Ur-Tolteken und Tetraktys: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Ur-Tolteken''' waren nach Aussagen [[Rudolf Steiner]]s die die dritte [[Unterrasse]] <ref name=Unterrasse>Der Begriff ''[[Unterrasse]]'' entstammt der damals gebräuchlichen Terminologie der [[Theosophische Gesellschaft|Theosophischen Gesellschaft]] und wurde von [[Rudolf Steiner]] später ebenso wie der Begriff «[[Wurzelrasse]]» nicht mehr verwendet. Steiner hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Begriff «[[Rasse]]» in der [[Kulturepochen|nachatlantischen Zeit]] eigentlich nicht mehr berechtigt ist, da nun nicht mehr die körperliche, sondern die seelisch-geistige Entwicklung in den Vordergrund rückt. Die Gliederung der Menschheit in Rassen wird allmählich völlig überwunden werden und ist schon heute für die geistige Entwicklung der Menschheit bedeutungslos.</ref> auf der alten [[Atlantis]]. Bei ihnen bildeten sich erstmals deutliche Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens heraus:
Die '''Tetraktys''' ([[Wikipedia:Altgriechische Sprache|griechisch]] τετρακτύς ''tetraktýs'' „Vierheit“ oder „Vierergruppe“) ist ein Begriff aus der Zahlenlehre der antiken [[Wikipedia:Pythagoreer|Pythagoreer]]. Er spielte in der pythagoreischen [[Kosmologie]] und Musiktheorie eine zentrale Rolle, da man in der Tetraktys den Schlüssel zum Verständnis der Weltharmonie sah. Die [[Wikipedia:Pythagoreer|Pythagoreer]] schworen sogar auf die Tetraktys:  


{{GA|Diese Art gesellschaftlichen Zusammenlebens prägte sich erst so recht bei der dritten Unterrasse (den Tolteken) aus. Die Menschen dieser Rasse begründeten daher auch erst das, was man Gemeinwesen, was man die erste Art der Staatenbildung nennen kann. Und die Führung, die Regierung dieser Gemeinwesen ging von den Vorfahren auf die Nachkommen über. Was vorher nur im Gedächtnisse der Mitmenschen weiterlebte, das übertrug jetzt der Vater auf den Sohn. Dem ganzen Geschlechte sollten die Werke der Vorfahren nicht vergessen werden. In den Nachkommen noch wurde das geschätzt, was der Ahne getan hatte. Man muß sich nur klar darüber sein, daß in jenen Zeiten die Menschen wirklich auch die Kraft hatten, ihre Gaben auf die Nachkommen zu übertragen. Die Erziehung war ja darauf berechnet, in anschaulichen Bildern das Leben vorzubilden. Und die Wirkung dieser Erziehung beruhte auf der persönlichen Macht, die von dem Erzieher ausging. Er schärfte nicht die Verstandeskraft, sondern Gaben, die mehr instinktiver Art waren. Durch ein solches Erziehungssystem ging wirklich die Fähigkeit des Vaters in den meisten Fällen auf den Sohn über.
{{Zitat|Segne uns, geheiligte Zahl, du, die du Götter und Menschen erschaffen hast! Oh heilige, heilige Tetraktys, du umfasst die Wurzel und den Ursprung der ewig fließenden Schöpfung!}}


Unter solchen Verhältnissen gewann bei der dritten Unterrasse die persönliche Erfahrung immer mehr an Bedeutung. Wenn sich eine Menschengruppe von einer anderen abgliederte, so brachte sie zur Begründung ihres neuen Gemeinwesens die lebendige Erinnerung mit an das, was sie am alten Schauplatz erlebt hatte. Aber zugleich lag in dieser Erinnerung etwas, was sie für sich nicht entsprechend fand, worinnen sie sich nicht wohl fühlte. In bezug darauf versuchte sie dann etwas Neues. Und so verbesserten sich mit jeder neuen solchen Gründung die Verhältnisse. Und es war nur natürlich, daß das Bessere auch Nachahmung fand. Das waren die Tatsachen, auf Grund derer es in der Zeit der dritten Unterrasse zu jenen blühenden Gemeinwesen kam, die in der theosophischen Literatur beschrieben werden. Und die persönlichen Erfahrungen, die gemacht wurden, fanden Unterstützung von seiten derer, die in die ewigen Gesetze der geistigen Entwickelung eingeweiht waren. Mächtige Herrscher empfingen selbst die Einweihung, auf daß die persönliche Tüchtigkeit den vollen Rückhalt habe. Durch seine persönliche Tüchtigkeit macht sich der Mensch allmählich zur Einweihung fähig. Er muß erst seine Kräfte von unten herauf entwickeln, damit dann die Erleuchtung von oben ihm erteilt werden könne. So entstanden die eingeweihten Könige und Völkerführer der Atlantier. Gewaltige Machtfülle war in ihrer Hand; und groß war auch die Verehrung, die ihnen entgegengebracht wurde.
== Antike Bedeutung ==


