. Instinktiv
weiß sie, was sie von den Eigenschaften und Vorgängen
in der Körperwelt zu halten hat; instinktiv ist ihr
aber auch die Richtung ihres moralischen Verhaltens, ein
Urteil über Gut und Böse eigen. Reid lenkt das Denken,
durch seine Berufung auf die dem gesunden Menschenverstand
eingeborenen Wahrheiten, auf die Beobachtung der
Seele hin. Dieser Zug nach Seelenbeobachtung bleibt fortan
der englischen Weltanschauungsentwickelung eigen.|18|445f}}


Er ist verheiratet und lebt in Hamburg.
Der schottische Dichter und [[Moralphilosoph]] [[Wikipedia:James Beattie (Schriftsteller)|James Beattie]] (1735–1803) beschrieb 1770 in seinem Hauptwerk „''Ein Essay über die Natur und Unveränderlichkeit der Wahrheit''“<ref>James Beattie: ''An Essay on the Nature and Immutability of Truth, in Opposition to Sophistry and Scepticism'', 1770 [https://books.google.at/books?id=xDj74ukDEh8C google]</ref> (''An Essay on the Nature and Immutability of Truth'') den ''common sense'' als instinktive und durch Erziehung nicht veränderbare Fähigkeit, selbstevidente Wahrheiten wahrzunehmen. Auch er wandte sich entschieden gegen den Skeptizismus David Humes und kritisierte insbesondere auch den in dessen Essay „''Of National Characters''“ vertretenen [[Rassismus]] und argumentierte in „''Elements of Moral Science''“<ref>James Beattie: ''Elements of Moral Science'', 2 Bände, 1790–1793 [https://archive.org/details/elementsmoralsci01beatiala Volume 1] [https://archive.org/details/elementsofmoral02beat Volume 2]</ref> gegen die Sklaverei - auch die Briten und Franzosen seien vor 2000 Jahren noch „Wilde“ gewesen.


== Philosophie ==
[[Wikipedia:Thomas Paine|Thomas Paine]] (1737-1809), einer der [[Wikipedia:Gründerväter der Vereinigten Staaten|Gründerväter der Vereinigten Staaten]], verurteilte in seiner 1775 veröffentlichten  Schrift „''African Slavery In America''“ wie Beattie die Sklaverei. 1776 griff er während des [[Wikipedia:Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg|Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs]] (1775-1783) in seiner Schrift „''Common Sense''“ die Kolonialpolitik des englischen Königs Georg III. mit scharfen Worten an.
Ausgebildet hauptsächlich in der [[Kritische Theorie|Kritischen Theorie]], zählt sich Schnädelbach keiner bestimmten Schule zu. Er veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zu [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|G.W.F. Hegel]] und entwickelte eine „Distinktionstheorie der Diskursvermengung“ (''Reflexion und Diskurs'', 1977): Durch die analytische Unterscheidung ineinander verflochtener Diskursmomente können demnach [[Geltungsanspruch|Geltungsansprüche]] kritisch begutachtet werden.


=== Verständnis von Philosophie ===
Der schottische Philosoph und [[Mathematik]]er [[Wikipedia:Dugald Stewart (Philosoph)|Dugald Stewart]] (1753–1828) warnte allerdings davor, das Prinzip des Common-Sense zu überspannen und schlug vor, nur die allgemeinsten Voraussetzungen, z.B. bezüglich der Existenz der [[materiell]]en [[Dinge]], anzuerkennen. Besser sei es zumeist, von ''Prinzipien des menschlichen Glaubens'' zu sprechen.<ref>[[Wikipedia:Dugald Stewart (Philosoph)|Dugald Stewart]]: ''[http://books.google.de/books?id=lnRBAAAAIAAJ&printsec=titlepage Philosophical essays]'', Edinburgh 1810</ref><ref>Dugald Stewart: ''[http://books.google.de/books?id=3EOhw-djgh0C&printsec=frontcover The Collected Works of Dugald Stewart]'', Gesamtausgabe hrsg. von [[Wikipedia:William Hamilton (Philosoph)|William Hamilton]], 11 Bände, Edinburgh/London 1854 - 60</ref>
Als ihre Stärke hebt Schnädelbach die Pluralität der [[Philosophie]] hervor und begreift sie als fortlaufend kritisches [[Gespräch]] im Spannungsfeld von [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] und [[Wissenschaft]]. Er vertritt einen starken Wahrheitsanspruch der Philosophie, unterscheidet zwischen Philosophie und Pseudophilosophie und sucht die Konfrontation mit Fachkollegen, die seiner Ansicht nach den Rahmen der Pluralität verlassen und die Philosophie ohne Verantwortungsbewusstsein ruinieren.


