Sprechakttheorie: Unterschied zwischen den Versionen

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== Historische Sprechaktanalyse ==
== Historische Sprechaktanalyse ==
Seit kurzem kann man von der Existenz einer historischen Sprechaktanalyse sprechen. Andreas Jucker, der auch eine Bibliographie zur historischen Pragmatik verwaltet, und Irma Taavitsainen haben als zentrales Publikationsorgan das ''Journal of Historical Pragmatics'' gegründet. Die Frage, wie ein bestimmter Sprechakt im Laufe der Geschichte verwirklicht worden ist, fällt auch in den Bereich der [[Onomasiologie]] (so hat die von [[Joachim Grzega]], Alfred Bammesberger und Marion Schöner herausgegebene Zeitschrift ''Onomasiology Online'' ebenfalls begonnen, Artikel aus diesem Bereich aufzunehmen).
Seit kurzem kann man von der Existenz einer historischen Sprechaktanalyse sprechen. Andreas Jucker, der auch eine Bibliographie zur historischen Pragmatik verwaltet, und Irma Taavitsainen haben als zentrales Publikationsorgan das ''Journal of Historical Pragmatics'' gegründet. Die Frage, wie ein bestimmter Sprechakt im Laufe der Geschichte verwirklicht worden ist, fällt auch in den Bereich der [[Onomasiologie]] (so hat die von [[Joachim Grzega]], Alfred Bammesberger und Marion Schöner herausgegebene Zeitschrift ''Onomasiology Online'' ebenfalls begonnen, Artikel aus diesem Bereich aufzunehmen).
== Weitere Historische Personen ==
[[Ludwig Wittgenstein]]s kontrovers interpretierte ''Philosophischen Untersuchungen'' (1953, postum) werden häufig als Bezugspunkt der ''Sprechakttheorien'' genannt, insofern als der Autor die ''dyadische'' Theorie der Bedeutung („Jedes Wort hat eine Bedeutung. [...] Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht.“ -PU 1) ablehnt. Dagegen sei „[d]ie Bedeutung eines Wortes [...] sein Gebrauch in der Sprache“, dessen Regeln dadurch bestimmt werde, dass sprachliche Äußerungen in der Kommunikation des Alltags in unterschiedlichen Situationen verschiedene Funktionen übernehmen (von Wittgenstein „Sprachspiel“ genannt). „Sieh den Satz als Instrument an, und seinen Sinn als seine Verwendung!“ (PU 421) – (Weiteres unter [[Interpretative Semantik|Die semantische Theorie in der Diskussion.]])
[[Charles Peirce]]  bezieht seine Vorstellungen der ''Semiose'' (d. h. Prozess der Wirkungsentfaltung eines Zeichens) als eigentlichem Gegenstand der ''Semiotik'' auf die [[Ontologie]]: auf allgemeine Kategorien der Wahrnehmung. Ihm geht es  um erkenntnistheoretische Allgemeinheit und um [[Metaphysik|metaphysische]] [[Universalität]]. Ausgangspunkt seiner Überlegung ist die Wirkung, die der Mensch in seiner Vorstellung dem Gegenstand eines Begriffes (Objekt) zuordnet und die den Begriffsinhalt bestimmt. Vor diesem Hintergrund entwickelte er in seiner ''pragmatischen Semiotik'' aus dem ''dyadischen Zeichenmodell'' (Das ''Zeichen'' – das ''Repräsentamen'' – hat direkten Bezug zum außersprachlichen Objekt) eine ''triadische Relation,'' indem er eine Zwischeninstanz, den ''Interpretanten,'' einsetzt, das bedeutet: Die individuell erkannte Bedeutung, welche durch [[Interpretation]] des Sprechers/Hörers in einem – kulturell vorgeprägten – Handlungszusammenhang entsteht. Da die jeweiligen ''Repräsentamen'' situationsabhängig unterschiedlich gedeutet werden, sind die ''Zeichenbeziehungen'' immer perspektivisch, d. h.: Es kann zu Missverständnissen und Täuschungen kommen und die Interpretation über das eigentliche Objekt (das ''dynamische Objekt'') muss evtl. angepasst werden. Durch Verständigung erhalten die ''Zeichen'' eine ''intersubjektive'' Deutung, die als ''konventionell'' akzeptiert wird.
