ADHS bei Erwachsenen

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Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen oder adulte ADHS ist die bei Erwachsenen fortbestehende Form der ADHS.

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) stellt eine in der Kindheit beginnende neurobiologische Entwicklungsverzögerung der Selbstregulation dar. Die Störung zeichnet sich durch Probleme mit Aufmerksamkeit, Impulsivität, den exekutiven Funktionen und manchmal auch Hyperaktivität aus.

Die Diagnosekriterien für ADHS bei Kindern und Erwachsenen sind im Wesentlichen gleich. Voraussetzung für eine Diagnose im Erwachsenenalter ist jedoch, dass die Symptome schon im Alter von unter 12 Jahren begonnen haben und seitdem chronisch vorhanden sind. Die Verbreitung von ADHS unter Erwachsenen beträgt nach einer Vielzahl von Studien in mehreren Erdteilen ca. 2,5 %; diese Werte werden aber noch als vorläufig betrachtet.[1]

Die adulte Form der Störung wurde erst in den 1990er Jahren verstärkt beachtet. Damals zeigten Langzeitstudien immer deutlicher, dass – anders als ursprünglich angenommen – ADHS häufig nicht im Erwachsenenalter verschwindet. Die daraufhin einsetzende Forschung ergab, dass auch im Erwachsenenalter meist noch in so vielen Lebensbereichen Beeinträchtigungen fortbestanden, dass eine Diagnose weiterhin gerechtfertigt erschien.[2] Entdeckt wurde ADHS bei Erwachsenen jedoch weitaus früher: Bereits 1980 war dafür im DSM-III die Kategorie „ADD Residual Type“ enthalten.[3]

Verbreitung

Im Gegensatz zur Verbreitung bei Kindern und Jugendlichen gibt es bei Erwachsenen erst vorläufige Abschätzungen (Stand Februar 2016). Nach einer Metaanalyse von 2009 betrug sie 2,5 %,[4] nach einer anderen, doppelt so umfangreichen, jedoch mit Daten überwiegend junger Erwachsener unter 25 Jahren, von 2012 dagegen 5 %.[5]

Eine Studie an der Universität Erlangen-Nürnberg von 2012 auf der Grundlage einer repräsentativen Stichprobe von 1.655 Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren ergab einen Wert von 4,7 %.[6] Eine gleichfalls repräsentative Erfassung von 2.092 Australiern im Alter von 47–54 Jahren zeigte eine Rate von 6,2 %.[7]

Anzeichen

ADHS im Erwachsenenalter kann leichte bis extreme Schwierigkeiten zu Hause, in der Ausbildung oder am Arbeitsplatz mit sich bringen. Es besteht ein besonderes Problem, das eigene Leben zu ordnen und einfache, tägliche Aufgaben zu planen. Dies kann zu Verlust von sozialen Kontakten und zu häufigem Jobwechsel führen. Die Probleme entstehen nicht nur aus dem direkten Verhalten, sondern auch durch die vielen Dinge, die ein Betroffener im Alltag vergisst, besonders wenn von einem Menschen in ähnlichem Alter oder mit ähnlicher Erfahrung erwartet wird, dass dies nicht passiert.

Erwachsene mit überaktiv-impulsiver Ausprägung von ADHS fühlen sich extrem angetrieben und ruhelos. Um sich selbst zu beruhigen, bleiben sie ständig auf dem Sprung und fangen Tätigkeiten an, aber scheitern gewöhnlich daran, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun (Multitasking). Sie wirken auf ihre Umgebung, als würden sie nicht nachdenken, bevor sie handeln oder sprechen. Hier ist das größte Problem, Selbstbeherrschung zu entwickeln. Die mangelnde Selbstregulation ist häufig ein Grund für medikamentöse Behandlung. Fehlende Selbsteinschätzung und Selbstkontrolle im Allgemeinen behindert auch die Einsicht, wann oder wie Aufgaben am besten ausgeführt werden, und ebenso, wie andere Menschen die Ergebnisse auffassen.

Anzeichen von ADHS können sich von Person zu Person stark unterscheiden und auch im Laufe des Lebens erheblich variieren. Am häufigsten sind Störungen der exekutiven Funktionen, also Probleme mit der Planung und Organisation von Handlungen. Diese exekutiven Defizite führen dazu, dass Menschen mit ADHS Probleme damit haben können, effektiv zu handeln und ihre geplanten Vorhaben systematisch und zielgerichtet zu verwirklichen. Daher sehen inzwischen einige Experten ADHS auch vor allem als Störung der Umsetzungskompetenz und Leistungserbringung – und nicht als einen Mangel an Fähigkeiten und Wissen. Ein anderes Anzeichen ist mangelndes Zeitgefühl.[8][9]

Siehe auch

Literatur

Einführung

  •  Johanna Krause und Klaus-Henning Krause: ADHS im Erwachsenenalter. Symptome – Differenzialdiagnose – Therapie. 4. vollst. akt. und erw. Auflage. Schattauer Verlag, 2014, ISBN 978-3-7945-2782-3.
  • Martin D. Ohlmeier, Mandy Roy (Hrsg.): ADHS bei Erwachsenen – ein Leben in Extremen. Ein Praxisbuch für Therapeuten und Betroffene. 1. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-17-021068-4.
  • Tobias Banaschewski, Wolfgang Retz, Michael Rösler: ADHS bei Erwachsenen: 50 Fragen und Antworten. Thieme 2013. ISBN 978-3-13-172371-0.