{{Zitat|Die Philosophie ist ein Plural; ihre innere Pluralität ist ihre Stärke. Ein Grund hierfür liegt in dem Doppelcharakter, mit dem sie im Abendland entstand – als Wissenschaft und Aufklärung. Welterkenntnis und Selbstdeutung, objektive Theoriebildung und subjektive Orientierung – das Erbe von [[Aristoteles]] und [[Sokrates]] – sind in unserer Tradition immer wieder neue Konstellationen eingegangen. Auch darum müssen wir heute Aufklärungsbedarfe immer zugleich an die Wissenschaften verweisen – hier wird m. E. über die Differenz zwischen Philosophie und Pseudophilosophie entschieden – wie wir umgekehrt in den Wissenschaften Aufklärungsprozesse anzumahnen und zu ermuntern haben. Aber auch der Sache nach ist die Philosophie ein Plural, wenn wir sie als Inbegriff gedanklicher Orientierungsversuche im Bereich der Grundsätze unseres Denkens, Erkennens und Handelns verstehen. [] Hierbei werden wir uns der verschiedensten Hilfsmittel bedienen – nicht nur was uns die historisch-[[hermeneutisch]]e Wissenschaftlichkeit an die Hand gibt; Monopole sind auch in der Philosophie kontraproduktiv. So vielfältig und vielgestaltig die Erwartungen sind, die an uns herangetragen werden, so phantasievoll und flexibel müssen wir sein, wenn es darum geht, ob wir sie verantwortlich erfüllen oder sie enttäuschen.|Herbert Schnädelbach<ref>Herbert Schnädelbach, Geert Keil (Hrsg.), ''Philosophie der Gegenwart. Gegenwart der Philosophie'', 1993, S. 19</ref>}}
[[Wikipedia:William Hamilton (Philosoph)|William Hamilton]] (1788–1856) knüpfte die ''Common-Sense-Philosophie'' an die [[Transzendentalphilosophie]] [[Immanuel Kant]]s (1724-1804) an, der in seinem [[Wikipedia:1784|1784]] verfassten Aufsatz „''[[Wikipedia:Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung|Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung]]''“ den Leitgedanken der Aufklärung so charakterisiert hatte: „''Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!''“ Sinngemäß findet sich dieser Ausspruch als [[sapere aude!]]“ („Wage es, weise zu sein!“<ref>[[Wikipedia:Georg Büchmann|Georg Büchmann]]: ''Geflügelte Worte. Der klassische Zitatenschatz''. 39. Auflage, neu bearbeitet von Winfried Hofmann. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1993, S. 330.</ref>) schon 20 v. Chr. bei dem römischen Dichter [[Wikipedia:Horaz|Horaz]]. In seiner [[Wikipedia:1790|1790]] erschienen „[[Wikipedia:Kritik der Urteilskraft|Kritik der Urteilskraft]]“ formulierte [[Kant]] drei Maximen des ''gesunden Menschenverstands'': „''1. Selbstdenken; 2. An der Stelle jedes andern denken; 3. Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken.''“<ref>Immanuel Kant: ''Kritik der Urteilskraft''. Akademieausgabe von Immanuel Kants Gesammelten Werken, Band V, [https://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/Kant/aa05/294.html S.294f]</ref> Für seine Anknüpfung an die deutsche Philosophie wurde Hamilton später vielfach kritisiert, insbesonder von [[John Stuart Mill]] (1806-1873).


Auch Kinder philosophieren,<ref>A. Brauer, ''Ist Gott offenbar – und warum nicht?''. Interview mit Herbert Schnädelbach, in: Tagesspiegel vom 16. Dezember 2007</ref> aber in der Institution Wissenschaft haben Philosophen die Aufgabe, das Fach Philosophie „verantwortlich“ zu entwickeln und es nicht zu „ruinieren“.<ref>Herbert Schnädelbach: ''Philosophie der Gegenwart - Gegenwart der Philosophie.'' 1993, S. 18f.</ref> Wenn „vermeintliches Philosophieren“ der Experten seinen Aufklärungs- und Wissenschaftsansprüchen nicht standhält und demzufolge die Grenzen des von ihm definierten Plurals erreicht oder überschreitet, dann provoziert Schnädelbach Konflikte und trägt sie aus. Im Rahmen seiner Abschiedsvorlesung im Jahre 2002 bezeichnete Schnädelbach diejenigen, die zum Gespräch der Philosophie mit dazugehören, aber an ihrem Rande stehend „enttäuschen“, als „die ''»Mono-logen«, Phänomenologen'' und ''Krypto-Theologen''“ der (Pseudo-)Philosophie. Er wendet sich damit nicht gegen alle Phänomenologen und Theologen, sondern will mit diesen Tätigkeitscharakterisierungen Grenzen des Philosophierens aufzeigen.<ref>Vgl. unten „Phänomenologie und Sprachanalyse“ als einen „gangbaren philosophischen (Aus-)Weg für Phänomenologen des 21. Jhts.“ Quelle: Herbert Schnädelbach, „Das Gespräch der Philosophie. Berliner Abschiedsvorlesung“ [http://edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/schnaedelbach-herbert-2002-07-18/PDF/Schnaedelbach.pdf] (PDF; 164&nbsp;kB), in: ''Analytische und postanalytische Philosophie''. Vorträge und Abhandlungen 4, 2004. Siehe auch ''Berliner Zeitung'' vom 18. Juli 2002: ''„Geht Konfrontationen nicht aus dem Weg: Herbert Schnädelbach.“''</ref> Der in diesem Zusammenhang stehende Vorwurf der „Pseudophilosophie“ geht zurück auf Schnädelbachs Einschätzung, dass es in der professionellen Philosophie eine Tendenz zunehmender „Ver(geistes)wissenschaftlichung“ gebe (die auch in anderen Fächern beklagt wird).<ref>So etwa von Friedrich von Graf, ''Frankfurter Allgemeine Zeitung'' vom 21. Februar 2008: „Die [[Theologie]]n leiden unter einem grotesken Übergewicht der exegetischen Disziplinen, die sich, angesichts der knappen Bestände an heiligen Texten, in ein für Außenstehende absurdes philologisches Spezialistentum verrannt haben.“</ref> Daher betont er mit dem „Doppelcharakter“ der Philosophie die seiner Auffassung nach eher vernachlässigte ''Aufklärung''. „Das angemessene Verhältnis von Wissenschaft und Aufklärung ist vielleicht das, was wir unter dem Wort ''[[Weisheit]]'' suchen.<ref>Herbert Schnädelbach, ''Zur Rehabilitierung des animal rationale''. Vorträge und Abhandlungen 2, Band 2, 1992, S. 386</ref>
Im [[angelsächsisch]]en Sprachraum genießt der ''common sense'' hohe Anerkennung, namentlich im amerikanischen [[Pragmatismus]] und im ''Critical Commonsensism'' von [[Charles Sanders Peirce]] und in der [[Ordinary Language Philosophy]]. Der britische Philosoph [[George Edward Moore]] (1873-1958), einer der Väter der [[Analytische Philosophie|analytischen Philosophie]], verteidigte ihn insbesondere in seiner [[Wikipedia:1925|1925]] erschienen Schrift „''A Defence of Common Sense''“ („''Eine Verteidigung des Common Sense''“):