[[George H. Mead]]  entwarf ebenfalls ein ''dynamisches Modell:''  In seiner Philosophie untersucht er die Funktion der Sprache im ''interpersonalen, gesellschaftlichen Kontext'' und bezieht neben der verbalen die ''nonverbale Kommunikation'' ein:  Durch Worte, Gesten  Mimik kann der Mensch bestimmte Reaktionen bei sich selbst und – in einem [[Interaktion]]ismus – bei anderen auslösen, Hinweise auf sich selbst geben und so bei sich selbst und beim Anderen Reaktionen auslösen. Das Individuum nimmt in dieser Weise den gesellschaftlichen ''Kommunikationsprozess'' in sich auf und verarbeitet ihn. Für Mead ist dieser Vorgang bedeutsam für die Entwicklung der [[Identität]] durch Interaktion. Vor allem über die ''Zeichen'' der Sprache entstehen – durch die  [[Kooperation]] von Subjekten – ''Rückkoppelungen,'' allerdings nicht in einem einfachen [[Behaviorismus|behavioristischen]] ''Reiz-Reaktion-Schema'', sondern in einem komplexen [[Bewusstsein]]sprozess ''(Sozialbehaviorismus):'' Der Mensch registriert, wie sein Verhalten der Reiz für das Verhalten anderer ist. So vermag er sein Verhalten und das der anderen zu kontrollieren und zu korrigieren, so dass sich sprachliche Kooperationsprozesse optimieren lassen. Der Sprecher verbindet mit seinem ''Zeichen'' die Reaktion des Gegenübers – das ''Zeichen'' wird damit  signifikant, d. h. ein ''Symbol''.
Für Meads Schüler [[Charles W. Morris]]  ist die ''Pragmatik'' als ''relation of signs to interpreters'' (Foundations of the Theory of Signs, 1938) zu verstehen. Er nimmt in seiner ''Kommunikationstheorie'' – ähnlich Peirce – für die ''Semiose'' (Zeichenprozess) eine Dreiteilung  eines ''Zeichens'' vor, ein mittelbar-Notiz-Nehmen durch Vermittlung von etwas Drittem: Die Vermittler sind ''Zeichenträger;'' die Notiznahmen sind ''Interpretanten'' (an Stelle eines Begriffs oder Gedankens setzt er ein ''Verhalten:'' Die Interpretation wird als ''Verhaltensdisposition,'' als ''Handlung des mittelbar Notiznehmens'' aufgefasst); das, von dem Notiz genommen wird, sind ''Designate'' (Objekte). Später ergänzt er sein Modell um die Akteure in diesem Prozess: die ''Interpreten''. Den Teil der ''Semiotik,'' der sich mit der Beziehung des ''Zeichenträgers'' zu dem ''Interpreten'' befasst, nennt Morris ''Pragmatik''. Er vertritt in diesem Zusammenhang – im Unterschied zu Peirce – eine ''behavioristische'' Sichtweise, die deskriptiv-[[Empirie|empirisch]] den Gebrauch von ''Zeichen'' im ''sozialen Kontext'' beobachtet: ''„Interpretant'' definiert er als ''Effekt,'' der in irgendeinem ''[[Rezipient]]en'' ausgelöst wird und durch den die betreffende Sache ihm als ''Zeichen'' erscheint“. „Der Interpretant eines Zeichens ist die Gewohnheit, kraft derer dem Zeichenträger die Designation bestimmter Gegenstandsarten oder Sachverhaltsarten zugeschrieben wird; ...“ (Grundlagen der Zeichentheorie, 1988).