Ratgeber

  • Russell Barkley: Das große Handbuch für Erwachsene mit ADHS. 2. unveränderte Aufl., Hogrefe 2017, ISBN 9783456857541.
  • Donald Haupt, M.D., Eileen Bailey: The Complete Idiot's Guide to Adult ADHD. Penguin, London 2010, ISBN 978-1-101-19774-5.
  • Elisabeth Nyberg, Rolf-Dieter Stieglitz, Maria Hofecker Fallahpour: Ratgeber ADHS bei Erwachsenen: Informationen für Betroffene und Angehörige. Hogrefe-Verlag, Göttingen 2013, ISBN 3-8409-2224-0.
  • Wolfgang Retz, Roberto D'Amelio, Michael Rösler: ADHS im Erwachsenenalter: Strategien und Hilfen für die Alltagsbewältigung. Kohlhammer 2015, ISBN 978-3-17-021171-1.
  • Lynn Weiss: ADS im Job. Kreativ, hyperaktiv – und erfolgreich. 3. deutsche Auflage. Brendow, Moers 2009, ISBN 978-3-86506-258-1.
  • Anja Greiner, Sylvia Langer, Astrid Schütz: Stressbewältigungstraining für Erwachsene mit ADHS. Springer-Verlag 2012, ISBN 3-642-25802-6.

Verhaltenstherapiemanuale

  • Roberto D’Amelio, Wolfgang Retz u.a. (Hrsg.): Psychoedukation und Coaching ADHS im Erwachsenenalter. Elsevier Verlag, 2008. ISBN 978-3437227660.
  • Bernd Hesslinger, Alexandra Philipsen u.a.: Psychotherapie der ADHS im Erwachsenenalter. Hogrefe Verlag, 2004. ISBN 978-3801718565.
  • Gerhard Lauth u.a.: ADHS bei Erwachsenen. Diagnostik und Behandlung von Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörungen. Hogrefe Verlag, 2009.
  • Steven A. Safren u.a.: Kognitive Verhaltenstherapie der ADHS des Erwachsenenalters. Deutsche Bearbeitung von Esther Sobanski, Martina Schumacher-Stien und Barbara Alm. MWV, 2009. ISBN 978-3939069652.

Weblinks

Einzelnachweise

  1.  Stephen V. Faraone: Attention-deficit/hyperactivity disorder. In: Nature Reviews Disease Primers. 1, 2015, doi:10.1038/nrdp.2015.20 (http://sebastiaandovis.com/wp-content/uploads/2015/11/Faraone-et-al-2015-ADHD.pdf).
  2. K. W. Lange, S. Reichl, K. M. Lange, L. Tucha, O. Tucha: The history of attention deficit hyperactivity disorder. In: Attention deficit and hyperactivity disorders. Band 2, Nummer 4, Dezember 2010, S. 241–255, doi:10.1007/s12402-010-0045-8, PMID 21258430, PMC 3000907 (freier Volltext).
  3.  Alexandra Lam, Helge Müller, Alexandra Philipsen: ADHS im Erwachsenenalter – Diagnostik und Therapie. In: Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie. 85, Nr. 11, Nov. 2017, S. 696–707, doi:10.1055/s-0043-118660 (http://www.thieme-connect.de/DOI/DOI?10.1055/s-0043-118660).
  4. V. Simon, P. Czobor, S. Bálint, A. Mészáros, I. Bitter: Prevalence and correlates of adult attention-deficit hyperactivity disorder: meta-analysis. In: The British journal of psychiatry : the journal of mental science. Band 194, Nummer 3, März 2009, S. 204–211, doi:10.1192/bjp.bp.107.048827, PMID 19252145 (freier Volltext) (Review).
  5. E. G. Willcutt: The prevalence of DSM-IV attention-deficit/hyperactivity disorder: a meta-analytic review. In: Neurotherapeutics : the journal of the American Society for Experimental NeuroTherapeutics. Band 9, Nummer 3, Juli 2012, S. 490–499, doi:10.1007/s13311-012-0135-8, PMID 22976615, PMC 3441936 (freier Volltext) (Review).
  6. M. de Zwaan, B. Gruss, A. Müller, H. Graap, A. Martin, H. Glaesmer, A. Hilbert, A. Philipsen: The estimated prevalence and correlates of adult ADHD in a German community sample. In: European archives of psychiatry and clinical neuroscience. Band 262, Nummer 1, Februar 2012, S. 79–86, doi:10.1007/s00406-011-0211-9, PMID 21499942.
  7. D. Das, N. Cherbuin, P. Butterworth, K. J. Anstey, S. Easteal: A population-based study of attention deficit/hyperactivity disorder symptoms and associated impairment in middle-aged adults. In: PloS one. Band 7, Nummer 2, 2012, S. e31500, doi:10.1371/journal.pone.0031500, PMID 22347487, PMC 3275565 (freier Volltext).
  8. Elisabeth Nyberg, Rolf-Dieter Stieglitz, Maria Hofecker Fallahpour: Ratgeber ADHS bei Erwachsenen Informationen für Betroffene und Angehörige. Hogrefe-Verlag, Göttingen 2013, ISBN 3-8409-2224-0, S. 9 f.
  9. Russell A. Barkley: Das große Handbuch für Erwachsene mit ADHS. Verlag Hans Huber, Bern 2012, ISBN 978-3-456-84979-9, S. 107 f.
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