Zwar hat die Philosophie nach Schnädelbach keinen originären Gegenstandsbereich, aber hinsichtlich ihres spezifischen Weltbezugs folgt er der aristotelischen [[Triade (Philosophie)|Trias]], welche sich mit [[Immanuel Kant|Kant]] und [[Ludwig Wittgenstein|Wittgenstein]] verändert habe (Physik>Erkenntnis, Ethik/Handlungen, Logik>Kommunikation).<ref>Vgl. Herbert Schnädelbach, ''Analytische und postanalytische Philosophie''. Vorträge und Abhandlungen 4, 2004, S. 350. Wenn wir die Kantischen Fragen um ''Was können wir verstehen?'' ergänzen, so „[…] rücken wir neben den theoretischen und praktischen den dritten Weltbezug ins Feld der Aufmerksamkeit: den der Kommunikation“. Diesen dritten Weltbezug ordnet Herbert Schnädelbach der Bedeutungstheorie (Semantik) und Logik zu (letzteres nunmehr als ein formales Teilgebiet). Siehe Herbert Schnädelbach, „Das Gespräch der Philosophie. Berliner Abschiedsvorlesung“ [http://edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/schnaedelbach-herbert-2002-07-18/PDF/Schnaedelbach.pdf] (PDF; 164&nb00sp;kB), in: ''Analytische und postanalytische Philosophie''. Vorträge und Abhandlungen 4, 2004. Siehe auch ''Berliner Zeitung'' vom 18. Juli 2002: ''„Geht Konfrontationen nicht aus dem Weg: Herbert Schnädelbach.“''</ref> In seinen Ausführungen „Zur philosophischen Ortsbestimmung“<ref>Herbert Schnädelbach: ''Zur Rehabilitierung des animal rationale.'' Vorträge und Abhandlungen 2, Band 2, 1992, S. 183ff.</ref> kritisiert er die [[disparat]]en Teile dessen, was sich in Bezug auf die jeweiligen Orientierungsgrundsätze in Orient und Okzident unter dem Begriff der Philosophie entwickelt, als „eine Kultur der Nachdenklichkeit“. Durch die philosophische Aufklärung erfülle sich der Sinn der Philosophie (Nutzen, Resultate etc.), während die Rückbindung der Aufklärung an die Wissenschaft die Geltung ihrer Aussagen absichere. „Pseudophilosophie“ versteht er nicht nur im Sinne von Weltanschauungen, [[Esoterik]], „Grundlagenignoranz“ (es-ist-so-wie- es ist)/–[[essentialismus]] oder „Binsenwahrheiten“. Angesichts der vielen „Philosophien“ vertritt er vehement einen [[normativ]]en Begriff von Philosophie, indem er „aufklärende Sachfragen“ und „intersubjektive Geltungsansprüche“ einfordert. Unter letzterem fasst er eine intersubjektive Anschlussfähigkeit in der Wissenschaft, die er allen Thesen von „deklamatorischen und philosophischen Genies“, die er etwa durch [[Martin Heidegger|Heidegger]], [[Theodor W. Adorno|Adorno]] oder [[Peter Sloterdijk|Sloterdijk]] verkörpert sieht, abspricht. Die Institution Philosophie versäume häufig, ihre ([[Exegese|exegetischen]]) Arbeitsthemen von einem primären Bezug zur gegenwärtigen Praxis mit Hilfe von aufklärenden Sachfragen abzuleiten.
{{Zitat|Ich bin einer jener Philosophen, die dafürhalten, dass die ‚Common Sense Sicht der Welt‘ - bezüglich bestimmter grundlegender Eigenschaften - ''vollkommen'' wahr ist. Aber es muss daran erinnert werden, wie ich meine, dass alle Philosophen, ohne Ausnahme, darin mit mir übereinstimmen: Und dass die reale Differenz, die gemeinhin auf diese Weise ausgedrückt wird, nur eine Differenz zu solchen Philosophen ist, die darüber hinaus ''auch'' Ansichten vertreten haben, die mit diesen Eigenschaften der ‚Common Sense Sicht der Welt‘ nicht vereinbar sind. |George E. Moore|''A Defence of Common Sense''|ref=<ref>„I am one of those philosophers who have held that the 'Common Sense view of the world' is, in certain fundamental features, wholly true. But it must be remembered that, according to me, all philosophers, without exception, have agreed with me in holding this: and that the real difference, which is commonly expressed in this way, is only a difference between those philosophers, who have also held views inconsistent with these features in 'the Common Sense view of the world', and those who have not.“<br />George Edward Moore: [http://selfpace.uconn.edu/class/ana/MooreDefense.pdf ''A Defence of Common Sense''], 1925</ref>}}


=== Methode ===
==Literatur==
Schnädelbach vertritt eine methodisch-rationale Gesprächsphilosophie, die theoretisch auf Reflexions-, Diskurs- und Rationalitätsanalysen beruht. Er formuliert als zentrale These, dass „die“ Philosophie ein [[Gespräch]] sei, sie analysiere Diskurse (bzw. Gespräche) nach typologischen Differenzen, (Reflexions-)Methoden, in Bezug auf Sachprobleme und mit einer formalen (nicht bloß hermeneutischen bzw. sprachlichen) Auszeichnung diskursiv-normativer Geltungsansprüche. Dadurch sei sie ausgewiesen als „eine“ Philosophie, nämlich als eine, die „mit“ Geltungs- und Rationalitätsansprüchen „das“ Gespräch mit seinen jeweiligen Sachbezügen zum Gegenstand habe. Seine Philosophie ist sowohl [[Metaphilosophie]] (‚Philosophie der Philosophie’, die Frage nach Vernunftgrundlagen und die ‚Philosophie-als-Gespräch’-These) als auch Reflexion einzelner Philosophien. Schnädelbach meint dennoch, dass die Philosophie als Ganzes keinen originären Gesprächsgegenstand hat (daher wendete er sich eine Zeit lang gegen die Auszeichnung von philosophischen Lehrstühlen). Er will sich in seinen Gesprächsthemen selbst nicht festlegen, sich nicht spezialisieren und wendet sich gegen nicht selbst festgelegte Spezialisierungsrückwirkungen auf den Philosophierenden. Dennoch ist seine Philosophie hinsichtlich ihrer Vorgehensweisen und Orientierungen, ihrer Ergebnisse und Wirkungen im Folgenden typologisch erfassbar.


