Synoptische Evangelien

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Die Synoptiker bzw. synoptischen Evangelien (von griech. (συνόψις syn-opsis), zusammenschauen/gemeinsam schauen) nennt man die drei Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas bzw. ihre Evangelien, das Markusevangelium, das Matthäusevangelium und das Lukasevangelium im Neuen Testament. Sie beschreiben und deuten das Leben und die Lehre Jesu aus einer vergleichbaren Optik. Darum hat 1776 erstmals Johann Jakob Griesbach zum besseren Vergleich die Texte in Spalten nebeneinander abdrucken lassen, eine so genannte Synopse (Zusammenschau) produziert. Man bezeichnet deshalb die drei ersten Evangelien als synoptisch.

Das Johannesevangelium stimmt zwar in groben Zügen mit Inhalt und Aufbau der drei Synoptiker ebenfalls überein, jedoch haben die drei synoptischen Evangelien weit mehr Gemeinsamkeiten bezüglich Sprache und des gemeinsamen Textmaterials.

Erklärungsmodelle für den Zusammenhang der Synoptiker

Ein zentrales Thema bei der bibelwissenschaftlichen und exegetischen Erforschung der drei synoptischen Evangelien ist das sogenannte Synoptische Problem. Damit ist die Frage gemeint, wie die Übereinstimmungen und Unterschiede der ersten drei Evangelien in Wortlaut, Reihenfolge und Stoffauswahl erklärt werden können. Hierzu gibt es seit dem Ende des 18. Jahrhunderts verschiedene Hypothesen:

Die Urevangeliumshypothese geht davon aus, dass alle drei Synoptiker ein heute verschollenes aramäisches oder hebräisches „Nazaräerevangelium“ verwendet haben.

Die Fragmenten- oder Diegesenhypothese postuliert eine große Anzahl unabhängiger Einzelaufzeichnungen und Sammlungen von Texten, von denen manche jeweils mehrere, manche aber auch nur je ein Evangelist zur Vorlage hatte.

Die Traditionshypothese meint, dass es einen Stand der „Evangelisten“ gegeben habe, die das Evangelium mit seinen Einzelgeschichten in einem festen, auswendig gelernten Zyklus als Wanderprediger weitergaben. Diesen vorgegebenen Stoff verarbeiteten die Synoptiker je unabhängig voneinander.

Heute sind verschiedene Benutzungshypothesen vorherrschend, die eine direkte Abhängigkeit zwischen den Synoptikern postulieren.

  • Die am weitesten verbreitete Hypothese ist die Zweiquellentheorie. Demnach sei das Markusevangelium zuerst geschrieben worden. Außerdem habe eine zweite Quelle existiert, die vor allem Sprüche Jesu enthalten habe und daher als Logienquelle Q bezeichnet wird. Matthäus und Lukas hätten Markus und Q sowie weitere, je eigene Überlieferungen, so genanntes Sondergut, als Quellen verwendet. Sowohl die Logienquelle Q als auch die Quellen des Sondergutes sind rein hypothetisch; sie liegen nicht als eigenständige Texte vor.
  • Die Zwei-Evangelien-Theorie („Two-Gospel-Hypothesis“), oft auch als Griesbachhypothese bezeichnet, kann sich auf patristische Zeugnisse stützen, insbesondere auf Papias von Hierapolis. Wichtigste Vertreter dieser Hypothese waren: Johann Jakob Griesbach und David Friedrich Strauss. In überarbeiteter Form, als „Neo-Griesbach-Theorie“, wurde sie vor allem von William R. Farmer vertreten (1964). Sie ist heute im angelsächsischen Bereich verbreitet. Sie sieht das Matthäusevangelium als das älteste Evangelium. Das Lukasevangelium sei literarisch davon abhängig. Das Markusevangelium sei dann eine Zusammenfassung der beiden anderen.
  • Die Farrerhypothese wurde von Austin Farrer entwickelt. Wichtigste akademische Vertreter sind Michael Goulder[1] und Mark Goodacre.[2] Sie wird heutzutage vor allem in den USA vertreten. Nach ihr wurde Markus zuerst geschrieben und von Matthäus benutzt; Lukas griff auf beide zurück.