Aber in dieser Tatsache lag auch der Grund zum Niedergang und zum Verfall. Die Ausbildung der Gedächtniskraft hat zur Machtfülle der Persönlichkeit geführt. Der Mensch wollte etwas durch diese seine Machtfülle gelten. Und je größer die Macht wurde, desto mehr wollte er sie für sich ausnützen. Der Ehrgeiz, der sich entwickelt hatte, wurde zur ausgesprochenen Selbstsucht. Und damit war der Mißbrauch der Kräfte gegeben. Wenn man bedenkt, was die Atlantier durch die Beherrschung der Lebenskraft vermochten, so wird man begreifen, daß dieser Mißbrauch gewaltige Folgen haben mußte. Es konnte eine weite Macht über die Natur in den Dienst der persönlichen Eigenliebe gestellt werden.|11|37ff}}
Als Tetraktys bezeichneten die Pythagoreer die Gesamtheit der Zahlen 1, 2, 3 und 4, deren Summe 10 ergibt. Da die [[Zehn]] ([[Wikipedia:Altgriechische Sprache|griechisch]] δεκάς ''dekás'' "Zehnzahl", "Zehnergruppe") die Summe der ersten vier Zahlen ist, nahm man an, dass die Vierheit die Zehn „erzeugt“. Der Zehn kam schon durch den Umstand, dass sie bei Griechen und „Barbaren“ (Nichtgriechen) gleichermaßen als Grundzahl des [[Wikipedia:Dezimalsystem|Dezimalsystem]]s diente, eine herausgehobene Rolle zu.<ref>Walter Burkert: ''Weisheit und Wissenschaft'', Nürnberg 1962, S. 64.</ref> Von den Pythagoreern wurde die Zehn überdies, wie [[Aristoteles]] berichtet, wegen ihres Zusammenhangs mit der Tetraktys als „etwas Vollkommenes“ betrachtet, das „das ganze Wesen der Zahlen umfasst“.<ref>Aristoteles: ''[[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]]'' 986a8-10.</ref> Daher wurde die Zehn auch „heilige Zahl“ genannt.<ref>Van der Waerden (1979) S. 457f.</ref> 


==Literatur==
Die pythagoreische Kosmologie ging von der Annahme aus, dass der Kosmos nach mathematischen Regeln harmonisch geordnet ist. In dieser Weltdeutung war die Tetraktys ein Schlüsselbegriff, da sie die universelle Harmonie ausdrückte. Daher nahmen manche Pythagoreer an, dass es zehn bewegte Himmelskörper geben müsse, obwohl nur neun sichtbar waren – eine Spekulation, die ihnen Aristoteles verübelte.<ref>Aristoteles: ''Metaphysik'' 986a10-15.</ref>
* [[Rudolf Steiner]]: ''Aus der Akasha-Chronik'', [[GA 11]] (1904 - 1908), ISBN 978-3-7274-6161-3 {{Schriften|011}}


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Die Entdeckung der Weltharmonie wurde [[Pythagoras von Samos]], dem Begründer der pythagoreischen Tradition, zugeschrieben. Daher gab es bei den Pythagoreern eine Eidesformel, die lautete:


== Weblinks ==
{{Zitat|Nein, bei dem, der unserer Seele die Tetraktys übergeben hat, welche die Quelle und Wurzel der ewig strömenden Natur enthält.}}
* [http://www.anthroposophie.net/steiner/ga/bib_steiner_ga_011.htm Aus der Akasha-Chronik] - der gesamte Text online.
 