„Die“ Philosophie ist nach Schnädelbach ein Gespräch, weil die am philosophischen Gespräch Beteiligten „im“ Chaos des Gesprächs sind, es nicht beenden können und im freien Führen von Gesprächen durch „das“ Gespräch in „dessen“ Richtung geführt werden, auch entgegen einer geplanten Richtung. Diese Richtung ergibt sich erst „als Resultante aus unserem Tun und Lassen“.<ref>Herbert Schnädelbach, „Das Gespräch der Philosophie […]“ [http://edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/schnaedelbach-herbert-2002-07-18/PDF/Schnaedelbach.pdf] (PDF; 164&nbsp;kB). Mit Anlehnung an die Hegelsche „Milchschale“ und einem Vergleich mit „Hannah Arendt“s Unterscheidung zwischen Handeln und Herstellen.</ref> Seine Gesprächsphilosophie soll verdeutlichen, warum „die“ Philosophie notwendigerweise keinen originären Gegenstandsbereich haben kann, als [[Eule der Minerva]] auf das Grau in Grau von rückblickenden Reflexionen verwiesen ist und das jeweils nächste Ergebnis ihrer Untersuchungen zwar erahnen, aber nicht definitiv vorherbestimmen kann. Schnädelbach erweitert das Gespräch als „Spannungsfeld zwischen der ersten und zweiten Person“ (ich/du, wir/ihr und [[Liste lateinischer Phrasen/V#Vice|vice versa]]) um eine „dritte Dimension“, die vermeintliche „Sache“ (den Gesprächsgegenstand) und erläutert den Begriff des Gesprächs in Abgrenzung zu [[Dialog]] und [[Diskurs]].<ref>Herbert Schnädelbach, „Das Gespräch der Philosophie […]“ [http://edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/schnaedelbach-herbert-2002-07-18/PDF/Schnaedelbach.pdf] (PDF; 164&nbsp;kB), mit kurzen Kritiken an Platon, Foucault und Lyotard sowie einer Abgrenzung zum „autopoietischen System“ Luhmanns.</ref> Seine Argumentation beruht auf seiner Einordnung der Philosophie unter einen systematischen Geltungsanspruch. Den [[Sokrates|sokratisch]]-[[Platonischer Dialog|platonischen Dialog]] (Sokratik, [[Maieutik]] etc.) hält er darum für einseitig [[Propädeutik|propädeutisch]], ohne (empirisch-aristotelische) Wissenschaft sei er auf Explikation von Begriffen beschränkt. Der [[Michel Foucault|Foucaultsche]] Diskurs lasse wegen seiner subjektlosen Diskursformen, die an ein Wittgensteinsches Sprachspiel erinnern, ebenfalls den allgemeineren Geltungsanspruch vermissen.<ref>Vgl. Herbert Schnädelbach, „Das Gespräch der Philosophie […]“ [http://edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/schnaedelbach-herbert-2002-07-18/PDF/Schnaedelbach.pdf] (PDF; 164&nbsp;kB), mit kurzen Kritiken an Platon und Herbert Schnädelbach, „Das Gesicht im Sand. Foucault und der anthropologische Schlummer“ in: Axel Honneth u.&nbsp;a. (Hrsg.), ''Zwischenbetrachtungen: Im Prozeß der Aufklärung'', Festschrift für Jürgen Habermas, Frankfurt a.&nbsp;M. 1989, wiederabgedruckt in Herbert Schnädelbach, zweiter Aufsatzband (1992) u. in: A. Honneth et al. ''Philosophical Interventions in the Unfinished Project of Enlightment'', Cambridge 1992.</ref>
* [[Thomas Reid]]: ''Untersuchung des menschlichen Geistes entsprechend den Prinzipien des gesunden Menschenverstandes''. Hg. [[Wikipedia:Hans-Peter Schütt|Hans-Peter Schütt]]. [[Wikipedia:Manutius Verlag|Manutius Verlag]], Heidelberg 1992 ISBN 3-925678-27-1 (Zuerst 1764)
* [[Wikipedia:Paul Henri Thiry d’Holbach|Paul Henri Thiry d’Holbach]]: ''Der gesunde Menschenverstand.'' Nach der Übers. von [[Wikipedia:Samuel Ludvigh|Samuel Ludvigh]], Hg. und Kommentar Gottfried Beyvers, Angelika Penzkofer-Beyvers. [[Wikipedia:Alibri Verlag|Alibri Verlag]], Aschaffenburg 2016 ISBN 3865692346 (Zuerst 1772)
* [[George Edward Moore]]: ''Eine Verteidigung des Common Sense. Fünf Aufsätze aus den Jahren 1903–1941'' (Orig. „A Defense of Common Sense“, 1925). Suhrkamp, Frankfurt 1969
*Rudolf Steiner: ''Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt'', [[GA 18]] (1985), ISBN 3-7274-0180-X {{Schriften|018}}


Schnädelbach strebt eine erneuerte Form traditioneller Philosophie ([[Dialog]], [[Rationalismus]] etc.) an, die mittels der Orientierungsleistungen der Vernunft systematisch vorgeht, wobei er in seinem Frühwerk eher auf ‚Diskurs’ und später auf ‚Gespräch’ rekurriert (oder die Begriffe synonym verwendet). Der Diskurs- bzw. Gesprächsverlauf der Philosophie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – in Nordamerika (sprach-/)[[Pragmatismus|pragmatisch]] und in Europa (sprach-)hermeneutisch – ist Kontext seiner Philosophie. Auf die Unzulänglichkeiten dieses Verlaufs will er hinweisen – wie bereits [[Noam Chomsky]] und später [[Niklas Luhmann]] und [[Jürgen Habermas]]. Wie diese lenkt er den Blick auf den [[Linguistische Wende|linguistic turn]] und das „Kommunikationsparadigma“ in der Philosophie und beteiligt sich daran, die [[Semantik]] ihrer Begriffe weiterzuentwickeln. Dies sind bei Schnädelbach vornehmlich komplexe Summierungen und typologische Theorien zur Erkenntnis, Normativität und Kulturgeschichte – letzteres mit mehreren Essays insbesondere zu Religion und Glaube – der [[Wikipedia:Postmoderne|(Post-)Moderne]].
{{GA}}