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==

Version vom 22. März 2020, 23:07 Uhr

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Die Sprechakttheorien oder Sprechhandlungstheorien thematisieren als Teilbereiche der linguistischen Pragmatik sprachliche Äußerungen, z. B. Reden, die nicht nur Sachverhalte beschreiben und Behauptungen aufstellen, sondern zugleich selbst Handlungen (Akte) vollziehen. Demnach sind Befehle, Namensgebungen, Eide, Versprechen, Warnungen, Beleidigungen u. ä. aktive Veränderungen der Realität. Die vor allem in den 1950er und 60er Jahren auf der Grundlage dieser Theorie publizierten Abhandlungen analysieren und klassifizieren solche sprachlichen Handlungen und deren Implikationen. Zu den wichtigsten Vertretern zählen John Langshaw Austin (How to Do Things with Words) und John Searle.

Geschichte

Als Geburtsjahr der Sprechakttheorie kann das Jahr 1955 betrachtet werden, in dem John Langshaw Austin an der Harvard-Universität eine Vorlesungsreihe mit dem Titel How to Do Things with Words hielt. Sie wurde postum im Jahre 1962 veröffentlicht; eine deutsche Übersetzung erschien 1972 unter dem Titel Zur Theorie der Sprechakte. Wesentlich verantwortlich für die Verbreitung sprechakttheoretischer Ideen ist das von John Searle, einem Schüler Austins, 1969 veröffentlichte Buch Speech Acts, in dem bestimmte Aspekte von Austins Gedanken stärker systematisiert, andere aber auch vernachlässigt oder verzeichnet werden. Insbesondere entwickelte Searle am Beispiel des Sprechakts des „Versprechens“ ein Modell zur Beschreibung einzelner Sprechakttypen.

Erste Überlegungen zu einer Theorie des Sprachhandelns und die Bezeichnung einer Aussage als „Akt“ finden sich bereits bei Charles S. Peirce. Dieser differenzierte zwischen dem Satz als solchem und der Aussage: „Unterscheiden wir zwischen dem Satz [proposition] und der Aussage [assertion] jenes Satzes. Wir gestehen gerne zu, daß der Satz selbst bloß ein Bild ist mit einem Etikett oder einem Zeiger, der ihm beigegeben ist. Aber jenen Satz aussagen heißt für ihn die Verantwortung zu übernehmen.“ (CP 5.343) Als Beispiel wählte Peirce hierzu die Handlung, einen Eid zu schwören: „Es ist kein bloßes Sagen, sondern ein Handeln. Das Gesetz nennt es einen Akt, glaube ich.“ (CP 5.346)[1]

In gewisser Weise als sprachphilosophischer Wegbereiter der Sprechakttheorie kann Ludwig Wittgenstein betrachtet werden („Worte sind Taten“). In den 1953 postum veröffentlichten Philosophischen Untersuchungen spricht er sich bereits explizit gegen die Theorie aus, dass Wörter generell nur der Benennung von Dingen dienten:

„Als ob mit dem Akt des Benennens schon das, was wir weiter tun, gegeben wäre. Als ob es nur Eines gäbe, was heißt:'von den Dingen reden.' Während wir doch das Verschiedenartigste mit unseren Sätzen tun.“ (PU[2] S. 28, §27) Der These von Sprache als „Benennung“ (und nichts als Benennung) stellt Wittgenstein bereits die Idee entgegen, dass „Sprechen“ auch „Handeln“ ist: „Das Wort ‚Sprachspiel‘ soll hier hervorheben, dass das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform“ (ebd.,[2] S. 26, §23) Als einige solcher „Sprachspiele“ nennt Wittgenstein z. T. auch später von Austin exemplarisch für Sprechakte verwendete Beispiele, wie Befehlen, Bitten oder Danken.

Diese Traditionslinie muss allerdings mit größter Vorsicht genommen werden, da die Erkenntnisinteressen Ludwig Wittgensteins und besonders John Searles, aber auch schon John Austins, sehr verschieden sind. Insbesondere der Versuch der weiteren Fundierung der Sprechakttheorie Searles in einer Theorie des menschlichen Geistes macht deutlich, dass die Leitfragen der Sprechakttheorie mit Wittgensteins Sprachspiel-Denken eher zu kritisieren sind. Die ungeprüfte Berufung auf Wittgenstein, dessen noch unsystematische Ideen Searle systematisiert habe, stimmt ideengeschichtlich nicht. Am Begriff Regel-Regelfolgen wird dies besonders deutlich, da die Sprechakttheorie – wie andere Grammatiktheorien auch (z. B. Noam Chomskys Generative Transformationsgrammatik) – über die Einführung eines technischen Regelbegriffs davon ausgehen muss, man könne Regeln folgen, ohne sie (in welcher Form auch immer!) ausdrücken zu können. Diese Idee findet in Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen ihre schärfste Kritik (siehe Matthias Ohler: Sprache und ihre Begründung).