Mit demjenigen, der die Tetraktys übergab, war Pythagoras gemeint.
 
In den „[[Wikipedia:Goldene Verse|Goldenen Versen]]“ (''carmen aureum''), einem in der Antike und dann erneut in der Renaissance populären Gedicht, das die pythagoreischen Lehren zusammenfasste, steht eine etwas abweichende Fassung der Formel (Verse 47 und 48):
 
{{Zitat|Ja, bei dem, der unserer Seele die Tetraktys übergeben hat, Quelle der ewig strömenden Natur.}}
 
Die Tetraktys wurde mit Zählsteinen (''psēphoi'') ausgedrückt, indem die vier Zahlen in Form eines gleichseitigen [[Wikipedia:Dreieck|Dreieck]]s übereinander angeordnet wurden:
 
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In der Musik stellten die Pythagoreer fest, dass die harmonischen Grundkonsonanzen [[Quarte]], [[Quinte]] und [[Oktave]], denen die Zahlenverhältnisse 4:3 (= 8:6), 3:2 (= 9:6) und 2:1 (= 12:6) zugeordnet wurden, mit den vier Zahlen der Tetraktys ausgedrückt werden können, ebenso wie auch zwei weitere Intervalle: die aus Oktave und Quinte bestehende [[Duodezime]] (3:1) und die Doppeloktave (4:1). Nur diese fünf Intervalle wurden als symphon anerkannt.<ref>Leonid Zhmud: ''Wissenschaft, Philosophie und Religion im frühen Pythagoreismus'', Berlin 1997, S. 184f. Eine der Hauptquellen ist [[Sextus Empiricus]], ''Adversus Mathematicos'' 4, 2−9.</ref> Die Undezime (8:3), die nicht in den Rahmen der Tetraktys passt, wurde also aufgrund einer theoretischen Überlegung von den konsonanten Intervallen ausgeschlossen, obwohl sie als konsonant oder zumindest nicht als dissonant wahrgenommen wird. Die Theorie der Tetraktys hatte Vorrang gegenüber der sinnlichen Wahrnehmung. Diese Vorgehensweise wurde von dem empirisch denkenden Musiktheoretiker [[Claudius Ptolemäus|Ptolemaios]] kritisiert.
 
Neben der Gruppe der Zahlen 1–4 gab es bei den Pythagoreern noch andere bedeutsame Vierergruppen von Zahlen, die ebenfalls Tetraktys genannt wurden. In der Musiktheorie war die Gruppe 6, 8, 9, 12 besonders wichtig, da diese Zahlen den unveränderlichen Saiten der [[Wikipedia:Lyra (Zupfinstrument)|Lyra]] (Hypate, Mese, Paramese, Nete) zugeordnet waren. Der Musiktheoretiker [[Wikipedia:Nikomachos von Gerasa|Nikomachos von Gerasa]] bezeichnet diese Gruppe daher als "erste" Tetraktys, wobei "erste" rangmäßig zu verstehen ist. Er gibt an, dass die 6 dem tiefsten Ton, der Hypate, entspricht, die 12 dem höchsten, der Nete.<ref>Barbara Münxelhaus: ''Pythagoras musicus'', Bonn 1976, S. 22-24, 26-28, 41, 71, 84f., 110, 185-191.</ref>
 
Auch in der Geometrie fand sich mit den vier Elementen Punkt, Linie (Länge), Fläche (Breite) und Körperlichkeit (Tiefe) eine Vierheit, die für die Pythagoreer auf die Tetraktys deutete. Der Punkt wurde der Eins, die Länge der Zwei, die Fläche der Drei und die Körperlichkeit der Vier zugeordnet.<ref>Sextus Empiricus: ''Adversus Mathematicos'' 4,4–6.</ref>
 
Der jüdische Gelehrte [[Wikipedia:Philon von Alexandria|Philon von Alexandria]] verwendete das Tetraktys-Konzept bei der Kommentierung des Buches [[Wikipedia:1. Buch Mose|Genesis]]. Er bezog es auf die Erschaffung der Gestirne am vierten Schöpfungstag.
 