Die Evangelien nach Rudolf Steiner

Nach Rudolf Steiner waren sowohl die Synoptiker, als auch der Evangelist Johannes Eingeweihte, die jeweils verschiedenen Einweihungsschulen entstammten. Nur Johannes war Augenzeuge. Die übrigen Evangelienschreiber (= Synoptiker) entnahmen das Material der Akasha-Chronik. (Vgl. Friedrich Göbel: Die Evangelisten. Eine biographische Betrachtung, Vlg. Edition Die Pforte, Dornach 1995).

"So sind die Evangelien eine Erneuerung der alten Einweihungsschilderungen, der alten Einweihungs-vorschriften, und die Schreiber der Evangelien haben sich gesagt: Weil das, was sich sonst nur in den Tiefen der Mysterien zugetragen hat, sich einmal abgespielt hat auf dem großen Plan der Weltgeschichte, deshalb darf man es mit denselben Worten beschreiben, wie die Einweihungsvorschriften abgefaßt sind. Darum sind aber die Evangelien nie gemeint als äußere Biographien des Christus-Trägers. Das ist eben das Mißverständnis der modernen Evangelienforschung, daß man eine solche äußere Biographie des Jesus von Nazareth darin suchen will." (Lit.: GA 131, S. 31)

"Wenn ich selbst an die Evangelien herankomme, es mag noch so oft sein, so habe ich immer eine ganz bestimmte Empfindung, nämlich diese, daß in den Evangelien, wieweit man sie auch verstanden haben mag, was man auch aus ihnen heraus und über sie gedacht und gesagt hat – und man mag eben, ich betone das ausdrücklich, noch so oft an sie herantreten –, immer einem etwas Neues entgegentritt. Über die Evangelien lernt man nie aus. Aber dieses Lernen an den Evangelien ist mit etwas anderem verbunden; es ist damit verbunden, daß man, je weiter man sich mit ihnen beschäftigt, um so mehr Bewunderung empfindet für die Tiefe des Gehaltes, gerade für, ich möchte sagen, das Unermeßliche, in das man untertaucht und das eigentlich die Empfindung hervorruft, daß es kein Ende gibt in dieser Möglichkeit des Untertauchens, daß diese Bewunderung mit jedem Mal der Vertiefung in die Evangelien größer wird. Man hat allerdings mit Bezug auf diesen Weg einige Schwierigkeiten, die darin bestehen, daß man, wenn man einige Schritte hinein in die Evangelien gemacht hat – ich sage ausdrücklich «hinein» –, daß man über die (Text-)Überlieferung stolpert. Für den eigentlichen Geisteswissenschaftler bildet das weniger ein Hindernis, denn ihm stellt sich etwas vor Augen wie die Urevangelien mit ihrem, man möchte fast sagen, wortlosen Text, und das erleichtert dann das Nichtstolpern über die Überlieferung. Die Bewunderung, die scheint mir aber ein unerläßliches Element zu sein, wenn das Evangelienlesen für den einzelnen Menschen die Grundlage abgeben soll für ein religiöses Lehrwirken." (Lit.: GA 343, S. 190f)

Siehe auch

Literatur

  • Kurt Aland (Hrsg.): Synopsis Quattuor Evangeliorum, Deutsche Bibelgesellschaft, ISBN 978-3438051301. Textausgabe mit dem griechischen Text der 27. Auflage des NT-Graece von Nestle-Aland.
  • Walter Schmithals: Evangelien, synoptische. In: Theologische Realenzyklopädie. Band 10, 1982, S. 570–626.
  • Otto Knoch (Hrsg.): Vollständige Synopse der Evangelien. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1988, ISBN 3-920609-28-X.
  • Ferdinand R. Prostmeier: Kleine Einleitung in die synoptischen Evangelien. Herder, Freiburg u. a. 2006. ISBN 978-3-451-29056-5.

Einzelnachweise

  1. Michael Goulder: Self-Contradiction in the IQP (International Q Project). In: Journal of Biblical Literature 118, 1999, ISSN 0021-9231, S. 477–496.
  2. Mark Goodacre: The Case Against Q. Studies in Markan Priority and the Synoptic Problem. Trinity Press, Harrisburg 2002, ISBN 1-563-38334-9.