Sprechakte

Während Austin die Unterteilung eines Sprechaktes in drei Teilakte vornimmt, unterscheidet sein Schüler Searle vier solcher Teilakte, die in einem alltäglichen Kommunikationsprozess simultan ablaufen. Beiden Forschern gemeinsam ist die Absicht des Sprechers (Illokution) und die Wirkung (Perlokution). Dazu kommt noch der richtige Gebrauch der sprachlichen Ausdrücke (Lokution, im lokutiven Akt bzw. im Äußerungsakt).[3]

Theorie von Austin

Nach Austin lassen sich folgende Akte unterscheiden, die gleichzeitig ablaufen:

1. Der lokutionäre Akt

Der lokutionäre Akt (von lat. locūtiō = „Sprache“ bzw. loquor = „ich spreche“): die Handlung des ‘Etwas Sagens’ („saying something ‘in the full normal sense’“, wie Austin sagt), bestehend aus drei Teilakten:

  • Phonetischer Akt (phonetic act): das Hervorbringen von sprachlichen Lauten und Lautketten, die in phonetischer Schrift einer bestimmten Sprache aufgezeichnet werden können.
  • Phatischer Akt: das Hervorbringen von Äußerungen, die nach den Regeln der Grammatik einer bestimmten Sprache unter Verwendung der Wörter (Lexeme) und syntaktischer Strukturen gebildet sind.
  • Rhetischer Akt: das Hervorbringen von Äußerungen, die sowohl einen sinnvollen Bezug zu Gegenständen und Ereignissen der Welt (‘reference’) als auch Bedeutung (‘sense’) haben, indem sie Aussagen über die Referenzobjekte machen.

Ein Beispiel: Hannah sagt zu ihrem Freund: „Fahr vorsichtig, die Straße da vorn in der Kurve ist glatt.“ Sie bringt somit eine Lautkette hervor (phonetischer Akt), die eine grammatische Äußerung des Deutschen ist (phatischer Akt), und weist damit auf eine Stelle hin, ordnet ihr eine Eigenschaft zu und äußert sich über das Fahrverhalten ihres Freundes (rhetischer Akt).

2. Der illokutionäre bzw. illokutive Akt

Der illokutive Akt: der Vollzug einer konventionellen Sprechhandlung, wie beispielsweise einer Frage, Bitte, Warnung, Empfehlung, Drohung etc. („doing something in saying something“, wie Austin sagt).

Der illokutionäre Akt ist der zentrale Aspekt eines Sprechaktes und enthält die zwischenmenschliche Bestimmung. Aus einer sozialen Interaktion heraus wird eine Sprechhandlung – der Äußerungsakt – ausgeführt (das, was mitgeteilt werden soll), aus deren drittem Teilaspekt eventuell vom Hörer eine Folgerung gezogen wird.

Das heißt für das vorausgegangene Beispiel: Hannah macht durch ihren Satz ihren Freund auf die Gefahrenstelle aufmerksam und spricht eine Warnung aus. An diesem Beispiel kann man Searles Kritik, dass illokutionärer und rhetischer Akt kaum zu trennen seien, nachvollziehen.

3. Der perlokutionäre bzw. perlokutive Akt

Der perlokutive Akt ist das Erzielen einer Wirkung, die über den illokutionären Akt hinausgeht, wie beispielsweise Überzeugen, Umstimmen, Verärgern, Verunsichern, Kränken, Trösten, etc. („doing something by saying something“, wie Austin sagt).

Beispiel: Hannah beabsichtigt mit ihrer Äußerung, durch Überzeugen Einfluss auf das Verhalten ihres Freundes zu nehmen. Versteht er die Sprechhandlung, hat dies Folgen (einen perlokutionären Effekt) für den weiteren Kommunikations- und Handlungsprozess (Reduzierung der Geschwindigkeit und/oder Fortsetzung des Gesprächs).