== Mittelalter ==
 
Die auf dem Tetraktys-Konzept fußende pythagoreische Konsonanzlehre prägte die mittelalterliche Musiktheorie weitgehend. Die abweichende Auffassung des Ptolemaios war ebenfalls bekannt, da der spätantike Gelehrte [[Boëthius]] sie im fünften Buch seiner Schrift ''De institutione musica'' dargelegt hatte. Die Frage der Einbeziehung der Undezime in die Gruppe der Konsonanzen wurde kontrovers erörtert, wobei die pythagoreische Auffassung überwog.<ref>Münxelhaus (1976) S. 88-94.</ref> 
 
== Neuzeitliche Rezeption ==
 
[[Wikipedia:Nikolaus von Kues|Nikolaus von Kues]] vertrat in seiner Schrift ''De coniecturis'' (1440) die Auffassung, dass in den Zahlen 1, 2, 3 und 4 und ihren Kombinationen alle Harmonie bestehe; er berief sich aber nicht ausdrücklich auf die pythagoreische Tradition.<ref>''De coniecturis'' II.2 (83); siehe dazu Werner Schulze: ''Harmonik und Theologie bei Nikolaus Cusanus'', Wien 1983, S. 70f.</ref> Der Humanist [[Wikipedia:Johannes Reuchlin|Johannes Reuchlin]] verglich in seinem 1494 erschienenen Werk ''De verbo mirifico'' (''Über das Wunder wirkende Wort'') das Tetragramm, das den Gottesnamen [[JHWH]] darstellt, mit der Tetraktys. [[Wikipedia:Raffael|Raffael]] gab sie auf seinem [[Wikipedia:Fresko|Fresko]] ''[[Wikipedia:Die Schule von Athen|Die Schule von Athen]]'' auf einer Tafel wieder. Auch [[Wikipedia:Johannes Kepler|Johannes Kepler]] hat sich in seinem 1619 erschienenen Werk ''Harmonice mundi'' mit der Tetraktys befasst.
 
== Literatur ==
* Charles H. Kahn: ''Pythagoras and the Pythagoreans'', Indianapolis 2001, S. 31-36, 84f. ISBN 0-87220-576-2
* [[Wikipedia:Bartel Leendert van der Waerden|Bartel Leendert van der Waerden]]: ''Die Pythagoreer'', Zürich 1979, S. 103-109 ISBN 3-7608-3650-X
* Paul Kucharski: ''Etude sur la doctrine pythagoricienne de la tétrade'', Paris 1952
* Armand Delatte: ''Etudes sur la littérature pythagoricienne'', Paris 1915 [S. 249-268: Kapitel ''La tétractys pythagoricienne'']
* Theo Reiser: ''Das Geheimnis der pythagoreischen Tetraktys'', Lambert Schneider, Heidelberg 1967


== Anmerkungen ==
== Anmerkungen ==
<references/>


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[[Kategorie:Symbol]]


[[Kategorie:Erdentwicklung]]
{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Menschheitsentwicklung]]
[[Kategorie:Atlantische Zeit]]

Version vom 29. März 2010, 02:30 Uhr

Die Tetraktys (griechisch τετρακτύς tetraktýs „Vierheit“ oder „Vierergruppe“) ist ein Begriff aus der Zahlenlehre der antiken Pythagoreer. Er spielte in der pythagoreischen Kosmologie und Musiktheorie eine zentrale Rolle, da man in der Tetraktys den Schlüssel zum Verständnis der Weltharmonie sah. Die Pythagoreer schworen sogar auf die Tetraktys:

„Segne uns, geheiligte Zahl, du, die du Götter und Menschen erschaffen hast! Oh heilige, heilige Tetraktys, du umfasst die Wurzel und den Ursprung der ewig fließenden Schöpfung!“