== Zu weiteren Themen siehe auch ==
== Einzelnachweise ==
* {{WikipediaDE|Herbert Schnädelbach}}
 
== Schriften ==
* 1966 ''Hegels Theorie der subjektiven Freiheit.'' Dissertationsschrift, Frankfurt a.&nbsp;M.
* 1968 "Was ist Ideologie? Versuch einer Begriffsklärung." In: ''Der evangelische Erzieher.'' 20
* 1971 "Zum Problem der Entscheidbarkeit in der Kantischen Ethik." In: N. Niebel, D. Leisgang (Hrsg.): ''Philosophie als Beziehungswissenschaft.'' Frankfurt a.&nbsp;M.
* 1971 ''Erfahrung, Begründung und Reflexion. Versuch über den Positivismus.'' Habilitationsschrift, Frankfurt a.&nbsp;M.
* 1974 ''Geschichtsphilosophie nach Hegel. Die Probleme des Historismus.'' Freiburg u. München.
* 1977 ''Reflexion und Diskurs. Fragen einer Logik der Philosophie.'' Frankfurt a.&nbsp;M.
* 1980 "Is Technology Ethically Neutral?" In: Melvin Kranzberg (Hrsg.): ''Ethics in an Age of Pervasive Technology.'' Boulder.
* 1982 "Transformation der kritischen Theorie. Zu Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns." In: ''Philosophische Rundschau.'' 1982 (wiederabgedruckt u.&nbsp;a. in: ''Vernunft und Geschichte.'' 1987, und als ''The Transformation of Critical Theory: Jürgen Habermas’ The Theory of Communicative Action’.'' In: A. Honneth, H. Joas: ''Communicative Action: Essays on Jürgen Habermas’ `The Theory of Communicative Action’.'' Cambridge M.A. 1991).
* 1983 ''Philosophie in Deutschland 1831-1933.'' Frankfurt a.&nbsp;M. ISBN 978-3518280010.
* 1984 ''Rationalität.'' Philosophische Beiträge. (Hrsg.), Frankfurt a.&nbsp;M.
* 1985 ''Philosophie.'' Ein Grundkurs (Hrsg. mit Ekkehard Martens) seit 1991 in zwei Bänden, 2003: 7. überarbeitete Auflage, Hamburg.
* 1986 ''Was ist Neoaristotelismus?'' In: W. Kuhlmann (Hrsg.): ''Moralität und Sittlichkeit. Das Problem Hegels und die Diskursethik.'' Frankfurt a.&nbsp;M. (wiederabgedruckt u.&nbsp;a. im zweiten Aufsatzband, ebd. 1992, u. als: ''What is Neo-Aristotelianism?'' In: ''PRAXIS International.'' 7, no. 3+4, 1987).
* 1987 ''Vernunft und Geschichte.'' Vorträge und Abhandlungen (1), Frankfurt a.&nbsp;M. ISBN 978-3518282830.
* 1992 ''Zur Rehabilitierung des "animal rationale".'' Vorträge und Abhandlungen 2, Frankfurt a.&nbsp;M. ISBN 978-3518286432.
* 1998 ''„Rationalitätstypen“ und „Replik“'' In: [http://iug.upb.de/ewe/Inhaltsverzeichnisse/jahrgang9.htm ''Ethik und Sozialwissenschaften.'' 9] (der Artikel ist abgedruckt in ''Philosophie in der modernen Kultur.'' 2000).
* 1999 "Kritische Theorie? Aufgaben kritischer Philosophie heute." In: Hans Albert, Roland Simon-Schäfer, Herbert Schnädelbach: ''Renaissance der Gesellschaftskritik.'' Bamberg.
* 1999 ''Georg Wilhelm Friedrich Hegel zur Einführung.'' Hamburg. ISBN 978-3-88506-352-0.
* 2000 ''Hegels Philosophie – Kommentare zu den Hauptwerken.'' (Hrsg.) 3 Bände, 1339 Seiten, Frankfurt a.&nbsp;M.
* 2000 ''Hegels praktische Philosophie.'' Ein Kommentar der Texte in der Reihenfolge ihrer Entstehung (Band 2 der ''Kommentare zu den Hauptwerken''), Frankfurt a.&nbsp;M.
* 2000 ''Naturalismus.'' Philosophische Beiträge. (Hrsg. mit Geert Keil), Frankfurt a.&nbsp;M.
* 2000 ''Philosophie in der modernen Kultur.'' Vorträge und Abhandlungen 3, Frankfurt a.&nbsp;M. ISBN 978-3518290651. ([http://rauli.cbs.dk/index.php/sats/article/viewFile/335/347 Rezension]).
* 2000 ''Descartes im Diskurs der Neuzeit.'' (Hrsg. mit Wilhelm Friedrich Niebel u. Angelica Horn), Frankfurt a.&nbsp;M. ISBN 978-3-518-29036-1.
* 2000 im Feuilleton: „Der Fluch des Christentums. Die sieben Geburtsfehler einer alt gewordenen Weltreligion. Eine kulturelle Bilanz nach zweitausend Jahren“ und „Armes Christentum! Vorläufiges Schlusswort einer erregten Debatte“ (siehe unten).
* 2002 ''Erkenntnistheorie zur Einführung.'' Hamburg. ISBN 978-3-88506-368-1.
* 2004 ''Analytische und postanalytische Philosophie.'' Vorträge und Abhandlungen 4, Frankfurt a.&nbsp;M. ISBN 978-3518292907. ([http://www.j-quack.homepage.t-online.de/public22.htm Rezension]).
* 2005 ''Kant.'' Leipzig.
* 2006 "Aufklärung und Religionskritik." In: ''Deutsche Zeitschrift für Philosophie.'' 54.
* 2007 ''Vernunft.'' Leipzig. ISBN 978-3150203170.
* 2008 "Erklären und Verstehen - zwei Welten der Wissenschaft?" In: Gottfried Magerl, Heinrich Schmidinger (Hrsg.): ''Einheit und Freiheit der Wissenschaft. Idee und Wirklichkeit.'' Wien/Köln/Weimar.
* 2009 ''Was können wir wissen, was sollen wir tun?: Zwölf philosophische Antworten.'' (Hrsg. mit Heiner Hastedt und Geert Keil), Hamburg. ISBN 978-3499557040.
* 2009 ''Religion in der modernen Welt.'' Vorträge, Abhandlungen, Streitschriften. Frankfurt a.&nbsp;M. ISBN 978-3-596-18360-9. ([http://wp1120584.wp165.webpack.hosteurope.de/wordpress/?p=2474 Rezension]).
* 2012 ''Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann''. München. ISBN 978-3-406-63360-7.
 