Nach Austin ist zwischen dem perlokutionären Akt und dem perlokutionären Effekt zu unterscheiden. Der perlokutionäre Effekt ist die Wirkung, die aufgrund eines perlokutionären Aktes eintritt. Der Sprecher kann bei einem Sprechakt z. B. beabsichtigt haben, dass der Hörer lacht. Der tatsächlich eingetretene Effekt ist aber, dass der Hörer sich ärgert. Der intendierte perlokutionäre Akt des Sprechers ist also gescheitert. Vom Vollzug eines perlokutionären Aktes kann man nur dann sprechen, wenn die vom Sprecher intendierte Absicht mit der tatsächlich eingetretenen Wirkung übereinstimmt.

Der perlokutionäre Akt ist mit dem illokutionären-Akt durch eine „dadurch, dass-Relation“ verbunden, d. h. kausal. Dementsprechend ist dieser die Folge einer Sprechhandlung. Dagegen ist der illokutionäre Akt mit dem lokutionären Akt durch eine „indem-Relation“ verbunden, d. h. inklusiv. Dementsprechend ist dieser das Ergebnis einer Sprechhandlung und fällt zeitlich mit deren Vollzug zusammen.

Beispiele:

  1. Ein Sprecher vollzieht den perlokutionären Akt des Kränkens des Hörers dadurch, dass er den illokutionären Akt des Behauptens vollzieht, indem er einen lokutionären Akt vollzieht, wie z. B. die Aussage „Du bist hässlich.“
  2. Ein Sprecher vollzieht den perlokutionären Akt des Verunsicherns des Hörers dadurch, dass er den illokutionären Akt der Frage vollzieht, indem er einen lokutionären Akt vollzieht, wie z. B. die Aussage: „Wann haben Sie das letzte Mal geduscht?“
  3. Ein Sprecher vollzieht den perlokutionären Akt des den Hörer-von-etwas-Abbringens dadurch, dass er den illokutionären Akt der Warnung vollzieht, indem er einen lokutionären Akt vollzieht, wie z. B. die Aussage: „Das ist zu gefährlich, was du da planst.“

Theorie von Searle

Während Austin die Unterteilung eines Sprechaktes in drei Teilakte vornimmt, unterscheidet Searle vier solcher Teilakte.

  1. Äußerungsakt
  2. propositionaler Akt
  3. illokutionärer Akt
  4. perlokutionärer Akt (wie bei Austin)

Die von Searle vorgeschlagenen Änderungen an Austins Theorie betreffen hauptsächlich den rhetischen Akt. Da dieser vom illokutionären Akt nicht zu unterscheiden sei, ersetzt er ihn durch den propositionalen Akt und bestimmt ihn durch Differenzierung in Referenzakt und Prädikationsakt neu. Den phonetischen und den phatischen Akt fasst er unter dem Begriff des Äußerungsaktes zusammen.

1. Äußerungsakt

(‘utterance act’): Der Äußerungsakt fasst den phonetischen und den phatischen Akt bei Austin zusammen, d. h. er besteht aus dem Hervorbringen von Äußerungen nach den Regeln der Phonologie und Grammatik einer Sprache.

2. propositionaler Akt

(‘propositional act’): Der propositionale Akt besteht nach Searle wiederum aus zwei Teilakten, dem Referenzakt und dem Prädikationsakt. Mit dem Referenzakt bezieht sich der Sprecher auf bestimmte Objekte der Welt, z. B. mit dem Eigennamen „Peter“ auf die Person Peter. Mit dem Prädikationsakt ordnet der Sprecher dem Objekt, auf das er sich bezogen hat, eine Eigenschaft zu (z. B. „ist mutig“). Bei den folgenden Sprechakten vollzieht der Sprecher den gleichen propositionalen Akt: Peter ist mutig. Ist Peter mutig? Peter, sei mutig!. Man prädiziert und referiert also nicht nur bei Behauptungen, sondern auch bei anderen illokutionären Akten.