Antike Bedeutung

Als Tetraktys bezeichneten die Pythagoreer die Gesamtheit der Zahlen 1, 2, 3 und 4, deren Summe 10 ergibt. Da die Zehn (griechisch δεκάς dekás "Zehnzahl", "Zehnergruppe") die Summe der ersten vier Zahlen ist, nahm man an, dass die Vierheit die Zehn „erzeugt“. Der Zehn kam schon durch den Umstand, dass sie bei Griechen und „Barbaren“ (Nichtgriechen) gleichermaßen als Grundzahl des Dezimalsystems diente, eine herausgehobene Rolle zu.[1] Von den Pythagoreern wurde die Zehn überdies, wie Aristoteles berichtet, wegen ihres Zusammenhangs mit der Tetraktys als „etwas Vollkommenes“ betrachtet, das „das ganze Wesen der Zahlen umfasst“.[2] Daher wurde die Zehn auch „heilige Zahl“ genannt.[3]

Die pythagoreische Kosmologie ging von der Annahme aus, dass der Kosmos nach mathematischen Regeln harmonisch geordnet ist. In dieser Weltdeutung war die Tetraktys ein Schlüsselbegriff, da sie die universelle Harmonie ausdrückte. Daher nahmen manche Pythagoreer an, dass es zehn bewegte Himmelskörper geben müsse, obwohl nur neun sichtbar waren – eine Spekulation, die ihnen Aristoteles verübelte.[4]

Die Entdeckung der Weltharmonie wurde Pythagoras von Samos, dem Begründer der pythagoreischen Tradition, zugeschrieben. Daher gab es bei den Pythagoreern eine Eidesformel, die lautete:

„Nein, bei dem, der unserer Seele die Tetraktys übergeben hat, welche die Quelle und Wurzel der ewig strömenden Natur enthält.“

Mit demjenigen, der die Tetraktys übergab, war Pythagoras gemeint.

In den „Goldenen Versen“ (carmen aureum), einem in der Antike und dann erneut in der Renaissance populären Gedicht, das die pythagoreischen Lehren zusammenfasste, steht eine etwas abweichende Fassung der Formel (Verse 47 und 48):

„Ja, bei dem, der unserer Seele die Tetraktys übergeben hat, Quelle der ewig strömenden Natur.“

Die Tetraktys wurde mit Zählsteinen (psēphoi) ausgedrückt, indem die vier Zahlen in Form eines gleichseitigen Dreiecks übereinander angeordnet wurden:

         °         
° °
° ° °
° ° ° °

Auch hierin lag eine Symbolik, da das gleichseitige Dreieck als eine vollkommene Figur galt. Die Zehn ist die vierte Dreieckszahl[5] und beinhaltet, wie Pythagoras von Samos meinte, das ganze dezimale Zahlensystem. Sie galt als vollkommen und heilig.

In der Musik stellten die Pythagoreer fest, dass die harmonischen Grundkonsonanzen Quarte, Quinte und Oktave, denen die Zahlenverhältnisse 4:3 (= 8:6), 3:2 (= 9:6) und 2:1 (= 12:6) zugeordnet wurden, mit den vier Zahlen der Tetraktys ausgedrückt werden können, ebenso wie auch zwei weitere Intervalle: die aus Oktave und Quinte bestehende Duodezime (3:1) und die Doppeloktave (4:1). Nur diese fünf Intervalle wurden als symphon anerkannt.[6] Die Undezime (8:3), die nicht in den Rahmen der Tetraktys passt, wurde also aufgrund einer theoretischen Überlegung von den konsonanten Intervallen ausgeschlossen, obwohl sie als konsonant oder zumindest nicht als dissonant wahrgenommen wird. Die Theorie der Tetraktys hatte Vorrang gegenüber der sinnlichen Wahrnehmung. Diese Vorgehensweise wurde von dem empirisch denkenden Musiktheoretiker Ptolemaios kritisiert.