"Schriften von Herbert Schnädelbach. 1966-1995." In: S. Dietz et al. (Hrsg.): ''Sich im Denken orientieren - Für Herbert Schnädelbach.'' (Frankfurt am Main, 1996. ISBN 978-3-518-28853-5) Festschrift von 1996 (nicht ganz vollständig, aber mit 94 sortierten und gelisteten Publikationen die bislang umfänglichste Zusammenstellung).
 
== Texte und Interviews im Web und in anderen Medien ==
Was wissen die Philosophen also überhaupt
* Das philosophische Radio. Moderation: Jürgen Wiebicke, WDR 5, 26. Oktober 2012, 20.05 - 21.00.
Diskurs, Gespräch und Hegel
* [http://edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/schnaedelbach-herbert-2002-07-18/PDF/Schnaedelbach.pdf „Das Gespräch der Philosophie“] (PDF; 164&nbsp;kB), Vorlesung an der Humboldt-Universität (Abschiedsvorlesung), 18. Juli 2002.
* [http://edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/schnaedelbach-herbert/PDF/Schnaedelbach.pdf „Hegels Lehre von der Wahrheit“] (PDF; 59&nbsp;kB), Vorlesung an der Humboldt-Universität, 26. Mai 1993 (Antrittsvorlesung).
* [http://www.db-thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-1345/schnaedelbach.pdf Werte und Wertungen]
 
Religion/-skritik und Moderne Kultur
* [http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=3595&n=2&y=4&c=85 „Religion in der modernen Welt“], Gastvortrag an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 5. November 2009.
* ''[http://www.zeit.de/2005/33/ReligionWiederkehr „Wiederkehr der Religion“]. Zu Hunderttausenden strömen Jugendliche zum Papst nach Köln. Ist Glauben wieder modern?'' in: ''Die Zeit'', 2005, Nr. 33, 11. August 2005 (siehe auch [http://www.societyofcontrol.com/library/reform/schnaedelbach_wiederkehr_eines_religioesen_beduerfnisses_werte.txt Wiederkehr der Religion]).
 
Frommer Atheismus
* Sendung „Das Philosophische Radio“ ''Das philosophische Radio mit Herbert Schnädelbach über Atheismus'', von Jürgen Wiebicke, WDR 29. August 2008.
* [http://www.berliner-zeitung.de/archiv/hoffnung---studien-sehen-eine-rueckkehr-des-religioesen--doch-vollzieht-sich-dieser-trend-nicht-immer-innerhalb-der-kirchen--ein-blick-nach-brandenburg--wo-alte-gotteshaeuser-als-neue-zentren-wiederbelebt-werden---aesthetische-erlebnisqualitaet-,10810590,10546852.html „Ästhetische Erlebnisqualität“], Interview von P. Riesbeck, In: ''Berliner Zeitung.'' 20. März 2008.
 
„Der Fluch des Christentums“ (2000)
* [http://www.zeit.de/2000/20/200020.christentum_.xml „Der Fluch des Christentums. Die sieben Geburtsfehler einer alt gewordenen Weltreligion. Eine kulturelle Bilanz nach zweitausend Jahren“] In: ''Die Zeit.'' 11. Mai 2000 (Nr. 20).
* [http://www.zeit.de/2000/30/200030.schnaedel_.xml „Armes Christentum! Vorläufiges Schlusswort einer erregten Debatte“] In: ''Die Zeit.'' 20. Juli 2000 (Nr. 30).
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Herbert Schnädelbach}}
 
== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|119363046}}
* [http://www.schnaedelbach.com/ Homepage].
* Pirmin Stekeler-Weithofer, [http://www.hegel.net/werkstatt/personen/stekeler/schnaedelbach1.htm „Vergeßt Hegel? Replika auf Schnädelbach“]
* Aufsätze zu Schnädelbachs Rationalitätstypen finden sich in [http://iug.upb.de/ewe/Inhaltsverzeichnisse/jahrgang9.htm ''Ethik und Sozialwissenschaften'' 9] (1998).
* Hirschler/Schnädelbach, {{Webarchiv | url=http://www.chrismon.de/732.php | wayback=20100618173340 | text=„Mit dem abwesenden Gott leben. Herbert Schnädelbach im Streitgespräch mit dem evangelischen Bischof Horst Hirschler“ Letzte Fragen 01/2001 – chrismon 01/2001}}, in: ''chrismon.de - Das evangelische Online-Magazin'', 5. Dezember 2001
* Huber/Lütz/Schnädelbach, [http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/930342/ „Über Glauben, Wissen und Wissenschaft“], von Susanne Mack, in: ''Deutschlandradio'', Kultur, 7. März 2009.
* Lütz/Schnädelbach, Video von Sonja Toepfer, [http://de.gloria.tv/?media=8564 „Glaube zwischen Fundamentalismus und Gnade“], Domgespräche mit Manfred Lütz und Herbert Schnädelbach, Moderation Thomas M. Schmidt, 10 min., 14. Dezember 2008.
* Robert Spaemann, [http://www.zeit.de/2000/23/200023.replik_schaedelb.xml „Die Taube auf dem Dach. Gott ist nicht der Veranstalter des Bösen. Ein Einspruch gegen Schnädelbachs Ökumene der Absurditäten“], ''Zeit'', 31. Mai 2000 (Nr. 23).
* Arnold Angenendt, ''Toleranz und Gewalt. Das Christentum zwischen Bibel und Schwert'' [http://www.kirchensite.de/index.php?myELEMENT=124619 als Reaktion auf Schnädelbach].
* Wolfgang Krebs, [http://www.wk-wkw.de/texte/krel/K-Fluch-des-Christentums.pdf „Plädoyer für eine fragwürdige Religion. Zu Herbert Schnädelbachs Beitrag Der Fluch des Christentums, ZEIT Nr. 20, 11. Mai 2000, S. 41–42“ und „Dokumentation der Kontroverse DER FLUCH DES CHRISTENTUMS“], mit (1) Richard Schröder, „Unkraut unter dem Weizen. Das Christentum und die Geschichte seiner permanenten Selbstkritik - Eine Replik“, ''Zeit'', 25. Mai 2000 (Nr. 22); (2) Robert Spaemann (siehe oben); (3) [[Slavoj Žižek]], „Liebe ohne Gnade“, ''Zeit'', 15. Juni 2000 (Nr. 25) (4) Hans Maier, „Die Überwindung der Welt“, ''Zeit'', 29. Juni 2000 (Nr. 27).
* [http://www.3sat.de/mediathek/mediathek.php?obj=15696&mode=play# Werte gestern und heute] Diskussion mit Karl Kardinal Lehmann, moderiert von Gert Scobel, 3sat 26. November 2009
* [http://www.3sat.de/dynamic/sitegen/bin/sitegen.php?tab=2&source=/delta/101245/index.html „Zwischen den Stühlen. Was ist das Geschäft der Philosophie?“], 3sat ''delta-Magazin'', Dezember 2006.
* Geert Keil: [http://www.philosophie.rwth-aachen.de/global/show_document.asp?id=aaaaaaaaaabrfvj „Herbert Schnädelbach“], in: Julian Nida-Rümelin und Elif Özmen (Hrsg.), ''Philosophie der Gegenwart in Einzeldarstellungen'', 3. Aufl., Kröner, Stuttgart 2007


== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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Version vom 16. Juli 2018, 09:16 Uhr

Thomas Reid (1710-1796), Porträt von Sir Henry Raeburn (1796)
James Beattie (1735–1803)
Thomas Paine (1737-1809)
Dugald Stewart (1753–1828)
William Hamilton (1788–1856)
George Edward Moore (1873-1958)

Die Common-Sense-Philosophie ging als Frucht der Aufklärung im 18. und 19. Jahrhundert von Schottland aus, weshalb auch die Bezeichnung Schottische Schule (eng. Scottish Common Sense Realism, Scottish School of Common Sense) gebräuchlich ist. Sie vertrat einen naiven Realismus und sah den „common sense“ als natürliche Grundlage des philosophischen Denkens an. Dem common sense entspricht dabei im Deutschen in etwa der gesundene Menschenverstand, verbunden mit einem auf das Gemeinwohl gerichteten Denken, Fühlen und Handeln (Gemeinsinn).

Die Common-Sense-Philosophie richtete sich vor allem gegen den von David Hume vertretenen englichen Skeptizismus und gegen den französischen Materialismus. Als ihr eigentlicher Begründer gilt der schottische Philosoph Thomas Reid (1710-1796), der mit seiner 1764 veröffentlichten Schrift „Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense“ (Untersuchung über den menschlichen Geist, nach den Grundsätzen des gemeinen Menschenverstandes) seinem Zeitgenossen Hume entschlossen entgegentrat.

„Der moderne Skeptizismus ist der natürliche Nachwuchs des neues System; und obwohl das System dieses Monster bis zum Jahr 1739 nicht geboren hat, als Humes „Abhandlung über die menschliche Natur“ veröffentlicht wurde, kann man sagen, dass sie in seinem Schoß von Anfang getragen wurde.

Das alte System akzeptierte alle Prinzipien des Common Sense als erste Prinzipien, ohne dass sie nachgewiesen werden müssen; und deshalb, obwohl seine Argumentation häufig vage war, analog und dunkel, wurde es auf einem breiten Fundament gebaut und hatte keine Neigung zur Skeptizismus.“

Thomas Reid: Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense (1764), Kapitel 7[1]

Rudolf Steiner schreibt über Reid:

„Vor dem Eingange der Weltanschauungsentwickelung des neunzehnten Jahrhunderts steht in England Thomas Reid (1710—1796). Es bildet den Grundzug der Überzeugung dieses Mannes, was auch Goethe als seine Anschauung mit den Worten ausspricht: «Es sind am Ende doch nur, wie mich dünkt, die praktischen und sich selbst rektifizierenden Operationen des gemeinen Menschenverstandes, der sich in einer höheren Sphäre zu üben wagt.» (Vgl. Goethes Werke, Band 36, S. 595 in Kürschners Deutscher National-Literatur.) Dieser gemeine Menschenverstand zweifelt nicht daran, daß er es mit wirklichen, wesenhaften Dingen und Vorgängen zu tun habe, wenn er die Tatsachen der Welt betrachtet. Reid sieht nur eine solche Weltanschauung für lebensfähig an, die an dieser Grundansicht des gesunden Menschenverstandes festhält. Wenn man selbst zugäbe, daß uns unsere Beobachtung täuschen könne, und das wahre Wesen der Dinge ein ganz anderes wäre als uns Sinne und Verstand sagen, so brauchten wir uns um eine solche Möglichkeit nicht zu kümmern. Wir kommen im Leben nur zurecht, wenn wir unserer Beobachtung glauben; alles weitere geht uns nichts an. Von diesem Gesichtspunkte aus glaubt Reid zu wirklich befriedigenden Wahrheiten zu kommen. Er sucht nicht durch komplizierte Denkverrichtungen zu einer Anschauung über die Dinge zu kommen, sondern durch Zurückgehen auf die von der Seele instinktiv angenommenen Ansichten. Und instinktiv, unbewußt, besitzt die Seele schon das Richtige, bevor sie es unternimmt, mit der Fackel des Bewußtseins in ihre eigene Wesenheit hineinzuleuchten. Instinktiv weiß sie, was sie von den Eigenschaften und Vorgängen in der Körperwelt zu halten hat; instinktiv ist ihr aber auch die Richtung ihres moralischen Verhaltens, ein Urteil über Gut und Böse eigen. Reid lenkt das Denken, durch seine Berufung auf die dem gesunden Menschenverstand eingeborenen Wahrheiten, auf die Beobachtung der Seele hin. Dieser Zug nach Seelenbeobachtung bleibt fortan der englischen Weltanschauungsentwickelung eigen.“ (Lit.:GA 18, S. 445f)