3. illokutionärer Akt

wie bei Austin

4. perlokutionärer Akt

wie bei Austin

Explizite und implizite, direkte sowie indirekte Sprechakte

Explizite Sprechakte sind z. B. „Ich verspreche hiermit, X zu tun“ oder „Hiermit taufe ich dieses Schiff auf den Namen Y“. Man spricht von explizit performativen direkten Sprechakten. Explizit performativ deshalb, weil ein so genanntes performatives Verb verwendet wird, im ersten Beispiel also „versprechen“, im zweiten „taufen“. Man spricht von direkten Sprechakten, weil die Proposition („X zu tun“) genau dem illokutionären Witz, dem Ziel der Äußerung, entspricht.

Dagegen gibt es auch implizite (primäre), direkte Sprechakte. Diese sind wesentlich häufiger. Zum explizit performativen, direkten Sprechakt „Ich verspreche, X zu tun“ lautet der implizit performative „Ich werde X tun“, das performative Verb wird also einfach weggelassen.

Zudem gibt es – zumindest gemäß Searle – auch noch indirekte Sprechakte. Hier ist das illokutionäre Ziel nicht aus der Proposition erkennbar. Indirekte Sprechakte beziehen sich auf Bedingungen, die für einen Sprechakt(-typ) vorliegen. Man kann z. B. sagen „Gib mir das Salz!“, aber genauso gut kann man sich dabei auch auf eine Einleitungsbedingung für diesen Sprechakt beziehen: „Der Hörer muss in der Lage sein, das Salz zu reichen“; dementsprechend kann man fragen „Kannst du mir mal das Salz reichen?“. Dies ist (wörtlich genommen) eine Frage nach dem Vermögen des Hörers, das Salz zu reichen. Der illokutionäre Akt, den der Sprecher damit vollziehen will, ist aber eine Bitte. Bei indirekten Sprechakten unterscheidet man primäre und sekundäre Illokution. Die sekundäre Illokution ist die wörtliche, also in unserem Beispiel die Frage nach dem Vermögen des Hörers, das Salz reichen zu können. Die primäre Illokution, das eigentliche Ziel der Äußerung, ist hier aber eine Bitte, die man auch durch die Äußerung „Gib mir bitte das Salz!“ vorbringen könnte. Man vollzieht dabei den primären Sprechakt, indem man den sekundären vollzieht. Nach Searles Konzeption der indirekten Sprechakte muss die primäre Illokution (Bitte) über eine komplizierte Abfolge von Schlussfolgerungen aus der sekundären erschlossen werden. Erst nach diesen Schlussfolgerungen erkennt der Hörer nach Searle, dass es sich nicht um eine Frage nach der Handlungsfähigkeit, sondern um eine Bitte handelt. Damit ein indirekter Sprechakt gelingt, der Hörer also einen weiteren propositionalen Gehalt über das Gesagte hinaus erkennt, muss für den Sprecher die Maxime gelten: Sei aufrichtig und relevant! Für den Hörer lautet die Maxime: Suche nach dem Sinn! Ebenfalls müssen beide über dasselbe (sprachliche wie außersprachliche) Hintergrundwissen verfügen. Diese Position ist in der Forschung jedoch nicht unumstritten. Gegner dieser Auffassung führen aus, dass die Äußerung „Kannst du mir das Salz reichen?“ im Deutschen konventionellerweise „Gib mir bitte das Salz!“ bedeutet. Die Hörer müssen das nicht erst mühsam erschließen.

Historische Sprechaktanalyse

Seit kurzem kann man von der Existenz einer historischen Sprechaktanalyse sprechen. Andreas Jucker, der auch eine Bibliographie zur historischen Pragmatik verwaltet, und Irma Taavitsainen haben als zentrales Publikationsorgan das Journal of Historical Pragmatics gegründet. Die Frage, wie ein bestimmter Sprechakt im Laufe der Geschichte verwirklicht worden ist, fällt auch in den Bereich der Onomasiologie (so hat die von Joachim Grzega, Alfred Bammesberger und Marion Schöner herausgegebene Zeitschrift Onomasiology Online ebenfalls begonnen, Artikel aus diesem Bereich aufzunehmen).