Neben der Gruppe der Zahlen 1–4 gab es bei den Pythagoreern noch andere bedeutsame Vierergruppen von Zahlen, die ebenfalls Tetraktys genannt wurden. In der Musiktheorie war die Gruppe 6, 8, 9, 12 besonders wichtig, da diese Zahlen den unveränderlichen Saiten der Lyra (Hypate, Mese, Paramese, Nete) zugeordnet waren. Der Musiktheoretiker Nikomachos von Gerasa bezeichnet diese Gruppe daher als "erste" Tetraktys, wobei "erste" rangmäßig zu verstehen ist. Er gibt an, dass die 6 dem tiefsten Ton, der Hypate, entspricht, die 12 dem höchsten, der Nete.[7]

Auch in der Geometrie fand sich mit den vier Elementen Punkt, Linie (Länge), Fläche (Breite) und Körperlichkeit (Tiefe) eine Vierheit, die für die Pythagoreer auf die Tetraktys deutete. Der Punkt wurde der Eins, die Länge der Zwei, die Fläche der Drei und die Körperlichkeit der Vier zugeordnet.[8]

Der jüdische Gelehrte Philon von Alexandria verwendete das Tetraktys-Konzept bei der Kommentierung des Buches Genesis. Er bezog es auf die Erschaffung der Gestirne am vierten Schöpfungstag.

Mittelalter

Die auf dem Tetraktys-Konzept fußende pythagoreische Konsonanzlehre prägte die mittelalterliche Musiktheorie weitgehend. Die abweichende Auffassung des Ptolemaios war ebenfalls bekannt, da der spätantike Gelehrte Boëthius sie im fünften Buch seiner Schrift De institutione musica dargelegt hatte. Die Frage der Einbeziehung der Undezime in die Gruppe der Konsonanzen wurde kontrovers erörtert, wobei die pythagoreische Auffassung überwog.[9]

Neuzeitliche Rezeption

Nikolaus von Kues vertrat in seiner Schrift De coniecturis (1440) die Auffassung, dass in den Zahlen 1, 2, 3 und 4 und ihren Kombinationen alle Harmonie bestehe; er berief sich aber nicht ausdrücklich auf die pythagoreische Tradition.[10] Der Humanist Johannes Reuchlin verglich in seinem 1494 erschienenen Werk De verbo mirifico (Über das Wunder wirkende Wort) das Tetragramm, das den Gottesnamen JHWH darstellt, mit der Tetraktys. Raffael gab sie auf seinem Fresko Die Schule von Athen auf einer Tafel wieder. Auch Johannes Kepler hat sich in seinem 1619 erschienenen Werk Harmonice mundi mit der Tetraktys befasst.

Literatur

  • Charles H. Kahn: Pythagoras and the Pythagoreans, Indianapolis 2001, S. 31-36, 84f. ISBN 0-87220-576-2
  • Bartel Leendert van der Waerden: Die Pythagoreer, Zürich 1979, S. 103-109 ISBN 3-7608-3650-X
  • Paul Kucharski: Etude sur la doctrine pythagoricienne de la tétrade, Paris 1952
  • Armand Delatte: Etudes sur la littérature pythagoricienne, Paris 1915 [S. 249-268: Kapitel La tétractys pythagoricienne]
  • Theo Reiser: Das Geheimnis der pythagoreischen Tetraktys, Lambert Schneider, Heidelberg 1967

Anmerkungen

  1. Walter Burkert: Weisheit und Wissenschaft, Nürnberg 1962, S. 64.
  2. Aristoteles: Metaphysik 986a8-10.
  3. Van der Waerden (1979) S. 457f.
  4. Aristoteles: Metaphysik 986a10-15.
  5. Ganz allgemein ist die n-te Dreieckszahl die Summe der ersten n natürlichen Zahlen. Die Folge der Dreieckszahlen beginnt also: 1, 3, 6, 10, 15, 21, 28, 36, 45, 55, 66, 78, 91, 105, 120, 136, ...
  6. Leonid Zhmud: Wissenschaft, Philosophie und Religion im frühen Pythagoreismus, Berlin 1997, S. 184f. Eine der Hauptquellen ist Sextus Empiricus, Adversus Mathematicos 4, 2−9.
  7. Barbara Münxelhaus: Pythagoras musicus, Bonn 1976, S. 22-24, 26-28, 41, 71, 84f., 110, 185-191.
  8. Sextus Empiricus: Adversus Mathematicos 4,4–6.
  9. Münxelhaus (1976) S. 88-94.
  10. De coniecturis II.2 (83); siehe dazu Werner Schulze: Harmonik und Theologie bei Nikolaus Cusanus, Wien 1983, S. 70f.


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