Der schottische Dichter und Moralphilosoph James Beattie (1735–1803) beschrieb 1770 in seinem Hauptwerk „Ein Essay über die Natur und Unveränderlichkeit der Wahrheit[2] (An Essay on the Nature and Immutability of Truth) den common sense als instinktive und durch Erziehung nicht veränderbare Fähigkeit, selbstevidente Wahrheiten wahrzunehmen. Auch er wandte sich entschieden gegen den Skeptizismus David Humes und kritisierte insbesondere auch den in dessen Essay „Of National Characters“ vertretenen Rassismus und argumentierte in „Elements of Moral Science[3] gegen die Sklaverei - auch die Briten und Franzosen seien vor 2000 Jahren noch „Wilde“ gewesen.

Thomas Paine (1737-1809), einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, verurteilte in seiner 1775 veröffentlichten Schrift „African Slavery In America“ wie Beattie die Sklaverei. 1776 griff er während des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs (1775-1783) in seiner Schrift „Common Sense“ die Kolonialpolitik des englischen Königs Georg III. mit scharfen Worten an.

Der schottische Philosoph und Mathematiker Dugald Stewart (1753–1828) warnte allerdings davor, das Prinzip des Common-Sense zu überspannen und schlug vor, nur die allgemeinsten Voraussetzungen, z.B. bezüglich der Existenz der materiellen Dinge, anzuerkennen. Besser sei es zumeist, von Prinzipien des menschlichen Glaubens zu sprechen.[4][5]

William Hamilton (1788–1856) knüpfte die Common-Sense-Philosophie an die Transzendentalphilosophie Immanuel Kants (1724-1804) an, der in seinem 1784 verfassten Aufsatz „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung“ den Leitgedanken der Aufklärung so charakterisiert hatte: „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Sinngemäß findet sich dieser Ausspruch als „sapere aude!“ („Wage es, weise zu sein!“[6]) schon 20 v. Chr. bei dem römischen Dichter Horaz. In seiner 1790 erschienen „Kritik der Urteilskraft“ formulierte Kant drei Maximen des gesunden Menschenverstands: „1. Selbstdenken; 2. An der Stelle jedes andern denken; 3. Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken.[7] Für seine Anknüpfung an die deutsche Philosophie wurde Hamilton später vielfach kritisiert, insbesonder von John Stuart Mill (1806-1873).

Im angelsächsischen Sprachraum genießt der common sense hohe Anerkennung, namentlich im amerikanischen Pragmatismus und im Critical Commonsensism von Charles Sanders Peirce und in der Ordinary Language Philosophy. Der britische Philosoph George Edward Moore (1873-1958), einer der Väter der analytischen Philosophie, verteidigte ihn insbesondere in seiner 1925 erschienen Schrift „A Defence of Common Sense“ („Eine Verteidigung des Common Sense“):

„Ich bin einer jener Philosophen, die dafürhalten, dass die ‚Common Sense Sicht der Welt‘ - bezüglich bestimmter grundlegender Eigenschaften - vollkommen wahr ist. Aber es muss daran erinnert werden, wie ich meine, dass alle Philosophen, ohne Ausnahme, darin mit mir übereinstimmen: Und dass die reale Differenz, die gemeinhin auf diese Weise ausgedrückt wird, nur eine Differenz zu solchen Philosophen ist, die darüber hinaus auch Ansichten vertreten haben, die mit diesen Eigenschaften der ‚Common Sense Sicht der Welt‘ nicht vereinbar sind.“

George E. Moore: A Defence of Common Sense[8]

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. „Modern scepticism is the natural offspring of the new system; and although the system didn’t give birth to this monster until the year 1739 when Hume’s Treatise of Human Nature was published, it can be said to have carried it in its womb from the beginning.
    The old system accepted all the principles of common sense as first principles, without requiring any proof of them; and therefore, though its reasoning was commonly vague, analogical and dark, it was built on a broad foundation and had no tendency to scepticism.“
    Thomas Reid: Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense, Glasgow & London 1764 pdf archive.org (deutsch: Thomas Reid's Untersuchung über den menschlichen Geist, nach den Grundsätzen des gemeinen Menschenverstandes. Aus d. Engl., nach d. 3. Aufl. übers., Leipzig, im Schwickertschen Verlage, 1782 google)
  2. James Beattie: An Essay on the Nature and Immutability of Truth, in Opposition to Sophistry and Scepticism, 1770 google
  3. James Beattie: Elements of Moral Science, 2 Bände, 1790–1793 Volume 1 Volume 2
  4. Dugald Stewart: Philosophical essays, Edinburgh 1810
  5. Dugald Stewart: The Collected Works of Dugald Stewart, Gesamtausgabe hrsg. von William Hamilton, 11 Bände, Edinburgh/London 1854 - 60
  6. Georg Büchmann: Geflügelte Worte. Der klassische Zitatenschatz. 39. Auflage, neu bearbeitet von Winfried Hofmann. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1993, S. 330.
  7. Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. Akademieausgabe von Immanuel Kants Gesammelten Werken, Band V, S.294f
  8. „I am one of those philosophers who have held that the 'Common Sense view of the world' is, in certain fundamental features, wholly true. But it must be remembered that, according to me, all philosophers, without exception, have agreed with me in holding this: and that the real difference, which is commonly expressed in this way, is only a difference between those philosophers, who have also held views inconsistent with these features in 'the Common Sense view of the world', and those who have not.“
    George Edward Moore: A Defence of Common Sense, 1925