Siehe auch

Literatur

Klassiker

  • William Alston: Illocutionary Acts and Sentence Meaning. Cornell University Press, Ithaca NY u. a. 2000, ISBN 0-8014-3669-9 (Versuch, eine Brücke zwischen Sprechakttheorie und Semantik zu schlagen; die Bedeutung eines Satz ist als dessen Potential für den Vollzug illokutionärer Akte zu verstehen).
  • John L. Austin: How to Do Things with Words (= The William James Lectures. 1955, ZDB-ID 1101386-2). Harvard University Press, Cambridge MA 1962, (In deutscher Sprache: Zur Theorie der Sprechakte (= Universal-Bibliothek. Bd. 9396). Deutsche Bearbeitung von Eike von Savigny. Reclam, Stuttgart 1972, ISBN 3-15-009396-1).
  • George H. Mead: Mind, Self, and Society. University of Chicago Press, Chicago IL 1934, (In deutscher Sprache: Geist, Identität und Gesellschaft aus der Sicht des Sozialbehaviorismus. Mit einer Einleitung herausgegeben von Charles W. Morris. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1968).
  • Charles W. Morris: Foundations of the Theory of Sign (= International Encyclopedia of Unified Science. Bd. 1, Nr. 2, ZDB-ID 599244-8). University of Chicago Press, Chicago IL 1938.
  • Charles Sanders Peirce: Schriften. Band 2: Vom Pragmatismus zum Pragmatizismus. Mit einer Einführung herausgegeben von Karl-Otto Apel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1970.
  • John R. Searle: Speech Acts. An Essay in the Philosophy of Language. Cambridge University Press, Cambridge 1969, (In deutscher Sprache: Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971).
  • John R. Searle: Expression and Meaning. Studies in the Theory of Speech Acts. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1979, ISBN 0-521-07184-4 (In deutscher Sprache: Ausdruck und Bedeutung. Untersuchungen zur Sprechakttheorie (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft. 349). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-27949-1; Verschiedene Untersuchungen zu speziellen Problemen der Sprechakttheorie, u. a. zur Klassifikation von Sprechakten und zu fiktionaler Rede).
  • Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen (= Bibliothek Suhrkamp. 1372). Auf der Grundlage der kritisch-genetischen Edition neu herausgegeben von Joachim Schulte. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-518-22372-0.
  • Joachim Stiller: Neue Sprechakttheorie PDF

Einführungen

  • Klaus Baumgärtner, Hugo Steger (Hrsg.): Funkkolleg Sprache. Eine Einführung in die moderne Linguistik. Beltz, Weinheim 1972.
  • Friedrich Christoph Dörge: Illocutionary Acts. Austin's account and what Searle made out of it. Tübingen 2004, Digitalisat (PDF; 1,83 MB), (Tübingen, Eberhard-Karls-Universität, Dissertation. 2004; affirmative Rekonstruktion von Austins Sprechakttheorie, umfassende Kritik derjenigen von Searle).
  • Claus Ehrhardt, Hans Jürgen Heringer: Pragmatik (= UTB 3480 Sprachwissenschaft). Fink, Paderborn 2011, ISBN 978-3-8252-3480-5, S. 57 ff.
  • Götz Hindelang: Einführung in die Sprechakttheorie. Sprechakte, Äußerungsformen, Sprechaktsequenzen (= Germanistische Arbeitshefte. 27). 5., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. de Gruyter, Berlin u. a. 2010, ISBN 978-3-11-023147-2.
  • Stephen C. Levinson: Pragmatics. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1983, ISBN 0-521-29414-2 (In deutscher Sprache: Pragmatik (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft. Bd. 39). Ins Deutsche übersetzt von Ursula Fries. Niemeyer, Tübingen 1990, ISBN 3-484-22039-2).
  • Sven Staffeldt: Einführung in die Sprechakttheorie. Ein Leitfaden für den akademischen Unterricht (= Stauffenburg-Einführungen. Bd. 19). Stauffenburg, Tübingen 2008, ISBN 978-3-86057-292-4.

Weiterführende Literatur

  • Jacques Derrida, Limited Inc. 2 Essays. Northwestern University Press, Evanston IL 1988, ISBN 0-8101-0788-0 (Scharfe Kritik an Searle).
  • Dirk Greimann, Geo Siegwart (Hrsg.): Truth and Speech Acts. Studies in the philosophy of language (= Routledge Studies in Contemporary Philosophy. Bd. 5). Routledge, New York NY u. a. 2007, ISBN 978-0-415-40651-2.
  • Götz Hindelang, Young Sook Yang: Sprechakttheoretische Dialoganalyse. In: Sven Staffeldt, Jörg Hagemann (Hrsg.): Pragmatiktheorien. Analysen im Vergleich (= Stauffenburg-Einführungen. Bd. 27). Stauffenburg, Tübingen 2014, ISBN 978-3-86057-807-0, S. 149–182.
  • Frank Liedtke: Grammatik der Illokution. Über Sprechhandlungen und ihre Realisierungsformen im Deutschen (= Tübinger Beiträge zur Linguistik. 436). Narr, Tübingen 1998, ISBN 3-8233-5102-8.
  • Anthonie Wilhelmus Marie Meijers: Speech Acts, Communication and Collective Intentionality beyond Searle's Individualism. s. n., s. l. 1994, ISBN 90-801946-1-1, (Leiden, Universität, Dissertation, 1994).
  • Eckard Rolf: Illokutionäre Kräfte. Grundbegriffe der Illokutionslogik. Westdeutscher Verlag, Opladen 1997, ISBN 3-531-12921-X (Gibt eine Beschreibung einer großen Zahl von Illokutionen auf der Basis von Searle / Vanderveken (1985)).
  • Eckard Rolf: Der andere Austin. Zur Rekonstruktion / Dekonstruktion performativer Äußerungen – von Searle über Derrida zu Cavell und darüber hinaus. transcript-Verlag, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-8376-1163-2.
  • Thorsten Sander: Redesequenzen. Untersuchungen zur Grammatik von Diskursen und Texten. mentis, Paderborn 2002, ISBN 3-89785-062-1 (Zugleich: Essen, Universität, Dissertation, 2001; Untersucht das Verhältnis von Sprechakten und Gesprächen bzw. Texten).
  • Hans Julius Schneider: Phantasie und Kalkül. Über die Polarität von Handlung und Struktur in der Sprache. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-518-58114-7.
  • Stephen R. Schiffer: Meaning. Clarendon Press, Oxford 1972, ISBN 0-19-824367-7.
  • John Rogers Searle, Daniel Vanderveken: Foundations of Illocutionary Logic. Cambridge University Press, Cambridge 1985, ISBN 0-521-26324-7(Formal anspruchsvoll).
  • John R. Searle, et al.: (On) Searle on Conversation (= Pragmatics & beyond. NS Bd. 21). Compiled and introduced by Herman Parret and Jef Verschueren. Benjamins, Amsterdam u. a. 1992, ISBN 90-272-5033-2 (Sammelband zum Verhältnis von einzelnen Sprechakten und Gesprächen).
  • Maria Ulkan: Zur Klassifikation von Sprechakten. Eine grundlagentheoretische Fallstudie (= Linguistische Arbeiten. 174). Niemeyer, Tübingen 1992, ISBN 3-484-30174-0.
  • Dieter Wunderlich: Studien zur Sprechakttheorie (= Suhrkamp-Taschenbuch. 172). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-518-07772-4.

Weblinks

 Wiktionary: Sprechakt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wiktionary: Sprechhandlung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. beide Peirce-Zitate in Ekkehard Martens: Einleitung. In: Ekkehard Martens (Hrsg.): Pragmatismus. Ausgewählte Texte. Von Ch. S. Peirce, W. James, F. C. S. Schiller, J. Dewey (= Universal-Bibliothek. 9799). Reclam, Stuttgart 1992, ISBN 3-15-009799-1, S. 3–60, hier S. 8.
  2. 2,0 2,1 Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen. 2003.
  3. "Ein Sprechakt wird in erster Linie durch seine kommunikative Funktion bzw. die Sprecherabsicht (Illokution) beschrieben. Weitere Beschreibungsebenen sind der richtige Gebrauch der sprachlichen Ausdrücke (Lokution) sowie die Wirkung (Perlokution) des Sprechaktes." in Lenz, F. Sprechakttheorie. In Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (WSK) Online (2015). Berlin, Boston: De Gruyter. Retrieved 10 Feb. 2017 (eingeschränkt online)


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